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Zustellung II: Wirksamkeit einer Ersatzzustellung, oder: Verkleben der Briefkastenklappe mit Silikon

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Der zweite Beschluss zur Zustellung stammt mit dem OLG Karlsruhe, Beschl. v. 10.10.2024 – 19 U 87/23 – aus dem Zivilrecht. Die Ausführungen des OLG passen aber auch für andere Verfahrensarten.

Das OLG führt zur Wirksamkeit einer Ersatzzustellung durch Einlegung in den Briefkasten in dem nach § 522 Abs. 2 ZPO ergangenen Beschluss aus:

2. Der Vollstreckungsbescheid ist im Wege der Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten (§ 180 Satz 1 ZPO) wirksam zugestellt worden.

a) Nach den erstinstanzlich getroffenen Feststellungen, welche von der Berufung nicht in Zweifel gezogen werden, handelt es sich bei der Adresse M.-Str. 8 in O., unter welcher die Zustellung bewirkt wurde, nicht nur um den privaten Wohnsitz des Geschäftsführers der Beklagten, sondern auch um die – bei einer GmbH obligatorisch im Handelsregister einzutragende (vgl. BeckOGK/Bayer/J. Schmidt, 15.05.2024, GmbHG § 35 Rn. 186) – Geschäftsanschrift der Rechtsmittelführerin.

Wie sich aus § 35 Abs. 2 Satz 3 GmbHG ergibt, können an die Vertreter einer solchen Kapitalgesellschaft unter deren im Handelsregister eingetragenen Geschäftsanschrift Willenserklärungen abgegeben und Schriftstücke für die Gesellschaft zugestellt werden. Hierbei handelt es sich um eine unwiderlegliche gesetzliche Vermutung, dass die Vertreter der GmbH stets und jederzeit unter dieser Geschäftsadresse erreichbar sind (vgl. BeckOGK/Bayer/J. Schmidt, aaO, mwN).

Die abweichenden Ausführungen der Berufungsführerin sind ersichtlich von Rechtsirrtum beeinflusst. Entgegen deren Auffassung kommt es insbesondere nicht darauf an, dass kein besonderer mit dem Namen der Gesellschaft versehener Postbriefkasten angebracht war.

b) Dass der Vollstreckungsbescheid die Geschäftsadresse der Beklagten tatsächlich erreicht hat – darauf erstreckt sich die vorbezeichnete gesetzliche Vermutung nicht (vgl. BeckOGK/Bayer/J. Schmidt, aaO, § 35 Rn. 189 mwN) – wird auch vom Rechtsmittelführer nicht in Abrede gestellt; abgesehen davon wird dies durch den Inhalt der Zustellungsurkunde, der die Beweiskraft des § 418 ZPO zukommt, belegt.

c) Ferner muss von einer ordnungsgemäßen Ersatzzustellung des Vollstreckungsbescheids durch Einlegen in den – mit dem Nachnamen des Geschäftsführers der Beklagten beschrifteten – Briefkasten, der an der Geschäftsanschrift der Rechtsmittelführerin angebracht war, nach § 180 ZPO ausgegangen werden.

Zwar fehlt es an einem zur Wohnung oder zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten im Sinne der vorgenannten Bestimmung, wenn dieser überquillt, zugeklebt ist oder sich sonst in einem nicht ordnungsgemäßen Zustand befindet, aus dem erkennbar wird, dass er nicht benutzt wird (vgl. Zöller/Schultzky, ZPO, 35. Auflage 2024, § 180 Rn. 5 mwN). Eine derartige Feststellung lässt sich aber nicht treffen: Soweit die Beklagte geltend macht, ihr Geschäftsführer habe den Briefkasten mit Silikon verklebt (gehabt), steht dieser Darstellung gerade entgegen, dass ihrem eigenen Vorbringen zufolge gleichwohl das zugestellte Schriftstück in den Briefkasten hat eingelegt werden können.

Außerdem vermag sie keinen – nach § 418 Abs. 2 ZPO ihr obliegenden – Beweis dafür anzutreten, dass der Briefkasten zum Zeitpunkt der Zustellung unzugänglich oder zur sicheren Aufnahme von Schriftstücken ungeeignet gewesen wäre. Für die von der Berufung beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass der „extrem starke Verschluss … der Briefkastenklappe mit Silikon … nur mittels erheblichster Krafteinwirkung auf die Briefkasteneinwurfklappe“ habe überwunden werden können, bleibt kein Raum. Denn es fehlt an Anknüpfungstatsachen, welche den – angeblichen – Ausgangszustand, der auch nach Darstellung der Beklagten mittlerweile nicht mehr vorliegt, und die konkrete Ausführung der behaupteten Maßnahme belegen könnten.

