Schlagwort-Archive: Bestimmtheit

Durchsuchung II: Geht es vielleicht etwas „bestimmter“?

© eyetronic - Fotolia.com

© eyetronic – Fotolia.com

Mein „Lieblings-Urteils-Lieferant vom Dienst“ weist mich gerade auf den BVerfG, Beschl. v. 16.04.2015 – 2 BvR 440/14 – hin, der ganz gut zu dem leidigen Thema „Rechtswidrigkeit von Durchsuchungsbeschlüssen“ hinpasst (vgl. dazu heute schon der BVerfG, Beschl. v. 29.01.2015 – 2 BvR 497/12 –und dazu: Achtung/Vorsicht bei der Durchsuchung der Rechtsanwaltskanzlei). Also schiebe ich ihn hinterher.

Im Beschluss geht es allerdings nicht um die Durchsuchung einer Rechtsanwaltskanzlei, sondern um eine Steuerberater-/Wirtschaftsprüferdatei. Zur Anordnung der Durchsuchung im Beschluss des AG Wuppertal heißt es im BVerfG, Beschl. v. 16.04.2015:

„1. Gegen einen der Geschäftsführer der Beschwerdeführerinnen zu 1. und 2. wurde wegen des Verdachts der Beteiligung an einer Steuerhinterziehung in besonders schwerem Fall ermittelt. Die Beschwerdeführerin zu 3. und der Beschwerdeführer zu 4. verfügten über Büroräume unter derselben Adresse wie die Beschwerdeführerinnen zu 1. und 2. Die elektronischen Daten der Beschwerdeführer zu 1. bis 4. befinden sich auf einem gemeinsamen Server.

2. Mit angegriffenem Beschluss ordnete das Amtsgericht unter anderem die Durchsuchung sämtlicher Geschäftsräume der „D. GmbH, A.-str., M.“ an. Eine ausdrückliche Eingrenzung auf einen oder mehrere der Beschwerdeführerinnen zu 1. bis 3. erfolgte nicht…..“

Im Beschwerdeverfahren verteidigt das AG (wortreich) seine „knappe“ Anordnung. Das LG übernimmt die. Das BVerfG macht es dann kurz und zackig. Nach dem üblichen „Mantra“/Textbaustein zur „Garantie der Unverletzlichkeit der Wohnung durch Art. 13 Abs. 1 GG“ und der Erstreckung dieses Schutzes „auch auf geschäftlich genutzte Räume, die nicht allgemein zugänglich sind (vgl. BVerfGE 42, 212 <219>; 96, 44 <51>; BVerfGK 15, 225 <240>)“ zur Anordnung dann nur recht knapp:

„Diesen Anforderungen wird der Durchsuchungsbeschluss nicht gerecht.

Der Durchsuchungsbeschluss ist hinsichtlich der Anordnung, die Geschäftsräume der „D. GmbH, A.-str., M.“ zu durchsuchen, unbestimmt. Ein Unternehmen mit der ausschließlichen Firma „D. GmbH“ nutzt unter der angegebenen Adresse keine Räumlichkeiten. Hinsichtlich der Unternehmen, die Büros in der A.-str. unterhalten und deren Firmenbezeichnung aus den Worten „D. GmbH“ mit einem daran anknüpfenden Zusatz besteht, ist dem Durchsuchungsbeschluss nicht zu entnehmen, welches dieser Unternehmen gemeint ist. Eine Bestimmung der Gesellschaft, deren Räumlichkeiten durchsucht werden sollen, ist auch anhand der weiteren Angaben in dem Beschluss nicht möglich. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts reicht es nicht, dass sich in den Ermittlungsakten eine Vollmacht der Unternehmensgruppe befindet, die beschuldigt wird, Steuern hinterzogen zu haben, aus der sich ergibt, welche Gesellschaft mit der Wahrnehmung der steuerlichen Beratung beauftragt war. Denn der Durchsuchungsbeschluss muss aus sich heraus verständlich und hinreichend bestimmt sein. Eine solche Bestimmtheit ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass der Tatverdacht sich aus einer steuerlichen Beratung ergibt, da sowohl Rechtsanwälte als auch Steuerberater zur steuerlichen Beratung befugt sind.“

Sicherlich kein Meilenstein, aber eins der vielen kleinen Mosaiksteinchen zur „Rechtswidrigkeit eine Durchsuchungsmaßnahme“ und eine weitere Mahnung an die Instanzgerichte mit der „Unverletzlichkeit der Wohnung“ vielleicht doch etwas weniger „unbestimmt“ umzugehen.

