Schlagwort-Archive: Auswirkungen

OWi II: Elektronische Einreichung der Rechtsbeschwerdebegründung, oder: Nicht unterzeichnet

Als zweite Entscheidung des Jahres dann der OLG Karlsruhe, Beschl. v. 19.08.2019 – 2 Rb 8 Ss 386/19. Ergangen ist er noch zu § 41a StPO, der zum 01.01.2018 bzw. 01.01.2019 bzw. ggf. sogar erst zum 01.01.2020 – je nach Rechtsverordnung des jeweiligen Bundeslandes – durch § 32a StPo ersetzt worden ist.- Es geht um die Auswirkungen der Nichteinhaltung der Formvorschriften bei elektronischer Einreichung einer Rechtsmittelschrift, eine Problematik, die uns in Zunft sicher noch häufiger beschäftigen wird.

Hier war Rechtsbeschwerde eingelegt worden. Begründet worden ist die mit nicht unterzeichnetem Verteidigerschriftsatz, der elektronisch über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wurde. Das AG hat die Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen. Das OLG hat Wiedereinsetzung gewährt:

„Dem Betroffenen ist von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde zu gewähren.

1. Es liegt ein Fall der Säumnis vor, da die frist- und formgerechte Begründung der Rechtsbeschwerde nicht nachgewiesen ist. Denn dazu bedarf es des vollen Nachweises, wobei der Zweifelsgrundsatz nicht gilt (vgl. BGH NStZ 2009, 174). Dieser Beweis ist wegen des Widerspruchs zwischen dem vom Verteidiger vorgelegten Prüfprotokoll und dem gerichtlichen Empfangsprotokoll hinsichtlich einer qualifizierten Signatur vorliegend nicht geführt.

Damit fehlt es an einer innerhalb der Frist der § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 345 Abs. 1 StPO erfolgten den gesetzlichen Formvorschriften entsprechenden Rechtsbeschwerdebegründung. Dazu hat die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe auf der Grundlage des gerichtlichen Empfangsprotokolls in ihrer Antragsschrift vom 23.5.2019 zutreffend ausgeführt:

„Der Schriftsatz vom 18.12.2018, der die Begründung der Rechtsbeschwerde enthält, ist nicht – wie §§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 345 Abs. 2 StPO grundsätzlich vorsieht – in einer durch den Verteidiger unterzeichneten Schrift angebracht. § 41a Abs. 1 StPO a.F. sieht zwar grundsätzlich vor, dass eine schriftlich abzufassende und zu unterzeichnende Begründung auch als elektronisches Dokument eingereicht werden kann. Gemäß der Übergangsregelung zum Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs (EAEGÜR) i.V.m. § 15 EGStPO fand § 41a StPO noch bis zum 31.12.2018 Anwendung und ist daher vorliegend maßgeblich.

Die Voraussetzungen von § 41a Abs. 1 StPO sind jedoch nicht erfüllt. Der elektronisch übermittelte Schriftsatz vom 18.12.2018 war – wie sich aus dem gerichtlichen Eingangsprotokoll ergibt (AS 137) – nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen, wie es § 41a Abs. 1 S. 1 StPO grundsätzlich vorschreibt. Diese Vorschrift sieht in Abs. 1 S. 2 zwar vor, dass neben der qualifizierten elektronischen Signatur auch ein anderes sicheres Verfahren durch Rechtsverordnung zugelassen werden kann. Die insoweit bis 31.12.2018 maßgebliche LERVVO sah in § 7 alternativ zur Übermittlung eines elektronischen Dokuments mit qualifizierter elektronischer Signatur vor, dass ein Dokument von der verantwortenden Person signiert und auf einem näher definierten sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden kann. Diese Voraussetzungen sind vorliegend jedoch ebenfalls nicht erfüllt. Entgegen den Angaben des Verteidigers wurde der Schriftsatz nicht vom – in § 7 Abs. 2 Nr. 2 LERVVO genannten – besonderen elektronischen Anwaltspostfach aus übermittelt. Vielmehr erfolgte die Übermittlung ausweislich des gerichtlichen Eingangsprotokolls über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP). […] Im Übrigen setzt auch die Übermittlung vom besonderen elektronischen Anwaltspostfach voraus, dass das elektronisch übermittelte Dokument durch die verantwortende Person (handschriftlich) signiert wird, § 7 Abs. 1 LERVVO. Eine solche Signatur weist der Schriftsatz vom 18.12.2018 aber nicht auf.“

2. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 46 Abs. 1 OWiG, 44 StPO) liegen vor. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob den Verteidiger an der nicht ordnungsgemäßen Übermittlung des Begründungsschriftsatzes ein Verschulden trifft, da dieses jedenfalls dem Betroffenen nicht zuzurechnen ist (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 44 Rn. 18 m.w.N.). Das Vertrauen des Betroffenen auf eine fristwahrende Übermittlung des Begründungschriftsatzes am 18.12.2018 ist erst durch die Möglichkeit der Kenntnisnahme des mit Verfügung des Senats vom 28.6.2019 mitgeteilten gerichtlichen Empfangsprotokolls beseitigt worden. Da inzwischen die Rechtsbeschwerdebegründung formgerecht nachgeholt worden war, kann danach gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 45 Abs. 2 Satz 3 StPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen erfolgen.“

Schilderwald im Straßenverkehr – Absehen vom Fahrverbot?

© Gooseman - Fotolia.com

© Gooseman – Fotolia.com

„Schilderwälder“ kennen wir alle. Sie machen die Einhaltung der darin liegenden straßenverkehrsrechtlichen Anordungen nicht unbedingte leicht(er). So war es in Bayern auch einem Betroffenen gegangen. Der hatte aber bei „seinem“ AG Glück. Das hat ihn zwar wegen einer (fahrlässigen) Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt, von einem an sich verwirkten Fahrverbot jedoch unter Erhöhung der Geldbuße abgesehen. Begründung: Es liege ein gegenüber dem Regelfall geringes Verschulden wegen eines Irrtums der Betroffenen vor, da unter dem Zeichen 274 (Beschränkung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit) das Verkehrszeichen „Überholverbot“ (Zeichen 277) angebracht war, darunter in einem rechteckigen Rahmen die Bezeichnung „2,8 t“ und darunter in einem rechteckigen Rahmen die Symbole für Omnibusse und PKW mit Anhänger. Das OLG Bamberg hat das im – ziemlich umfangreichen – OLG Bamberg, Beschl. v. 01. 12. 2015 – 3 Ss OWi 834/15 – nicht gelten lassen und aufgehoben. Wenn man die Leitsätze liest, dann weiß man, was im Beschluss steht, denn die sind im Grunde ein Inhaltsangabe 🙂 .

