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Auch das „falsche“ Sachverständigengutachten gehört in die Akte/bleibt in der Akte

© Gerhard Seybert - Fotolia.com

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Beim Lesen der ein oder anderen Entscheidung, denke ich manchmal schon: Das gibt es doch nicht. So ist es mir beim Lesen des OLG Köln, Beschl. v. 27.02.2015 – III-1 RBs 56/15 – ergangen, der ein straßenverkehrsrechtliches Bußgeldverfahren betrifft. Gibt es dann aber doch.

In dem Verfahren hatte das AG ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben, das vom Sachverständigen auch erstellt worden ist. Das Gutachten befand sich bereits bei der Akte, wurde dann aber vom Sachverständigen bei der Geschäftsstelle zurückgefordert, weil es „falsch“ war. Die Geschäftsstelle hat das „falsche“ Gutachten dann gegen ein „richtiges“ Gutachten, das vom Sachverständigen übersandt worden ist, ausgetauscht.  Der Verteidiger hatte diesen Vorgang mit der Verfahrensrüge als eine Verletzung des rechtlichen Gehörs beanstandet (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG). Das OLG hat ihm Recht gegeben, was m.E. zutreffend ist.

„b) Diese Verfahrensweise des Amtsgerichts verletzt den Anspruch der Betroffenen auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Dieser Grundsatz verpflichtet das Gericht – soweit hier von Interesse -, die Äußerungsmöglichkeiten des Betroffenen namentlich sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt zu sichern und ihm die Möglichkeit einzuräumen, sich zu Rechtsfragen zu äußern, Anträge zu stellen und Ausführungen zu machen (BVerfGE 63, 332 [337] = NJW 1983, 2763 [2764] SenE v. 24.03.2000 – Ss 134/00 -; SenE v. 16.03.2001 – Ss 77/01 Z -; SenE v. 26.01.2007 – 82 Ss-OWi 7/07 -)

Was speziell die Aktenführung und -einsicht angeht, verbietet es der Grundsatz des rechtlichen Gehörs, Schriftstücke, aus denen sich schuldspruch- oder rechtsfolgenrelevante Umstände ergeben können, den Akten fernzuhalten. Was für das Verfahren geschaffen worden ist, darf der Akteneinsicht nicht entzogen werden (so ausdrücklich: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Auflage 2014, § 147 Rz. 14).

c) Der Senat vermag – was bereits im Verfahren über die Zulassung der Rechtsbeschwerde zu klären ist (SenE v. 20.01.2011 – III-1 RBs 316/10 -; SenE v. 28.03.2011 – III-1 RBs 66/11 -; SenE v. 15.04.2014 – III-1 RBs 89/14 -; OLG Düsseldorf NJW 1999, 2130; Göhler, OWiG, 16. Auflage, § 80 Rz. 16c) – letztlich nicht auszuschließen, dass das angefochtene Urteil auf der Gehörsverletzung beruht (zur Beruhensprüfung bei der Verletzung des rechtlichen Gehörs vgl. ausdrücklich BVerfG NJW 1991, 2811 – bei Juris Tz. 21). Ein Beruhen des Urteils auf der Gehörsverletzung könnte (nur dann) ausgeschlossen werden, wenn das zunächst zur Akte gelangte „falsche“ Gutachten eine andere als die streitgegenständliche Messung betroffen hätte. Das ist aber nach den durch die zulässig erhobene Verfahrensrüge veranlassten freibeweislichen Ermittlungen des Senats nicht der Fall (vgl. zu den Ermittlungsmöglichkeiten im Freibeweisverfahren BGH NStZ 1993, 349; BGH StraFo 2011, 314 = StV 2012, 3). Vielmehr betraf es nach der eingeholten fernmündlichen Auskunft der E die Messung vom 17. Mai 2013, 21:18 Uhr in Königswinter, B 42n. Auch wenn seitens der E insoweit – ohne die Möglichkeit näherer Eingrenzung – (nur) von im Hinblick auf Schreibfehler vorzunehmende Korrekturen die Rede war, war doch das „falsche“ Gutachten im vorbezeichneten Sinne für das vorliegende Verfahren geschaffen und unterlag daher dem Akteneinsichtsrecht des Verteidigers.“

Fazit: Was einmal in der Akte ist, muss grundsätzlich in der Akte bleiben. Und das gilt m.E. vor allem für ein Sachverständigengutachten, denn aus dem Umstand, dass es „falsch“ ist/war, können sich ggf. Verteidigungsansätze ergeben.

