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Ablehnung des Entbindungsantrags: Rechtsbeschwerdebegründung

Einmal mehr befasst sich das OLG Bamberg, Beschl. v. 20.10.2011 – 3 Ss OWi 1364/11 mit den Anforderungen an die Begründung der Rechtsbeschwerde nach Ablehnung eines Entbindungsantrags. Im Leitsatz heißt es:

„Wird die rechtfehlerhafte Ermessensausübung bei der Ablehnung eines Termins­ver­legungsantrags wegen Verhinderung des Verteidigers beanstandet, ist nach § 344 II 2 StPO der Inhalt des Verlegungsgesuchs grundsätzlich vollständig wiederzugeben. Dies gilt erst recht dann, wenn mit dem Antrag zugleich hilfsweise für den Fall seiner Ableh­nung konkrete Sacheinlassungen zur Schuld- oder Rechtsfolgenfrage abgegeben werden.“

Hut ab vor dem OLG Hamm – Kehrtwende um 180 Grad

Wann liest man schon mal, dass eine Gegenvorstellung eines Verteidigers Erfolg hat bzw., wann räumt ein Gericht schon mal ein, dass etwas überlesen worden ist. So ganz häufig sind die Fälle ja nun nicht. Deshalb ist es um so schöner, wenn man über einen solchen Beschluss berichten kann. Und dann ist es auch noch das OLG Hamm :-), das in OLG Hamm, Beschl. v. 13.07.2011 – III – 4 R Bs 193/11 eine Kehrtwende gemacht hat.

Folgender Sachverhalt: Das OLG hatte zunächst die Rechtsbeschwerde des Verteidigers gegen ein amtsgerichtliches Urteil verworfen. Begründung: Die Rechtsbeschwerde „habe nicht ausreichend ausgeführt, dass der Verteidiger über die besondere Vollmacht verfügt habe, um einen Antrag nach § 73 Abs. 2 OWiG für den Betroffenen wirksam stellen zu können“. Der Verteidiger war erstaunt, denn er hatte vorgetragen, er „habe über eine „Vertretungs- und Verteidigungsvollmacht“ verfügt“. Und er fragte sich, was er denn noch vortragen müsse. Das hat er auch das OLG in seiner Gegenvorstellung gefragt. Und: Das OLG macht eine Kehrtwende und führt dazu aus:

„Bei erneuter Überprüfung der Sach- und Rechtslage muss der Senat jedoch einräumen, die Anforderungen an den Vortrag des Bestehens einer besonderen Vollmacht für die Stellung eines Antrages nach § 73 Abs. 2 OWiG in seiner Entscheidung vom 31. Mai 2011 überspannt zu haben. Mit der Darlegung, der Verteidiger habe über eine „Vertretungs- und Verteidigungsvollmacht“ verfügt, liegt, entgegen der damals geäußerten Rechtsansicht, ein ausreichender Vortrag zu diesem Punkt vor. Andere Zulässigkeitsbedenken hinsichtlich der erhobenen Verfahrensrüge bestehen nicht.“

Damit war die Rechtsbeschwerde zulässig und hatte dann auch in der Sache Erfolg. Sie führte zur Aufhebung wegen der Verletzung rechtlichen Gehörs. Dazu aber in anderem Zusammenhang mehr.

Die Absicht, „schulmeisterlich zu belehren“…

reicht nicht aus, um einen Antrag des Betroffenen, ihn von der Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden (§ 73 Abs. 2 OWiG), abzulehnen. So das OLG Frankfurt in OLG Frankfurt, Beschl. v. 25.07.2011 – 2 Ss-OWi 375/11. Dort hatte das AG einen Entbindungsantrag des Betroffenen abgelehnt mit der Begründung – so lässt es sich dem OLG Frankfurt-Beschluss entnehmen -, „dass es dem Betroffenen die Funktionsweise des Messgeräts erläutern und ihn über Sinn und Zweck von Ge­schwindigkeitsmessungen belehren wolle.“ Man ist ja schon erstaunt, wozu die StPO/das OWiG offenbar verpflichtet…

Dazu das OLG Frankfurt in seinem Beschluss:

Eine zur Zulassung der Rechtsbeschwerde führende Gehörsverletzung muss deshalb nicht immer vorliegen, wenn in Folge der rechtsfehlerhaften Ablehnung eines Entbindungsantrages nach § 73 Abs. 2 OWiG und anschließender Verwerfung des Ein­spruchs gegen den Bußgeldbescheid nach § 74. Abs. 2 OWiG die Einlassung des Be­troffenen zur Sache unberücksichtigt geblieben ist. Anders läge es, wenn das Amts­gericht unter gleichsam willkürlicher Verletzung seiner prozessualen Fürsorgepflicht und/oder des Grundsatzes eines fairen Verfahrens das unabdingbare Mindestmaß verfassungsrechtlich verbürgten rechtlichen Gehörs verletzt hätte (vgl. BVerfG NJW 1992, 2811). Dies wird bei Maßnahmen angenommen, die auf unsachlichen, sich von den gesetzlichen Maßstäben völlig entfernenden Erwägungen beruhen und unter kei­nem Gesichtspunkt vertretbar erscheinen.

