Archiv für den Monat: Juni 2025

Vereinsrecht II: Einsicht in Vereinsregisterakten, oder: Formal Beteiligter mit berechtigtem Interesse?

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Und dann auch im zweiten „Kessel-Buntes-Posting“ etwas zum Vereinsrecht, und zwar stelle ich den KG, Beschl. v. 25.02.2025 – 22 W 66/24 – zur Einsicht ins Vereinsregister vor.

Es geht um Folgendes: Der an dem Verfahren Beteiligte zu 1), der Verein ist seit 1984  im Vereinsregister eingetragen. Sein Zweck ist nach § 2 der Satzung die treuhänderische Übernahme und treuhänderische Verwaltung von unbeweglichem Vermögen sowie Forderungen und sonstigen vermögenswerten Rechten für eine Partei sowie die Wahrnehmung von deren Interessen in Grundstücksangelegenheiten. Mitglieder des Vereins sind nach § 3 Abs. 1 der Satzung die jeweiligen Mitglieder des Bundesvorstands und die jeweiligen Mitglieder der Bundesgeschäftsführung dieser Partei

Der Beteiligte zu 2) regte zunächst mit Schreiben vom 05.03.2024 gegenüber dem Registergericht die dringende Einleitung eines Verfahrens auf Löschung des Beteiligten zu 1) nach § 395 FamFG an, weil dieser seiner Auffassung nach als wirtschaftlicher Verein anzusehen sei. Nachdem das Registergericht ihm nach Anhörung des Beteiligten zu 1) mitteilte, dass und inwieweit die von ihm aufgestellten Behauptungen über Grundvermögen und Tätigkeiten nicht zutreffen, stellte er mit Schreiben vom 27.05.2024 weitere Behauptungen auf. Diesen trat der Verein wiederum mit einem dem Beteiligten zu 2) auf Bitten des Vereins nicht übersandten Schreiben entgegen. Daraufhin teilte das Registergericht mit Schreiben vom 05.08.2024 mit näherer Begründung auch zu den aufgestellten Behauptungen mit, dass die Einleitung eines Amtslöschungsverfahrens nicht gerechtfertigt sei. Zugleich teilte es weiter mit, dass der vom Beteiligten zu 2) gestellte weitergehenden Akteneinsichtsantrag, den dieser, nachdem er Einsicht in die Registerakte genommen hatte, in erster Linie auf die Übersendung der Stellungnahme des Beteiligten zu 1) vom 19.04.2024 bezog, die Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses erfordere.

Das Amtsgericht hat den Antrag auf eine solche Akteneinsicht zurückgewiesen, weil dem Beteiligten zu 2) alle Informationen weitergegeben worden seien und er sich nicht auf ein weitergehendes berechtigtes Interesse berufen könne. Daraufhin beantragte der Beteiligte zu 2) eine gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG, vorsorglich legte er auch Beschwerde gegen den Beschluss ein. Er berief sich wegen eines berechtigten Interesses auf seine nebenberufliche journalistische Tätigkeit im Bereich der Parteifinanzierung und Parteivermögen. Zudem habe er als Bürger und Wähler auch ein legitimes tatsächliches Interesse daran, Informationen über Vermögen und Finanzen der Parteien zu erhalten, erst Recht wenn dieses auf andere Rechtssubjekte ausgegliedert wird. Mit einem Beschluss vom 08.11.2024 hat das AG dem Beschluss nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Das KG hat die Beschwerde zurückgewiesen:

2. Der Antrag auf erweiterte Akteneinsicht hat aber keinen Erfolg. Der Ablehnung durch das Amtsgericht war nicht rechtswidrig, der Antragsteller wird auch nicht in seinen Rechten verletzt.

