Archiv für den Monat: Mai 2010

Dinglicher Arrest im Steuerstrafverfahren – kein Automatismus

Anfang des Jahres hat das OLG Köln in seinem Beschl. v. 06.01.2010 – 2 Ws 636/09 zum dinglichen Arrest Stellung genommen. Danach begründet der Vorwurf der Steuerhinterziehung für sich genommen noch keinen Arrestgrund. Etwas anderes könne gelten, wenn besondere Umstände der Tatbegehung vorliegen oder die gesamte Lebensführung des Beschuldigten auf Verschleierung oder Verschiebung von Vermögen durch manipulatives und betrügerisches Verhalten ausgerichtet ist.

Das ist zutreffend. Denn würde man allein vom Verdacht einer Steuerhinterziehung auf den Arrestgrund schließen können, dann wäre mit der Bejahung des Verdachts immer zugleich auch der Arrestgrund bejaht. Diesen Automatismus sieht das Gesetz aber nicht vor. Die Argumentation läuft also ähnlich wie beim Haftgrund der Verdunkelungsgefahr nach § 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO. Auch da kann nach h.M. nicht allein mit dem Vorliegen eines auf Verschleierung angelegten Delikts der Haftgrund bejaht werden (vgl. dazu Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 5. Aufl., 2010, Rn. 1707 m.w.N.).

BGH: Nochmals Absprache/Verständigung – Was nicht im Protokoll ist, ist nicht in der Welt

Ich hatte ja im Blogbeitrag vom 03.05.2010 bereits auf eine Entscheidung des BGH im Zusammenhang mit der Absprache/Verständigung hingewiesen. In der Entscheidung spielte das Protokoll der HV eine Rolle.

Welche große Bedeutung dem Protokoll der Hauptverhandlung im Zusammenhang mit der Absprache zukommt, ergibt sich auch aus einem weiteren Beschluss des BGH (Beschl. v. 31.03.2010 – 2 StR 31/10). Dort hatte der Verteidiger behauptet, dass ein vom Angeklagten erklärter Rechtsmittelverzicht wegen der Neuregelung in § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO unwirksam sei. Der BGH weist darauf hin, dass hinsichtlich der Behauptung des Verteidigers, dem Urteil liege eine Verständigung zu Grunde, durch die Sitzungsniederschrift das Gegenteil bewiesen sei. Der nach § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO zwingend vorgeschriebene Vermerk, dass eine Verständigung nach § 257c StPO nicht stattgefunden hat, gehöre zu den wesentlichen Förmlichkeiten im Sinne des § 274 Satz 1 StPO (zur revisionsrechtlichen Bedeutung des „Negativattests“ gem. § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO siehe BT-Drs. 16/11736; S. 13). Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des Protokolls sei nur der Nachweis der Fälschung zulässig (§ 274 Satz 2 StPO).

Es ist also darauf zu achten, dass alle mit der Verständigung, insbesondere deren Zustandekommen, in das Protokoll der Hauptverhandlung aufgenommen werden. Was nicht im Protokoll ist, ist nicht in der Welt.

Kommentare zu „Weite(re) Teile der StVO ungültig?“

In eigener Sache: Wir hatten am 04.05.2010 weiter über die Frage der ggf. vorliegenden Unwirksamkeit der StVO berichtet, vgl. hier. Dazu gibt es inzwischen eine ganze Reihe von Kommentaren und weiterführenden Hinweisen, die „Jens“ dankenswerter Weise zusammengestellt und gepostet hat. Vielleicht besteht daran ja Interesse. Dann bitte hier nachlesen.

Fahrtkosten auch für den auswärtigen Wahlverteidiger – so zutreffend das AG Witten

Ich hatte bereits in StRR 2010, 117 darauf hingewiesen, dass nach der Änderung des § 142 Abs. 1 StPO zum 01.10.2009 durch das 2. Opferrechtsreformgesetz dem auswärtigen Wahlverteidiger bei der Erstattung seiner Fahrtkosten nicht mehr entgegengehalten werden kann/darf, wenn er nicht „ortsansässig“ war. Denn das ist auch für die Bestellung des Pflichtverteidigers kein Kriterium mehr (vgl. dazu Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 5. Aufl., 2010, Rn. 1196 m.w.N.).