Das ist hier der Fall. Vorliegend hat das Amtsgericht die Entscheidung über die Ab­lehnung des Entbindungsantrages damit begründet, dass es dem Betroffenen die Funktionsweise des Messgeräts erläutern und ihn über Sinn und Zweck von Ge­schwindigkeitsmessungen belehren wolle. Hieraus ergibt sich gleichzeitig, dass das Amtsgericht die Anwesenheit des Betroffenen — auch nicht ansatzweise – zur Auf­klärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts für erforderlich erachtete. Die Erzwingung der Anwesenheit des Betroffenen allein mit dem Ziel, diesen in der Haupt­verhandlung schulmeisterhaft zu belehren, stellt sich aber nach Auffassung des Se­nats als Maßnahme dar, die auf einer unsachlichen, sich von den gesetzlichen Maß­stäben des § 73 Abs. 2 OWG völlig entfernenden Erwägung beruht und unter keinem Gesichtspunkt vertretbar erscheint.“

Zutreffend. M.E. nicht zutreffend ist i.Ü. der grundsätzliche Ansatz des OLG, dass in den Fällen der Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Ablehnung eines berechtigten Entbindungsantrags die Versagung rechtlichen Gehörs und die damit begründete Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG offenbar nur bei willkürlichem Handeln des AG in Betracht kommen soll. Das scheint ständige Rechtsprechung des OLG zu sein. Ist m.E. aber nicht richtig und wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung der anderen OLG auch anders gesehen.

Der konkrete Verstoß gegen die Richtlinien zur Verkehrsüberwachung ist Einzelfall

Das OLG Stuttgart hat sich gerade in seinem Beschl. v. 03.02.2011 – 2 Ss 8/11 mit den Auswirkungen des Verstoßes gegen die Richtlinien zur Verkehrsüberwachung befasst.  In einem weiteren Beschl. des OLG Stuttgart v. 25.03.2011 – 2 Ss 153/11 behandelt das OLG einen „Nebenkriegsschauplatz“.

Der Betroffene hatte dort im Zulassungsverfahren zur Rechtsbeschwerde (§ 80 OWiG) die Wertung des AG angegriffen, das davon ausgegangen war, dass eine konkrete Bushaltestelle eine gefährliche Stelle i.S. von Nr. 4.2 Abs. 5 S. 6 der baden-württembergischen VwV VkSA vom 19.12.2006 darstellt. Das OLG sagt:

„Es ist eine Frage des Einzelfalls, ob eine bestimmte Stelle (hier: Bushaltestelle) eine gefährliche Stelle im Sinne von Richtlinien zur Verkehrsüberwachung darstellt.“

Indem das OLG davon ausgeht, dass es sich insoweit um eine Frage des Einzelfalls handelt, schied eine Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Nachprüfung der amtsgerichtlichen Entscheidung zur Fortbildung des Rechts aus (§ 80 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 OWiG).

Verwerfungsurteil/Entbindungsantrag – das hat die Rechtsbeschwerde eine Chance

Die (obergerichtliche) Rechtsprechung muss sich immer wieder mit den sich aus den §§ 73, 74 OWiG ergeben Fragen auseinandersetzen. Dabei geht es i.d.R. um die Frage, wann der Betroffene von der Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden ist (§ 73 Abs. 2 OWiG) und vor allem auch um die Anforderungen an das Verwerfungsurteil (§ 74 Abs. 2 OWiG). Hinzuweisen ist dazu auf folgende aktuelle Rechtsprechung (eingehend zu den Fragen Burhoff/Stephan, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 2. Aufl. 2009, Rn. 1677 ff.). Und da hier die obergrichtlichen Vorgaben recht streng sind, hat das ggf. dann eine Rechtsbeschwerde eine Chance. Das zeigen jetzt sehr schön zwei OLG-Entscheidungen, und zwar:

Zunächst OLG Karlsruhe, Beschl. v. 12.08.2010 – 1 (8) SsRs 366/09. Da hat das OLG zum sog. Entbinbdungsantrag Stellung genommen ausgeführt, dass dann, wenn der Betroffene seine Fahrereigenschaft zugestanden und erklärt hate, er werde in der Hauptverhandlung keine Angaben zur Sache machen, seine persönliche Anwesenheit in der Hauptverhandlung im Sinne von § 73 OWiG im Regelfall entbehrlich ist. Allerdings kann – so das OLG – die Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung auch dann noch zur weiteren Sachaufklärung dienen, wenn hierfür die bloße physische Präsenz des berechtigterweise schweigenden Betroffenen genügt.

Und dann: OLG Oldenburg, Beschl. v. 31.08.2010, 2 SsRs 170/10. Das OLG Oldenburg hat zu den Anforderungen an die tatrichterliche Entscheidung Stelllung genommen und darauf hingewiesen, dass das AG grds. in den Urteilsgründen die Umstände, die nach Auffassung des Betroffenen sein Fernbleiben entschuldigen sollen, ebenso ausführlich und vollständig darlegen muss wie seine eigenen, in diesem Zusammenhang angestellten Erwägungen. Nur so sei dem Rechtsbeschwerdegericht die Überprüfung der Verwerfungsentscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit möglich.

Das Ganze ist aich insofrn von Bedeutung, weil über § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG ggf. eine an sich „zulassungspflichtige“ Rechtsbeschwerde in den zulassungsfreien Bereich kommt, wenn der Anspruch auf das rechtliche Gehör verletzt ist.