3. Die Beklagte konnte auch nicht ohne Verschulden (§ 233 Satz 1 ZPO) annehmen, dass Zustellungen in den mit dem Namen ihres Geschäftsführers gekennzeichneten Postbriefkasten an ihrer Geschäftsanschrift nicht erfolgen werden. Dem Wiedereinsetzungsgesuch der Berufungsführerin kann – unabhängig von den zutreffenden Erwägungen, welche das Landgericht diesbezüglich angestellt hat – schon deshalb nicht entsprochen werden, weil ihre diesbezügliche Darstellung im Rahmen tatrichterlicher Würdigung nicht als wahrscheinlich im Sinne der §§ 294, 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO eingestuft werden kann, auch wenn die Beklagte eine entsprechende eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers vorgelegt hat. Insbesondere folgende Umstände wecken daran erhebliche Zweifel:

a) Gerade in Anbetracht der in der eidesstattlichen Versicherung ihres Geschäftsführers enthaltenen Angaben („Alle Briefe für die T. GmbH wurden und werden von den Postzustellern regelmäßig immer in das von T. GmbH angemietete Postfach Nummer 13 in O. eingelegt. Es hat sich auch eingespielt, daß private Post von A. W. in das Postfach Nummer 13 gelegt wurde und gelegt wird.“) leuchtet nicht ein, weshalb an dem – angeblich nicht mehr benötigten und daher gänzlich überflüssig gewordenen – Briefkasten, sieht man schon von einer Demontage desselben ab, im Zuge des behaupteten Verklebens der Einwurf-Klappe nicht auch das Namensschild entfernt worden war, was unter den behaupteten Umständen auf der Hand gelegen hätte und mit keinerlei Aufwand verbunden gewesen wäre.

b) Zu Recht hebt die Klägerin in ihrer Berufungsantwort hervor, hätte die Beklagte ein Postfach angemietet, wäre zu erwarten gewesen, dass sich wenigstens auf deren Homepage (www.pp.de) ein diesbezüglicher Hinweis finden lasse, was aber nicht der Fall ist.

4. Unabhängig davon wäre das Vorbringen der Berufungsführerin – auch wenn man ihm Glauben schenken würde – nicht geeignet, ihr Verschulden an der Versäumung der Einspruchsfrist entfallen zu lassen. Denn ihrem Geschäftsführer fällt, unterstellt man – was aus den oben aufgezeigten Gründen abzulehnen ist – ihr Vorbringen als wahr, insoweit zumindest eine Nachlässigkeit zur Last, die sie sich zurechnen lassen muss.

Dass der Briefkasten jedenfalls bis Mitte Dezember 2022 als Empfangsvorrichtung zumindest für private Post ihres Geschäftsführers genutzt worden war, steht außer Frage. Sollte dieser Mitte Dezember 2022 Bemühungen unternommen haben, die Einwurf-Klappe des Briefkastens mit Silikon zu verkleben, wäre er in Anbetracht dessen, dass das Namensschild nicht entfernt wurde – damit wurde Außenstehenden gegenüber zumindest der visuelle Anschein erzeugt, dass dieser, wie zuvor, weiterhin als Empfangsvorrichtung dienen sollte – gehalten gewesen, die Haltbarkeit und den Erfolg seiner diesbezüglichen Anstrengungen regelmäßig zu überprüfen, was die Beklagte aber selbst nicht einmal behauptet. Abgesehen davon, dass allein schon witterungsbedingte Einflüsse zu einer erheblichen Lockerung der behaupteten – von einem Fachmann nicht überprüften – Festigkeit der (ursprünglichen) Klebeverbindung beigetragen haben können, ist nicht auszuschließen, dass ein Zusteller unter Aufbietung einer gewissen Kraftentfaltung die Klappe öffnete, weil er eine bloße Schwergängigkeit derselben vermutete und für ihn – insbesondere wegen des angebrachten Namensschildes und in Ermangelung sonstiger Hinweise – auch nicht die unter diesen Umständen fernliegende Intention des Wohnungsinhabers erkennbar war, dass der Briefkasten auf diese Weise außer Betrieb gesetzt werden sollte.“

beA II: Wenn das beA mal wieder eine Störung hat, oder: Kein Faxgerät im Reisegepäck.

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Bei der zweiten Entscheidung, die ich vorstelle, handelt es sich um das – schon etwas ältere, jetzt aber erst bekannt gewordene – OLG Karlsruhe, Urt. v. 05.10.2023 – 12 U 47/23. Ergangen ist es in einem Verfahren wegen einer Deckungsschutzzusage. Ein Versicherungsnehmer verlangt von seiner RSV Deckungsschutz für eine Schadensersatzklage gegen einen Automobilhersteller in einem „Diesel-Skandal“. Es erging ein Versäumnisurteil zu seinen Gunsten. Der Rechtsanwalt der Versicherung hat Einspruch eingelegt, allerding erst einen Tag nach Fristablauf.

Seinen Wiedereinsetzungsantrag hat er dann mit einer beA-Störung begründet, und zwar wie folgt: Er sei am Abend des Fristablaufs auswärtig untergebracht gewesen, weil er dort am nächsten Tag eine Verhandlung wahrnehmen wollte. Er habe sechs Schriftsätze erfolgreich per beA verschickt. Um 23.15 Uhr habe er den Einspruchsschriftsatz nicht mehr versenden können, weil das beA eine technische Störung hatte, die erst am nächsten Vormittag behoben worden sei. Ein Faxgerät habe er nicht zur Verfügung gehabt. Die Möglichkeit, den Schriftsatz per Computerfax zu versenden, kenne er nicht.

Das LG hat den Einspruch als unzulässig verworfen. Die Berufung dagegen hatte beim OLG Erfolg. Dieses hat Wiedereinsetzung gewährt und in der Sache teilweise zugunsten der Versicherung entschieden.