Immer wieder dieselben Lücken im Urteil –> Aufhebung

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Zwei in amtsgerichtlichen Urteilen immer wieder vorkommende Fehler führten beim OLG Bamberg zur Aufhebung einer Verurteilung eines Betroffenen wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung. Der OLG Bamberg, Beschl. v. 02.04.2015 – 2 Ss OWi 251/15 – legt den Finger noch einmal in die Wunde, wenn es in den beiden Leitsätzen zum Inhalt der Urteilsgründe dort heißt:

  1. Auch dann, wenn die Feststellung eines Geschwindigkeitsverstoßes auf einem standardisierten Messverfahren beruht, muss sich aus den Urteilsgründen regelmäßig ergeben, wie sich der Betroffene eingelassen hat und ob der Tatrichter der Einlassung gefolgt ist oder ob und inwieweit er sie für widerlegt angesehen hat.
  2. Hat das Amtsgericht – auch bei Vorliegen eines standardisierten Messverfahrens zur Ordnungsgemäßheit der Geschwindigkeitsmessung einen Sachverständigen beauftragt, um sich der Korrektheit der Messung im konkreten Einzelfall zu versichern, und sich dessen Gutachten angeschlossen, so müssen in den Urteilsgründen die Ausführungen des Sachverständigen in einer (wenn auch nur gedrängten) zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen im Urteil wiedergegeben werden, um dem Rechtsbeschwerdegericht die gebotene Nachprüfung zu ermöglichen.

Grund für die Aufhebung: Auch im Bußgeldverfahren sind die Urteilsgründe alleinige Grundlage für die rechtliche Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hin. Sie müssen daher so beschaffen sein, dass dem Rechtsbeschwerdegericht die Nachprüfung einer richtigen Rechtsanwendung ermöglicht wird. Vor allem muss dann, wenn der Betroffene die Tat bestreitet, das Urteil erkennen lassen, aufgrund welcher Tatsachenfeststellungen das AG diese Einlassung für widerlegt hält.

Als Verteidiger muss man solche Fehler mit der Sachrüge geltend machen (§ 267 StPO). Und der ein oder andere wird sich fragen: Was bringt es? Nun, es bringt Zeit und die kann man bei der Fahrverbotsentscheidung ggf. gut gebrauchen.

Freibrief/Freilos – Erstaunliches zur U-Haft-Fortdauer vom OLG Dresden

© J.J.Brown - Fotolia.com

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Ich war nicht ganz 14 Jahre beim OLG. In der Zeit hat der Senat, dem ich angehört habe, eine große Zahl von sog. BL-Sachen – das war das Aktenzeichen für Sechs-Monats-und mehr-Haftprüfungen beim OLG (§§ 121, 122 StPO) – entschieden und habe ich viele BL-Sachen der anderen Senat gesehen. Aber in keiner stand das bzw. war so formuliert wie in dem OLG Dresden, Beschl. v. 23.12.2014 – 2 Ws 542/14. Und das habe ich übrigens auch so noch in keinem anderen OLG Beschluss gelesen, der in einem Haftprüfungsverfahren nach §§ 121, 122 StPO ergangen ist.