Die andere Argumentation würde, worauf jetzt das AG Witten in seinem zutreffenden Beschluss v. 21.04.2010 – 9 Ds-63 Js 63/09-44/09 – hingewiesen hat, den Wahlverteidiger schlechter stellen. Bis sich die zutreffende Ansicht des AG Witten durchgesetzt hat, sollte in den Kostenfestsetzungsanträgen auf diese Argumentation und die „richtige“ Entscheidung des AG Witten hingewiesen werden.

OLG Frankfurt: Klageerzwingung gegen ehemaligen Vorstandssprecher der Deutschen Bank verworfen

Der „Nachrichten-Dienst“ von LexisNexis meldete zum Beschluss des OLG Frankfurt am Main vom 21.04.2010 – 2 Ws 147/08:

Das OLG Frankfurt am Main hat mit Beschluss den Antrag auf Klageerzwingung des Ehepaars K., der K.Media GmbH & Co. KGaA sowie der P.Beteiligungs GmbH (Antragsteller) gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main, Ermittlungen gegen den ehemaligen Vorstandssprecher der Deutschen Bank einzustellen, als unzulässig verworfen.

Hintergrund des Klageerzwingungsverfahrens ist ein Interview des Beschuldigten in seiner Funktion als damaliger Vorstandssprecher der Deutschen Bank am 03.02.2002 in New York mit dem Nachrichtensender Bloomberg TV, in dem er sich über die finanzielle Situation der K.Gruppe äußerte. Die K.Gruppe war danach in finanzielle Schwierigkeiten geraten; im Juni 2002 wurde schließlich das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet. Die Antragsteller vertreten in ihren Strafanzeigen gegen den Beschuldigten die Ansicht, dass dieser mit seinen Äußerungen in dem Interview erreicht habe, dass die K.Gruppe in der Folge nicht mehr in der Lage gewesen sei, zu den vorher existierenden Bedingungen weiteres Kapital aufzunehmen oder bestehende Kredite zu verlängern. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main hatte das auf die Anzeigen eingeleitete Ermittlungsverfahren im September 2007 eingestellt. Die hiergegen gerichteten Beschwerden hat die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main im Juli 2008 verworfen. Hiergegen richtet sich der – nun beschiedene – von den Antragstellern gestellte Klageerzwingungsantrag.

In seiner Entscheidung hält der zuständige 2. Strafsenat des OLG das Klageerzwingungsbegehren nur in Bezug auf Herrn K. für statthaft. Das Begehren von Frau K., der P.Beteiligungs GmbH und der K.Media GmbH & Co. KGaA sei bereits unstatthaft, weil diese durch die vorausgegangenen Entscheidungen gar nicht beschwert seien. Entweder hätten sie nämlich ursprünglich keine Anzeige erstattet oder sich nicht gegen den Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft gewendet. Der Klageerzwingungsantrag von Herrn K. sei zwar statthaft, im Ergebnis jedoch unzulässig, weil er nicht Verletzter der vorgeworfenen Tathandlungen sei. So sei das dem Beschuldigten zur Last gelegte Vergehen der unbefugten Offenbarung von Angaben über Millionenkredite (§ 55 b KWG) schon im Zeitpunkt der Antragstellung verjährt gewesen. Im Übrigen sei Herr K. nicht in eigener Person, sondern allenfalls die K.Gruppe Verletzte im Sinne dieser Vorschrift.

Das Gleiche gelte für den Vorwurf der Kreditverleumdung (§ 187 StGB), der unbefugten Verwertung von Angaben über Millionenkredite (§ 55 a KWG), des Verrates von Geschäftsgeheimnissen (§ 17 UWG) sowie für eine mögliche Untreue des Beschuldigten zum Nachteil von Gesellschaften der K.Gruppe. Etwaige Vermögensbetreuungspflichten der Deutschen Bank umfassten von ihrem Schutzbereich her nicht Herrn K. persönlich, sondern allenfalls die jeweiligen Unternehmen der K.Gruppe als eigenständige juristische Personen. Träger der durch den Untreuetatbestand geschützten Vermögensinteressen seien diese juristischen Personen selbst, auch wenn Herr K. die hinter der K.Gruppe stehende natürliche Person sei.

Soweit schließlich der Vorwurf erhoben werde, der Beschuldigte habe sich durch die Äußerungen in dem Interview einer üblen Nachrede (§ 186 StGB) oder einer Kreditgefährdung (§ 187 Alt. 2 StGB) zum Nachteil des Herrn K. selbst schuldig gemacht, handele es sich um Delikte, die Herr K. im Wege der Privatklage weiterverfolgen könne (§ 374 Abs. 1 Nr. 2 StPO).“

Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt am Main vom 21.04.2010