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Verkehrsrecht II: „Bedeutender Fremdschaden“?, oder: Grenze in Hamburg bei 1.800 EUR

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Die zweite Entscheidung kommt mit dem LG Hamburg, Beschl. v. 09.08.2023 – 612 Qs 75/23 – aus Hamburg. Gegenstand der Entscheidung ist die Frage nach einem bedeutenden Schaden an fremden Sachen i.S. des § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB. Das LG geht von 1.800 EUR aus. Begründung:

„1. Das Regelbeispiel des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ist nicht verwirklicht. Danach ist von der Ungeeignetheit eines Täters zum Führen eines Kraftfahrzeugs auszugehen, wenn dieser sich unerlaubt vom Unfallort entfernt, obwohl er weiß oder wissen kann, dass bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist. Entgegen der Annahme des Amtsgerichts ist am Pkw des Zeugen D. mit 1.625,25 Euro (vgl. Kfz-Haftpflichtschadensgutachten des Autotax-Expert e.K. vom 13.10.2022, Bl. 34 ff. d.A.) kein bedeutender Schaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB entstanden. Zwar haben die Verkehrsbeschwerdekammern des Landgerichts Hamburg bislang einen bedeutenden Fremdschaden ab einer Wertgrenze von 1.500,00 Euro angenommen (st. Rspr. seit dem Beschluss des LG Hamburg vom 01.02.2007 zum Az. 603 Qs 54/07, BeckRS 2008, 11566). Jedoch sind bei der Beurteilung eines Schadens als bedeutend im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB auch die fortschreitende Entwicklung der Reparaturkosten und die Einkommensentwicklung zu berücksichtigen (vgl. bereits LG Hamburg, Beschluss vom 19.07.1991, Az.: 603 Qs 607/91 Rn. 9, zitiert nach juris). Bereits aus diesem Grunde erscheint eine Anhebung der Wertgrenze mittlerweile angebracht. Zudem sollte die Wertgrenze deshalb nicht zu niedrig bemessen werden, weil sonst die Relation zu den anderen Merkmalen „Tötung oder nicht unerhebliche Verletzung eines Menschen“ nicht gewahrt wäre (von Heintschel-Heinegg/Huber in Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2020, § 69 Rn. 72). Ausgehend davon haben sich sämtliche Verkehrsbeschwerdekammern des Landgerichts Hamburg darauf verständigt, den Wert, ab welchem ein bedeutender Schaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB anzunehmen ist, auf 1.800,00 Euro anzuheben. Diese moderate Erhöhung trägt der allgemeinen Preissteigerung (allein im Jahr 2022 stiegen die Verbraucherpreise im Schnitt um 7,9%, vgl. https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/01/PD23_022_611.html#:~:text=022%20vom%2017.,Januar%202023&text=WIESBADEN%20%E2%80%93%20Die%20Verbraucherpreise%20in%20Deutschland,als%20in%20den%20vorangegangenen%20Jahren, zuletzt abgerufen am 08.08.2023) Rechnung und setzt die Merkmale „Tötung oder nicht unerhebliche Verletzung eines Menschen“ und „bedeutender Schaden“ in ein dem Telos des Regelbeispiels entsprechendes Verhältnis.“

Fahrerlaubnis II: Unerlaubtes Entfernen vom Unfall, oder: Keine FE-Entziehung im „Sonderfall“

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Und als zweite Entscheidung des Tages dann ein weiterer Beschluss zur Entziehung der Fahrerlaubnis nach unerlaubtem Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB). Das AG Wuppertal hat im AG Wuppertal, Beschl. v. 14.04.2022 – 27 Gs 15/22 – die Voraussetzungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis (in einem Sonderfall) verneint:

„Zwar besteht vorliegend gegen die Beschuldigte der dringende Tatverdacht des unerlaubten Entfernens vom Unfallort gemäß § 142 Abs 1 Nr. 1 StGB. Die Verwirklichung dieses Tatbestands indiziert gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 3 In der Regel die Ungeeignetheit zum Führen eines Kraftfahrzeugs mit der Folge, dass im Falle einer Verurteilung die Fahrerlaubnis entzogen werden würde.

