Archiv für den Monat: Juni 2010

Der BGH und der neue § 31 BtMG

Dre BGH hat jetzt in zwei Entscheidungen zur Anwendung des neuen § 31 BtmG und zur Anwendung des alten Rechts Stellung genommen, vgl. hier den Beschl. v. 18.03.2010 – 3 StR 65/10 und Beschl. v. 27.04.2010 – 3 StR 79/10; zum ersten Beschl. vgl. bereits hier.

Aus den beiden (identischen) Entscheidungen lässt sich folgern: In allen Betäubungsmittelverfahren, bei denen die Tat vor dem 01.09.2009 begangen wurde, kann auch noch durch Offenbarungen in der Hauptverhandlung Aufklärungshilfe geleistet werden. Art. 316d EGStGB steht dem nicht entgegen. Die erstrebte Strafrahmenverschiebung scheitert nicht an § 31 Satz 2 BtMG n.F., § 46b Abs. 3 StGB (dazu demnächst mehr im StRR); vgl. auch noch den Kollegen Ratzka hier.

Tutto finito: Schärfere Promille-Grenze für Radler

Die „Westfälischen Nachrichten“ berichten heute über Vorschläge zur Verschärfung der Promillegrenze für Radfahrer, wohl nicht nur in Münster, sondern landes-/bundesweit. Gefordert wird, dass Radfahren ab 0,8 oder 1,0 Promille künftig als Ordnungswidrigkeit geahndet werden soll.

Na, bei der Vielzahl von Radfahrern in Münster, tun sich da für die münsterischen Kollegen neue Betätigungsfelder auf. Womit ich natürlich nicht sagen will, dass alle Radfahrer hier angetrunken fahren. Übrigens die Forderung kommt vom 9. Deutschen Verkehrsexpertentag; vgl. zum Programm hier.

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt… oder: Ist das nicht doch schofel?

Eine Kollegin berichtet gerade in der Mailing-Liste der ARGE Strafrecht über einen Beschluss des OLG Hamburg, der weit reichende Folgen hat.

Das OLG Hamburg hatte bisher auch die Auffassung vertreten, dass die Beiordnung zum Pflichtverteidiger auch regelmäßig die Vertretung im Adhäsionsverfahren erfasst und damit ein Antrag nach § 404 Abs. 5 StPO nicht erforderlich sei (vgl. StV 2007, 293). Hiervon ist der 3. Senat des OLG in einer Grundsatzentscheidung vom 14.06.2010 jetzt abgerückt (Entscheidungsgründe kenne ich noch nicht). Die gesonderte Beiordnung für das Adhäsionsverfahren ist danach nun stets notwendig.

So weit – so gut, oder auch nicht. Denn interessant ist das Zustandekommen des Beschlusses: Die Kollegin hatte darum gestritten, ob es sich bei 211 Adhäsionsanträgen um (nur) eine (nämlich dieselbe) Sache handelt, deren Streitwerte addiert und sodann daraus eine Gebühr zu berechnen war oder ob es sich um mehrere verschiedene Sachen handelte. Letzeres war ihre Auffassung, was ihr ca. 11.000 € eingebracht hätte. Festgesetzt wurden allerdings nur 586 € (weil nach Auffassung des Rechtspflegers nur eine Angelegenheit vorliegt.

Leider ist diese Frage nun immer noch offen. Man könnte nun vermuten, dass eine Entscheidung zugunsten der mehreren/verschiedenen Angelegenheiten ausgegangen und für die Staatskasse teuer geworden wäre (vgl. aber dazu KG RVGprofessionell 2009, 113 = RVGreport 2009, 302 = AGS 2009, 484 = JurBüro 2009, 529; OLG Brandenburg AGS 2009, 325 = RVGreport 2009, 341). Ich tue es aber lieber mal nicht.

