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Einziehungsgebühr Nr. 4142 VV RVG: Da steckt ggf. eine Menge Geld drin

Heute, am letzten Arbeitstag vor Weihnachten ein gebührenrechtlicher Hinweis:

Die Einziehungsgebühr Nr. 4142 VV RVG wird in Strafverfahren  (leider) häufig übersehen. Und das ist fatal, da da eine Menge Geld drin steckken kann. Denn: Die Gebühr entsteht auch bei einer außergerichtlichen Beratung über Einziehung/Verfall im Ermittlungsverfahren, und zwar auf der Grundlage des zu dem Zeitpunkt streitigen Betrages = Gegenstandswertes. Wenn die StA also in der Anklage „den Mund zu voll“ nimmt, nicht ärgern, sondern auf der Grundlage dann abrechnen, auch wenn das Gericht später einen geringeren Betrag einzieht/für verfallen erklärt. Nachzulesen bei OLG Oldenburg, Beschl. v. 03.12.2009 – 1 Ws 643/09.

Achtung: Videomessung: OLG Oldenburg kommt zum Beweisverwertungsverbot

Die Frankfurter Rundschau meldet auf der Grundlage einer Pressemitteilung des OLG Oldenburg:

„Verkehrssünder dürfen nicht mit Bußgeldern belegt werden, wenn sich ihr Verkehrsverstoß nur durch Aufnahmen aus einer stationären Dauervideoanlage beweisen lässt. Das hat jetzt das Oberlandesgericht Oldenburg entschieden, wie die OLG-Pressestelle am Mittwoch bekanntgab.

Bereits im August hatte das Bundesverfassungsgericht beschlossen, dass eine Dauervideoüberwachung in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingreift und dafür eine – bisher nicht vorhandene – gesetzliche Grundlage nötig wäre. Karlsruhe hatte aber offen gelassen, ob die Aufnahmen deshalb generell nicht mehr als Beweismittel benutzt werden dürften; dafür komme es auf die Umstände des Einzelfalls an. Seitdem haben Amtsgerichte unterschiedlich darüber geurteilt.

Als offenbar erstes OLG hat jetzt das Oldenburger Gericht rechtskräftig entschieden, dass Aufnahmen aus stationären Dauervideoanlagen generell nicht als Beweismittel gegen Verkehrssünder verwendet werden dürfen. Die Daten seien ohne gesetzliche Grundlage erhoben worden und stellten „einen schweren Eingriff in die Grundrechte einer Vielzahl von Personen dar, die sich im Straßenverkehr korrekt verhalten“, heißt es in dem Beschluss.

Auf Nachfrage der FR sagte eine OLG-Sprecherin, die Rechtslage wäre „eventuell anders zu beurteilen“, wenn für die pauschale Dauerüberwachung eine Rechtsgrundlage geschaffen würde. Unproblematisch seien auf jeden Fall Radaranlagen oder Verfolgungsfahrten mit Videokamera, solange damit nur individuelle Verkehrsverstöße festgehalten würden.

Im vorliegenden Fall bestätigte das Oberlandesgericht einen Freispruch des Amtsgerichts Osnabrück für einen Autofahrer, der auf der A 1 zu dicht aufgefahren war. Wegen des „Beweisverwertungsverbots“ konnten die Aufnahmen aus einer Dauervideoanlage nicht gegen ihn verwandt werden.

(Aktenzeichen: Ss Bs 186/09)“

Na, das wird ja fröhlich. Es stellt sich die Frage einer Vorlage an den BGH – s. OLG Bamberg

BVV nach Fehler bei der Blutentnahme, aber dennoch verurteilt

Inzwischen liegt die 2. Entscheidung des OLG Oldenburg zum Beweisverwertungsverbot bei einem Verstoß gegen den Richtervorbehalt des § 81a Abs. 2 stPO vor (Beschl. v. 1 Ss 183/09), allerdings zunächst mal nur als Pressemitteilung des Gerichts (vgl. PM v. 24. 11. 2009). In der Sache hatte die Revision des Angeklagten zwar keinen Erfolg, weil in der Revisionsbegründung nichts dazu vorgetragen worden war, ob der Angeklagte mit der Blutentnahme einverstanden war. Gleichzeitig stellte der 1. Strafsenat jedoch klar, dass die Polizei den Richtervorbehalt zu beachten hat und vor der Entnahme einer Blutprobe gegen den Willen eines Verdächtigen versuchen muss, den zuständigen Richter zu erreichen. Die Polizei darf von der Einholung eines richterlichen Beschlusses nicht absehen, weil dies in einer innerdienstlichen Weisung allgemein so vorgesehen ist. In einem solchen Fall kann dann das Blutalkoholgutachten nicht als Beweismittel verwertet werden.
Was lernt man daraus:

  1. Die Diskussion um das Beweisverwertungsverbot ist noch lange nicht am Ende:
  2. Es kommt mitentscheidend für den Erfolg des Rechtsmittels auf seine Begründung an. Daran stellen die Gerichte hohe Anforderungen.

Rechtlicher Hinweis: Gericht muss es schon genau sagen….

Heute mal ein Hinweis auf eine ganz interessante Entscheidung des OLG Oldenburg (Beschl. v. 20.10.2009 – 1 Ss 143/09) zum rechtlichen Hinweis nach § 265 StPO. Der Angeklagte war wegen Beleidigung, Widerstandes und Sachbeschädigung angeklagt, verurteilt worden ist er wegen Vollrausches. Insoweit hätte ein rechtlicher Hinweis erfolgen müssen. War aber nach Ansicht des OLG Oldenburg nicht. Der Senat hat eine Schreiben des Vorsitzenden an den Verteidiger, in dem keine Strafvorschrift angeführt und nur mitgeteilt wurde, dass „eine Verurteilung wegen Rauschtaten“ und die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt in Betracht komme.“, nicht ausreichend sein lassen. Dazu führt das OLG aus:

„Zwar enthält das Gesetz keine ausdrückliche Bestimmung darüber, in welcher Weise ein Angeklagter auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes hinzuweisen ist. Aus dem Zweck der Vorschrift, dem Angeklagten Gelegenheit zu geben, sich gegenüber dem neuen Vorwurf zu verteidigen und ihn vor Überraschungen zu schützen, ergibt sich jedoch, dass ein Hinweis nur ausreichend ist, wenn er so gehalten ist, dass er dem Angeklagten und seinem Verteidiger ermöglicht, ihre Verteidigung auf den neuen rechtlichen Gesichtspunkt einzurichten. Der Hinweis muss ihnen deshalb erkennbar machen, welches Strafgesetz nach Auffassung des Gerichts in Betracht kommt ist und durch welche Tatsachen das Gericht die gesetzlichen Merkmale möglicherweise als erfüllt ansieht. Nennt ein Gesetz mehrere gleichwertig nebeneinander stehende Begehungsweisen, so muss auch darauf hingewiesen werden, welche in Betracht kommt, vgl. BGH NStZ 1983, 34. MeyerGoßner, StPO, 52. Aufl., § 265 Rdn. 31 mit weiteren Nachweisen.

Diesen Erfordernissen wird das Schreiben vom 27. März 2009 auch nicht ansatzweise gerecht. In ihm wird weder die Bezeichnung der Straftat, wegen der später die Verurteilung erging, nämlich Vollrausch, noch der einschlägige Paragraph des Strafgesetzbuches angegeben. Der dort gebrauchte Begriff „Rauschtat“ wird im Strafgesetzbuch nicht als Bezeichnung einer Straftat verwandt. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird unter einer „Rauschtat“ am ehesten die Begehung eines Delikts im Alkoholrausch verstanden. Hierzu passt es, dass in dem erwähnten Schreiben von Rauschtaten – also mehreren Straftaten – die Rede ist. Als Vollrausch gemäß § 323a StGB wäre nach den Umständen des Falles demgegenüber nur eine Straftat in Betracht gekommen. Hinzu kommt, dass dem Schreiben des Strafkammervorsitzenden nicht zu entnehmen war, ob eine vorsätzliche oder eine fahrlässige Tatbegehung in Betracht kommen soll, was angesichts der Tatbestandsalternativen des § 323a Abs. 1 StGB für einen Hinweis nach § 265 Abs. 1 StPO erforderlich gewesen wäre.“