Weitere Voraussetzung ist jedoch, dass der Täter weiß oder wissen kann, dass an fremden Sachen ein bedeutender Schaden eingetreten ist. Diese Voraussetzung ist vorliegend schon nicht gegeben. Denn die Staatsanwaltschaft selbst ging zunächst von einer unklaren Schadenshöhe und einem nicht zwingend bedeutenden Schaden aus, wie sich aus dem Vermerk auf Bl. 38 d.A. ergibt. Danach wurde der Schaden auf mindestens 1.250,00 EUR geschätzt, nicht jedoch mindestens 1.500,00 EUR. Die Beschuldigte hatte keine anderen Erkenntnisquellen zur Verfügung und musste demnach nicht von einem bedeutenden Schaden ausgehen.

Darüber hinaus liegt hier ein atypischer Fall vor, der die Regelwirkung gerade nicht zeitigt. Denn die Beschuldigte hat vor dem Entfernen vom Unfallort Kontakt mit einem Mitarbeiter der Tankstelle gehabt, der sich ihr Kennzeichen notierte und dem sie mitteilte, kurz ihren Enkel wegbringen zu wollen und danach sofort zum Unfallort zurückzukehren. Etwa eine halbe Stunde später kehrte die Beschuldigte wie angekündigt an den Unfallort zurück. Ihre Tatbeteiligung stellte sie zu keinem Zeitpunkt in Abrede. Letztlich war das durch § 142 StGB geschützte Rechtsgut, nämlich das Interesse des Unfallgegners an einer Regulierung des Schadens, nicht gefährdet.

Vor diesem Hintergrund sind keine dringenden Gründe vorhanden für die Annahme, dass die Fahrerlaubnis als Ergebnis des Strafverfahrens entzogen werden wird. Auch erfordert es die Sicherheit der Allgemeinheit nicht, die Fahrerlaubnis der Beschuldigten vorläufig zu entziehen.“

Fahrerlaubnis I: Entziehung der FE nach „Unfallflucht“, oder: Wertgrenze für den „bedeutenden Schaden“

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Den Tag heute widme 🙂 ich dann Entscheidungen zur Fahrerlaubnis/zum Fahrverbot.

Ich beginne die Berichterstattung mit dem OLG Hamm, Beschl. v. 05.04.2022 – 5 RVs 31/22. Ergangen in einer Verkehrsstrafsache, in der das LG in der Berufung betreffend eine Verurteilung wegen „Verkehrsunfallflucht“, die Fahrerlaubnis entzogen und zugleich eine Sperre für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis von sechs Monaten angeordnet hat. Hinsichtlich des Entzugs der Fahrerlaubnis ist das Landgericht davon ausgegangen, dass das Regelbeispiel des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB erfüllt sei, da an dem geschädigten Fahrzeug ein Schaden von bedeutendem Wert entstanden sei. Diesbezüglich hat das LG festgestellt, dass sich der vordere Stoßfänger des Fahrzeugs des Angeklagten und das Heck des Geschädigtenfahrzeugs beim Ausrangieren aus einer Parklücke ineinander verhakten und sich der Sachschaden an dem zuvor unbeschädigten Fahrzeug eines Zeugen A auf 1.768,86 EUR belaufe. Seine Überzeugungsbildung hat das LG auf den in der Hauptverhandlung verlesenen Kostenvoranschlag gestützt.

Das OLG hat den Rechtsfolgenausspruch aufgehoben:

„2. Der Rechtsfolgenausspruch kann bezüglich des unerlaubten Entfernens vom Unfallort hingegen insgesamt keinen Bestand haben, da die Urteilsfeststellungen zur Schadenshöhe an einem Darlegungsmangel leiden.

Gemäß § 69 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 StGB liegt ein Regelfall der Fahrerlaubnisentziehung wegen charakterlicher Ungeeignetheit vor, wenn der Täter eines unerlaubten Entfernens vom Unfallort im Sinne von § 142 StGB weiß oder wissen kann, dass durch den Unfall an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist.

a) Ob ein bedeutender Schaden vorliegt, beurteilt sich nach der Höhe des Betrages, um den das Vermögen des Geschädigten als direkte Folge des Unfalls vermindert wird (KG Berlin, Beschluss vom 03.08.2021 – (3) 121 Ss 60/21 (32/21) -, Rn. 22 – 24, juris m.w.N.). Da bei der Bemessung dieser Schadensgrenze nur diejenigen Schadenspositionen berücksichtigungsfähig sind, die zivilrechtlich erstattungsfähig sind, muss das Tatgericht jedenfalls bei Unfallgeschehen, bei denen – wie hier – nicht bereits von vornherein ersichtlich ist, dass ein bedeutender Schaden entstanden ist (KG Berlin, Beschluss vom 03.08.2021 – (3) 121 Ss 60/21 (32/21) -, Rn. 22 – 24, juris m.w.N.), nicht nur mitteilen, welche unfallbedingten Fremdschäden entstanden sind, sondern auch, wie diese wertmäßig zu beziffern sind. Dies kann regelmäßig etwa durch (gedrängte) Wiedergabe eines entsprechenden schriftlichen Kfz-Sachverständigengutachtens geschehen (KG Berlin, Beschluss vom 03.08.2021 – (3) 121 Ss 60/21 (32/21) -, Rn. 22 – 24, juris m.w.N.).