Gegenstand des Verfahrens ist allein noch die Frage, ob dem Beteiligten zu 2) unmittelbar Einsicht in die als Stellungnahmen zu den von ihm aufgestellten Behauptungen über einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des Beteiligten zu 1) eingereichten Schreiben vom 19. April 2024 und 23. Juli 2024 entgegen den Bitten des Stellungnehmenden zu gewähren ist. Denn der Beteiligte zu 2) hat bereits eine umfassende Einsicht in die Registerakte erhalten, wie sich aus seiner Stellungnahme vom 27.05.2024 ergibt. Die Akte enthielt nicht nur die nach § 79 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 66 BGB jedermann zur Einsicht zur Verfügung stehenden Unterlagen, sondern auch den weiteren Schriftverkehr, weil das Registergericht bisher nicht von der Möglichkeit nach § 7 Abs. 1 Satz 2 VRV Gebrauch gemacht hat und lediglich eine Akte führt.

Die Gewährung eines weitergehenden Akteneinsichtsrechts entgegen der Bitte des Beteiligten zu 1) kommt nicht in Betracht, weil es insoweit an einem berechtigten Interesse im Sinne des § 13 Abs. 2 FamFG fehlt.

a) Wäre der Beteiligte zu 1) als Beteiligter des vorangegangenen und mittlerweile erledigten Verfahrens nach § 395 FamFG anzusehen, wäre zwar von einem berechtigten Interesse auszugehen (vgl. dazu Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 24. Oktober 2024 – 102 VA 105/24 –, juris Rn. 30ff). Denn als berechtigtes Interesse genügt jedes vernünftigerweise gerechtfertigte Interesse tatsächlicher, wirtschaftlicher oder wissenschaftlicher Art (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 5. Oktober 2020 – I-2 Wx 219/20 –, juris Rn. 9). Der Beteiligte zu 2) war aber nicht Beteiligter im verfahrensrechtlichen Sinne des FamFG. Eine solche Beteiligtenstellung folgt nicht aus dem Umstand, dass er gegenüber dem Registergericht die Einleitung eines Verfahrens nach § 395 FamFG gegen den Beteiligten zu 1) „beantragt“ hat. Denn er selbst ist insoweit nicht antragsbefugt, so dass seine Eingabe lediglich als Anregung anzusehen war, die nicht dazu führt, dass eine Beteiligtenstellung im Sinne des § 7 FamFG erworben wird (vgl. Sternal/Sternal, FamFG, 21. Aufl., § 7 Rn. 16; MüKoFamFG/Pabst, 4. Aufl., § 7 Rn. 5). Auch im Übrigen liegen die Voraussetzungen des § 7 FamFG in der Person des Beteiligten zu 2) nicht vor. Eine Berufung auf ein allgemeines Informationsbedürfnis eines interessierten Bürgers reicht insoweit nicht aus.

Als Anregender des Verfahrens nach § 395 FamFG lässt sich ein berechtigtes Interesse nicht herleiten. Denn dem Beteiligten zu 2) sind alle von dem Beteiligten zu 1) mitgeteilten Umstände zu den von ihm aufgestellten Behauptungen übermittelt worden. Ein weitergehendes irgendwie geartetes Interesse ist nicht ersichtlich und nicht dargelegt. Dann kommt auch eine Akteneinsicht nicht in Betracht (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 5. Oktober 2020 – I-2 Wx 219/20 –, juris Rn. 9; Sternal/Sternal, FamFG, 21. Aufl., § 13 Rn. 30). Auf eine falsche oder unvollständige Wiedergabe des Inhalts der Stellungnahmen beruft sich der Beteiligte zu 2) auch nicht. Sie liegt auch nicht vor.

