Gestern habe ich mal wieder einen Schwung Entscheidungen vom KG bekommen. Darunter auch eine – Beschl. v. 11.06.2010 – 3 Ws (B) 270/10 – , vor der man im Grunde fassungslos steht. Nicht wegen der Entscheidung des KG, sondern wegen der zugrunde liegenden amtsgerichtlichen Entscheidung. Da führt der Amtsrichter in seinen Urteilsgründen doch allen Ernstes zum prozessualen Verhalten des Betroffenen aus, dass sein
„Versuch…, dadurch die Aufklärung des Sachverhaltes zu verhindern oder zumindest zu erschweren, dass er sich zur Sache nicht einließ, … gescheitert ist“.
Das KG dazu:
„Seine Berufung auf das Schweigerecht, auf das der Tatrichter ihn zuvor hingewiesen hatte, wird damit als Mittel gewertet, dem etwas Ungehöriges anhaftet, weil es darauf abzielt, die Aufklärung des Sachverhaltes durch das Gericht zumindest zu erschweren. Diese Wertung lässt besorgen, dass der Tatrichter das dem Grundsatz nemo tenetur se ipsum accusare entstammende Recht zu schweigen, das zu den elementaren Wesensmerkmalen eines rechtsstaatlichen Verfahrens gehört, nicht als solches ansieht, sondern als unlauter und seine Tätigkeit unnötig erschwerend begreift. Da er zugleich die Geldbuße gegenüber der ‑ auch bei der höheren Geschwindigkeitsüberschreitung maßgeblichen ‑ Regelbuße des Bußgeldbescheides verdoppelte, liegt die Annahme nahe, dass er hierbei eben dieses prozessuale Verhalten des Betroffenen zu dessen Lasten berücksichtigt hat.“
Ergebnis: Natürlich Aufhebung. Und: Das KG hat die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen; offenbar ging es davon aus, dass bei dem Tatrichter der bloße Hinweis auf den Rechtsfehler mit der Bitte um Beachtung in zukünftigen Fällen nicht ausreichen würde.