Hier interessiert nur der Wiedereinsetzungsantrag. Dazu führt das OLG aus:

„1. Der am 04.11.2022 erhobene Einspruch war zulässig und führt dazu, dass der Rechtsstreit in die Lage zurückversetzt wird, in der er sich vor Eintritt der Säumnis befand (§ 342 ZPO). Zwar war die Einspruchsfrist am 30.10.2022 abgelaufen. Der Beklagten war aber Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 233 ZPO zu gewähren.

a. Der Wiedereinsetzungsantrag wurde mit Schriftsatz vom 04.11.2022 rechtzeitig gestellt (§ 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und die dafür vorgetragenen Tatsachen glaubhaft gemacht (§ 236 Abs. 2 ZPO). Die Ergänzung des Tatsachenvortrags auf Hinweis des Landgerichts mit Schriftsatz vom 23.11.2022 – außerhalb der Frist nach § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO, aber innerhalb der vom Landgericht gesetzten Frist – war zulässig und ist zu beachten (vgl. BGH, Beschluss vom 17.12.2020 – III ZB 31/20, Rn. 33). Zu Recht – und unangegriffen – hat das Landgericht die zugrunde zu legenden Tatsachen daher so festgestellt wie vom Kläger vorgetragen.

b. Auf dieser Grundlage ist der Beklagten kein Verschulden an der Versäumnis der Einspruchsfrist nach § 339 Abs. 1 ZPO anzulasten (§ 233 ZPO). In Frage steht dabei im vorliegenden Fall nur ein etwaiges Verschulden des Prozessbevollmächtigten, das sich die Beklagte zurechnen lassen müsste (§ 85 Abs. 2 ZPO). Dem Beklagtenvertreter fällt aber kein Verschulden zur Last.

aa. Ein solches Verschulden liegt noch nicht darin, dass er die Frist bis zum letzten Tag ausgeschöpft hat, denn hierzu war er berechtigt (BGH, Beschluss vom 09.05.2017 – VIII ZB 5/16).

bb. Allerdings hat der Rechtsanwalt wegen des damit erfahrungsgemäß verbundenen Risikos erhöhte Sorgfalt aufzuwenden, um die Einhaltung der Frist sicherzustellen. Insbesondere hat er unvorhergesehene Verzögerungen beim Versandvorgang in Rechnung zu stellen und zusätzlich zur eigentlichen Sendedauer eine ausreichende Zeitreserve einzuplanen, um gegebenenfalls durch Wiederholung der Übermittlungsvorgänge einen Zugang des zu übersendenden Schriftsatzes bis zum Fristablauf zu gewährleisten. Beginnt ein Rechtsanwalt aber am letzten Tag einer Frist so rechtzeitig mit der Übertragung, dass unter gewöhnlichen Umständen mit deren Abschluss vor 24:00 Uhr am Tage des Fristablaufs gerechnet werden konnte, verwendet er dabei ein funktionsfähiges Sendegerät und die korrekte Empfangsadresse, so hat er grundsätzlich das seinerseits Erforderliche zur Fristwahrung getan (BGH, Beschluss vom 23.10.2018 – III ZB 54/18, Rn. 9 f., zur Einreichung per Fax).

Auch insoweit ist dem Beklagtenvertreter kein Versäumnis vorzuwerfen. Der Beginn des beabsichtigten Versandprozesses bei einem ersten Login gegen 23:15 Uhr war rechtzeitig, um bei einem grundsätzlich funktionsfähigen elektronischen Übermittlungsweg auch im Fall einer unvorhergesehenen Verzögerung oder einer Wiederholung eine Übermittlung bis 24:00 Uhr sicherzustellen. Der Beklagtenvertreter hat auch durch Vorlage entsprechender Screenshots glaubhaft gemacht, dass er bis 23:55 Uhr – was gerade noch rechtzeitig hätte sein können – noch mehrmals vergeblich versucht hat, sich in seinem besonderen elektronischen Anwaltspostfach anzumelden.

cc. Entgegen dem angefochtenen Urteil liegt ein Verschulden auch nicht darin begründet, dass der Beklagtenvertreter nicht sichergestellt hat, einen zweiten Versandweg zur Verfügung zu haben (Fax) und auch nicht auf einen neuen Versandweg ausgewichen ist, den er vorher noch nicht genutzt hatte (Computerfax).

Beide Versandwege standen dem Beklagtenvertreter grundsätzlich nach § 130d Satz 2 ZPO offen, weil – wie die Beklagte glaubhaft gemacht hat – das besondere elektronische Anwaltspostfach am Abend des 31.10.2022 bis zum Morgen des 01.11.2022 gestört und ein Versand nicht möglich war. § 130d Satz 2 ZPO stellt dabei keinen Sonderfall des § 233 ZPO dar, sondern erlaubt das Ausweichen auf einen anderen Übermittlungsweg innerhalb der Frist (Jansen, in: juris-PK ERV, Stand: 30.01.2023, § 233 Rn. 38). Umgekehrt ergibt sich aus § 130d Satz 2 ZPO aber auch keine unmittelbare Verpflichtung zur Ersatzeinreichung. Ob diese möglich und zumutbar und deshalb geboten war, ist vielmehr nach dem Verschuldensmaßstab des § 233 Satz 2 ZPO und den Umständen des jeweiligen Einzelfalles zu beurteilen.

Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten bei der Übermittlung über das besondere elektronische Anwaltspostfach entsprechen denjenigen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax (BGH, Beschluss vom 30.11.2022 – IV ZB 17/22, Rn. 10). Für die (geplante) Übermittlung per Fax sind die Maßstäbe, die insoweit anzulegen sind, geklärt. Im Ausgangspunkt gilt, dass die aus den technischen Gegebenheiten herrührenden besonderen Risiken eines vom Gericht eröffneten Übermittlungswegs nicht auf den Nutzer dieses Mediums abgewälzt werden. Deshalb darf ein Rechtsanwalt sich und seine organisatorischen Vorkehrungen darauf einrichten, einen Schriftsatz auf einem bestimmten Weg – insbesondere per Telefax – zu übermitteln. Scheitert die Übermittlung, so ist der Rechtsanwalt zunächst gehalten, im gewählten Übermittlungsweg nach Alternativen zu suchen, die sich aufdrängen. Liegt die Ursache aber in einem Defekt des Empfangsgeräts oder Leitungsstörungen, kann vom Rechtsanwalt grundsätzlich nicht verlangt werden, innerhalb kürzester Zeit eine andere als die gewählte, vom Gericht offiziell eröffnete Zugangsart sicherzustellen (BGH, Beschluss vom 17.12.2020 – III ZB 31/20, Rn. 18; BVerfG, Beschluss vom 21.06.2001 – 1 BvR 436/01, Rn. 10). Im Einzelfall kann das Ausweichen auf eine andere als die gewählte Übermittlungsart gleichwohl geboten sein, insbesondere dann, wenn der Zusatzaufwand geringfügig und zumutbar ist. Hierzu wurde in der Zeit vor Inkrafttreten der aktiven Nutzungspflicht nach § 130d ZPO höchstrichterlich entschieden, dass die Benutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs nach gescheiterter Übermittlung per Telefax jedenfalls dann kein zumutbarer, nur geringfügigen Aufwand verursachender alternativer Übermittlungsweg ist, wenn der Prozessbevollmächtigte das besondere elektronische Anwaltspostfach bisher nicht aktiv zum Versand von Schriftsätzen genutzt hat und mit seiner Nutzung nicht vertraut ist (BGH, Beschluss vom 17.12.2020 – III ZB 31/20, Rn. 26 f.; BGH, Beschluss vom 25.02.2021 – III ZB 34/20, Rn. 17; BGH, Beschluss vom 29.09.2021 – VII ZB 12/21, Rn. 31-33).

Demnach durfte sich der Beklagtenvertreter darauf einrichten, den Schriftsatz am letzten Tag der Frist über das besondere elektronische Anwaltspostfach zu übermitteln. Eine Verpflichtung, daneben stets – für den Fehlerfall – ein versandbereites Faxgerät bereitzuhalten, ergibt sich aus § 130d Satz 2 ZPO ebensowenig, wie sich aus § 130a ZPO vor Inkrafttreten des § 130d ZPO die Verpflichtung ergab, ein versandbereites besonderes elektronisches Anwaltspostfach bereitzuhalten. Zum Ausweichen auf ein Computerfax wäre der Beklagtenvertreter nur dann gehalten gewesen, wenn er diesen Weg bereits zuvor aktiv genutzt hätte und damit vertraut gewesen wäre. Letzteres war aber nicht der Fall.“

OWi III: Besteht ausreichender Masernimpfschutz?, oder: Bußgeldbewehrte Nachweispflicht ok?

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Im dritten Posting dann eine Entscheidung, die nicht eine OWi im Straßenverkehr zum Gegenstand hat. Es geht im OLG Karlsruhe, Beschl. v. 24.09.2024 – 2 ORbs 340 SsBs 461/24 (2) – vielmehr (noch einmal) um die Verfassungsmäßigkeit der bußgeldbewehrten Nachweispflicht über einen ausreichenden Impfschutz gegen Masern.

Gegen die Betroffene, die sorgeberechtigt für ihren 17-jährigen Sohn ist, welcher eine Schule in L. besucht, wurde mit Bußgeldbescheid eine Geldbuße von 300 EUR verhängt, weil sie zwei vorangegangenen Aufforderungen des Gesundheitsamtes vom 20.06.2023 und vom 20.07.2023 zur Vorlage eines Nachweises über den Schutz ihres Sohnes gegen Masern bzw. einer förmlichen Bescheinigung über die Impfkontraindikation bis zum Ablauf der ihr eingeräumten Frist bis zum 13.08.2023 keine Folge geleistet hatte. Dagegen der Einspruch der Betroffenen, der keinen Erfolg hatte. Das AG hat die Betroffene verurteilt. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das OLG führt u.a. aus:

„3. Der Senat erachtet die Regelungen in § 20 Abs. 8, 9, 12 und 13 IfSG i.V.m. § 73 Abs. 1a Nr. 7 d IfSG nicht für verfassungswidrig, weshalb eine Aussetzung des Verfahrens bis zu einer möglichen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG nicht geboten war bzw. nicht in Betracht kam (vgl. BayObLG, Beschluss vom 28.03.2024 – 201 ObOWi 141/24 -, BeckRS 2024, 9725 Rn. 8; VG Berlin, Beschluss vom 11.09.2023 – 14 L 231/23 -, BeckRS 2023, 25560 Rn. 11 f.; OVG Münster, Beschluss vom 22.07.2022 – 13 B 1466/21 -, BeckRS 2022, 18468 Rn. 33 f.).