b) Der Beteiligte zu 2) kann sich schließlich auch nicht auf seine journalistische Tätigkeit berufen. Eine solche Tätigkeit wird allerdings durch Art. 5 Abs. 1 GG besonders geschützt. Dieser Schutz umfasst dabei auch die Informationsbeschaffung (vgl. BGH, Beschluss vom 17. August 2011 – V ZB 47/11 –, juris Rn. 6). Aus diesem Grund stehen dem Senat insoweit nur stark eingeschränkte Prüfungsmöglichkeiten zu. So hat sowohl die Qualität der journalistischen Tätigkeit unbeachtet zu bleiben, als auch die Frage, ob die erwarteten Informationen hilfreich oder notwendig sind (vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 28. August 2000 – 1 BvR 1307/91 –, juris Rn. 29). Gegen die Annahme, dass der Beteiligte zu 2) die weitergehende Akteneinsicht aufgrund seines journalistischen Interesses erstrebt, spricht aber, dass der Hinweis auf eine journalistische Tätigkeit erst in dem Moment erfolgt ist, als ihm wegen des Fehlens eines berechtigten Interesses eine weitergehende Akteneinsicht verwehrt worden ist. Die Schreiben sind darüber hinaus auch nur auf der Grundlage der von ihm aufgestellten Behauptungen im Verfahren nach § 395 FamFG erstellt worden und deshalb von ihm provoziert worden. Registerakten enthalten in der Regel keine Angaben zu den Vermögensverhältnissen und wirtschaftlichen Beziehungen der Vereine. Dann aber muss dem Betroffenen – hier dem Beteiligten zu 1) – das Recht verbleiben, einer unmittelbaren Übersendung seiner Stellungnahmen zu widersprechen. Dies gilt vor allem dann, wenn der Inhalt der Stellungnahmen bereits dem die Akteneinsicht Begehrenden bekannt gegeben worden ist.2

Und auch hier dann <<Werbemodus an>> der Hinweis auf „mein“ „Vereinsrecht“, das in Kürze in 12. Aufl. erscheint und hier vorbestellt werden kann. <<Werbemodus aus>>.

Vereinsrecht I: Online-Plattform und Kampagnen, oder: Fördert der Verein das demokratische Staatswesen?

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Heute geht es im Kessel Buntes dann mal wieder um mein „Vorkind“, also den ersten Bereich, in dem ich mich schriftstellerisch betätigt habe, und damit um das Vereinsrecht.

Dazu stelle ich zwei Entscheidungen vor. Und da fange ich „ganz oben“ an, nämlich beim BFH, der sich im BFH, Urt. v. 12.12.2024 – V R 28/23 – in Zusammenhang mit der Frage der Gemeinnützigkeit eines Vereins dazu geäußert hat, wenn eine allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens gegeben ist.

Es ging in dem Verfahren um die Klage eines ein eingetragenen Vereins, der nach seiner in den Jahren 2016 und 2017, den Streitjahren, geltenden Satzung ausschließlich und unmittelbar die „Förderung des demokratischen Staatswesens“ als gemeinnützigen Zweck im Sinne der Abgabenordnung (AO) verfolgte. Zur Verwirklichung seines Satzungszwecks unterhielt der Verein auf seiner Internetseite eine Online-Plattform, die es den Nutzern ermöglichte, verschiedenste Anliegen, die auch als „Petitionen“ oder „Kampagnen“ bezeichnet wurden, zu formulieren und zur elektronischen Abstimmung zu stellen, ohne ein Entgelt hierfür zu entrichten. Mit den Anliegen konnten grundsätzlich beliebige Forderungen, auch zur Unterstützung einzelner namentlich genannter Personen, erhoben und an staatliche und nichtstaatliche Adressaten gerichtet werden. In den Streitjahren nahm der Kläger bei Anliegen, die er für erfolgreich oder relevant hielt, direkten Kontakt zu den Personen auf, die das jeweilige Anliegen gestartet hatten, und bot ihnen Unterstützung bei der weiteren Durchführung ihrer „Kampagnen“ an. Neben der Online-Plattform stellte der Kläger auf seiner Internetseite Leitfäden, Antworten auf häufig gestellte Fragen und Schulungsvideos für Nutzer der Plattform zur Verfügung.

