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OWi II: Einige Entscheidungen zu Fahrverbot/Geldbuße, oder: Zeitablauf, Absehen, Urteilsgründe

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Das zweite Posting des Tages dann zum Fahrverbot (§ 25 StVG) und zur Geldbuße, und zwar mit folgenden Entscheidungen:

Regelmäßig liegt ab einem Zeitraum von etwa zwei Jahren die Prüfung nahe, ob ein Fahrverbot seine erzieherischen Zwecke im Hinblick auf den Zeitablauf noch erfüllen kann. Dabei ist zu berücksichtigen, worauf die lange Verfahrensdauer zurückzuführen ist, insbesondere ob hierfür maßgebliche Umstände im Einflussbereich des Betroffenen liegen oder Folge gerichtlicher oder behördlicher Abläufe sind.

1. Regelmäßig liegt ab einem Zeitraum von etwa zwei Jahren die Prüfung nahe, ob ein Fahrverbot seine erzieherischen Zwecke im Hinblick auf den Zeitablauf noch erfüllen kann. Dabei ist zu berücksichtigen, worauf die lange Verfahrensdauer zurückzuführen ist, insbesondere ob hierfür maßgebliche Umstände im Einflussbereich des Betroffenen liegen oder Folge gerichtlicher oder behördlicher Abläufe sind.

2. Der Umstand, dass sich der Betroffene zwischen Tatbegehung und tatrichterlichem Urteil – erneut – nicht verkehrsgerecht verhalten hat, spricht für die Erforderlichkeit der Verhängung eines Fahrverbotes.

Soll vom Regelfall der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen werden, so bedarf es wegen der grundsätzlich gebotenen Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer einer besonders eingehenden und sorgfältigen Überprüfung der Einlassung des Betroffenen, um das missbräuchliche Behaupten eines solchen Ausnahmefalls auszuschließen und auch dem Rechtsbeschwerdegericht die Nachprüfung der richtigen Rechtsanwendung zu ermöglichen. Deshalb hat das Amtsgericht eine auf Tatsachen gestützte, besonders eingehende Begründung zu geben, in der es im Einzelnen darlegt, welche besonderen Umstände in objektiver und subjektiver Hinsicht es gerechtfertigt erscheinen lassen, vom Regelfahrverbot abzusehen.

Hat der Betroffene Einsicht in das Fehlverhalten gezeigt und ist durch die Vollstreckung eines Fahrverbots nach einer weiteren, nach der abzuurteilenden Tat begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung hinreichend beeindruckt, kann vom Fahrverbot abgesehen werden.

1. Grundsätzlich hat das Tatgericht bei der Verhängung von Geldbußen von mehr als 250,00 Euro keine weiteren Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen zu treffen, wenn es das Abweichen vom Regelsatz nicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse gestützt hat.

2. Etwas anderes gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte für außergewöhnlich schlechte wirtschaftliche Verhältnisse vorliegen. Der Bezug von Arbeitslosengeld II, der zwar grundsätzlich darauf hindeuten kann, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht durchschnittlich sind, steht der Entbehrlichkeit weiterer Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen aber nicht entgegen.

3. Der eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Betroffenen ist dann durch Zahlungsaufschub oder Ratenzahlung Rechnung zu tragen.

BtM III: Beweiswürdigung beim Handeltreiben, oder: Sachverständigengutachten und Entlastendes

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Und die dritte und letzte Entscheidung kommt dann vom OLG Koblenz. das hat im OLG Koblenz, Beschl. v. 11.11.2021 – 2 OLG 32 Ss 184/21 – zur Beweiswürdigung in einem landgerichtlichen Urteil, das den Angeklagten wegen Handeltreibens in zwei Fällen verurteilt hat, Stellung genommen. Das OLG beanstandet die Beweiswürdigung und hat das LG-Urteil aufgehoben:

„Die Revision hat mit der erhobenen Sachrüge Erfolg.

Die Beweiswürdigung, mit der das Landgericht seine Annahme begründet, der Angeklagte habe in zwei Fällen mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel getrieben, ist in beiden Fällen fehlerhaft, so dass das Urteil insgesamt der Aufhebung unterliegt.