„weg von Spiel und Sportplätzen“ – ist das als Aufenthaltsverbot bestimmt genug?

Im Recht der Führungsaufsicht spielen Weisungen nach § 68b StGB eine große Rolle. Dabei geht es vor allem häufig um die Frage der Bestimmtheit einer Weisung. Damit musste sich dann vor einiger Zeit auch mal wieder das KG befassen, und zwar in Zusammenhang mit einem Aufenthaltsverbot. Dem Verurteilten war die Weisung erteilt worden, sich nicht auf Spiel- und Sportplätzen aufzuhalten und sich diesen nicht weiter als bis auf 50 Meter zu nähern (§§ 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 3, 68d StGB). Das hatte er als zu unbestimmt angesehen. Der KG, Beschl. v. 22.01.2014 – 2 Ws 14/14 – sagt: Nein, ist bestimmt genug.

„b) Auch die nach §§ 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 68d StGB angeordnete Erweiterung des Aufenthaltsverbotes auf Örtlichkeiten, die regelmäßig von Kindern und Jugendlichen aufgesucht werden, begegnet keinen Bedenken, sondern ist – wie die Strafvollstreckungskammer zutreffend dargelegt hat – angesichts der vielfachen Kontaktaufnahmen zu Minderjährigen nach Erlass des Beschlusses vom 18. November 2011 erforderlich, um die gebotene Unterstützung und Kontrolle des Verurteilten zu gewährleisten.

Die Weisung genügt auch dem Bestimmtheitserfordernis. Da eine enumerative Aufzählung aller denkbaren Orte, die dem Verurteilten Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, regelmäßig nicht möglich oder tunlich ist, muss es grundsätzlich ausreichen, solche Örtlichkeiten, deren Aufsuchen dem Verurteilten untersagt werden soll, ihrer Art nach zu bezeichnen (vgl. BGHSt 58, 136; BGHR StGB § 145a Verbot gem. § 68b Abs 1 Nr 2 1; Fischer, StGB 61. Aufl., § 68b Rdn. 4; a.A. OLG Jena, Beschluss vom 23. April 2013 – 1 Ws 106/13 – juris); denn andernfalls würde § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB weitgehend leerlaufen. Im vorliegenden Fall wird durch die beispielhafte Benennung von Spiel- und Sportplätzen ausreichend klar, dass lediglich solche Orte gemeint sind, an denen sich nach ihrer Zweckbestimmung Kinder und Jugendliche typischerweise aufhalten (dazu vgl. BGH a.a.O.; vgl. auch BVerfG NJW 2008, 2493). Der Verurteilte als Adressat der Weisung kann dieser daher mit  genügender Sicherheit entnehmen, welche Örtlichkeiten er zu meiden hat (dazu vgl. BVerfG NStE Nr. 5 zu § 56c StGB).“

Beweisantrag: Einmal mehr – Sorgfalt an den Tag legen

© Gina Sanders – Fotolia.com

Jeder Verteidiger weiß, dass und wie sorgfältig man einen Beweisantrag formulieren muss, will man nicht Gefahr laufen, dass er abgelehnt wird. Desto besser/klarer formuliert, desto größer ist die Chance, dass dem Beweisbegehren nachgegangen wird bzw. werden muss. Und: Widersprüchlich sollte das Beweisvorbringen auch nicht sein. Das macht auch der BGH, Beschl. v. 23.10.2012 – 1 StR 261/12 – deutlich. Da hatte der Verteidiger auf diese Dinge wohl nicht ausreichend geachtet:

„Die vom Angeklagten K. erhobene Rüge, sein Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem „Fachbereich Schlösser und Schlüssel“ sei rechtsfehlerhaft abgelehnt worden, hat keinen Erfolg. Ungeachtet der Zulässigkeit dieser Rüge durfte die Strafkammer die Beweiserhebung als ungeeignet ablehnen soweit damit unter Beweis gestellt werden sollte, der Schlüssel passte nicht in dem Sinne zu dem Schloss, als dass es sich mit ihm nicht betätigen ließ. Denn bei der unter Beweis gestellten Tatsache handelt es sich um eine von jedermann ohne besondere Sachkunde festzustellende (vgl. Becker in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl., § 244 Rn. 238 mwN). Soweit der Antrag allerdings dahingehend zu verstehen gewesen sein sollte, es solle bewiesen werden, dass das Schloss zu stark beschädigt gewesen sei, als dass man aus dem Betätigen des Schlosses auf die Zugehörigkeit des hierzu benutzten Schlüssels schließen könne, lag in Ermangelung einer hinreichend bestimmten Beweistatsache schon kein Beweisantrag vor (vgl. BGH, Beschluss vom 13. November 1997 – 1 StR 627/97, NStZ 1998, 209, 210). Denn insoweit enthält der Antrag widersprüchliche Beweisbehauptungen. So wird einerseits vorgetragen, das „einfache Auf-zu-Schloss“ sei durch das vorherige Aufbrechen bereits so zerstört gewesen, dass es nicht mehr möglich sei, festzustellen, ob der Schlüssel passte, weswegen das Sachverständigengutachten erbringen werde, der Schlüssel könne dieser Kassette „nicht zweifelsfrei“ zugeordnet werden. Andererseits wird behauptet, das Gutachten werde ergeben, dass es sich nicht um den Schlüssel zu der Kassette handele. Eine Rüge mit der Angriffsrichtung, die Strafkammer habe unter Missachtung ihrer Aufklärungspflicht über diesen Beweisermittlungsantrag nicht entschieden, ist nicht erhoben. Im Übrigen wäre auch ein Beruhen des Urteils auf der Behandlung des Antrags auszuschließen. Denn die Strafkammer hat ihre Überzeugung von der Verfügungsgewalt des Angeklagten über die Geldkassette auf dessen – freilich erst im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung und nach Stellung des Antrags – erfolgten Angaben hierzu gestützt.“

 

„Butter bei die Fische“ – wenn Dritte gefahren sein sollen, muss man schon konkret werden

© lassedesignen – Fotolia.com

Da muss man als Betroffener/Verteidiger schon konkret werden, wenn behauptet werden soll bzw. wird, dass nicht der Betroffene sondern auch ein Anderer/Dritter zum Vorfallszeitpunkt gefahren sein soll. Allgemeine Behauptungen helfen da nicht und zwingen das AG auch nicht zu einer Auseinandersetzung mit dieser Möglichkeit. Das folgt aus einem Zusatz zum OLG Hamm, Beschl. v. 13.09.2012 – III 1 RBs 128/12:

„Soweit der Betroffene nunmehr nachträglich noch eine Verletzung rechtlichen Gehörs rügt, ist – unabhängig von der Verfristung dieser Rüge – anzumerken, dass sich das Amtsgericht mit der Einlassung des Betroffenen, dass auch Dritte gefahren sein könnten, auseinandergesetzt hat. Einer breiten Auseinandersetzung mit dieser – angesichts der Dürftigkeit der Einlassung des Betroffenen hierzu – rein hypothetischen Möglichkeit bedurfte es nach §§ 261 StPO, 71 Abs. 1 OWiG nicht (vgl. nur: BGH Beschl. v. 09.10.2002 – 2 StR 297/02). Nach den – für den Senat maßgeblichen – Feststellungen im angefochtenen Urteil wurde eine konkrete Möglichkeit der Nutzung des Fahrzeugs des Betroffenen durch Dritte zum Tatzeitpunkt (etwa Entwendung des Fahrzeugs, andere Familienmitglieder) nicht behauptet. Der lediglich als „in Betracht kommend“ dargestellte Sohn des Betroffenen wurde vom Amtsgericht als Fahrer ausgeschlossen.

Also: „Butter bei die Fische“ – und die näheren Umstände mitteilen/vortragen.

Bewährungsauflagen – bitte genau/genauer

© froxx – Fotolia.com

Einen Fehler, der in Zusammenhang mit Bewährungsauflagen häufiger gemacht wird,  hat das OLG München im OLG München, Beschl. v. 24.08.2012 – 3 Ws 716/12 gerügt: Nämlich die zu ungenaue Bestimmung einer Bewährungsauflage bzw. die Überlassung der Bestimmung an den Bewährungshelfer. Das ist unzulässig. Dazu der Leitsatz des Beschlusses:

Das Gericht darf sich bei der Bestimmung einer Auflage nicht darauf beschränken, nur den Umfang von gemeinnützigen Leistungen festzulegen. Vielmehr muss in der Auflage auch die Zeit, innerhalb derer ggf. die Arbeitsleistung zu erfüllen ist, die Art und nach Möglichkeit auch der Ort dieser Arbeitsleistung und die Institution, bei der sie abzuleisten ist, festgesetzt werden. Diese ihm allein obliegende Befugnis zur inhaltlichen Ausgestaltung der Arbeitsauflage darf das Gericht nicht an Dritte, auch nicht an den Bewährungshelfer, delegieren.