Den vorbeschriebenen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Das Landgericht teilt lediglich mit, dass sich das Fahrzeug des Angeklagten im Bereich des vorderen Stoßfängers mit dem Heck des geschädigten Fahrzeugs verhakte und hierdurch ein Sachschaden in Höhe von 1.768,85 EUR entstand. Diese Schadenssumme liegt nur geringfügig über der für den Schadensbetrag maßgeblichen Grenze, die im Hinblick auf die allgemeine Preissteigerung jedenfalls nicht unter 1.500 EUR anzusetzen ist (im Jahr 2014 noch für 1.300 EUR: OLG Hamm Beschluss vom 6.11.2014 – 5 RVs 98/14, BeckRS 2015, 921 Rn. 21, beck-online). Da sich bei einem derartigen Unfallgeschehen ein bedeutender Fremdschaden nicht aufdrängt, hätte es daher einer (gedrängten) Darstellung der in Ansatz gebrachten Kostenpositionen zumindest auf Basis eines aussagekräftigen Kostenvoranschlags bedurft, um den Senat in die Lage zu versetzen, die Erstattungsfähigkeit der Kosten bzw. ihre Berücksichtigungsfähigkeit im Rahmen der Bewertung des bedeutenden Schadens (also z.B. nicht: Mietwagenkosten, vgl. Fischer, 69. Aufl. 2022, § 69 StGB Rn.27) zu überprüfen.“

Verkehrsrecht II: Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, oder: 260 m von Unfallstelle entfernt nicht „Unfallort“

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Author Harald Wolfgang Schmidt at de.wikipedia

Die zweite Entscheidung grieft noch einmal eine Problematik der „Unfallflucht“ auf, nämlich Die Frage: War das (noch) der „Unfallort“, von dem sich der Beschuldigte entfernt hat. Dazu der LG Lübeck, Beschl. v. 07.09.2021 – 4 Qs 164/21, den mir der Kollege T. Frings aus Itzehoe geschickt hat:

„Aus den bisherigen Ermittlungen ergibt sich, dass die Beschuldigte pp. am pp. 2021 ein Fahrzeuggespann, bestehend aus einem Audi Q7 und einem Anhänger, der Platz für zwei hintereinander stehende Pkw bot, führte. Sie befuhr die Kolberger Straße in Lübeck und wollte nach links in die Stargardstraße einbiegen. Sie musste warten, da dichter Verkehr herrschte. Der Fahrer eines ihr entgegenkommenden Taxis bremste ab, um ihr das Abbiegen zu ermöglichen. Bei dem Abbiegevorgang streifte ihr Anhänger einen gegenüber des Einmündungsbereiches der Stargardstraße geparkten Pkw Fiat Panda und verursachte daran auf einer Länge von 190 cm starke Schrammen, starke Dellen und Schmutzrückstände. Der Anhänger selbst wurde dabei nicht beschädigt. Die Beschuldigte setzte ihre Fahrt in die Stargardstraße fort. Der Taxifahrer sowie die Fahrerin des Fahrzeuges, das sich hinter der Beschuldigten auf der Kolberger Straße befand, hatten den Unfall wahrgenommen und sprachen darüber. Der Taxifahrer bog sodann ebenfalls in die Stargardstraße ein, wo er auf die Beschuldigte und ihren Beifahrer pp. traf und sie auf den Unfall ansprach. Zudem informierte er die Polizei.

Bei dem Taxifahrer handelt es sich um den Zeugen pp. Er hat bekundet, er sei durch das Geräusch und die weitere Zeugin auf den Unfall aufmerksam geworden. Die Beschuldigte sei etwa 100 Meter in die Stargardstraße hineingefahren. Er habe ihr und ihrem Begleiter gesagt, dass sie einen Unfall verursacht hätten. Diese hätten geantwortet, dass sie sich darum kümmern würden.