Zwar ist die Beweiswürdigung allein Sache des Tatrichters, so dass die revisionsgerichtliche Prüfung sich auf das Vorliegen von Rechtsfehlern beschränkt (§ 337 StPO). Ein sachlich-rechtlicher Fehler kann indes dann vorliegen, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, oder wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr., BGH 2 StR 278/14 v. 18.02.2015, NStZ 2015, 419; 2 StR 552/19 v. 27.05.2020, BeckRS 2020, 23344 Rn. 13; 2 StR 466/18 v. 16.10.2019, BeckRS 2019, 30970 Rn. 6).

Die Beweiswürdigung der Kammer ist lücken- und damit rechtsfehlerhaft.

Die Kammer stützt die Annahme des Handeltreibens im ersten Fall maßgeblich auf die Menge der in Fall 1 bestellten und der zuvor in engem zeitlichem Zusammenhang bestellten und dem Angeklagten auch gelieferten Betäubungsmittel. Zwar lässt sich dem Urteil in seiner Gesamtschau noch der Zeitpunkt der Bestellungen (7. Juli bis 22. August 2017, Seite 5 des Urteils unten) und die Menge (5-mal 25 mg, insgesamt also 125 mg) entnehmen sowie die Konsumeinheit für Butyrfentanyl (0,5 mg, Seite 6 des Urteils oben) und möglicherweise aus dem Gesamtzusammenhang sogar, dass es zu den Auslieferungen in den fünf eingestellten Fällen gekommen ist.

Es wird aber nicht ausreichend dargelegt, wie die Kammer zu der Feststellung gelangt, dass eine Konsumeinheit lediglich 0,5 mg betrage. In den Urteilsgründen findet sich dazu unter IV. 2. b. aa. am Ende des ersten Absatzes lediglich die Bemerkung „Die diesbezüglichen Feststellungen ergeben sich insbesondere aus dem Behördengutachten des Bundeskriminalamtes und den Angaben des Zeugen pp.“.

Nach ständiger obergerichtlicher und höchstrichterlicher Rechtsprechung muss der Tatrichter, der ein Gutachten verwertet, dem er – wie hier – Beweisbedeutung beimisst, auch dann, wenn er sich den gutachterlichen Ausführungen anschließt, diese in der Regel in einer in sich geschlossenen (wenn auch nur gedrängten) zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zugrundeliegenden Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen im Urteil wiedergeben, um dem Rechtsmittelgericht die gebotene Nachprüfung zu ermöglichen (OLG Hamm, 4 RBs 216/17 v. 22.06.2017, juris m.w.N.). Diesen Anforderungen wird das angegriffene Urteil nicht gerecht, so dass sich die Beweiswürdigung als lückenhaft erweist. Die bloße Angabe, dass die Feststellungen sich „insbesondere“ aus dem Behördengutachten und den Angaben des Zeugen pp. ergeben ist unzureichend. Es ist für den Senat nicht nachvollziehbar, wie der Gutachter des Bundeskriminalamtes zu der Annahme einer Konsumeinheit Butyrfentanyl von 0,5 mg gekommen ist und was der Zeuge pp. zu der Frage der Konsumeinheit, auf die es hier ganz maßgeblich ankommt, beigetragen haben kann. Auch wird nicht erkennbar, warum die Kammer dem Behördengutachten und den Bekundungen des Zeugen folgt.

Auch hinsichtlich des zweiten Falles ist die Beweiswürdigung lückenhaft.

Die Beweise sind erschöpfend zu würdigen (BGH, 4 StR 441/78 v. 07.07.1979, BGHSt 29, 18, 20). Das Urteil muss insbesondere erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (BGH, 4 StR 420/14 v. 12.2.2015, NStZ-RR 2015, 148; 2 StR 78/16 v. 01.02.2017, BeckRS 2017, 107749, Rn. 20; 4 StR 587/17 v. 30.01.2018, NStZ-RR 2018, 120; 1 StR 305/17 v. 11.10.2017, BeckRS 2017, 136085 Rn. 4). Dabei ist der Tatrichter gehalten, sich mit den festgestellten Tatsachen unter allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten auseinanderzusetzen, wenn sie geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen (BGH, 2 StR 110/17 v. 05.07.2017, juris Rn. 6 mwN). Aus den Urteilsgründen muss sich außerdem ergeben, dass der Tatrichter die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt hat (BGH a.a.O., m.w.N.).