Es geht um die Haftprüfung in einem offenbar recht umfangreichen Wirtschaftsstrafverfahren mit dem Vorwurf des Betruges mit einer großen Zahl von Geschädigten und einem sehr hohen Schaden (sog. Infinus-Verfahren). Wie umfangreich das Verfahren zu sein scheint, zeigt die Formulierung im Beschluss: „Überdies ist das Verfahren sowohl in tatsächlicher als auch rechtlicher Hinsicht schwierig und angesichts der sehr großen Zahl geschädigter Anleger, der (auch internationalen) Verflechtung des aus 22 Einzelgesellschaften bestehenden Firmengeflechts und des Volumens der jetzt schon 502 Leitz-Ordner umfassenden Sachakte außerordentlich umfangreich.“ Der Beschuldigte befindet sich inzwischen in dem Verfahren seit mehr als einem Jahr in Untersuchungshaft, es handelt sich also um die sog. 12-Monats-Prüfung. Die Staatsanwaltschaft hat ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben, zu dem es heißt: „Wie bereits in den früheren Beschlüssen des Senats ausgeführt, war die Wirtschaftsprüfergesellschaft ppp. schon im Oktober 2013 — also schon vor Beginn der mit maßgeblichen Verhaftungs- und Sicherstellungsmaßnahmen — beauftragt worden. Für eine Fristsetzung zur Erstellung des Gutachtens – wie von den Verteidigern gefordert – bestand angesichts der steten und intensiven Bearbeitung des Gutachtenauftrags keine Veranlassung. Das 160 Seiten umfassendes Auswertungsgutachten, welches naturgemäß erst auf Grundlage aller digitalisierter Unterlagen abschließend erstellt werden konnte, liegt der Staatsanwaltschaft seit dem 11. Dezember 2014 vor. Einer erbetenen Aufstellung des Gutachters vom 15. Dezember 2014 (Hauptakte Band 24, Blatt 9780 ff.) über den erforderlichen Zeitaufwand der Wirtschaftsprüfer zufolge waren neben seiner Person zwei weitere Arbeitsgruppen (der Fa. ppp.), somit insgesamt sechs Wirtschaftsprüfer zeitgleich in die Analyse und Auswertung der Unterlagen eingebunden, welche insgesamt 5.306 Arbeitsstunden investieren mussten. Dies allein entspricht schon rein rechnerisch bei Zugrundelegung eines Zeitaufwands von acht Stunden pro Arbeitstag je Gutachter einer Gesamtsumme von mehr als 110 Arbeitstagen.“

So weit, so gut (?). Sicherlich umfangreich und schwierig. Aber: Auch mit der erforderlichen Beschleunigung behandelt? Das OLG meint ja und sieht keinen Grund, dass den Sachverständigen eine Frist zur Erstellung des Gutachtens hätte gesetzt werden müssen. Schon da habe ich meine Zweifel. Denn 110 Arbeitstage, von denen das OLG ausgeht, sind bei 5 Tagen/Woche, 22 Wochen, also noch nicht mal ein halbes Jahr. Gedauert hat die Gutachtenerstellung aber ein Jahr. Hätte man da die Sachverständigen nicht vielleicht doch mal mahnen können, wenn nicht sogar müssen? Wenn man die Verpflichtung nicht sieht/nicht annimmt, dann sind solche Sätze wie:

„Ein – wie vorliegend nunmehr erreichter – Vollzug von Untersuchungshaft von mehr als einem Jahr bis zum Beginn der Hauptverhandlung oder dem Erlass des Urteils kann nach den verfassungsrichterlichen Vorgaben nur in ganz besonderen Ausnahmefällen als gerechtfertigt angesehen werden (BVerfG NStZ 2000, 153), auch gefährdet dann eine schon leichte Verzögerung die weitere Aufrechterhaltung des Haftvollzuges.“

für mich nur Lippenbekenntnisse.

Das ist aber noch nicht das Besondere an dem Verfahren. Das steckt für mich vielmehr in diesen Ausführungen des Senats:

„Auch beabsichtigt sie (die Staatsanwaltschaft) ihrem Bericht zufolge, ihr Augenmerk verstärkt auf die zeitnahe Erhebung der Anklage zu richten und die Abfassung der Anklageschrift, deren Gerüst bereits feststehe, fortzusetzen.

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang vorsorglich, dass dann, wenn schon die Staatsanwaltschaft für die Erarbeitung des gesamten Akteninhalts und der Erstellung der Anklageschrift mehrere Monate benötigt – worin per se allerdings kein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot zu sehen ist – ein entsprechender Zeitraum auch der zuständigen Wirtschaftsstrafkammer nach Eingang der Anklage bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens zuzubilligen sein wird. Eine gründliche Auseinandersetzung mit dem gesamten Prozessstoff ist – insbesondere auch aus Sicht eines verständigen Angeklagten – unabdingbare Voraussetzung für eine den Belangen der Verfahrensbeteiligten Rechnung tragende Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens, für eine sinnvolle Terminierung und entsprechender Planung sowie Durchführung der sich anschließenden Hauptverhandlung.“

Aber hallo, das ist nun wirklich „außergewöhnlich“. Die StA „beabsichtigt ….., ihr Augenmerk verstärkt auf die zeitnahe Erhebung der Anklage zu richten und die Abfassung der Anklageschrift, deren Gerüst bereits feststehe, fortzusetzen“. Das ist ja schön, dass ein „Gerüst bereits feststeht“ – nach mehr als einem Jahr. Das ist aber auch alles, was das OLG dazu meint. Kein Hinweis, dass man die Anklage aber nun in einer bestimmten Frist – welcher? – erwartet, da ja immerhin schon mehr als ein Jahr U-Haft vollstreckt wird.