Mit Beschluss vom 14.06.2021 hat das Amtsgericht Lübeck der Beschuldigten pp. gemäß §§ 111a StPO, 69 StGB vorläufig die Fahrerlaubnis entzogen und ihren Führerschein beschlagnahmt. ….

Hiergegen hat die Beschuldigte mit Schriftsatz ihres Verteidigers vom 1.8.06.2021 Beschwerde eingelegt. Sie hat sich dahingehend eingelassen, den Unfall nicht bemerkt zu haben. Sie sei die Stargardstraße bis zum Ende durchgefahren, habe gewendet und einige Meter vor dem Parkplatz in Höhe der Hausnummer 3 angehalten. Auf dem Parkplatz habe sie ein Fahrzeug gekauft und auf ihren Anhänger geladen. Etwa 20 Minuten nach dem Einbiegen in die Stargardstaße sei der Taxifahrer erschienen und habe sie über den Unfall informiert. Er habe gesagt, dass er bereits die Polizei informiert habe und sie sich um nichts weiter kümmern müsse. Mit ihrem Einverständnis habe er den Anhänger fotografiert. Sie und ihr Begleiter hätten in der Folgezeit den Einmündungsbereich Stargardstraße/Kolbergerstraße aufgesucht, wo sich jedoch keine Personen befunden hätten. Daraufhin hätten sie ihre Fahrt fortgesetzt.

Die Beschuldigte hat ein von pp. unterzeichnetes Schriftstück vorgelegt. Darin heißt es, die Beschuldigte habe das andere Fahrzeug unbemerkt gestreift. Das Ziel ihrer Fahrt habe sich etwa 500 Meter von der Unfallstelle befunden. Nach etwa 15 Minuten sei der Taxifahrer erschienen und habe sie über den Unfall informiert. Er habe Fotos von den Kennzeichen des Zugfahrzeuges und des Anhängers gemacht und gesagt, dass Zeugen den Unfall schon bei der Polizei gemeldet hätten. Einige Minuten später sei die Beschuldigte mit ihm zur Unfallstelle gefahren, wo weder der Halter des beschädigten Fahrzeuges noch Zeugen gewesen seien. Etwa zehn Minuten später seien sie nach Hause gefahren.

II.

Die Beschwerde der Beschuldigten ist zulässig und begründet.

Aus Sicht der Kammer besteht kein dringender Tatverdacht dahingehend, dass die Beschuldigte pp. den Unfall unmittelbar wahrnahm. Es erscheint nachvollziehbar, dass sie inmitten des starken Verkehrs und mit einem Beifahrer im Fahrzeug nicht bemerkt haben könnte, dass ihr sehr langer Anhänger ein geparktes Fahrzeug streifte. Auch wenn der Fahrer des ihr entgegenkommenden Taxis ein Geräusch wahrnahm, muss dies nicht auch auf die Beschuldigte zutreffen. So könnte der Taxifahrer mit offenem Fenster gefahren sein, die Beschuldigte aber nicht.

Soweit die Beschuldigte von dem Zeugen pp. auf den Unfall angesprochen wurde, kann dies geschehen sein, nachdem sie sich bereits vom Unfallort entfernt hatte. Das Entfernen nicht vom Unfallort selbst, sondern von einem anderen Ort, an welchem der Täter erstmals von dem Unfall erfuhr, erfüllt nicht den Tatbestand des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB (BGH NStZ 2011, 209). Wenn die Beschuldigte, ihrer Einlassung entsprechend, die Stargardstraße bis zum Ende fuhr, um dort zu wenden, entfernte sie sich laut „Google Maps“ rund 260 Meter von der Unfallstelle, wobei sie sich infolge einer Kurve auch nicht mehr in Sichtweite befand. Hier bestand kein unmittelbarer räumlicher Bezug zu dem Unfallgeschehen mehr. Für feststellungsbereite Personen wäre sie hier nicht als warte- und auskunftspflichtig zu erkennen gewesen. „

Verkehrsrecht II: War der Feldweg öffentlich?, oder: Trunkenheitsfahrt/Unfallflucht und „Zäsurwirkung“

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Im zweiten Posting stelle ich zwei Entscheidungen vor, die Fragen behandeln, die immer wieder im Verkehrsrecht eine Rolle spielen.