Diesen Anforderungen genügt die angegriffene Entscheidung nicht. Die Strafkammer sieht als wesentliches Indiz für die Annahme eines unerlaubten Handeltreibens des Angeklagten die Diversität der beim Angeklagten sichergestellten Betäubungsmittel, die für einen Konsumenten gänzlich ungewöhnlich sein soll und das Auffinden „diverser Utensilien“ und von Verpackungsmaterial (diverse Griptütchen mit Betäubungsmittelanhaftungen, diverse leere Glasfläschchen und diverse Handelsutensilien). Auf welcher Grundlage die Kammer zu der Erkenntnis gelangt, dass die Diversität der Stoffe für einen Konsumenten gänzlich ungewöhnlich sein soll, ergibt sich aus den Urteilsgründen nicht. Vor allem aber hat die Kammer zu Lasten des Angeklagten lediglich die Indizien in ihre Erwägungen eingestellt, die ihrer Auffassung nach für ein Handeltreiben sprechen.

Die gegen ein Handeltreiben sprechenden Umstände hat die Kammer gänzlich außer Betracht gelassen. So setzt sie sich nicht mit dem Umstand auseinander, dass lediglich Kleinstmengen der verschiedenen Betäubungsmittel aufgefunden wurden. Es wurde bei keinem der diversen Betäubungsmittel eine größere Menge sichergestellt. Auch bleibt unberücksichtigt, dass die Griptütchen nach den Feststellungen Betäubungsmittelanhaftungen aufgewiesen haben, was dafür sprechend könnte, dass sie gebraucht waren, was wiederum für Konsum und gegen ein Handeltreiben sprechend könnte. Diese Gesichtspunkte, die gegen ein Handeltreiben sprechen, hätten im Rahmen der Beweiswürdigung erörtert und in eine vorzunehmende Gesamtabwägung eingestellt werden müssen…“

Gründe I: Verletzung der Unterhaltspflicht, oder: Eigene Berechnungen, keine Bezugnahme auf Unterlagen

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Und am ersten Tag des neuen Monats stelle ich Entscheidungen zum Umfang der Urteilsgründe (§ 267 StPO) vor.

Ich beginne mit dem BayObLG, Beschl. v. 13.12.2021 – 204 StRR 560/21 – zum Umfang der tatsächlichen Feststellungen bei der Verurteilung wegen Verletzung der Unterhaltspflicht (§ 170 StGB). Die damit zusammenhängenden Fragen sind ein Dauerbrenner. Nicht selten haben die Revisionen gegen landgerichtliche Urteile, die wegen einer Verletzung der Unterhaltspflicht verurteilen Erfolg, weil die Urteile der Tatgerichte nicht ausreichend begründet waren. So auch hier das Urteil des AG, gegen das Berufung eingelegt worden ist, die beschränkt wurde. Aber das BayObLG sagt: Beschränkung ist/war nicht wirksam, das die Feststellungen des LG nichts ausreichen:

„1. Das Landgericht ist zu Unrecht von der Wirksamkeit der Beschränkung der Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft auf den Rechtsfolgenausspruch gemäß § 318 StPO ausgegangen und hat deshalb keine eigenen Feststellungen zum Schuldspruch getroffen. Dies hat das Revisionsgericht aufgrund der Sachrüge von Amts wegen zu prüfen, weil im Falle der Unwirksamkeit der Beschränkung die Berufungskammer als Tatsacheninstanz eigene Feststellungen zum Schuldspruch hätte treffen müssen (BayObLG, Beschluss vom 18.3.2021 – 202 StRR 19/21, juris Rn. 3).

a) Zwar ist die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch grundsätzlich zulässig. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn die dem Schuldspruch im angefochtenen Urteil zugrunde liegenden Feststellungen tatsächlicher oder rechtlicher Art unklar, lückenhaft, widersprüchlich oder so knapp sind, dass sich Art und Umfang der Schuld nicht in dem zur Überprüfung des Strafausspruchs notwendigen Maße bestimmen lassen und die erstinstanzlichen Feststellungen deshalb keine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Berufungsgerichts sein können (BayObLG, Beschluss vom 18.3.2021 – 202 StRR 19/21, juris Rn. 4, m.w.N.).

b) Das erstinstanzliche Urteil weist hinsichtlich des Schuldspruchs wegen Verletzung der Unterhaltspflicht gemäß § 170 Abs. 1 StGB derartige zur Unwirksamkeit der Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch führende Defizite auf.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts Neumarkt bleibt schon der Schuldumfang unklar, sodass diese keine hinreichende Grundlage für die Rechtsfolgenentscheidung durch das Berufungsgericht sein konnten. Die zur Nachvollziehbarkeit von Grund und Höhe der Berechnung erforderlichen Feststellungen zur Bedürftigkeit der Unterhaltsberechtigten und zur Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners sind im Strafurteil zu treffen. Fehlen – wie vorliegend – im amtsgerichtlichen Urteil mit konkreten Zahlenangaben versehene Darlegungen, die den Umfang der Unterhaltspflicht erkennen lassen, so ist die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch unwirksam (BayObLG, Beschluss vom 18.3.2021 – 202 StRR 19/21, juris Rn. 6, m.w.N.).

