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Pflichti I: 2x atypischer, 1x typischer Rückwirkungsfall, oder: Änderung des Vorwurfs bzw. der Gesetzeslage

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Der letzte „Pflichti-Tag“ liegt schon etwas zurück. Inzwischen sind bei mir wieder einige Entscheidungen von Kollegen eingegangen, so dass ich heute mal wieder nur Entscheidungen zur Pflichtverteidigung vorstelle.

Und ich beginne mit drei Entscheidungen zur rückwirkenden Bestellung, von denen zwei etwas untypisch sind.

Zunächst hier der LG Potsdam, Beschl. v. 19.12.2021 – 23 Qs 37/21. Die Staatsanwaltschaft legt dem Angeklagten mit der Anklageschrift eine gemeinschaftliche räuberische Erpressung in Tateinheit mit gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung begangen zu haben. So wird eröffnet. In der Hauptverhandlung weist das AG nach erfolgter Beweisaufnahme darauf hin, dass sich weder der Tatvorwurf der räuberischen Erpressung noch der Körperverletzung bestätigt hat und eine Nötigung verbleibt. Danach erfolgt mit Beschluss vom 03.09.2021 eine die vorläufige Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO. Mit Schriftsatz vorn 06.09.2021 beantragte der Verteidiger die Beiordnung als Pflichtverteidiger. Das AG lehnt ab, das LG ordnet auf die Beschwerde hin bei:

„Es liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung nach § 140 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StPO vor. Dem Beschwerdeführer wird mit der zugelassenen Anklage ein Verbrechen zur Last gelegt und es ist aufgrund des Eröffnungsbeschlusses die Zuständigkeit des Schöffengerichts gegeben.

Das Verfahren ist bislang nicht endgültig eingestellt worden und kann durch das Amtsgericht nach zwischenzeitlich offenbar ergebnislos verstrichener Zahlungsfrist jederzeit wieder aufgenommen werden. Die damit lediglich vorläufige Einstellung nach § 153a Abs. 2 StPO hat auf die vorgenannten Beiordnungsgründe – anders als auf den Beiordnungsgrund des § 140 Abs. 2 StPO – keine Auswirkungen.

Für die vorgenannten Beiordnungsgründe ist weiterhin gleichgültig, wenn nach dem weiteren Verfahrensverlauf die Verurteilung nicht mehr wegen des angenommenen Verbrechens, sondern nur wegen eines Vergehens – hier: wegen einer Nötigung – zu erwarten ist. Vielmehr bleibt die einmal notwendige Verteidigung solange notwendig, bis rechtskräftig (§ 143 Abs. 1 StPO) entschieden ist, dass kein Verbrechen vorliegt (siehe Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Auflage 2021, § 140 Rz. 21).

Eine rückwirkende Beiordnung kommt zwar nicht in Betracht (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht 1. Beschluss vom 09. März 2020 – 1 Ws 19/20), ist aber vorliegend auch nicht gegeben, zumal es nach dem Verstreichen der Auflagenfrist nicht mehr allein in der Hand des Beschwerdeführers liegt, das Verfahren zu beenden.“

Zu der Entscheidung passt ganz gut der LG Chemnitz, Beschl. v. 13.12.2021 – 2 Qs 306/21 jug. In dem Verfahren geht es umden Vorwurf des Verbreitens kinderpornographischer Inhalte. Dem Beschuldigten wird zur Last gelegt, am 15.02.2021 von seiner Wohnanschrift aus einen ihm unbekannten Zeugen über die Internetplattform ,,Planetromeo“ kontaktiert und anschließend kinderpornografische Inhalte zugesandt zu haben. Aufgrund Beschlusses des AG Chemnitz vom 20.05.2021 findet dann am 27.07.2021 beim Beschuldigten eine Durchsuchung statt. Der Rechtsanwalt beantragte mit Schriftsatz vom 03.08.2021 seine Beiordnung als Pflichtverteidiger, die das AG ablehnt. Das LG ordnet auf die Bestellung hin dann bei:

„Die sofortige Beschwerde ist gem. § 143 Abs, VII Satz 1 StPO zulässig und hat auch in der Sache Aussicht auf Erfolg, da ein Fall des § 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO vorliegt.

Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder vom 16.06.2021 (BGBl, 2021, Teil Nr. 33) am 01.07.2021 ist sowohl die Verbreitung, als auch der Besitz kinderpornografischer Inhalte nach § 184 b Abs. 1 Nr. 1 und § 184 b Abs. 3 StGB in der neuen Fassung mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr und damit als Verbrechen zu ahnden.

Nach dem bisherigen Ermittlungsstand ist nicht davon auszugehen, dass eine Verurteilung wegen Verbreitens kinderpornografischer Inhalte nach der zum 15.02.2021 geltenden Fassung des § 184 b StGB erfolgen kann, da der Zeuge die ihm gesandten Inhalte nur beschrieben hat, die Inhalte selbst aber auf seinen Medien nicht mehr vorhanden sind.

Selbst wenn der Nachweis des Verbreitens kinderpornografischer Inhalte unterstellt wird, besteht zum Besitz kinderpornografischer Inhalte, der erst mit der erfolgten Durchsuchung beendet ist, Tateinheit (zum Konkurrenzverhältnis Fischer, Kommentar zum StGB, 68. Auflage 2021, Rn. 45 zu § 184 b).

Für die Frage der Notwendigkeit der Bestellung eines Pflichtverteidigers war daher auf den 27.07.2021 und die neue Gesetzeslage abzustellen.“

Und dann der „typische“ Fall im AG Karlsruhe, Beschl. v. 04.01.2022 – 31 Gs 13/22:

Die zwischenzeitlich erfolgte Einstellung des Verfahrens hindert die rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers ausnahmsweise nicht, wenn im Falle einer unverzüglichen Entscheidung die Beiordnung erfolgt wäre.

Pflichti II: Keine Beiordnung des Wahlanwalts, oder: Wenn die Entbindung des Pflichtis erschlichen wurde

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Im zweiten Pflichtverteidigungsposting heute – dem vorletzten in 2021 🙂 – dann eine  obergerichtliche Entscheidung zu Entbindungsfragen bzw. in Zusammenhnag damit. Es handelt sich um den KG, Beschl. v. 28.10.2021 – 3 Ws 276/21 – zur Frage der Beiordnung des Wahlverteidigers, der zuvor die Entbindung des Pflichtverteidigers „erreicht“, das KG spricht von „erschlichen“, hat.

„3. Die damit zulässig erhobene sofortige Beschwerde ist aber unbegründet. Der Vorsitzende der großen Strafkammer hat den Beiordnungsantrag der Rechtsanwältin verfahrensfehlerfrei abgelehnt.

Zwar liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung bereits nach § 140 Abs. 1 StPO vor. Die Bestellung der Wahlverteidigerin zur Pflichtverteidigerin kommt aber nicht in Be-tracht, weil diese zuvor einen Kollegen aus seiner Stellung als Pflichtverteidiger ver-drängt hat und eine der in § 143a Abs. 2 StPO kodifizierten (Ausnahme-) Fallkonstel-lationen weder geltend gemacht wird noch ersichtlich ist (vgl. OLG Bamberg, Be-schluss vom 8. April 2021 – 1 Ws 195/21 – [juris]). Bereits vor Inkrafttreten des Ge-setzes zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung am 13. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2128) war anerkannt, dass ein Rechtsanwalt seine Bestellung als Pflichtverteidiger nicht dadurch erreichen kann, dass er zunächst durch die Über-nahme eines Wahlmandats die Entpflichtung des bisherigen Pflichtverteidigers be-wirkt und hiernach auf seine eigene Anordnung als Pflichtverteidiger anträgt (vgl. BGH StraFo 2008, 505; KG NStZ 2017, 64; OLG Köln, Beschlüsse vom 24. Sep-tember 2012 – III-2 Ws 678/12 – und vom 7. Oktober 2005 – 2 Ws 469/05 –). Ande-renfalls, so wurde argumentiert, könnten die Grundsätze über die Rücknahme einer Pflichtverteidigerbestellung und deren Grenzen allzu leicht unterlaufen werden (vgl. etwa OLG Köln, Beschluss vom 24. September 2012, a.a.O.).

