Vereinsrecht I: Online-Plattform und Kampagnen, oder: Fördert der Verein das demokratische Staatswesen?

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Heute geht es im Kessel Buntes dann mal wieder um mein „Vorkind“, also den ersten Bereich, in dem ich mich schriftstellerisch betätigt habe, und damit um das Vereinsrecht.

Dazu stelle ich zwei Entscheidungen vor. Und da fange ich „ganz oben“ an, nämlich beim BFH, der sich im BFH, Urt. v. 12.12.2024 – V R 28/23 – in Zusammenhang mit der Frage der Gemeinnützigkeit eines Vereins dazu geäußert hat, wenn eine allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens gegeben ist.

Es ging in dem Verfahren um die Klage eines ein eingetragenen Vereins, der nach seiner in den Jahren 2016 und 2017, den Streitjahren, geltenden Satzung ausschließlich und unmittelbar die „Förderung des demokratischen Staatswesens“ als gemeinnützigen Zweck im Sinne der Abgabenordnung (AO) verfolgte. Zur Verwirklichung seines Satzungszwecks unterhielt der Verein auf seiner Internetseite eine Online-Plattform, die es den Nutzern ermöglichte, verschiedenste Anliegen, die auch als „Petitionen“ oder „Kampagnen“ bezeichnet wurden, zu formulieren und zur elektronischen Abstimmung zu stellen, ohne ein Entgelt hierfür zu entrichten. Mit den Anliegen konnten grundsätzlich beliebige Forderungen, auch zur Unterstützung einzelner namentlich genannter Personen, erhoben und an staatliche und nichtstaatliche Adressaten gerichtet werden. In den Streitjahren nahm der Kläger bei Anliegen, die er für erfolgreich oder relevant hielt, direkten Kontakt zu den Personen auf, die das jeweilige Anliegen gestartet hatten, und bot ihnen Unterstützung bei der weiteren Durchführung ihrer „Kampagnen“ an. Neben der Online-Plattform stellte der Kläger auf seiner Internetseite Leitfäden, Antworten auf häufig gestellte Fragen und Schulungsvideos für Nutzer der Plattform zur Verfügung.

Das Finanzamt stellte zunächst die Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach den §§ 51, 59, 60 und 61 AO für die Streitjahre fest. In der Folgezeit erließ das FA allerdings Körperschaftsteuerbescheide für die Streitjahre, in denen es die Körperschaftsteuer jeweils auf 0 € festsetzte und die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG versagte, da der Kläger nach seiner tatsächlichen Geschäftsführung nicht ausschließlich steuerbegünstigte Zwecke verfolge. Der Betrieb der Plattform diene dann der Förderung des demokratischen Staatswesens, wenn er nur Anliegen erfasse, die sich an staatliche Stellen im Rahmen des Art. 17 des Grundgesetzes (GG) richteten, nicht aber ??wie im Fall des Klägers?? auch Anliegen ermögliche, die sich an nichtstaatliche Stellen richteten. Die Vermittlung von Wissen zur Durchführung von „Petitionen“ und „Kampagnen“ diene zwar der Volks- und Berufsbildung im Sinne des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AO. Dieser Zweck sei jedoch in der Satzung in den Streitjahren nicht genannt.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat das FG der Klage statt gegegeben. Die tatsächliche Geschäftsführung des Klägers sei auf die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens gerichtet. Dessen Förderung verlange ein aktiv werbendes Eintreten für dessen Grundsätze, erlaube aber auch eine Schwerpunktbildung. Der Begriff des „demokratischen Staatswesens“ sei an grundrechtlich verbürgten Prinzipien, Rechten und Werten auszulegen und umfasse insbesondere die Ausübung der Grundrechte, wie etwa der Meinungsfreiheit, und die sich aus dem Demokratieprinzip ergebende allgemeine demokratische Teilhabe. Da Demokratie ohne Meinungsfreiheit nicht denkbar sei, fördere der Kläger das demokratische Staatswesen in seinem Kernbereich, wofür die Förderung des Einzelnen und dessen Erfahrungen im demokratischen Prozess ??auch ohne messbare Erfolge?? genüge. Die vom FA vorgenommene Beschränkung auf Anliegen, die dem Anwendungsbereich des Art. 17 GG unterlägen, verenge den Inhalt des Begriffs des „demokratischen Staatswesens“ zu sehr und übersehe, dass der Kläger mit seiner Unterstützung der aktiven Nutzer der Plattform unmittelbar Meinungsäußerung und demokratische Teilhabe fördere. Die Tätigkeit des Klägers gehe über das Vorhalten einer „üblichen“ Social Media-Plattform hinaus. Weiter habe der Kläger mit seiner Übersicht der „Kampagnen“ verdeutlicht, sich die Inhalte der Anliegen nicht zu eigen zu machen und damit mit der nötigen geistigen Offenheit tätig zu sein. Ein Konflikt mit den Vorgaben zur Parteienfinanzierung sei danach nicht ersichtlich. Unerheblich sei, dass einzelne Anliegen Einzelinteressen verfolgt hätten, weil sich die Tätigkeit des Klägers auf die „Vorstufe“ der Meinungsäußerung zur Zielerreichung beschränke. Soweit sich durch die Nutzung der Plattform ein Bildungseffekt im Sinne von „Erfahrung gewinnen“ einstelle, sei dies lediglich eine mittelbare Folge, so dass die Tätigkeit des Klägers nicht den Tatbestand des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AO erfülle.