Die vorliegend zur Begründung der Unterhaltspflicht des Angeklagten erfolgte Bezugnahme auf das Schreiben des Landratsamtes Neumarkt – Kreisjugendamt – vom 26.1.2018, wonach der Unterhaltsanspruch von pp. im Tatzeitraum durchschnittlich 83 Euro betragen habe, ist, wie generell die Bezugnahme auf Aktenteile, gemäß § 267 Abs. 1 S. 1 StPO – von den Sonderfällen des § 267 Abs. 1 S. 3, Abs. 4 S. 1 StPO abgesehen – nicht statthaft. Soweit gebotene eigene Urteilsfeststellungen durch unzulässige Bezugnahmen ersetzt werden, fehlt es verfahrens-rechtlich an einer Urteilsbegründung und sachlich-rechtlich an der Möglichkeit der Nachprüfung durch das Revisionsgericht (BGH, Urteil vom 20.1.2021 – 2 StR 242/20, juris Rn. 19, m.w.N.; Urteil vom 20.10.2021 – 6 StR 319/21, juris Rn. 10).

Die Feststellungen des Amtsgerichts lassen somit nicht nachvollziehbar erkennen, von welcher Bedarfshöhe es im Einzelfall ausgegangen ist. Das Maß des zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich gemäß § 1610 Abs. 1 BGB nach der Lebensstellung des Bedürftigen, wobei für die Unterhaltsberechnung für Kinder Bedarfstabellen (vgl. Unterhaltsrechtliche Leitlinien der Familiensenate in Süddeutschland – SüdL, Stand 1.1.2018, Ziff. 11 – 14) berücksichtigt werden können, die jedoch im Urteil angegeben werden müssen (BayObLG, Beschluss vom 18.3.2021 – 202 StRR 19/21, juris Rn. 7), was nicht geschehen ist.

Im amtsgerichtlichen Urteil sind auch die erforderlichen hinreichenden Feststellungen zur Leistungsfähigkeit des Angeklagten unterblieben (BayObLG, Beschluss vom 18.3.2021 – 202 StRR 19/21, juris Rn. 8). Anhand der Mitteilung des jeweiligen monatlichen Nettoauszahlungsbetrags für die Monate Mai bis November 2018 lässt sich das unterhaltsrelevante Einkommen des Angeklagten und somit dessen Leistungsfähigkeit nicht nachvollziehen, weil insbesondere Feststellungen zu möglichem weiteren Einkommen, Vorsorgeaufwendungen, berufsbedingten Aufwendungen und anzuerkennenden Schulden fehlen (vgl. Ziff. 10.1, 10.2, 10.4 SüdL 2018; BayObLG, Beschluss vom 18.3.2021 – 202 StRR 19/21, juris Rn. 8).

Ebenso fehlen Feststellungen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Kindesmutter. Zwar erfüllt gemäß § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB der Elternteil, der ein minderjähriges unverheiratetes Kind betreut, seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch Pflege und Erziehung des Kindes. Allerdings kann im Rahmen einer gegebenenfalls gesteigerten Leistungspflicht nach § 1603 Abs. 2 BGB (auch) die Leistungsfähigkeit des anderen Elternteils von Bedeutung sein. Die erweiterte Unterhaltspflicht tritt nach § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB nämlich nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist. Dies kann auch der andere Elternteil sein, wenn er leistungsfähig i.S.d. § 1603 Abs. 1 BGB ist, d.h. wenn er neben der Betreuung des Kindes (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB) auch dessen Barbedarf ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts tragen kann (BayObLG, Beschluss vom 18.3.2021 – 202 StRR 19/21, juris Rn. 8, m.w.N.).