Zwar beeinträchtigen die genannten Regelungen in § 20 IfSG sowohl die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1GG) des betroffenen Kindes als auch das Recht der Eltern zur Erziehung, das auch Gesundheitssorge für das Kind umfasst, aus Art. 6 Abs. 2 S.1 GG. Diese Eingriffe sind jedoch – nach Auffassung des Senats auch im Falle schulpflichtiger Kinder – verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

a) Dass die genannten Bestimmungen des IfSG formell verfassungsgemäß sind, hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.07.2022 – 1 BvR 469/20 u.a. -, NJW 2022, 2904 Rn. 84 ff. bei juris).

b) Nach Auffassung des Senats sind die mit der Nachweispflicht und der bei einem Verstoß vorgesehenen Bußgeldbewehrung verbundenen Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit des betroffenen Kindes und in das Erziehungsrecht der Eltern verhältnismäßig, auch wenn lediglich Kombinationsimpfstoffe gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken erhältlich sind (vgl. BVerfG, a.a.O. Rn. 98). Dies gilt auch dann, wenn das betroffene Kind der Schulpflicht unterliegt (im Anschluss an BayObLG, Beschluss vom 28.03.2024, a.a.O.).

aa) Der Gesetzgeber verfolgt mit den Regelungen zur Nachweispflicht über eine erfolgte Masernschutzimpfung den verfassungsrechtlich legitimen Zweck, einen verbesserten Schutz insbesondere solcher vulnerabler Personen vor einer für sie gefährlichen Masernerkrankung zu erreichen, die regelmäßig in Gemeinschaftseinrichtungen mit anderen Personen in Kontakt kommen, ohne sich selbst aus medizinischen Gründen durch eine Impfung schützen zu können. Zugleich soll die Weiterverbreitung der Krankheit in der Bevölkerung verhindert werden, was eine ausreichend hohe Impfquote in der Gesamtbevölkerung erfordert (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 103 ff.).

bb) Die für Schüler bzw. deren Eltern geltende Pflicht, eine ausreichende Immunisierung gegen Masern nachzuweisen, ist auch geeignet, die vom Gesetzgeber verfolgten Ziele zu erreichen, denn verfassungsrechtlich genügt für die Eignung bereits die Möglichkeit, durch die gesetzliche Regelung den Gesetzeszweck zu erreichen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.07.2022, a.a.O., Rn. 112 – 115; BVerfG, NJW 2022, 1999, Rn. 166).

cc) Die Pflicht, bei Betreuung in einer Schule oder in einer sonstigen Gemeinschaftseinrichtung eine Masernimpfung auf- und nachzuweisen ist sowohl zum Schutz der einzelnen dort Betreuten als auch zum Schutz der Bevölkerung insgesamt vor einer Maserninfektion im verfassungsrechtlichen Sinne erforderlich. Insoweit steht dem Gesetzgeber ein Einschätzungsspielraum zu, der nur einer begrenzten gerichtlichen Kontrolle unterliegt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.07.2022, a.a.O., Rn. 116 ff.; BVerfG NJW 2022, 1999 Rn. 187).

dd) Die bußgeldbewehrte Nachweispflicht über einen ausreichenden Masernimpfschutz ist nach Auffassung des Senats nicht nur im Falle von Kindern vor Schuleintritt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.07.2022, a.a.O.) angemessen und verhältnismäßig im engeren Sinn, sondern auch bei schulpflichtigen Kindern (so auch BayObLG, a.a.O.; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.08.2024 – 13 B 1280/23 -, juris, Rn. 21 ff.; VG Berlin, Beschluss vom 15.09.2023 – VG 14 L 210/23).

(1) Der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21.07.2022 (a.a.O.) lässt sich nicht entnehmen, dass es die Regelung für Schulkinder wegen fehlender Entscheidungsfreiheit für verfassungswidrig hält, denn die Regelungen für Schulkinder waren nicht Gegenstand des Verfahrens. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in der genannten Entscheidung darauf hingewiesen, dass der Eingriff in das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG und in das Elternrecht aus Art. 6 GG im Falle von Kindern vor Schuleintritt dadurch abgemildert werde, dass die angegriffenen Maßnahmen die Freiwilligkeit der Impfentscheidung der Eltern als solche nicht aufhöben, weil sie die Möglichkeit hätten, auf die Betreuung ihrer Kinder in einer Gemeinschaftseinrichtung zu verzichten, um der Nachweispflicht zu entgehen. Diese Freiheit haben Eltern schulpflichtiger Kinder grundsätzlich nicht (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.08.2024, a.a.O., Rn. 21 ff.). Auf der anderen Seite gilt aber nach der gesetzlichen Regelung gegenüber schulpflichtigen Kindern bei Nichtvorlage eines Impfnachweises weder ein gesetzliches Betreuungsverbot (§ 20 Abs. 9 S, 6 und 9 IfSG) noch kann das Gesundheitsamt ein Betretensverbot aussprechen (§ 20 Abs. 12 S. 5 IfSG). Eine Durchsetzung der Impfpflicht mit Zwangsmitteln kommt ebenso wenig in Betracht (vgl. BT-Drs. 19/13452, S. 27).

