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Entschädigung nach dem StrEG

Der Beschl. des OLG Celle v. 16.02.2011 – 1 Ws 78/11 nimmt Stellung zur Entschädigung nach dem StrEG für eine einstweilige Unterbringung. Das LG hatte einen Anspruch der Beschuldigten verneint wegen grob fahrlässigen Verschuldens. Das OLG sagt:

Bei der Prüfung, ob eine Entschädigung für erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen infolge grob fahrlässigen Verschuldens derselben nach § 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG ausgeschlossen ist, ist auch zu berücksichtigen, ob die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten im Zeitpunkt des ursächlichen Verhaltens erheblich eingeschränkt war; die bei vorsätzlicher Verursachung einer Strafverfolgungsmaßnahme regelmäßig genügende natürliche Einsichtsfähigkeit reicht für die Annahme grober Fahrlässigkeit nicht aus.“

Sachkundig bist du, aber nicht in allen Fällen. ADHS sollte dich zum SV-Gutachten veranlassen

Wie weit geht die Sachkunde des Gerichts? Immer wieder eine Frage, die die Praxis beschäftigt. Interessant in dem Zusammenhang die Entscheidung des OLG Koblenz v. 10.06.2010 – 2 Ss 48/10. Im Verfahren ging es um die Beurteilung des Reifegrades eines Heranwachsenden. Das LG hatte insoweit eigene Sachkunde in Anspruch genommen und die Frage selbst beurteilt.

Das OLG sagt:

  1. Ob ein Heranwachsender zum Zeitpunkt der Tatbegehung noch einem Jugendlichen gleichstand, ist im Wesentlichen Tatfrage, wobei dem Tatgericht bei der Beurteilung der Reife des Heranwachsenden grundsätzlich ein Ermessensspielraum eingeräumt wird.
  2. Der Anhörung eines Sachverständigen bedarf es jedoch dann, wenn Anlass zu Zweifeln über eine normale Reifeentwicklung des betroffenen Heranwachsenden bestehen, insbesondere Auffälligkeiten in einer sittlichen und geistigen Entwicklung.“

Auffälligkeiten hat das OLG dann bejaht. Der Angeklagte hatte in früher Jugend eine ADHS-Erkrankung, die mit Ritalin behandelt worden war.