Das toppt das OLG dann aber noch mit dem folgenden Absatz, der nichts anderes ist als ein Freibrief/Freilos für die demnächst zuständige Kammer. Das OLG gibt ihr schon jetzt – bevor die Anklage überhaupt vorliegt – genau dieselbe Zeit zur Prüfung des Verfahrens und Erlass der Eröffnungsentscheidung wie ihn die StA zur Erstellung der Anklage gebraucht hat. Es mag ja sein, das man für die Erstellung der Anklage so lange/länger braucht, aber daraus kann man doch nicht vorab (!!!) bereits der Kammer „freie Fahrt“ geben. Denn das bedeutet hier – mal unterstellt, die StA hat bislang schon drei Monate für die Anklagefertigung gebraucht und benötigt nochmals drei – dass die Entscheidungen zu den 15- und 18-Monats-Haftprüfungen bereits vorliegen. Eine Verletzung des Beschleunigungsgrundsatzes wird das OLG auf der Grundlage in den dann erforderlichen Entscheidungen kaum noch treffen können. Für mich ist das unfassbar.

Und: Auch beim Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 1 Nr. 2 StPO) habe ich angesichts der mitgeteilten Umstände Bedenken. Abgesehen davon, dass sich für mich die Frage stellt, wovon und wohin soll der Beschuldigte eigentlich fliehen, ist er immerhin während einer Außervollzugsetzung nicht geflohen.

Eigene Sachkunde des Gerichts – so einfach ist das nicht

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In einem Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung ging es beim LG Hagen in der Berufung (auch) um die Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten (§§ 20, 21 StGB). Das LG hatte einen dazu gestellten Beweisantrag nach § 244 Abs. 4 StPO abgelehnt. das hat der Angeklagte mit der Revision geltend gemacht und im OLG Hamm, Beschl. v. 22.10.2013 – 2 RVs 46/13 Recht bekommen. An sich eine m.E. ganz einfache Frage, die das OLG da entschieden hat. Das ergibt sich schon aus dem (amtlichen) Leitsatz der Entscheidung:

„Bei einer Blutalkoholkonzentration des Angeklagten von deutlich über 2 Promille zur Tatzeit, möglichem Medikamenteneinfluss und psychischen Auffälligkeiten vor, bei und unmittelbar nach der Tat, ist die Ablehnung eines auf Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens zum Beweis der Schuldunfähigkeit des Angeklagten gerichteten Beweisantrages wegen (angeblicher) eigener Sachkunde nach § 244 Abs. 4 StPO fehlerhaft.“

Ein wenig zu langsam war die StA…

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Ein wenig zu langsam hat die StA Berlin in einer Haftsache in Berlin in einem Verfahren wegen Körperverletzung mit Todesfolge gearbeitet. Ergebnis: Wegen des Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot in Haftsachen hat das KG im Haftprüfungsverfahren nach den §§ 121, 122 StPO den Haftbefehl mit KG, Beschl. v. 09.08.2013 – (4) 141 HEs 44/13 (23/13) – aufgehoben.  In der Sache ging es um das in der Praxis bekannte Problem der (nicht) rechtzeitigen Einholung von Sachverständigengutachten. Insoweit hält das KG dem LG zwei Versäumnisse vor:

„Bei Eingang der Akten bei der Staatsanwaltschaft am 12. März 2013 standen noch die Ergebnisse der im Anschluss an die Obduktion des C. eingeleiteten weiteren gerichtsmedizinischen Untersuchungen (neuropathologische und feingewebliche Begutachtung der inneren Organe) aus. Diese wurden von der Staatsanwaltschaft am 13. März 2013 telefonisch im Büro des hiermit beauftragten Sachverständigen unter Hinweis auf das Beschleunigungsgebot in Haftsachen angemahnt. Ob die Staatsanwaltschaft damit ihrer Aufgabe gerecht geworden ist, den Sachverständigen zu überwachen und auf eine beschleunigte Erstellung des Gutachtens hinzuwirken, kann dahin stehen. Denn die neuropathologische Begutachtung des Gehirns und feingewebliche Untersuchung von Lunge, Leber, Milz und Nieren des Verstorbenen waren am 5. April 2013 abgeschlossen, was für derartige Untersuchungen eine noch angemessene Dauer darstellt. Wann das an diesem Tage gefertigte und an die Staatsanwaltschaft abgesendete schriftliche Gutachten bei dieser eingegangen ist, kann der Senat den ihm vorliegenden Akten nicht entnehmen. Spätestens am 15. April 2013 lag es dem sachbearbeitenden Staatsanwalt aber vor, denn an diesem Tag verfügte er die Vorlage der mitübersandten Rechnung und einer Kopie des Gutachtens an die Berechnungsstelle zur Entschädigung des Sachverständigen.