(2) Der Gesetzgeber verfolgt mit den Regelungen in § 20 Abs. 8 ff. den legitimen Zweck, eine Infektion der in Gemeinschaftseinrichtungen untergebrachten Kinder, die dort regelmäßig ohne nennenswerten Abstand aufeinandertreffen, und der dort tätigen Personen mit dem Masernvirus so weit wie möglich zu vermeiden. Im Falle von Kindern, die in Schulen betreut werden, trifft den Staat eine besondere Schutzpflicht auch und gerade gegenüber den – ebenfalls schulpflichtigen – Kindern und deren Angehörigen, bei denen aus gesundheitlichen Gründen eine Impfung kontraindiziert ist und bei denen sich deshalb ein Schutz vor den Folgen einer Infektion nur über eine sogenannte „Herdenimmunität“ erreichen lässt. Es besteht daher ein hohes öffentliches Interesse an einem den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission entsprechenden Impfschutz der Bevölkerung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.07.2022, a.a.O.), der, sofern keine medizinische Kontraindikation vorliegt, auch grundsätzlich dem Kindeswohl entspricht (BVerfG, Beschluss vom 21.07.2022, a.a.O. Rn. 136 ff.). Denn die Masernimpfung bietet einen hocheffektiven, lebenslang wirksamen Schutz und die eingesetzten Kombinationsimpfstoffe (gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken) sind langjährig erprobt und verlaufen zumeist komplikationslos (vgl. BVerfG, a.a.O. Rn. 138).

(3) Die zwangsweise Durchsetzung der Nachweispflicht der Sorgeberechtigten greift damit zwar in nicht unerheblicher Weise in das Elternrecht ein. Die Nachweispflicht stellt aber zur Durchsetzung der dargestellten legitimen Ziele des Staates vor dem Hintergrund des gleichzeitigen bewussten Verzichts des Gesetzgebers auf eine mit Zwangsmaßnahmen durchsetzbare Impfpflicht und – bei schulpflichtigen Kindern – auf ein Betreuungs- bzw. Betretensverbot im Falle der Nichtvorlage des Nachweises die einzige Möglichkeit dar, auf eine positive Impfentscheidung der Personensorgeberechtigten hinzuwirken. Ohne eine solche Nachweispflicht, die im Einzelfall durchaus mit erheblichen finanziellen Nachteilen für die Sorgeberechtigten im Falle der Nichterfüllung der Nachweispflicht und damit mit einer faktischen Zwangswirkung einhergeht, liefe die Masernimpfpflicht an Schulen weitgehend ins Leere. Aus diesem Grund erweist sich die Regelung, die dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit aller in Gemeinschaftseinrichtungen betreuten Kinder dienen soll, gerade im Hinblick auf das hohe Infektionsrisiko innerhalb einer Schule, wo regelmäßig eine Vielzahl von Kindern ohne größere Abstände aufeinandertreffen, als verhältnismäßig im engeren Sinne und damit als verfassungsgemäß.

4. Die Verfassungsmäßigkeit der genannten Bestimmungen des IfSG zur Nachweispflicht der Sorgeberechtigten über einen bestehenden Masernimpfschutz ihres Kindes oder über eine bestehende medizinische Kontraindikation entbindet die Bußgeldbehörde freilich nicht von der Verpflichtung, im Einzelfall zu prüfen, ob dem Betroffenen die Vorlage des angeforderten Nachweises aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen unmöglich ist oder ob sich ggf. die Verhängung eines Bußgeldes im Einzelfall als unverhältnismäßig erweisen könnte.

a) Dass der Betroffenen die Vorlage eines Impfnachweises oder eines Nachweises über eine bestehende Kontraindikation objektiv unmöglich gewesen wäre, zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf.

aa) Wenn im Einzelfall – wie im Falle der Betroffenen – kein vorlegbarer Impfnachweis i.S.d. § 20 Abs. 9 S. 1 Nr. 1 und 2 IfSG existiert, führt dies nicht dazu, dass die Vorlageverpflichtung „schlechterdings unerträglich, also mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten Wertvorstellungen unvereinbar“ (BVerwG, Beschluss vom 21.01.2016 – 4 BN 36.15 – juris Rn. 10 m.w.N.) und damit nichtig oder mit einem Bußgeld nicht zu sanktionieren wäre. Denn ihr Zweck besteht gerade darin, eine Anstoßwirkung auch in solchen Fällen zu erzielen, in denen ein Nachweis i.S.d. § 20 Abs. 9 S. 1 IfSG von den Verpflichteten zwar bisher nicht beschafft wurde, dies aber noch nachgeholt werden könnte (vgl. VGH München, Beschluss vom 15.01.2024 – 20 Cs 23.1910, 20 CE 23.1935 -, BeckRS 2024, 644 Rn. 15; vgl. auch OLG Karlsruhe, Senat, Beschluss vom 26.09.2023 – 2 ORbs 35 Ss 235/23 -, BeckRS 2023, 25901 zur einrichtungsbezogenen Corona-Impfnachweispflicht).

