Archiv für den Monat: Juni 2010

Und täglich grüßt das Murmeltier – einige AG lernen es einfach nicht….

An sich sollte es sich inzwischen auch bei den AG herumgesprochen haben: Es gibt keinen Erfahrungssatz, wonach derjenige, der eine erhebliche Menge Alkohol getrunken hat, seine Fahruntüchtigkeit kennt. Deshalb kann auch bei einem weit über der Grenze zur absoluten Fahruntüch­tigkeit liegenden Blutalkoholgehalt nicht ohne das Hinzutreten weiterer Umstände auf ein vorsätzliches Handeln geschlossen werden, auch wenn dieses nahe liegen mag, so dass allein mit der Begründung nicht eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Trunkenheitsfahrt nach § 316 StGB erfolgen kann. Das wiederholen die OLG gebetsmühelnartig (so z.B. zuletzt das OLG Stuttgart im Beschl. v. 04.05.2010 – 5 Ss 198/10); die AG scheint es aber nicht weiter zu stören. Folge: Die Revisionen sind dann ein Selbstläufer…

Videomessung im Straßenverkehr: Warum wird nicht beim BGH vorgelegt?

Inzwischen gibt es eine Vielzahl von Beschlüssen zur Videomessung im Straßenverkehr und zu ggf. bestehenden Beweisverwertungsverboten: Grundlage ist jeweils die Entscheidung des BVerfG v. 11.08.2009 – 2 BvR 941/08. Immer wieder wird nach einer Entscheidung des BGH gefragt und beanstandet, dass nicht (endlich) ein OLG dem BGH die Fragen, in denen die OLG zerstritten sind, vorlegt. Das OLG Bamberg hat nun in seinem Beschl. v. 16.03.2010 – 2 Ss OWi 235/10 mal eingehender zur Vorlagepflicht Stellung genommen und sie verneint.

Neues vom Verdeckten Ermittler…

Länger nicht vom Verdeckten Ermittler gehört. Daher ist die Entscheidung des BGH v. 06.05.2010 – 4 StR 98/10 – mal wieder interessant. Sie behandelt allerdings nicht den Kernbereich dieser Problematik, sondern eine Auswirkung des Einsatzes eines Verdeckten Ermittlers, nämlich die Strafzumessung. Der BGH rüffelt das LG Magdeburg, weil es bei der Bemessung einer Strafe für Geldfälschung die auf die „Übergabe von Falschgeld zielende polizeiliche Einwirkung auf den Angeklagten“ nicht „ausdrücklich“ gewürdigt hat. Das darf das LG jetzt nachholen. Viel wird – wenn ich die Praxis richtig einschätze – dabei nicht herauskommen.

Auch du mein Sohn Brutus? – Ermittlungen gegen Erzbischof Zollitsch wegen Beihilfe zum sexuellen Missbrauch

Nun wird wegen Beihilfe zum sexuellen Missbrauch von Kindern gegen den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz Zollitsch ermittelt. Er soll von einem Missbrauchsfall gewusst, aber nichts unternommen haben. Meldung ist hier nachzulesen. Damit dürfte es wieder unruhig(er) werden, nachdem nach dem Rücktritt von Bischof Mixa ein wenig Ruhe eingekehrt war.

Nur Berufung (Nr. 4125 VV RVG) oder auch Strafvollstreckung (Nr. 4205 VV RVG)

Ein ganz interessantes Abgrenzungsproblem ist in den vergangenen Tagen an mich in dem gebührenrechtlichen Forum auf meiner Homepage herangetragen worden. Der Kollege stellt folgende Frage:

Mdt. hat mich aus der JVA heraus beauftragt. Gegen ihn ist eine Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt worden.

Im Rahmen der gewährten Akteneinsicht stellte sich heraus, dass ein Einspruch gegen einen Strafbefehl verworfen wurde, weil der Angeklagte nicht zu HV erschienen war. Des Weiteren ließ die Akte erkennen, dass sowohl die Zustellung der Ladung zur HV als auch des den Einspruch verwerfenden Urteils an schweren, nicht heilbaren Mängeln litt.

Ich habe sodann Berufung eingelegt und beantragt, die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe auszusetzen.

Das Berufungsgericht hat zunächst durch Beschluss die Strafvollstreckung als derzeit unzulässig erklärt.

In der Berufungshauptverhandlung ist das erstinstanzliche Urteil des AG aufgehoben und die Strafsache zur Verhandlung über den Einspruch gegen den Strafbefehl an das AG zurückverwiesen worden.

Frage: Rechtfertigt die Tätigkeit im Rahmen der Vollstreckung (Antrag auf Aussetzung) den Anfall der Gebühr nach Nr. 4205 VV RVG oder ist diese Tätigkeit durch die Verfahrensgebühr nach Nr. 4125 VV RVG mit abgegolten?

Habe leider in diversen Kommentaren nichts gefunden; wahrscheinlich auch deshalb, weil es eine nicht alltägliche Konstellation ist.

Zunächst: Der Kollege hat Recht. In den Kommentaren findet man zu der Frage nichts; wird sich dann demnächst bei der Neuauflage unseres RVG-Kommentars ändern :-).

Zur Sache: Ich habe dem Kollegen geantwortet, dass er m.E. nur die Nr. 4125 VV RVG geltend machen kann und nicht auch noch die Nr. 4205 VV RVG. Er hat Berufung eingelegt. Damit geht es um den Bestand des Strafbefehls. Das ist aber Berufungsverfahren und nicht Strafvollstreckung. Der Aussetzungsantrag ist durch die Verfahrensgebühr mit abgegolten. Als Wahlanwalt muss der Kollege die Tätigkeiten im Rahmen des § 14 RVG gebührenerhöhend geltend machen.