  1. Ist das verkehrsordnungswidrige Verhalten auf einen aufgrund mangelnder präsenter Kenntnis der Straßenverkehrsvorschriften beruhenden Wertungs- bzw. Interpretationsirrtum des Betroffenen über die rechtliche Bedeutung der von ihm optisch richtig und vollständig wahrgenommenen Beschilderung zurückzuführen, ist von einem regelmäßig vermeidbaren, den Tatvorsatz unberührt lassenden Verbotsirrtum i.S.d. § 11 II OWiG und nicht von einem Tatbestandsirrtum i.S.v. § 11 I 1 OWiG auszugehen (Anschluss u.a. an BayObLGSt 2003, 61 = NJW 2003, 193 = ZfS 2003, 430 = OLGSt OWiG § 11 Nr. 3 = DAR 2003, 426 = VRS 105 [2003], 309 = VerkMitt 2003 Nr. 75 und OLG Bamberg NJW 2007, 3081 = VD 2007, 294 = NZV 2007, 633 = OLGSt StVG § 25 Nr. 37).
  2. Ein vermeidbarer Verbotsirrtum i.S.d. § 11 II OWiG kann dazu führen, dass die Wertung des Pflichtenverstoßes als ‚grob‘ i.S.v. § 25 I 1 [1. Alt.] StVG als nicht gerechtfertigt anzusehen ist mit der Folge, dass die Anordnung eines an sich nach § 4 I 1 BKatV verwirkten Regelfahrverbots nicht (mehr) angezeigt ist (u.a. Anschluss an BayObLG und OLG Bamberg a.a.O.). Scheidet ein Wegfall des Fahrverbots aus, kann die Abkürzung der an sich nach § 4 I 2 BKatV vorgesehen Fahrverbotsdauer oder eine Fahrverbotsbeschränkung (§ 25 I 1 a.E. StVG) in Betracht kommen. Insoweit ist ohne Belang, dass § 11 II OWiG im Unterschied zu § 17 S. 2 StGB keine ausdrückliche fakultative Milderung des Sanktionsrahmens vorsieht.
  3. Rechtfertigt der vermeidbare Verbotsirrtum die Wertung, dass ungeachtet des Vorliegens eines Regelfalls nicht von einem groben Pflichtenverstoß auszugehen ist, scheidet auch eine Kompensation des in Wegfall geratenen Fahrverbots durch Anhebung der Regelgeldbuße nach § 4 IV BKatV aus (Anschluss u.a. an OLG Hamm DAR 1998, 322; OLG Hamm NZV 1999, 92 und OLG Karlsruhe NJW 2003, 3719).
  4. Nicht jeder vermeidbare Verbotsirrtum führt ‚automatisch‘ dazu, von einem Regelfahrverbot Ausnahmen zuzulassen. Erforderlich ist stets eine umfassende einzelfallbezogene Abwägung und Gewichtung sämtlicher erkennbarer Umstände und eine hierauf aufbauende Gesamtschau. Denn ein vermeidbarer Verbotsirrtum kann, muss aber den Schuldvorwurf nicht unter allen Umständen mindern. Nur soweit er ihn im Einzelfall wirklich mindert, ist eine entsprechende Milderung geboten.
  5. Die Anerkennung einer Privilegierungswirkung und ihr möglicher Umfang hängen im Falle des vermeidbaren Verbotsirrtums mit Blick auf ein bußgeldrechtliches Fahrverbot entscheidend vom Grad der Vermeidbarkeit für den Betroffenen ab. Die Anerkennung einer Privilegierung hinsichtlich eines an sich verwirkten Fahrverbots, seiner Dauer oder seines Umfangs bedarf daher auch in den Fällen des vermeidbaren Verbotsirrtums regelmäßig ergänzender, dem Tatrichter vorbehaltener Wertungen und demgemäß korrespondierender tatsächlicher Feststellungen, um dem Rechtsbeschwerdegericht die Nachprüfung der Rechtsfolgenentscheidung zu ermöglichen (Anschluss an OLG Karlsruhe NZV 2005, 380 und OLG Stuttgart BeckRS 2012, 09299). Die in Abschnitt I des BKat vorgesehenen Regelahndungen gehen von fahr­lässiger Begehung, gewöhnlichen Tatumständen und fehlenden Vorahndungen des Betroffenen aus (§§ 1 II, 3 I BKatV).
  6. Dass ein Betroffener bislang straßenverkehrsrechtlich unauffällig geblieben oder so zu behandeln ist, rechtfertigt ein Abweichen von der Regelahndung deshalb auch in Verbindung mit einer geständigen Einlassung oder einem etwaigen in der Hauptverhandlung hinterlassenen günstigen Eindruck und einer positiven Prog­nose hinsichtlich des zukünftigen Verkehrsverhaltens grundsätzlich nicht (Anschluss u.a. an BayObLGSt 1994, 156; OLG Hamm OLGSt BKatV § 4 Nr. 4 = NZV 2007, 100; OLG Hamm DAR 2006, 521; OLG Jena VRS 111, 52).