Aufgrund des Bestehens der weiteren Unterhaltspflicht des Angeklagten gegenüber seinem Sohn pp. (seine Tochter pp. dürfte erst nach Ablauf des relevanten Tatzeitraums geboren sein, das genaue Geburtsdatum ist nicht festgestellt worden) kommt zudem ein sogenannter Mangelfall in Betracht, falls das nach Abzug des notwendigen Selbstbehalts verbleibende Einkommen nicht zur Unterhaltsleistung für die Kinder pp. und pp. ausgereicht und deshalb nur eine anteilige Unterhaltsleistung zu erfolgen hätte (Ziff. 24 SüdL 2018). Insoweit fehlen ebenfalls ausreichende Feststellungen. Im Falle einer solchen nur anteiligen Unterhaltspflicht für die genannten Kinder würde jedoch für die Monate Mai bis November 2018 der dem Angeklagten vorgeworfene Unterhaltsausfall für pp. von 83 Euro monatlich erheblich unterschritten werden.

c) Da es sich bei dem Umstand, ob und in welcher Höhe eine Unterhaltspflicht des Angeklagten bestand, um eine doppelrelevante Tatsache handelt, die sowohl für den Schuldspruch als auch als bestimmender Strafzumessungsgrund für den Rechtsfolgenausspruch von Bedeutung ist, haben die dargestellten Feststellungs- und Erörterungsdefizite zur Folge, dass die Berufungen nicht wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt werden konnten (BayObLG, Beschluss vom 18.3.2021 – 202 StRR 19/21, juris Rn. 6).“

OWi III: OLG Hamm/Koblenz – Zweimal Urteilsgründe, oder: Leivtec XV 3 und Einlassung

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So und dann noch zwei Entscheidungen zu den Urteilsgründe. Beides nichts wesetnliche Neues, aber immerhin:

Geschwindigkeitsmessungen mit dem Messgerät Leivtec XV3 handelt es sich derzeit nicht um ein standardisiertes Messverfahren. Daher sind die bei Zugrundelegung der Grundsätze eines standardisierten Messverfahrens erleichterten Darlegungsanforderungen an die Urteilsgründe nicht ausreichend zur Begründung der Fehlerfreiheit der Messung. Vielmehr ist zur Beurteilung der Frage, ob die Geschwindigkeitsmessung vorliegend fehlerfrei erfolgt war, die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich.

Den Urteilsgründen muss zu entnehmen sein, ob sich der Betroffene in der Hauptverhandlung geäußert oder von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht hat.

Urteilsgründe III: Strafaussetzung zur Bewährung, oder: Massiv und vielfach vorbestrafter Angeklagter

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Und als dritte Entscheidung zur Thematik „Urteilsgründe“ dann noch einmal das BayObLG, und zwar mit dem BayObLG, Beschl. v. 24.09.2021 – 202 StRR 98/21 – zu den Urteilsanforderungen zur Bewährungsaussetzung bei einem vielfach und massiv vorbestraften Angeklagten.

Das LG hatt (noch einmal) zur Bewährung ausgesetzt. Dem BayObLG reichen die Urteilsgründe insoweit nicht:

„Dagegen sind die Erwägungen, mit denen die Berufungskammer die Strafaussetzung zur Bewährung begründet hat, rechtsfehlerhaft.

a) Wie die Strafzumessung ist zwar auch die Entscheidung über eine Strafaussetzung zur Bewährung grundsätzlich Sache des Tatrichters. Ihm steht bei der Beantwortung der Frage, ob die Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen ist, weil zu erwarten ist, dass der Angeklagte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird (§ 56 Abs. 1 StGB), ein weiter Bewertungsspielraum zu, in dessen Rahmen das Revisionsgericht jede rechtsfehlerfrei begründete Entscheidung hinzunehmen hat. Das Revisionsgericht kann die Einschätzung des Tatrichters grundsätzlich nur auf Ermessensfehler und Rechtsirrtümer überprüfen (vgl. nur BGH, Urt. v. 22.07.2010 – 5 StR 204/10 = NStZ-RR 2010, 306; OLG Bamberg, Urt. v. 23.08.2016 – 3 OLG 8 Ss 58/16, bei juris – jew. m.w.N.). Selbst wenn das Revisionsgericht die Prognoseentscheidung des Tatgerichts für fragwürdig und die Auffassung der Anklagebehörde für überzeugender hält, hat es deshalb die subjektive Wertung der Strafkammer, soweit sie vertretbar ist und deshalb neben anderen abweichenden Meinungen als gleich richtig zu bestehen vermag, auch dann zu respektieren, wenn eine zum gegenteiligen Ergebnis führende Würdigung ebenfalls rechtlich möglich gewesen wäre. Die Entscheidung des Tatrichters, die Vollstreckung der Freiheitsstrafe nach § 56 Abs. 1 StGB zur Bewährung auszusetzen, ist mithin vom Revisionsgericht, sofern keine Rechtsfehler vorliegen, bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen, weil allein der Tatrichter sich aufgrund des persönlichen Eindrucks in der Hauptverhandlung und der Würdigung von Tat und Persönlichkeit des Angeklagten eine Überzeugung davon verschaffen kann, ob zu erwarten ist, dass sich der Angeklagte in Zukunft auch ohne Strafverbüßung straffrei führen wird (stRspr., vgl. nur OLG Bamberg a.a.O.; BayObLG, Urt. v. 15.07.2004 – 5St RR 182/04 = NStZ-RR 2004, 336; Fischer StGB 68. Aufl. § 56 Rn. 11 m.w.N.).