Die Gesetzesnovelle gibt zu einer anderen Bewertung dieser gefestigten Rechtspre-chung keinen Anlass. § 143a Abs.1 Satz 2 StPO bekräftigt und kodifiziert diese Rechtsprechung vielmehr. Hiernach ist die Bestellung eines Pflichtverteidigers nicht aufzuheben, „wenn zu besorgen ist, dass der neue Verteidiger das Mandat dem-nächst niederlegen und seine Beiordnung als Pflichtverteidiger beantragen wird“. Die von Rechtsanwältin Y. beabsichtigte Übernahme der Pflichtverteidigung ist damit von Gesetzes wegen ausdrücklich unerwünscht.

Der dem Senat vorliegende Sachverhalt gibt auch keinen Anlass, die Ausnahmevor-schrift des § 143a Abs. 2 Nr. 3 Var. 1 StPO anzuwenden. Hiernach gilt etwas ande-res, wenn „das Vertrauensverhältnis zwischen Verteidiger und Beschuldigtem end-gültig zerstört ist“. Der Beschwerdeführer macht über seine Verteidigerin lediglich geltend, die „Entpflichtung“ sei auf „eigenen Wunsch“ erfolgt. Eine Zerstörung des Vertrauensverhältnisses, an welche mit guten Gründen hohe Anforderungen zu stel-len sind (vgl. grundlegend BGHSt 39, 310), wird hingegen nicht behauptet und erst recht nicht, was erforderlich wäre, substantiiert und überzeugend dargelegt. Sie ist auch nicht anderweitig ersichtlich.

Eine verbreitete Ansicht in Literatur und Rechtsprechung geht davon aus, dass dar-über hinaus auch ein „konsensualer Verteidigerwechsel“ möglich bleibt, wenn der Beschuldigte und beide Verteidiger damit einverstanden sind, dadurch keine Verfah-rensverzögerung eintritt und auch keine Mehrkosten entstehen (vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 13. Juli 2021 – 2 StR 81/21 – [juris]; OLG Bremen NStZ 2014, 358; OLG Oldenburg NStZ-RR 2010, 210; OLG Frankfurt NStZ-RR 2008, 47; OLG Köln StraFo 2008, 348 und StV 2011, 659; OLG Braunschweig StraFo 2008, 428; OLG Bamberg NJW 2006, 1536; OLG Jena JurBüro 2006, 366; Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O., § 143 Rn. 5a). Zwar hat Rechtsanwalt Z. ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls um seine Entpflichtung gebeten, was ein solches Einverständnis na-helegen könnte. Jedoch spricht alles dafür, dass diese Erklärung vor dem Hintergrund des § 143a Abs. 1 Satz 1 StPO abgegeben worden ist. Denn für den Rechtsanwalt stellte sich die Situation im Zeitpunkt seines Entpflichtungsantrags so dar, dass sich eine Wahlverteidigerin gemeldet hatte, was nach dieser Vorschrift und da-mit von Gesetzes wegen zu seiner Entpflichtung führen musste. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Pflichtverteidiger diese Erklärung nicht abgegeben hätte, wenn er um den seiner Entpflichtung gesetzlich gerade entgegenstehenden (§ 143a Abs. 1 Satz 2 StPO) Vorbehalt der Rechtsanwältin gewusst hätte, die Verteidigung nur als Pflichtverteidigerin zu führen.

Lediglich informatorisch teilt der Senat noch mit: Im Falle der Beendigung des Mandats des Wahlverteidigers kommt es grundsätzlich nicht in Betracht, ihn als Pflicht-verteidiger beizuordnen. Vielmehr wird regelmäßig der frühere Pflichtverteidiger wieder zu bestellen sein (vgl. BGH StraFo 2008, 505; OLG Bamberg, Beschluss vom 8. April 2021 – 1 Ws 195/21 – [juris]).“

Pflichti III: Noch einmal zu Beiordnungsgründen, oder: Gesamtstrafe, Vollstreckung, stotternder Beschuldigter

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Und im letzten „Pflichti-Posting“ des Tages – und wohl auch des Jahres, aber man soll ja nie nie sagen 🙂 – dann noch zwei Entscheidungen zu den Beiordnungsgründen, und zwar einmal zur „Schwere der Tat“ in einem Gesamtstrafenfall und einmal zur Bestellung im Strafvollstreckungsverfahren. In beiden Fällen ist die Bestellung abgelehnt worden.