Ich meine, dass das OLG Bamberg schon mal großzügiger war (vgl. OLG Bamberg, Beschl. v. 6. 6. 2012 – 2 Ss OWi 563/12).

„Rechtsstaatswidrige Tatprovokation“ – geht die Frage an den Großen Senat?

© fotomek - Fotolia.com

© fotomek – Fotolia.com

Am 20.11.2015 ist nun endlich das BGH, Urt. v. 10.06.2015 – 2 StR 97/14 – im Volltext auf der Homepage des BGH online gestellt worden. Warum das fünf Monate gedauert hat, ist mir unerklärlich, wir werden die Gründe für diese „Verspätung “ aber wahrscheinlich nie erfahren. Die Entscheidung v. 10.06.2015 hatte ich ja schon mal angesprochen, und zwar im Zusammenhang mit dem BGH, Beschl. v. 19.05.2015 – 1 StR 128/15 (vgl. dazu Aufrüstung beim BGH – auf einmal BGHSt?, oder: Tatprovokation beim BGH). Jetzt kann man also die Gründe dr beiden Entscheidungen – beide für BGHSt bestimmt – miteinander vergleichen und untersuchen, ob und inwieweit die beiden Entscheidungen inhaltlich, vor allem in der Frage der Auswirkungen einer rechtsstaatswidrigen Tatprovokation, voneinander abweichen. Dazu bin ich wegen des Umfangs der Entscheidungen bisher noch nicht gekommen, 2 StR 97/14 hat 35 Seiten und 1 StR 128/15 hat immerhin auch 17 Seiten. Also: Selbststudium.

Wenn man die Leitsätze sieht, dürfte es aber schon einen Unterschied geben:

Im BGH, Urt. v. 10.06.2015 – 2 StR 97/14 heißt es

Die rechtsstaatswidrige Provokation einer Straftat durch Angehörige von Strafverfolgungsbehörden oder von ihnen gelenkte Dritte hat regelmäßig ein Verfahrenshindernis zur Folge.

Im BGH, Beschl. v. 19.05.2015 – 1 StR 128/15 heißt es u.a.

„1. Zu den Voraussetzungen einer konventionswidrigen polizeilichen Tatprovokation (Anschluss an BGHSt 47, 44 ff.).

In BGHSt 47, 44, worauf ja Bezug genommen wird, heißt es im Leitsatz : „Der Grundsatz des fairen Verfahrens (gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) kann verletzt sein, wenn das im Rahmen einer Tatprovokation durch eine von der Polizei geführte Vertrauensperson (VP) angesonnene Drogengeschäft nicht mehr in einem angemessenen, deliktsspezifischen Verhältnis zu dem jeweils individuell gegen den Provozierten bestehenden Tatverdachts steht (Fortführung von BGHSt 45, 321).

Also einerseits „regelmäßig“, andererseits „kann“. Ich bin gespannt, ob die Frage der Asuwirkungen, die beide Entscheidungen behandeln, nun dann doch irgendwann beim Großen Senat für Strafsachen landet. Auf die Dauer wird man es wohl kaum vermeiden können (vgl. dazu schon das Posting Aufrüstung beim BGH – auf einmal BGHSt?, oder: Tatprovokation beim BGH).

Und was mache ich als Verteidiger? Nun man wird sich die weitergehenden Gründe des BGH, Urt. v. 10.06.2015 – 2 StR 97/14 „zu eigen machen“.

