Archiv für den Monat: August 2011

Verteidigerausschluss – ist nicht so ganz einfach

Der Ausschluss des Verteidigers nach den §§ 138a ff. StPO ist an verhältnismäßig strenge Voraussetzungen geknüpft. Und in der Praxis ist es auch für die vorlegende Staatsanwaltschaft nicht so ganz einfach, diese Hürden zu überspringen. Das gilt nicht so sehr und in erster Linie für die Ausschlussgründe, sondern vielmehr und vornehmlich auch für die formalen Voraussetzungen des Ausschließungsantrags. Denn an den werden in der Rechtsprechung hohe Anforderungen gestellt.

Damit hat sich jetzt auch noch einmal das OLG Bamberg, Beschl. v. 01.08.2011 – 1 Ws 378/11 auseinandergesetzt. Der Leitsatz zu den Anforderungen:

Der auf Ausschließung des Verteidigers aus dem Verfahren gerichtete Antrag muss hinsichtlich seiner Zulässigkeit inhaltlichen Mindestanforderungen genügen. Dazu gehört bei einem Antrag, der auf den Tatbestand der versuchten Strafvereitelung gestützt ist, dass in der Begründung die für die Annahme einer Strafvereitelung durch einen Strafverteidiger erforderlichen besonderen inneren Tatbestandsmerkmale dargelegt und die Beweismittel genauestens bezeichnet werden, aus denen der Rückschluss auf die Verwirklichung des subjektiven Tatbestands gezogen werden soll.

Gemeint ist damit, dass der Antrag in etwa den Anforderungen genügen muss, die z.B. an einen sog. Klageerzwingungsantrag gestellt werden (§ 172 StPO). Da sehen die Ermittlungsbehörden dann, dass es gar nicht so einfach ist, diese hohen Anforderungen zu erfüllen.

Der (weg)rollende Einkaufswagen

Manchmal ist es ja schon eigenartig. Da ist es monatelang „ruhig“ und es gibt kaum Rechtsprechung zu einer Vorschrift, die an sich eine große Rolle in der Praxis spielt. Und dann auf einmal „prasseln“ die Entscheidungen nur so rein (na ja, so in etwa). So zur Zeit bei § 142 StGB, also unerlaubtes Entfernen vom Unfallort. Nach dem OLG Köln nun auch das LG Düsseldorf. Das hat sich zum wegrollenden Einkaufswagen geäußert und den Angeklagten frei gesprochen.

Sachverhalt wie folgt: Der Angeklagte begibt sich nach einem Einkauf mit zwei Einkaufswagen zu seinem auf einem Parkplatz dem abgestellten Lkw. Beim Ausladen eines der Einkaufswagen gerät der andere Einkaufswagen selbstständig ins Rollen und prallt gegen einen in einer gegenüberliegenden Parklücke abgestellten Pkw, an dem dadurch ein Sachschaden in Höhe von rund 1.500 € entsteht. Der Angeklagte holt den den Einkaufswagen zurück und verlässt, obwohl er die Beschädigung des Pkw wahrgenommen hatte, den Parkplatz.

Das LG Düsseldorf, Urt. v. 06.05.2011 – 29 Ns 3/11 verneint einen Verstoß gegen § 142 StGB mit der Begründung, dass kein Unfall i.S. des § 142 StGB vorgelegen habe, da sich in dem schädigenden Ereignis keine typische Gefahr des Straßenverkehrs verwirklicht habe. Die wohl h.M. sieht das in den Fällen wohl anders und kann bzw. muss man m.E. auch wohl anders sehen. Denn die Unterscheidung des LG zwischen „Fortbewegungsverkehr“ und „ruhendem Verkehr“ ergibt sich m.E. nicht aus § 142 StGB. Das OLG Köln hat das gerade für Be- und Entladen auch anders gesehen.

Ich bin gespannt, wie das OLG Düsseldorf das sehen wird. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass die StA diesen Freispruch „schluckt“.

Die Entscheidung ist aber natürlich „Argumentationshilfe“ bei der Verteidigung in vergleichbaren Fällen.