b) Ein sachlich-rechtlicher Mangel liegt allerdings dann vor, wenn der Bewährungsentscheidung ein im Gesetz nicht vorgesehener Maßstab zugrunde gelegt wird, die Anforderungen an eine günstige Täterprognose nach § 56 Abs. 1 StGB verkannt oder sich die Würdigung des Tatgerichts deshalb als unvollständig und damit als rechtsfehlerhaft erweist, weil sie nicht alle für die Prognoseentscheidung bedeutsamen Gesichtspunkte gegeneinander abgewogen hat oder die Begründung der Strafaussetzung nicht nachprüfbar dargestellt ist.

c) Die Darlegungen des Landgerichts für seine Erwartung, der Angeklagte werde sich schon allein die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen (§ 56 Abs. 1 Satz 1 StGB), halten angesichts dieses Maßstabs einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

aa) Für eine günstige Legalprognose im Sinne des § 56 Abs. 1 StGB kommt es auf die im Zeitpunkt der tatrichterlichen Verhandlung zu bejahende Erwartung künftiger straffreier Lebensführung an, wobei für diese Erwartung eine durch Tatsachen begründete Wahrscheinlichkeit sprechen muss. Hierzu hat der Tatrichter eine erschöpfende individuelle Gesamtwürdigung aller Umstände vorzunehmen, die Rückschlüsse auf das künftige Verhalten des Täters zulassen. Bei einem Angeklagten, der trotz bewilligter Strafaussetzung zur Bewährung erneut straffällig geworden ist, kann vor allem dann, wenn er zeitnah nach solchen Entscheidungen und während offener Bewährung weitere Straftaten begeht, in der Regel nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit erwartet werden, dass er sich anders als in der Vergangenheit verhalten wird (vgl. BGH, Urt. v. 17.05.1988 – 1 StR 138/88 = StV 1989, 15 = NStE Nr 22 zu § 56 StGB = BGHR StGB § 56 Abs. 1 Sozialprognose 9; OLG Bamberg a.a.O.). Die Begehung von Straftaten während einer Bewährungszeit belegt vielmehr, dass die frühere Prognose falsch war, weshalb eine erneute günstige Prognose nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Gesichtspunkte infrage kommen kann (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung 6. Aufl. Rn. 212). Eine derartige Konstellation liegt hier vor, nachdem der Angeklagte in der Vergangenheit Bewährungszeiten nicht durchgestanden hat. Noch mehr gilt diese Einschätzung dann, wenn der Angeklagte – wie hier – mehrjährigen Freiheitsentzug erlitten hat und gleichwohl wieder straffällig wurde. Gegen den Angeklagten wurden bislang wegen schwerwiegender Straftaten 2 Jahre Jugendstrafe sowie insgesamt 3 Jahre und 6 Monate Freiheitsstrafen vollstreckt. Zwar ist in solchen Fällen eine erneute Bewährung nicht von vornherein ausgeschlossen (BGH, Urt. v. 22.07.2010 – 5 StR 204/10 = NStZ-RR 2010, 306; 10.11.2004 – 1 StR 339/04 = NStZ-RR 2005, 38; Beschl. vom 04.01.1991 – 5 StR 573/90 = BGHR StGB § 56 Abs. 1 Sozialprognose 15; OLG Bamberg a.a.O.). Indes muss es sich bei den Umständen, die der Tatrichter zum Beleg seiner Erwartung einer straffreien Lebensführung des Angeklagten in Zukunft heranzieht, um solche handeln, die zeitlich der Tatbegehung nachfolgten. Lagen die Gesichtspunkte, die bei isolierter Betrachtung für eine günstige Legalprognose sprechen können, dagegen schon im Zeitpunkt der Verwirklichung der abzuurteilenden Taten vor, sind diese grundsätzlich nicht geeignet, die durch das frühere Bewährungsversagen und die Begehung der neuen Taten trotz langjährigen Strafvollzugs indizierte negative Kriminalprognose zu entkräften (OLG Bamberg a.a.O. mit zust. Anm. Peglau, jurisPR-StrafR 1/2017 Anm. 3). Zudem muss bei massiv vorbestraften Tätern, die sich – wie der Angeklagte – viele Jahre im Strafvollzug befunden haben, den neuen Gesichtspunkten besonderes Gewicht zukommen, um trotz dieser für die Prognose äußerst negativen Indizien die Erwartung künftiger Straffreiheit begründen zu können.