Kein Aprilscherz: Methadonbehandlung macht nicht immer „fahrungeignet“

entnommen wikimedia.org Urheber Leyo

entnommen wikimedia.org
Urheber Leyo

In einem Verfahren, in dem beim OVG Münster um vorläufigen Rechtsschutz gestritten wurde, war dem Antragsteller die Fahrerlaubnis von der Verwaltungsbehörde entzogen worden. Diese war davon ausgegangen, dass der Antragsteller, der vormals – nach seinen Angaben zwischen 2000 und 2004 – heroinabhängig war und dessen Betäubungsmittelkonsum seit 2006 mit der „Ersatzdroge“ Methadon substituiert wird, unter die Bestimmungen der Nrn. 9.1 und 9.3 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) fällt und daher gemäß § 46 Abs. 1 FeV „an sich“ mit der Folge der Fahrerlaubnisentziehung als fahrungeeignet anzusehen ist. Dagegen das Rechtsmittel, die beim VG keinen Erfolg hatten.

Das OVG Münster hat im OVG Münster, Beschl. v. 01.04.2014 – 16 B 144/13 – dann einen „Vergleichsvorschlag gemacht. Es geht davon aus, dass die Annahme der Fahrungeeignetheit durch die Verwaltungsbehörde und VG grundsätzlicvh zutreffend ist.

„Allerdings bestimmt die Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zur FeV, dass die in dieser Anlage vorgenommenen Bewertungen nur für den Regelfall gelten; Kompensationen durch besondere menschliche Veranlagung, durch Gewöhnung, durch besondere Einstellung oder durch besondere Verhaltenssteuerungen und -umstellungen seien möglich. Ergäben sich im Einzelfall in dieser Hinsicht Zweifel, könne eine medizinisch-psychologische Begutachtung angezeigt sein. Es unterliegt (auch) für den Senat keinem Zweifel, dass die Einnahme von Betäubungsmitteln – ausgenommen Cannabis, für das die Nrn. 9.2.1 und 9.2.2 der Anlage 4 eine differenzierende Regelung treffen – dem o.g. Regelfall unterfällt, also ohne Begutachtung die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtfertigt, solange nicht die Voraussetzungen der Nr. 9.5 der Anlage 4 nachgewiesen werden. Entsprechendes gilt für die Abhängigkeit von Betäubungsmitteln. Für Personen, die sich im sog. Methadon-Programm befinden, ist aber ungeachtet des Umstandes, dass Methadon zu den in der Anlage III zu § 1 des Betäubungsmittelgesetzes genannten Substanzen zählt, anerkannt, dass in Ausnahmefällen die Fahreignung gegeben sein kann. So wird in den Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung des Gemeinsamen Beirats für Verkehrsmedizin beim – seinerzeitigen – Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen und beim Bundesministerium für Gesundheit (Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Mensch und Sicherheit, Heft M 115) unter Nr. 3.12.1, vgl. Schubert/Schneider, Eisenmenger/Stephan, Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung, Kommentar, 2. Aufl. 2005, S. 168,  ausgeführt, dass derjenige, der als Heroinabhängiger mit Methadon substituiert werde, im Hinblick auf eine hinreichend beständige Anpassungs- und Leistungsfähigkeit in der Regel nicht geeignet sei, ein Kraftfahrzeug zu führen. In seltenen Ausnahmefällen sei aber eine positive Beurteilung möglich, wenn besondere Umstände dies im Einzelfall rechtfertigten. Hierzu gehörten u. a. eine mehr als einjährige Methadonsubstitution, eine psychosoziale stabile Integration, die Freiheit von Beigebrauch anderer psychoaktiver Substanzen einschließlich Alkohol seit mindestens einem Jahr, nachgewiesen durch geeignete, regelmäßig stattfindende und zufällige Kontrollen (z. B. Urin, Haar) während der Therapie, der Nachweis für Eigenverantwortung und Therapie-Compliance sowie das Fehlen einer Störung der Gesamtpersönlichkeit, wobei nicht nur Störungen aufgrund des Substanzmissbrauchs von Bedeutung seien. Ähnliche, im Detail aber auch variierende Kriterien werden in anderen wissenschaftlichen Veröffentlichungen  etwa Berghaus/Friedel, NZV 1994, 377, 380; Tretter, in: Substitution und Fahrerlaubnis, Tagungsbericht der Bayerischen Akademie für Suchtfragen, Juli 2001, S. 11, sowie Kannheiser, a. a. 0., S. 18 f.  genannt, ohne dass die Anerkennung der Möglichkeit einer (ausnahmsweisen) Fahreignung von Substitutionspatienten grundsätzlich in Frage gestellt wird.  Vgl. aus der Rechtsprechung auch OVG NRW, Beschlüsse vom 16. April 2003 – 19 B 736/03 u. a. juris, Rn. 4 f., und vom 3. Juni 2009 – 16 B 561/09 -; OVG Bremen, Beschluss vom 31. Januar 1994 – 1 B 178/93 -, NZV 1994, 206; Bay. VGH, Beschlüsse vom 23. Mai 2005 – 11 C 04.2992 -, juris, Rn. 20, und vom 5. Juli 2012 – 11 CS 12.1321 -, juris, Rn. 18 f.