Das Finanzamt stellte zunächst die Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach den §§ 51, 59, 60 und 61 AO für die Streitjahre fest. In der Folgezeit erließ das FA allerdings Körperschaftsteuerbescheide für die Streitjahre, in denen es die Körperschaftsteuer jeweils auf 0 € festsetzte und die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG versagte, da der Kläger nach seiner tatsächlichen Geschäftsführung nicht ausschließlich steuerbegünstigte Zwecke verfolge. Der Betrieb der Plattform diene dann der Förderung des demokratischen Staatswesens, wenn er nur Anliegen erfasse, die sich an staatliche Stellen im Rahmen des Art. 17 des Grundgesetzes (GG) richteten, nicht aber ??wie im Fall des Klägers?? auch Anliegen ermögliche, die sich an nichtstaatliche Stellen richteten. Die Vermittlung von Wissen zur Durchführung von „Petitionen“ und „Kampagnen“ diene zwar der Volks- und Berufsbildung im Sinne des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AO. Dieser Zweck sei jedoch in der Satzung in den Streitjahren nicht genannt.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat das FG der Klage statt gegegeben. Die tatsächliche Geschäftsführung des Klägers sei auf die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens gerichtet. Dessen Förderung verlange ein aktiv werbendes Eintreten für dessen Grundsätze, erlaube aber auch eine Schwerpunktbildung. Der Begriff des „demokratischen Staatswesens“ sei an grundrechtlich verbürgten Prinzipien, Rechten und Werten auszulegen und umfasse insbesondere die Ausübung der Grundrechte, wie etwa der Meinungsfreiheit, und die sich aus dem Demokratieprinzip ergebende allgemeine demokratische Teilhabe. Da Demokratie ohne Meinungsfreiheit nicht denkbar sei, fördere der Kläger das demokratische Staatswesen in seinem Kernbereich, wofür die Förderung des Einzelnen und dessen Erfahrungen im demokratischen Prozess ??auch ohne messbare Erfolge?? genüge. Die vom FA vorgenommene Beschränkung auf Anliegen, die dem Anwendungsbereich des Art. 17 GG unterlägen, verenge den Inhalt des Begriffs des „demokratischen Staatswesens“ zu sehr und übersehe, dass der Kläger mit seiner Unterstützung der aktiven Nutzer der Plattform unmittelbar Meinungsäußerung und demokratische Teilhabe fördere. Die Tätigkeit des Klägers gehe über das Vorhalten einer „üblichen“ Social Media-Plattform hinaus. Weiter habe der Kläger mit seiner Übersicht der „Kampagnen“ verdeutlicht, sich die Inhalte der Anliegen nicht zu eigen zu machen und damit mit der nötigen geistigen Offenheit tätig zu sein. Ein Konflikt mit den Vorgaben zur Parteienfinanzierung sei danach nicht ersichtlich. Unerheblich sei, dass einzelne Anliegen Einzelinteressen verfolgt hätten, weil sich die Tätigkeit des Klägers auf die „Vorstufe“ der Meinungsäußerung zur Zielerreichung beschränke. Soweit sich durch die Nutzung der Plattform ein Bildungseffekt im Sinne von „Erfahrung gewinnen“ einstelle, sei dies lediglich eine mittelbare Folge, so dass die Tätigkeit des Klägers nicht den Tatbestand des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AO erfülle.

Auf die Revision hat der BFH das FG-Urteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.Hier der Leitsatz seiner Entscheidung:

Das Staatswesen im Sinne von § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 der Abgabenordnung kann durch die Zurverfügungstellung einer Online-Plattform gefördert werden, wenn deren Betreiber die dort zur Abstimmung gestellten Anliegen ??auch parteipolitisch?? neutral und ohne inhaltliche Wertung fördert und sich dabei innerhalb des allgemeinen Rahmens des Gemeinnützigkeitsrechts bewegt.