Zunächst geht es um den BGH, Beschl. v. 01.12.2020 – 4 StR 519/19 – zur Frage der „Öffentlichkeit“, und zwar betreffend einen Feldweg:

„a) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hantierte der Angeklagte, ein Landwirt, hinter einem am Rand eines Feldweges abgestellten Gespann aus Traktor und Anhänger mit einer Schaufel. Dabei bewegte er die Schaufel in die Wegbreite hinein, ohne sich zuvor vergewissert zu haben, ob der Weg frei war. Der Nebenkläger, der in diesem Moment mit seinem Geländemotorrad das Gespann passierte, prallte mit seinem Helm gegen das Schaufelblatt, stürzte und verletzte sich erheblich. Ein nachfolgender Begleiter des Nebenklägers stürzte ebenfalls, als er dem Nebenkläger auswich, blieb aber unverletzt.

b) Diese Feststellungen tragen nicht nur die vom Landgericht ausgeurteilte fahrlässige Körperverletzung. Tateinheitlich verwirklicht ist außerdem der Tatbestand des fahrlässigen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 5 StGB, indem der Angeklagte fahrlässig ein Hindernis bereitete und dadurch ebenfalls fahrlässig die Sicherheit des Straßenverkehrs beeinträchtigte.

Insbesondere war der Feldweg, auf dem sich die Tat ereignete, dem öffentlichen Verkehrsraum zuzurechnen. Nach st. Rspr. ist ein Verkehrsraum dann öffentlich, wenn er entweder ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten für jedermann oder aber zumindest für eine allgemein bestimmte größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen ist und auch so benutzt wird (BGH, Urteil vom 4. März 2004 – 4 StR 377/03, BGHSt 49, 128 mwN). Nach den Feststellungen traf dies zu, da der Weg jedenfalls durch Fahrradfahrer und Fußgänger genutzt werden durfte und auch tatsächlich „durch berechtigte als auch durch unberechtigte Kradfahrer“ genutzt wurde. Ob der Nebenkläger berechtigt war, den Weg als Motorradfahrer zu nutzen, ist demgegenüber ohne Bedeutung. Die Voraussetzungen der subjektiven Tatseite hat das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt.“

Und in der zweiten Entscheidung, dem KG, Beschl. v. 12.02.2021 – 3 Ss 5/21 – hat das KG (noch einmal) zu den Anforderungen an die Feststellung relativer Fahrunsicherheit Stellung genommen – insoweit verweise ich auf den Volltext – und zur Verhältnis: fahrlässige Trunkenheit/unerlaubtes Entfernen/Weiterfahren. Dazu das KG:

„2. Die Feststellungen rechtfertigen auch die Verurteilung wegen zunächst fahrlässig und hiernach tatmehrheitlich (§ 53 StGB) verwirklichter vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr. Die durch BGHSt 21, 203 entwickelte und seither gefestigte Rechtsprechung ist auch hier anwendbar. Danach endet die Dauerstraftat der Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB) regelmäßig, wenn sich der Täter nach einem von ihm verursachten Unfall zur Flucht entschließt, so dass die im Zustand der Fahrunsicherheit erfolgende Weiterfahrt eine rechtlich selbstständige Handlung darstellt.

Zwar bildete das vom Angeklagten alkoholbedingt herbeigeführte Unfallgeschehen hier keinen Unfall im Rechtssinne; hierzu fehlte es am wirtschaftlichen Schaden. Der tiefere Grund der gefestigten Rechtsprechung liegt aber nicht im wirtschaftlichen, sondern im kognitiven und im normativen Bereich: Die Erkenntnis, einen relevanten Fahrfehler begangen zu haben, lässt den Normappell neu wirken und begründet einen neuen Tatentschluss. Dass sich der Täter „nunmehr sowohl im äußeren Geschehen wie in seiner geistig-seelischen Verfassung vor eine neue Lage gestellt“ sieht (vgl. BGHSt 21, 203), gilt sowohl für den Unfall im Rechtssinne (mit nicht nur völlig belanglosem Schaden) als auch für jeden Fahrfehler, der dem zunächst fahrlässig Fahrunsicheren nunmehr die Erkenntnis verleiht, infolge des Alkoholkonsums nicht mehr fahren zu können und zu dürfen. So lag der Fall hier, als der angetrunkene Angeklagte einer Kurve nicht folgen konnte und gegen einen auf der Gegenfahrbahn abgeparkten Anhänger stieß. Die Verurteilung wegen zweier tatmehrheitlicher Vergehen nach § 316 Abs. 1 und § 316 Abs. 2 StGB ist daher frei von Rechtsfehlern.“