Vorgeschlagen hat der Senat dann die Vorlage eines auf Anordnung des Antragsgegners und auf Kosten des Antragstellers beigebrachten medizinisch-psychologischen Gutachtens mit dem Nachweis, dass der Antragsteller trotz regelmäßiger Einnahme von Methadon im Rahmen einer Betäubungsmittelsubstitution und trotz einer anzunehmenden Methadonabhängigkeit fahrgeeignet ist.

Ach so: Kein Aprilscherz (Beschlussdatum: o1.04.2014) 🙂 .

Strafzumessung: Der Referendar, der Vorbereitungsdienst und das Strafverfahren

© Dan Race - Fotolia.com

Folgender Sachverhalt im landgerichtlichen Urteil:

Die Angeklagte und zwei Mitangeklagte, im Tatzeitraum sämtlich Studenten, hatten sich Anfang des Jahres 2008 zum Zwecke des künftigen gemeinschaftlichen und arbeitsteiligen Anbaus erheblicher Mengen von Marihuana zusammengeschlossen, um jeweils ihren jährlichen Marihuanabedarf abzudecken. In den Jahren 2008 und 2009 konnten sie mehrere Kilogramm ernten. Sie fileen auf und es wurde ein Strafverfahren eingeleitet, das mit einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe endete. Dagegen legt der Angeklagte Revision ein, mit der er geltend macht, es seien vom LG bei der Strafzumessung  die Auswirkungen der Verurteilung auf sein Berufsleben nicht ausreichend berücksichtigt worden. Das hat der 1. Strafsenat in BGH, Beschl. v. 12.01.2012 – 1 StR 559/11 anders gesehen, und:

Im Übrigen brauchte die Strafkammer hier die in Betracht zu ziehenden Wirkungen der Strafe, die für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind (vgl. § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB; hierzu z.B. BGH, Beschluss vom 3. November 2009 – 4 StR 445/09 mwN), nicht breiter als geschehen zu erörtern. Hierbei ist – unbeschadet der Frage nach etwaigen Mitteilungs- oder Offenbarungspflichten – auch zu berücksichtigen, dass der Angeklagte R. seinen Vorbereitungsdienst in Kenntnis des gegen ihn wegen bandenmäßigen wegen bandenmäßigen Anbaus von Betäubungsmitteln geführten Strafverfahrens angetreten hat. Auch deshalb brauchte die Strafkammer in einem Wegfall der Anwärterbezüge oder der in dieser Zeit erworbenen (allenfalls sehr geringen) Versorgungsanwartschaften hier keinen bestimmenden und daher erörterungsbedürftigen Strafzumessungsgrund zu sehen (vgl. auch Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 4. Aufl., Rn. 430 ff. mwN).

Wer sich in Gefahr begibt,…