Der BFH hatte also keine grundsätzlichen Bedenken, eine Organisation als gemeinnützig anzuerkennen, die eine Online-Petitionsplattform zur Verfügung stellt. Voraussetzung sei aber, dass der Betreiber die dort zur Abstimmung gestellten Anliegen – auch parteipolitisch – neutral und ohne inhaltliche Wertung fördere und sich dabei innerhalb des allgemeinen Rahmens des Gemeinnützigkeitsrechts bewege. Die Plattform dürfe sich aber nicht auf Petitionen im Sinn des § 17 GG beschränken, d.h. auf Bitten oder Beschwerden an die Behörden oder Volksvertretungen. Vielmehr müssen die zur Abstimmung gestellten Anliegen auf eine öffentliche Meinungsbildung mit Bezug zur Ausübung von Staatsgewalt Einfluss nehmen sollen. Dabei könne es sich um beliebige Themen handeln, die aber geeignet sein müssen, Gegenstand einer parlamentarischen Befassung zu sein. Andernfalls verlasse der Betreiber einer Online-Plattform den Bereich der Förderung des demokratischen Staatswesens. In solchen Fälle gehe es zwar um die freie Meinungsäußerung, es fehlt aber die Förderung der der Allgemeinheit.

Und da die Fragen vom FG nicht geklärt waren und daher nicht beantwortet werden konnten, hat der BFH das FG zum „Nachsitzen“ bzw. „Nacharbeiten“ im zweiten Rechtsgang verdonnert.

Und aus dem Beitragsbild kann man erkennen, heute geht der <<Werbemodus an>>, denn demnächst erscheint mein „Vereinsrecht – Wegweiser für Vereine und Mitglieder“ in der 12. Auflage. Mann kann es hier auf der Hompepage vorbestellen. Bitte nicht irritieren lassen: Die Bestellung dort ist nocht nicht ganz angepasst. Sie wird aber als Vorbestellung behandelt.

Ich habe da mal eine Frage: Ist die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG entstanden?

© AllebaziB – Fotolia

Und dann noch die Gebührenfrage. Heute noch einmal aus dem Rechtspflegerforum:

Entsteht für den Pflichtverteidiger eine Gebühr NR. 4141 RVG, wenn das Verfahren gemäß § 154f StPO vorläufig eingestellt wird? Dürfte ja nicht, weil nur vorläufig eingestellt wird. Oder?

Falls relevant: Der Angeklagte ist langwierig und schwerwiegend erkrankt. Die StA hat sich die Sache auf ein Jahr gelegt, um den Gesundheitszustand erneut zu prüfen.“

 

Auslagenerstattung im Verwaltungsstreitverfahren, oder: Kopien aus einer Behördenakte/ Reisekosten

entnommen wikimedia.org
Urheber chris ?

Und dann etwas zu Auslagen, und zwar den VG Augsburg, Beschl. v. 16.01.2025 – Au 2 M 23.2090 – zur Dokumentenpauschale bei Fertigung von Kopien aus einer schriftlichen Behördenakte und zu Reisekosten des anwaltlichen Behördenvertreters.

Die Entscheidung hat folgenden Sachverhalt:

Die Klage des Klägers gegen einen Erschließungsbeitragsbescheid ist abgewiesen worden. Dem Kläger sind die Kosten des Verfahrens auferlegt worden. Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragte dann u.a. auch die Festsetzung von Kosten für die Anfertigung von 35 Seiten Kopien in schwarz/weiß und vier Seiten Farbkopien in Höhe von 21,50 EUR zzgl. Umsatzsteuer (= 25,58 EUR). Ferner brachte er Fahrtkosten in Höhe von 71,84 EUR für die Fahrt zum Gerichtstermin in Ansatz.

Die Urkundsbeamtin des Gerichts hat die Kosten für die Kopien nicht anerkannt. Im Zuge der elektronischen Akten dürfe davon ausgegangen werden, dass die Schriftstücke alle elektronisch erfasst und eingescannt würden. Bei den Parteiauslagen für die Wahrnehmung des Gerichtstermins werde nach § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 JVEG mit 0,35 EUR pro gefahrenem Kilometer und nicht nach Art. 6 BayRKG 0,40 EUR pro gefahrenem Kilometer abgerechnet. Für die Entschädigung von Verfahrensbeteiligten gälten die Regeln nach dem JVEG, mithin ergebe sich ein Betrag von 62,86 EUR.

Der Bevollmächtigte der Beklagten hat die Entscheidung des Gerichts beantragt, dem der Antrag nach Nichtabhilfe durch die Urkundsbeamtin zur Entscheidung vorgelegt worden ist. Der Antrag hatte Erfolg.