Hier die Leitsätze der beiden Entscheidungen – zum Teil mit meinen – Leitsätzen:

Die Schwelle für die Bestellung eines Pflichtverteidigers von einer Straferwartung von einem Jahr Freiheitsstrafe ist auch bei der Gesamtstrafenbildung maßgeblich, was selbst dann gilt, wenn die Gesamtstrafe aus der verfahrensgegenständlichen Verurteilung und -künftigen Verurteilungen aus noch nicht abgeschlossenen Verfahren gebildet werden wird oder insoweit zumindest in Betracht kommt. Etwas Anderes gilt jedoch dann, wenn die Straferwartung im anhängigen Verfahren die Gesamtstrafenbildung nur unwesentlich beeinflusst.

Für die Bestellung eines Pflichtverteidigers ist im Strafvollstreckungsverfahren maßgeblich, ob die vollstreckungsrechtliche Lage schwierig ist. Das ist dann der Fall, wenn n tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Fragen aufgeworfen werden, die Aktenkenntnis erfordern und über die regelmäßig auftretenden Probleme hinausgehen. Dies ist dann nicht der Fall, wenn der Verurteilte in der Bewährungszeit erneut erheblich und einschlägig straffällig geworden und deswegen rechtskräftig verurteilt worden ist.

Ob diese Entscheidung des OLG Brandenburg zutreffend ist, kann man m.E. ohne genaue Kenntnis der Umstände nicht beurteilen.

    1. § 140 Abs. 1 Nr. 11 StPO ist im Hinblick auf hör- und sprachbehinderte Beschuldigte wie § 140 Abs. 2 Satz 2 StPO a. F. auszulegen.
    2. Das Stottern eines Beschuldigten begründet den Fall einer notwenigen Verteidigung lediglich dann, wenn die Behinderung einen solchen Grad annimmt, dass die Befürchtung besteht, der Beschuldigte werde wegen seines Gebrechens nicht alles Notwendige sagen.

 

Pflichti II: Und immer wieder nachträgliche Bestellung, oder: LG Gera und AG Heidelberg tun es auch

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Was wäre ein „Pflichti-Tag“ ohne Entscheidungen zu rückwirkenden/nachträglichen Bestellung des Pflichtverteidigers. Dazu stehen bereits viele Entscheidungen – die meisten wohl positiv auf meiner Homepage. Und ich werde weiter berichten, damit man einen guten Überblick bekommt, welches Gericht wie entscheidet. Daher danke ich allen Kollegen, die Entscheidungen zu der Problematik ein geschickt haben und auch denen, die noch einschicken werden.

Ich weise heute dann auf:

Eine nachträgliche Pflichtverteidigerbestellung kann erfolgen, wenn zum Zeitpunkt des rechtzeitig gestellten und entscheidungsreifen Antrags auf Beiordnung ein Fall der notwendigen Verteidigung vorlag und das Erfordernis der Unverzüglichkeit bei der Bestellung nicht ausreichend beachtet wurde.

Die nachträgliche Bestellung eines Pflichtverteidigers ist zulässig, wenn der Bestellungsantrag rechtzeitig gestellt worden ist, die Voraussetzungen für eine Bestellung zum Zeitpunkt der Antragstellung vorlagen und dem Erfordernis der Unverzüglichkeit der Beiordnung nicht genügt worden ist.

Pflichti I: Rechtsanwalt kann nur an 3 von 30 HV-Tagen, oder: Bestellung zu Recht abgelehnt

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Heute dann noch einmal in 2021 ein „Pflichti-Tag“, wahrscheinlich zum letzten Mal in diesem Jahr.

Den Beginner macht der BGH, Beschl. v. 18.11.2021 – StB 35/21 – zur Ablehnung der Beiordnung der Rechtsanwalts, der seine Bestellung beantragt hatte. Das OLG hatte abgelehnt, der BGH hat das „gehalten“.

„1. Gemäß § 142 Abs. 5 StPO ist dem Beschuldigten vor der Bestellung eines Pflichtverteidigers Gelegenheit zu geben, innerhalb einer zu bestimmenden Frist einen Verteidiger zu bezeichnen. Ein innerhalb der Frist bezeichneter Verteidiger ist zu bestellen, wenn dem kein wichtiger Grund entgegensteht. Ein solcher ist unter anderem dann gegeben, wenn der Verteidiger nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung steht.