Was wird aus dem nicht vollzogenen Haftbefehl…

wenn Rechtskraft eintritt? Wird er gegenstandslos oder was passiert? Zu der damit zusammenhängenden Problematik des Übergang von Untersuchungshaft in Strafhaft befasst sich der lesenswerte KG, Beschl. v. 17.06.2011 – 2 Ws 219/11.

Das KG geht in dem Beschluss davon aus, dass – so auch die h.M. – die Untersuchungshaft bei Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung automatisch in Strafhaft übergeht. Grundlage der Strafvollstreckung ist dann das rechtskräftige Urteil, welches mit Rechtskraft ohne Weiteres die angeordneten Rechtsfolgen eintreten lässt. Der Haftbefehl wird insoweit gegenstandslos.

Das gilt nach Auffassung des KG jedoch nicht in den Fällen, in denen der Haftbefehl gegen Auflagen bereits außer Vollzug gesetzt war. Um insoweit den Zweck der Untersuchungshaft, nämlich die Sicherstellung der Strafvollstreckung, zu gewährleisten, sei der Haftbefehl weiterhin Grundlage für die nach wie vor geltenden Haftverschonungsauflagen (so früher auch schon OLG Karlsruhe MDR 1980, 598; LG Stuttgart StRR 2009, 118).

Bestehen auf Erscheinen in der HV – Besorgnis der Befangenheit

Eine in der Praxis gar nicht so seltene Konstellation: Der Amtsrichter lehnt den Antrag des Betroffenen vom Erscheinen in der HV entbunden zu werden (zweimal) ab. Der Betroffene gibt sich damit nicht zufrieden und reagiert mit einem Befangenheitsantrag. Und der hatte beim AG Fulda Erfolg. Dieses sagt in AG Fulda, Beschl. v. 15.08.2011 – 25 OWi. – 34 Js 1906/11:

Die Ablehnung der Richterin ist zulässig und begründet (§ 71 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 24 StPO).

Die Besorgnis der Befangenheit im Sinne von § 24 Abs. 2 StPO besteht nunmehr. Dem Antrag eines Betroffenen, ihn von der Teilnahme zu entbinden, wenn er die Fahrereigenschaft eingeräumt aber angekündigt hat, nichts weiter auszusagen, ist grundsätzlich zu entsprechen. Im vorliegenden Fall war zunächst zwar von einem wankelmütigen Betroffenen auszugehen, dessen persönliche Vernehmung sogar vom Unterbevollmächtigten im Termin am 18.5.2011 ausdrücklich beantragt worden war. Nachdem aber mit Schreiben vom 30.6.2011 erneut die Entbindung der Pflicht zum persönlichen Erscheinen beantragt wurde, war diesem Antrag zu entsprechen (OLG Stuttgart, 12.4.2007, 4 Ss 163/2007, zitiert nach Juris). Die Richterin konnte jetzt nämlich nicht mehr davon ausgehen, dass sich der Betroffene vielleicht doch noch zu einer ergänzenden Aussage entschließen würde. Seine Anwesenheit kann nicht erzwungen werden. Wenn nach dem bisherigen Verfahrensverlauf die Richterin dennoch auf einem Erscheinen in der Hauptverhandlung besteht, kann dies auch bei einem besonnenen Angeklagten den Eindruck erwecken, die Richterin wolle ihn durch die erzwungene Anwesenheit zu einer weitergehenden Aussage oder aber wegen des weiten Weges zu einer Einspruchsrückname veranlassen.“

Ähnlich hatte im vergangenen Jahr bereits das AG Recklinghausen entschieden.

Streit beim BGH: Raum gegen Fischer

Spiegel-Online meldet – ich hatte es neulich auch schon in der SZ gelesen: Streit beim BGH um den Posten des Vorsitzenden des 2. Strafsenats, den das BMJ auf Vorschlag des Präsidenten des BGH mit dem Bundesrichter Raum besetzen will. Dagegen hat RiBGH Fischer (ja, der Fischer vom StGB-Kommentar) Konkurrentenklage eingereicht. Da ist dann jetzt „Stimmung in der Bude“. Aber zum Glück trifft man sich ja wohl nicht täglich. Denn der eine Kandidat sitzt in Karlsruhe, der andere als Mitglied des 5. Strafsenats in Leipzig.