Hier die Leitsätze zu der Entscheidung:

1. Der Rechtsanwalt kann im Verwaltungsstreitverfahren grundsätzlich auch den Verwaltungsvorgang kopieren und ist nicht auf eine rein elektronische Ablichtung beschränkt. Es besteht keine Verpflichtung eines Rechtsanwalts zur Verwendung einer elektronischen.

2. Der Höhe nach sind Aufwendungen für Kopien aus der Behördenakte gemäß Nr. 7000 Nr. 1 Buchst. a VV RVG erstattungsfähig, soweit die Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war. Das ist aus der Sicht zu beurteilen, die ein verständiger und durchschnittlich erfahrener Prozessbevollmächtigter haben darf, wenn er sich mit der Akte beschäftigt und alle Eventualitäten bedenkt, die bei der Bearbeitung der Sache auftreten können. Insoweit kommt dem Bevollmächtigten ein gewisser Beurteilungsspielraum zu.

3. Reisekosten der Beteiligten – auch des Behördenvertreters für die Teilnahme am Termin zur mündlichen Verhandlung – sind regelmäßig erstattungsfähig.

Keine Verfahrensgebühr für die Rechtsmittelinstanz, oder: Mal wieder der „verständige Verteidiger“

Bild von Christian Dorn auf Pixabay

Am RVG-Tag dann zwei Entscheidungen aus der Instanz.

Ich beginne mit dem LG Amberg, Beschl. v. 11.04.2025 – 11 KLs 170 Js 13218/22 Sich – , der sich noch einmal zur Verfahrensgebühr in der Rechtsmittelinstanz, hier ist es die Revision, äußert.

Der Rechtsanwalt war Pflichtverteidiger des Beschuldigten. Das LG hat den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Anordnung der Unterbringung der Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus abgelehnt. Dagegen hat die Staatsanwaltschaft am 11.09.2024 Revision eingelegt. Mit Verfügung vom 05.11.2024 wurde die bis dahin nicht begründete Revision wieder zurückgenommen.

Der Pflichtverteidiger hat die Festsetzung seiner Pflichtverteidigervergütung für das vorbereitende Verfahren, das gerichtliche Verfahren des ersten Rechtszuges und das Revisionsverfahren, und zwar insoweit eine Verfahrensgebühr Nr. 4130 VV RVG nebst Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG, in Höhe von insgesamt 2.721,10 EUR beantragt. Das LG hat die Gebühren für das Revisionsverfahren nicht festgesetzt. Der dagegen gerichteten Erinnerung wurde nicht abgeholfen. Der Einzelrichter der Strafkammer hat die Erinnerung des Verteidigers dann zurückgewiesen:

„Die vom Pflichtverteidiger geltend gemachten Gebühren für das Revisionsverfahren in Höhe von 667,59 € wurden zu Recht nicht in Ansatz gebracht.

Die entsprechende Tätigkeit des Pflichtverteidigers löst keinen Erstattungsanspruch wegen der dadurch entstandenen Gebühren aus.

Für das Rechtsmittel der Revision ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass sachgerechte und zweckdienliche Tätigkeiten eines verständigen Verteidigers erst dann angezeigt sein können, wenn feststeht, dass die Staatsanwaltschaft das von ihr eingelegte Rechtsmittel nach näherer Überprüfung der Erfolgsaussichten überhaupt weiterverfolgt und wenn an Hand der Anträge und der Begründung (§ 344 StPO) das Ziel und der Umfang der Revisionsangriffe feststellbar sind. Der dann feststehende Gegenstand der Revisionsrügen ermöglicht erst eine auf den Einzelfall bezogene und das weitere Vorgehen präzisierende Beratung des Angeklagten durch den Verteidiger. Vor Zustellung einer Revisionsbegründung kann der Angeklagte sich mit seinem Verteidiger nur über potentielle und hypothetische Revisionsangriffe beraten und theoretisch eine bestimmte Verteidigungsstrategie entwerfen; eine diesbezügliche Tätigkeit des Verteidigers wäre nur spekulativ, also gerade nicht zweckentsprechend und sachgerecht (vgl. nur OLG Koblenz, Beschluss vom 03.07.2006 – 2 Ws 424/06).