Die mit dem Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Ver-teidigung vom 10. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2128, 2130) ausdrücklich benannten Ablehnungsgründe der fehlenden oder nicht rechtzeitigen Verfügbarkeit regeln nach Verständnis des Gesetzgebers die Fälle, in denen der Verteidiger zum einen – unter Anknüpfung an die Rechtsprechung zur bisherigen Rechtslage – etwa wegen anderweitiger Termine gar nicht und zum anderen nicht früh genug verfügbar ist. Was nicht rechtzeitig ist, soll sich danach richten, wann die Handlung vorgenommen werden soll, wegen derer seine Mitwirkung erforderlich ist. Eine kurze Wartezeit soll insoweit einzuräumen sein, ein Anspruch auf Verschiebung hingegen nicht bestehen (s. BT-Drucks. 19/13829 S. 42 f.).

Bereits zuvor war in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein Vorsitzender den Antrag auf Beiordnung eines bestimmten Rechtsanwalts zurückweisen darf, wenn dieser an geplanten Terminen nicht teilnehmen kann, die zur Wahrung des Beschleunigungsgrundsatzes mit Blick auf inhaftierte Mitangeklagte geboten sind (s. BVerfG, Beschluss vom 2. März 2006 – 2 BvQ 10/06, NStZ 2006, 460, 461; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 24. Juli 2008 – 2 BvR 1146/08, BayVBl. 2009, 185 Rn. 10 ff.; BGH, Urteil vom 20. Dezember 2018 – 3 StR 236/17, juris Rn. 57 ff.; Beschluss vom 9. Januar 2007 – 3 StR 465/06, juris).

2. Nach diesen Maßstäben stand Rechtsanwalt S. für die Hauptverhandlung nicht zur Verfügung.

Die Anklage richtet sich gegen den Angeklagten und drei Mitangeklagte, von denen sich einer nach mehrmonatiger Auslieferungshaft seit dem 6. Mai 2021 in Untersuchungshaft befindet. Der Vorsitzende des Oberlandesgerichts hat mit Verfügung vom 22. September 2021 sämtliche Verteidiger gebeten, in einer vorbereiteten tabellarischen Übersicht ihre Verfügbarkeit an dreißig Terminen zwischen dem 26. Oktober und 23. Dezember 2021 mitzuteilen sowie etwaige Verhinderungsgründe konkret zu benennen. Rechtsanwalt S. hat lediglich drei Termine als ihm möglich markiert. Der Vorsitzende hat an dem Tag, an dem auch über die Eröffnung des Hauptverfahrens und die Beiordnung von Rechtsanwalt P. als Pflichtverteidiger entschieden worden ist, 15 Haupt-verhandlungstermine ab dem 28. Oktober 2021 bestimmt. An zwei dieser Termine kann Rechtsanwalt S. laut seiner Mitteilung teilnehmen.

Damit scheidet eine Verteidigung des Angeklagten durch Rechtsanwalt S. aus. Dies gilt bereits deshalb, weil er innerhalb des für die Hauptverhandlung vorläufig vorgesehenen Zeitraums lediglich an drei Tagen verfügbar ist und der Vorsitzende, dem die Terminierung obliegt (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 12. November 2020 – StB 34/20, StV 2021, 144 Rn. 5; vom 31. August 2020 – StB 23/20, BGHSt 65, 129 Rn. 18), ersichtlich mehr Terminstage für erforderlich hält. Dabei ist nicht mehr entscheidend, dass die dem Verteidiger möglichen Tage nicht einmal in einem die Höchstdauer der Unterbrechung nach § 229 Abs. 1 StPO wahrenden Zeitraum lägen. Die vom Beschwerdeführer in den Raum gestellte Durchführung der Hauptverhandlung ab Januar 2022 kommt nicht in Betracht, da sich ein Mitangeklagter in Untersuchungshaft befindet und sich diese dadurch ohne sonstigen Grund um mehr als zwei Monate verlängerte.“

Na, den Beschluss werden wir demnächst öfter in Ablehnungsbeschlüssen lesen. Drei von 30 = 10 % ist vielleicht wirklich ein wenig viel. Zudem haben hier die Belange des inhaftierten Mitangeklagten eine Rolle gespielt. Aber damit ist nicht geklärt, wann nicht mehr abgelehnt werden darf und wie es mit den Bemühungen des Gerichts ist, andere Termine auf die Beine zu stellen.