 Obwohl nach Eingang des (letzten) gerichtsmedizinischen Gutachtens eine umgehende Anklageerhebung geboten war, um dem Beschleunigungsgrundsatz Rechnung zu tragen, wurde die Anklageschrift erst am 31. Mai 2013 gefertigt und sogar erst am 10. Juni 2013 zum Landgericht erhoben, ohne dass sich den Akten Gründe hierfür entnehmen lassen.

bb) Neben der späten Anklageerhebung hat es die Staatsanwaltschaft zusätzlich versäumt, forensisch-psychiatrische Gutachten zur Schuldfähigkeit der Beschuldigten noch im Ermittlungsverfahren in Auftrag zu geben, obwohl sich deren Notwendigkeit schon frühzeitig aufdrängte.

Um dem Beschleunigungsgebot in Haftsachen zu genügen, hat die Staatsanwaltschaft möglichst früh auch alle erforderlichen Untersuchungen in Auftrag zu geben (vgl. Senat, Beschlüsse vom 9. Juli 2009 – [4] 1 HEs 26/09 [17/09] – und vom 27. Mai 2011 – [4] 1 HEs 22/11 [21/11] –; KG, Beschluss vom 25. August 2009 – [2] 1 HEs 30/09 [6-7/09] –). Dies gilt auch und insbesondere für die Einholung forensisch-psychiatrischer Gutachten zur Schuldfähigkeit des Beschuldigten (ständige Rechtsprechung der Senate des Kammergerichts, vgl. etwa Beschlüsse vom 25. August 2009 – [2] 1 HEs 30/09 [6-7/09] –; vom 13. Oktober 2009 – [4] 1 HEs 41/09 [27/09] –; vom 29. September 2010 – [4] 1 HEs 37, 44/10 [20-23/10] – ; vom 11. November 2010 – [4] 1 HEs 45/10 [29-32/10] – und vom 2. März 2012 – [4] 141 HEs 21/12 [7/12] –). Gleichwohl hat es die Staatsanwaltschaft Berlin vorliegend abermals ohne ersichtlichen Grund unterlassen, insoweit bereits ihrerseits das Erforderliche zu veranlassen. Die deutliche tataktuelle Alkoholisierung der Beschuldigten, die sich – neben den mit den Erstermittlungen befassten Polizeibeamten – insbesondere auch der (einzigen) unmittelbaren Tatzeugin N. offenbart hatte, war bereits mit der Anzeigenaufnahme aktenkundig gemacht worden und ergab sich aus dem Protokoll der Vernehmung der Zeugin N. vom Tattag. Zudem hatten beide Beschuldigte in ihren Vernehmungen am Tattag angegeben, in erheblichen Mengen Alkohol getrunken zu haben. Der Angeklagte F. hatte zudem einen Cannabiskonsum am Tattag behauptet. Seit Ende Januar bzw. Februar 2013 war auf Grund der Untersuchung des Bluts und des Urins beider Beschuldigter und entsprechender Rückrechnungsgutachten deren Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit (F.: max. 3,12 ‰) und der begleitende Drogenkonsum (Cannabis) des Angeklagten F. bekannt. Die Staatsanwaltschaft sah die Begutachtung der Beschuldigten (auch) zum Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen für die Anordnung einer Maßregel nach § 63 StGB und (insbesondere) § 64 StGB ausweislich eines Vermerks vom 8. März 2013 („ … Es fehlen dann noch die abschließenden Untersuchungen der Gerichtsmedizin. Nach deren Eingang sollen die Sachverständigen beauftragt und die Anklage begonnen werden.“) auch als erforderlich an. Gründe, warum sie gleichwohl (auch) nach Eingang des neuropathologischen Gutachtens von der Einholung solcher Gutachten abgesehen hat, lassen weder die Akten noch der Vorlagevermerk der Staatsanwaltschaft erkennen.“