Auf die Revision hat der BFH das FG-Urteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.Hier der Leitsatz seiner Entscheidung:

Das Staatswesen im Sinne von § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 der Abgabenordnung kann durch die Zurverfügungstellung einer Online-Plattform gefördert werden, wenn deren Betreiber die dort zur Abstimmung gestellten Anliegen ??auch parteipolitisch?? neutral und ohne inhaltliche Wertung fördert und sich dabei innerhalb des allgemeinen Rahmens des Gemeinnützigkeitsrechts bewegt.

Der BFH hatte also keine grundsätzlichen Bedenken, eine Organisation als gemeinnützig anzuerkennen, die eine Online-Petitionsplattform zur Verfügung stellt. Voraussetzung sei aber, dass der Betreiber die dort zur Abstimmung gestellten Anliegen – auch parteipolitisch – neutral und ohne inhaltliche Wertung fördere und sich dabei innerhalb des allgemeinen Rahmens des Gemeinnützigkeitsrechts bewege. Die Plattform dürfe sich aber nicht auf Petitionen im Sinn des § 17 GG beschränken, d.h. auf Bitten oder Beschwerden an die Behörden oder Volksvertretungen. Vielmehr müssen die zur Abstimmung gestellten Anliegen auf eine öffentliche Meinungsbildung mit Bezug zur Ausübung von Staatsgewalt Einfluss nehmen sollen. Dabei könne es sich um beliebige Themen handeln, die aber geeignet sein müssen, Gegenstand einer parlamentarischen Befassung zu sein. Andernfalls verlasse der Betreiber einer Online-Plattform den Bereich der Förderung des demokratischen Staatswesens. In solchen Fälle gehe es zwar um die freie Meinungsäußerung, es fehlt aber die Förderung der der Allgemeinheit.

Und da die Fragen vom FG nicht geklärt waren und daher nicht beantwortet werden konnten, hat der BFH das FG zum „Nachsitzen“ bzw. „Nacharbeiten“ im zweiten Rechtsgang verdonnert.

Und aus dem Beitragsbild kann man erkennen, heute geht der <<Werbemodus an>>, denn demnächst erscheint mein „Vereinsrecht – Wegweiser für Vereine und Mitglieder“ in der 12. Auflage. Mann kann es hier auf der Hompepage vorbestellen. Bitte nicht irritieren lassen: Die Bestellung dort ist nocht nicht ganz angepasst. Sie wird aber als Vorbestellung behandelt.

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