Auch unter Beachtung des konkreten Einzelfalles ändert sich an dieser Beurteilung nichts. Es ist für die Kammer nicht ersichtlich, weshalb im vorliegenden Fall ausnahmsweise ein Tätigwerden des Verteidigers vor Begründung der Revision notwendig gewesen sein sollte. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass allgemeine prozessuale Fragen zum Prozessfortgang noch im Rahmen der Mandatierung des Ausgangsverfahrens zu beantworten sind, da diese Tätigkeiten – entgegen der Ansicht des Pflichtverteidigers – auch über die Verkündung des Urteils hinausgehend noch von der Gebühr des Ausgangsprozesses erfasst werden (vgl. LG Amberg, Beschluss vom 21.10.2021, Az.: 11 Qs 63/21; OLG Köln, Beschluss vom 03. Juli 2015 – III-2 Ws 400/15, Rn. 22).“

Man mag es zu der Problematik nicht mehr lesen. Auch diese Entscheidung ist leider falsch. Denn die Verfahrensgebühr für das Rechtsmittelverfahren ist in den Fällen, in denen die Staatsanwaltschaft ihr Rechtsmittel – egal ob Berufung oder Revision – vor Begründung des Rechtsmittels zurücknimmt, erstattungsfähig bzw. ist als gesetzliche Gebühr für den Pflichtverteidiger festzusetzen. Denn der Angeklagte hat ab Einlegung des Rechtsmittels durch die Staatsanwaltschaft Handlungs- und Beratungsbedarf, z.B. über den weiteren Gang des Verfahrens usw. Dieser hängt nicht etwa von der Begründung der Berufung ab und wird auch nicht von der Verfahrensgebühr für das Vorinstanzverfahren abgedeckt. Das habe ich jetzt so ofrt geschrieben, dass ich mir weitere Ausführungen dazu spare und auf die veröffentlichten Entscheidungen, die zum Teil anderer Auffasssung sind, und auf die Literatur verweise. Aber das scheint nicht zu interessieren. Warum in einen Kommentar schauen? Wir können es eh besser.

Und dann auch wieder der Hinweis auf den „verständigen“ Verteidiger. Daran stört mich schon, dass immer nur vom Verteidiger „Verständnis“ verlangt wird, nie aber vom Gericht oder von der Staatsanwaltschaft, die sich vielleicht mal eher „verständig“ überlegen sollte, ob man Rechtsmittel einlegt oder nicht und ob man nicht durch ein „spekulatives“ Rechtsmittel anderen Verfahrensbeteiligten Arbeit macht, die dann aber nicht honoriert werden soll. Die Argumentation in der Rechtsprechung (insbesondere KG, JurBüro 2012, 471 = RVGreport 2012, 187 = StRR 2011, 387 = VRR 2011, 398; OLG Köln, RVGreport 2015, 383 = AGS 2015, 511) ist an der Stelle im Übrigen nicht konsequent. Denn einerseits wird vom „verständigen Verteidiger“ erwartet, dass er vor dem Eingang der Rechtsmittelbegründung nicht nur „spekulativ“ tätig wird, also auf Mutmaßungen über Umfang und Erfolgsaussichten des Rechtsmittels“ verzichtet, andererseits wird aber davon ausgegangen, dass der Verteidiger/Rechtsanwalt das dem Angeklagten begreiflich machen kann. Wird die Tätigkeit aber erwartet, dann ist sie notwendig und nicht nutzlos. Gerade deshalb kann der Verteidiger Erstattung/Festsetzung der Verfahrensgebühr für das Rechtsmittelverfahren verlangen. Verteidigung zum „Nulltarif“ gibt es nicht. Oder: „Wer die Musik bestellt, muss sie bezahlen.“