bb) Soweit die Betroffene einwendet, sie sei auch deshalb an der Vorlage eines Impfnachweises gehindert gewesen, weil ihr 17-jähriger Sohn, dem gemäß § 630d BGB ein Mitspracherecht zustehe, einer Impfung nicht zugestimmt habe, begründet dies jedenfalls im vorliegenden Fall keine Unmöglichkeit der geforderten Handlung. Aus den Urteilsgründen ergibt sich zwar, dass der Sohn der Betroffenen – nach ihren vom Amtsgericht für glaubhaft erachteten Angaben – eine Impfung nicht gewollt habe. Zugleich ist aber auf der Grundlage des Geständnisses der Betroffenen festgestellt, dass sie von vornherein keinen Versuch unternommen hat, ihrer elterlichen Pflicht nachkommend, auf ihren Sohn entsprechend erzieherisch einzuwirken. Vielmehr hat sich die Betroffene nach den Feststellungen des Amtsgerichts, weil sie selbst die Impfung aus grundsätzlichen Erwägungen wegen möglicher schwerer Impfschäden ablehnte, von Anfang an allein um eine ärztliche Impfunfähigkeitsbescheinigung bemüht, ohne aber ihren Sohn zu diesem Zwecke tatsächlich ärztlich auf eine der Impfung entgegenstehende Grunderkrankung oder eine Impfunverträglichkeit untersuchen oder sich und ihren Sohn ärztlich beraten zu lassen.

…“

Haft I: Freispruch ==> Aufhebung des Haftbefehls, oder: Aufgehoben bleibt aufgehoben, auch in der Revision

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Und dann  – seit längerem mal wieder – Haftentscheidungen.

Ich beginne mit dem OLG Karlsruhe, Beschl. v. 14.05.2024 – 3 Ws 128/24. Das ist „Annexentscheidung“ zu einer der ersten Entscheidungen zum KCanG. Die vom OLG entschiedene Frage hat aber nichts mit den Neuerungen des KCanG zu tun.

Der Beschuldigte hat sich in einem Ermittlungsverfahren wegen des dringenden Tatverdachts der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in U-Haft befunden.Von dem Vorwurf ist er am 12.04.2024 frei gesprochen worden, mit Beschluss vom selben Tag der Haftbefehl des AG aufgehoben.

Gegen das Urteil hat die  Staatsanwaltschaft Revision und gegen den Beschluss vom 12.04.2024  Beschwerde eingelegt. Über die hat dann das OLG entschieden. Das Rechtsmittel war nicht erfolgreich:

„Gemäß § 120 Abs. 1 Satz 1 StPO ist ein Haftbefehl aufzuheben, sobald die Voraussetzungen der Untersuchungshaft nicht mehr vorliegen oder sich ergibt, dass die weitere Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis stehen würde. Als Sonderfall hiervon wird in § 120 Abs. 1 Satz 2 StPO der Fall des Freispruchs behandelt. Im Falle eines Freispruchs wird gesetzlich vermutet, dass ein dringender Tatverdacht nicht mehr besteht, das heißt, dass die‘, Haftvoraussetzungen weggefallen sind oder dass wenigstens die Haft zu dem endgültigen Verfahrensergebnis in keinem angemessenen Verhältnis mehr steht (vgl. Senat, Beschluss vom 12.101.1981 – 3.Ws 9/81, NStZ 1981, 192, beck-online). Die Vermutung wird bereits durch den bloßen Akt der freisprechenden Entscheidung begründet, ohne dass es auf deren Richtigkeit oder Rechtskraft ankommt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. 7. 1999 – 2 Ws 227/99, NStl.1999, 585, beck-online; Lind in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl. 2019, § 120, Rn. 33). Der Haftbefehl ist in den Fällen des § 120 Abs. 1 Satz 2 StPO deshalb auch dann aufzuheben ist, wenn der Freispruch als fehlerhaft erkannt ist und die Voraussetzungen der Untersuchungshaft noch vorliegen (Und in Löwe-Rosenberg a.a.O.). Da die Prüfung der Erfolgsaussichten einer staatsanwaltschaftlichen Revision alleine dem Revisionsgericht obliegt, ist dem Senat als Haftbeschwerdegericht eine eigene verbindliche Prüfung im Hinblick auf tatsächliche oder vermeintliche offensichtliche Revisionsfehler verwehrt (vgl. KK-StPO/Gericke, 9. Aufl. 2023, StPO § 120 Rn. 11).

Aufgrund der gesetzlichen Vermutung des § 120 Abs. 1 Satz 2 StPO darf bis zu der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts erneute Untersuchungshaft nur auf Grund neuer Tatsachen und. Beweismittel angeordnet werden; eine andere tatsächliche oder rechtliche Beurteilung reicht dafür nicht aus (vgl. Senat, Beschluss vom 12.01.1981 – 3 Ws 9/81, aaO; OLG Hamm, Beschluss vom 11. August 1980 — 3 Ws 430/80 —, Rn. 4, juris). Da neue Beweismittel hier nicht vorliegen, kann die Haftbeschwerde der Staatsanwaltschaft keinen Erfolg haben.“

KCanG III: Verwertbarkeit von „alten“ SkyECC-Daten, oder: KCanG reicht nicht für Online-Durchsuchung

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Und dann noch etwas zu den Auswirkungen des KCanG auf die Verwertbarkeit von (alten) Messengerdienst-Daten. Darüber habe ich ja schon ein paar Mal berichtet (vgl. u.a. StPO I: Encrochat-/ANOM-/SkyECC-Daten und KCanG, oder: OLG Stuttgart/LG Saarbrücken ggf. unverwertbar; oder: KCanG II: SkyECC-Chatinhalte und das neue KCanG, oder: LG Köln hält sie für verwertbar,oder: KCanG I: Handel mit „nicht geringer Menge“ strafbar?, oder: Einmal hopp, einmal topp zum neuen KCanG).