bb) Derartige nachträgliche Umstände, die trotz langjährigen Strafvollzugs und der Tatsache, dass der Angeklagte erneut vielfach und wegen einschlägiger Delikte trotz bestehender Führungsaufsicht rückfällig wurde, gleichwohl die Erwartung rechtfertigen könnten, dass er sich nunmehr die jetzige Verurteilung zur Warnung dienen lässt und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten begehen wird, zeigt das angefochtene Urteil indes nicht in rechtsfehlerfreier Weise auf.

(1) Soweit das Landgericht die Strafaussetzung zur Bewährung auf die „neue Arbeitsstelle“ stützt, die der Angeklagte als Gebäudereiniger innehat, stellt dies bereits keinen neuen Umstand im genannten Sinne dar. Denn ausweislich der Urteilsfeststellungen befand er sich nach der letzten Haftentlassung, die im April 2015 erfolgte, bis zum Herbst 2019, also auch zu den Zeitpunkten der Verwirklichung der zahlreichen Taten, die Gegenstand der Verurteilung sowie Grundlage der einbezogenen Strafen sind, ebenfalls in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis als Gebäudereiniger. Das Arbeitsverhältnis stellt damit keinen neuen Aspekt dar, der die Einschätzung zuließe, dass der Angeklagte sich hierdurch künftig von der Begehung neuer Straftaten abhalten ließe.

(2) Der Hinweis der Berufungskammer auf die nach Begehung der verfahrensgegenständlichen Taten erfolgreich absolvierte „Suchttherapie“ könnte war durchaus ein nachträglich eingetretener Gesichtspunkt sein, der möglicherweise Rückschlüsse auf eine positive Legalprognose im Sinne des § 56 Abs. 1 StGB zulässt. Indes sind die diesbezüglichen Feststellungen im Berufungsurteil unzulänglich. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich zwar noch hinreichend schlussfolgern, dass es sich um eine Drogenentzugstherapie handelte. Allerdings sind sowohl die Feststellungen als auch die diesbezügliche Beweiswürdigung zum Erfolg der Therapie unzulänglich. Das Berufungsurteil beschränkt sich auf die knappe Darlegung, die Therapie sei „regulär abgeschlossen“ und der Angeklagte lebe „seit gut einem Jahr drogenfrei“. Insoweit hätte sich geradezu aufgedrängt, nähere Feststellungen zur Entlassungssituation zu treffen, was etwa durch Beiziehung etwaiger Berichte der Therapieeinrichtung oder Vernehmung von Therapeuten ohne weiteres möglich gewesen wäre. Zudem bleibt im Dunkeln, aufgrund welcher Beweismittel sich die Berufungskammer davon überzeugt hat, dass der Angeklagte keine Betäubungsmittel mehr konsumiert. Überdies hat das Landgericht einen Kausalzusammenhang zwischen der früheren Drogenabhängigkeit und seiner bisherigen Delinquenz nicht in hinreichendem Maße herausgearbeitet. Sollten die in der Vergangenheit vom Angeklagten verwirklichten Straftaten zumindest teilweise in keinem Zusammenhang mit der von der Berufungskammer angenommenen Sucht gestanden haben, so müsste der Frage nachgegangen werden, inwiefern selbst eine erfolgreich absolvierte Drogenentzugstherapie überhaupt geeignet wäre, den Angeklagten von Straftaten künftig abzuhalten.“