Was mich allerdings ein wenig sprachlos macht: Im Verfahren hatte die Kollegin den Antrag gem. § 404 Abs. 5 StPO gestellt, allerdings ist dieser mit Hinweis auf die „gesicherte Rechtsprechung des OLG“ nicht beschieden worden. Da fragt ich mich jetzt natürlich, wie geht man denn nun damit um? Um Kommentaren vorzubeugen: Ich bin mir darüber im Klaren, dass es keinen Anspruch auf eine „gesicherte Rechtsprechung“ gibt und man mit Rechtsprechungsänderungen rechnen muss. Aber muss man dann nicht jetzt über den Erweiterungsantrag entscheiden, und zwar auch noch nach Rechtskraft der Entscheidung. Fair-Trial bzw. das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens lassen grüßen. Das OLG hat übrigens die Frage einer konkludenten Beiordnung geprüft und verneint. Ein total verfahrene Kiste, die wir hier in Westfalen „schofel“ nennen würden.

Als Verteidiger kann man daraus nur den Schluss ziehen: Selbst wenn der Hinweis auf „gesicherte Rechtsprechung des Oberlandesgerichts“ kommt: Auf Beiordnung bestehen, denn man weiß ja nie (s.o.).

Wegen der Überschrift: http://de.wikipedia.org/wiki/Honi_soit_qui_mal_y_pense oder http://synonyme.woxikon.de/synonyme/schofel.php

Sachkundig bist du, aber nicht in allen Fällen. ADHS sollte dich zum SV-Gutachten veranlassen

Wie weit geht die Sachkunde des Gerichts? Immer wieder eine Frage, die die Praxis beschäftigt. Interessant in dem Zusammenhang die Entscheidung des OLG Koblenz v. 10.06.2010 – 2 Ss 48/10. Im Verfahren ging es um die Beurteilung des Reifegrades eines Heranwachsenden. Das LG hatte insoweit eigene Sachkunde in Anspruch genommen und die Frage selbst beurteilt.

Das OLG sagt:

  1. Ob ein Heranwachsender zum Zeitpunkt der Tatbegehung noch einem Jugendlichen gleichstand, ist im Wesentlichen Tatfrage, wobei dem Tatgericht bei der Beurteilung der Reife des Heranwachsenden grundsätzlich ein Ermessensspielraum eingeräumt wird.
  2. Der Anhörung eines Sachverständigen bedarf es jedoch dann, wenn Anlass zu Zweifeln über eine normale Reifeentwicklung des betroffenen Heranwachsenden bestehen, insbesondere Auffälligkeiten in einer sittlichen und geistigen Entwicklung.“

Auffälligkeiten hat das OLG dann bejaht. Der Angeklagte hatte in früher Jugend eine ADHS-Erkrankung, die mit Ritalin behandelt worden war.

Voreilig kastriert – Katerstimmung im Tierheim :-)

Ich stoße gerade auf eine dpa-Meldung vom 18.06.2010  zu einer Entscheidung der AG Lemgo  v. 14.06.2010 – 17 C 28/10. In der Meldung heißt es:

Tierschützer dürfen zugelaufene Kater nicht voreilig kastrieren. Das Amtsgericht Lemgo hat einen Tierschutzverein gerügt, der den entlaufenen Siamkater «Mimo» einer Frau aus Bad Salzuflen schon drei Tage nach der Aufnahme ins Tierheim kastriert hatte. Der Tierschutzverein habe fahrlässig gehandelt, meinte das Gericht. Der Verein muss der empörten Katzeneigentümerin jetzt die Kosten für die tierärztliche Nachbehandelung ersetzen. Die zusätzlich geforderte Entschädigung in Höhe von 1800 Euro lehnte das Gericht aber ab.

«Mimo» war seiner Eigentümerin am 21. März 2009 entlaufen, als diese ihn in Bad Salzulfen mit Halsband und Leine spazieren führte. Am nächsten Tag wurde der Kater ins Tierheim gebracht und dort am 25. März 2010 kastriert. Die Eigentümerin verlangte Schadensersatz. «Mimo» sei reinrassig und habe als Zuchtkater einen Wert von 1200 Euro gehabt. Zudem habe es Interessenten für drei Katzenjunge im Wert von jeweils 200 Euro gegeben.“

Nett :-). Und wie ist es mit Sachbeschädigung? 🙂 🙂