Schlagwort-Archive: Verfahren

Trotz dauernder Verhandlungsunfähigkeit keine Kostenerstattung

Wenn man den Beschl. des OLG Köln v. 05.08.2010 – 2 Ws 471/10 liest, in dem dem Angeklagten bei Verfahrenseinstellung wegen dauerhafter Verhandlungsunfähigkeit seine notwendigen Auslagen auferlegt worden sind, fragt man sich: Geht das denn oder steht § 467 Abs. 1 StPO entgegen.

Antwort es geht, vgl. § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO, ist allerdings im Hinblick auf die Unschuldsvermutung nicht ganz ungefährlich. Ich erinnere mich noch gut daran, dass das BVerfG mal einen Beschluss „meines“ Senats beim OLG aufgehoben hat, weil wir die Unschuldsvermutung nicht genügend beachtet hatten. Das OLG Köln stellt mit der wohl überwiegenden Meinung darauf ab, dass die Erstattungspflicht aus der Staatskasse entfällt, wenn bei dem bei Feststellung des Verfahrenshindernisses gegebenen Verfahrensstand ein zumindest hinreichender Tatverdacht besteht und keine Umstände erkennbar sind, die bei Durchführung der Hauptverhandlung die Verdichtung des Tatverdachts zur prozessordnungsgemäßen Feststellung der Tatschuld in Frage stellen. Auch die Unschuldsvermutung schließe es nicht aus, in einer das Strafverfahren ohne förmlichen Schuldspruch beendenden Entscheidung einen verbleibenden Tatverdacht festzustellen und zu bewerten und dies bei der Entscheidung über die kostenrechtlichen Folgen zu berücksichtigen, da diese Rechtsfolge keinen Strafcharakter hat. Dagegen kann man bei den mitgeteilten Verfahrensumständen nichts einwenden.

Aber wie gesagt: In anderen Fällen ggf. nicht ungefährlich.

Unterbringung in mehreren Verfahren – was mache ich gebührenrechtlich damit?

Auch wenn gegen den Verurteilten in zwei Verfahren die Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und der Verteidiger in beiden Verfahren zum Pflichtverteidiger bestellt worden ist, wird tatsächlich nur eine Unterbringung vollstreckt, so dass nur eine Angelegenheit vorliegt und die Gebühren nur einmal entstehen. So hat das LG Aachen im Beschl. v. 23.06.2010 – 33b StVK 453/10 – entschieden. M.E. falsch, da für gerichtliche Verfahren, die nebeneinander geführt werden, gilt , dass diese stets verschiedene Angelegenheiten sind, auch wenn ihnen ein einheitlicher Auftrag zugrunde liegt, die Tätigkeit des Rechtsanwalt den gleichen Rahmen hat und ein innerer Zusammenhang besteht (AnwKomm-RVG/N.Schneider, a.a.O., § 15 Rn. 80). Das verkennt das LG, wenn es auf die „einheitliche Entscheidung zur Frage der Aussetzung der Maßregel“ abstellt.

Mal abgesehen davon, dass die Auffassung des LG auch zu einer nicht sachgerechten Honorierung des Rechtsanwalts führt. Dieser ist in zwei Verfahren tätig, muss sich also mit zwei unterschiedlichen Verfahrensgegenständen befassen, er bekommt aber nur die Tätigkeit in einem Verfahren honoriert. Während das beim Wahlanwalt noch mit einer erhöhten Rahmengebühr ausgeglichen werden könnte, ist das beim Pflichtverteidiger, der Festgebühren erhält, nicht möglich. Ihm bliebe nur die Möglichkeit, eine Pauschgebühr zu beantragen. Bei der inzwischen erkennbaren Abneigung der OLG gegen Pauschgebühren muss man m.E. über das Ergebnis dieses Antrags nicht lange rätseln. Vielleicht hatte das LG ja auch einen „Igel in der Tasche“? Denn es ging um rund 500 € zusätzliche Gebühren.

Erstes LG: Neuregelung in § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO ist nicht verfahrensbezogen

Bislang war/ist in der Rechtsprechung  die Frage noch nicht entschieden, ob die neue Vorschrift des § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO „verfahrensbezogen“ ist, oder ob sie auch andere Verfahren erfasst als (nur) dasjenige, in dem sich der Beschuldigte in U-Haft befindet.

Dazu hat jetzt das erste LG in einem schön begründeten Beschluss (vgl. LG Itzehoe, Beschl. v. 07.06.2010 – 1 Qs 95/10) Stellung genommen und zutreffend auf den Sinn und Zweck der Vorschrift abgestellt, der einen möglichst weitgehenden Grundrechtsschutz des Beschuldigten bezwecke. Dann müsse die Vorschrift aber auch Anwendung finden auf einen (inhaftierten) Beschuldigten in dem Verfahren, in dem die Untersuchungshaft nicht vollzogen wird. Im Fall wurde U-Haft in einem Verfahren beim LG vollstreckt, es ging um die Beiordnung in einem anderen beim AG anhängigen Verfahren.

AG Tiergarten: Gebühren bei Abtrennung von Verfahren

Hier mal wieder eine richtige und auch interessante Entscheidung eines AG zu den Gebühren bei Trennung von Verfahren. Da zögern Rechtspfleger häufig. Steckt ja auch eine Menge Geld drin. Nachzulesen hier beim AG Tiergarten

Wer A sagt, muss auch B sagen: Oder, wenn ich einen Vorteil habe, dann bitte aber auch für den Rechtsanwalt

Die Abrechnung der Grundgebühr mach immer wieder Schwierigkeiten. So auch vor kurzem beim AG Braunschweig (AG Braunschweig, Beschl. v. 12.12.2009 – Ls 107 Js 12216/08). Dort wurden gegen den Beschuldigten 27 Ermittlungsverfahren geführt, in denen der Rechtsanwalt Akteneinsicht genommen hatte. Diese Verfahren wurden bei der StA im Js-Register einzeln eingetragen. Die StA plante aber von vornherein eine Verbindung. Die 27 Verfahren sind dann später auch zu sieben Verfahren verbunden worden. Im Rahmen der Festsetzung der Pflichtverteidigervergütung ist dem Rechtsanwalt vom Rechtspfleger nur eine Vergütung für das Tätigwerden in sieben Verfahren gewährt worden. Auf seine Erinnerung hin hat das AG den Beschluss aufgehoben und den Rechtspfleger „angewiesen“, die Vergütung neu festzusetzen. Jedes Ermittlungsverfahren sei so lange ein eigenständiger Rechtsfall i.S. der Nr. 4100 VV RVG wie nicht die Verbindung mit anderen Verfahren erfolgt ist. Allein die Absicht der Staatsanwaltschaft, später die Verbindung mit anderen Verfahren herbeizuführen, nimmt dem Verfahren aber nicht die Qualität als eigenständiger Rechtsfall.

Recht so: Abgesehen davon, dass jede andere Ansicht der Manipulation Tür und Tor öffnen würde, gilt: Wenn die StA sich schon 27 Verfahren einträgt und damit 27 Zählkarten vorliegen, die für die Pensenberechnung von Bedeutung sind, dann bitte aber auch mit allen (kostenrechtlichen) Konsequenzen.