Dazu habe ich jetzt eine weitere Entscheidung erhalten, und zwar den OLG Karlsruhe, Beschl. v. 24.07.2024 – 3 Ws 221/24. Ergangen ist die Entscheidung in einem beim LG Mannheim anhängigen Verfahren. In dem hatte die Staatsanwaltschaft Mannheim Anklage zum Landgericht Mannheim wegen des Verdachts der Einfuhr von Betäbungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in vier Fällen sowie des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge erhoben. Dem Angeschuldigten wurde zur Last gelegt: Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt, spätestens im April 2020, entschloss sich der zu diesem Zeitpunkt in Spanien aufhältige Angeschuldigte dazu, einen schwunghaften Drogenhandel zu betreiben und die Betäubungsmittel, insbesondere Marihuana und Kokain, in großen Mengen bei seinen Lieferanten in Spanien zu erwerben, um sie sodann ebenfalls in großen Mengen an Abnehmer in Deutschland zu verkaufen und sie dazu in Lkws mit Hilfe von Transportpersonen von Spanien nach Deutschland zu transferieren. Die Absprachen der Verkäufe erfolgten mittels sogenannter Krypta-Handys unter Verwendung des als abhörsicher geltenden Messenger-Dienstes SkyECC. Hierbei nutzte der Angeklagte zwei Kennungen. Dadurch wollte sich der Angeschuldigte eine laufende Einnahmequelle von einigem Umfang und gewisser Dauer sichern und seinen Lebensunterhalt und Eigenkonsum finanzieren.

Das LG hat die Eröffnung des Hauptverfahrens, in dem dem Angeklagten insgesamt fünf Tatkomplexe zur Last gelegt worden sind, u.a. mit der Begründung abgelehnt, weil die aus der Überwachung des Chatverkehrs des Angeklagten gewonnenen Erkenntnisse aus dem Messenger-Dienst SkyECC nach Inkrafttreten des KCanG nicht mehr verwertbar seien. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der StA hatte keinen Erfolg:

„Die Eröffnung des Hauptverfahrens ist zu beschließen, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint (§ 203 StPO). Hinreichende Tatverdacht ist anzunehmen, wenn die nach Maßgabe des Akteninhalts vorzunehmende vorläufige Tatbewertung ergibt, dass die Verurteilung des Angeschuldigten wahrscheinlieh ist (Senat, Beschl. v. 21.07.2005 — 3 Ws 165/04, BeckRS 2005, 33531, beck-online). Auf diese Verdachtsprognose in Gestalt der strafprozessualen Reproduzierbarkeit der im Ermittlungsverfahren erarbeiteten Erkenntnisse in der Hauptverhandlung können auch Beweisverwertungsverbote Einfluss gewinnen (vgl.. BGH, Beschl. v. 01.12.2016 — 3 StR 230/16, NStZ 2017, KK-StPO/Schneider, 9. Aufl. 2023, StPO § 203 Rn. 9 m.w.N.).

Gemessen hieran besteht hinsichtlich der dem Angeschuldigten in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Mannheim vom 08.03.2024 vorgeworfenen Tat Ziff. 2 keine Verurteilungswahrscheinlichkeit Das dem Angeschuldigten diesbezüglich zur Last gelegte Cannabisgeschäft lässt sich, wie im Sonderband „Fallakte 7″ ausführlich und überzeugend dargestellt, in tatsächlicher Hinsicht ohne weiteres aus dem Inhalt der über Kryptohandys des Anbieters SkyECC mit den Kennungen „K 1″ und „K 2“ ausgetauschten Nachrichten ableiten; welche von französischen Ermittlungsbehörden in einem dort geführten Verfahren erhoben und an die Staatsanwaltschaft Mannheim im Wege einer Europäischen Ermittlungsanordnung übermittelt wurden. Weitere einen Verdacht begründende Erkenntnisse liegen hingegen nicht vor.

Allerdings besteht hinsichtlich dieser Inhalte nach Inkrafttreten des Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (Cannabisgesetz — CanG) vom 27.03.2024 (BGBl I, 2024 Nr. 109) am 01.04.2024 ein Beweisverwertungsverbot.

Gesetzliche Rechtsgrundlage für die Verwertung von in einer Hauptverhandlung zu erhebenden Beweisen ist § 261 StPO und zwar unabhängig davon, ob diese zuvor im Inland oder auf sonstige Weise – etwa im Wege der Rechtshilfe – erlangt worden sind. Denn die Frage, ob im Wege der Rechtshilfe erlangte Beweise verwertbar sind, richtet sich ausschließlich nach dem nationalen Recht des um Rechtshilfe ersuchenden Staates, soweit – wie hier – der um Rechtshilfe ersuchte Staat die unbeschränkte Verwendung der von ihm erhobenen und übermittelten Beweisergebnisse gestattet hat (vgl. BGH, Beschluss vom 02.03.2022 — 5 StR 457/21 —, juris, Rn. 25 ff.). Da die in Grundrechte eingreifende Ermittlungsmaßnahmen anders als bei inneren oder im Wege der europäischen Rechtshilfe ersuchten ausländischen Ermittlungsmaßnahmen nicht schon bei deren Anordnung, etwa durch Beschränkung auf besonders schwere Straftaten oder Fälle qualifizierten Verdachts, limitiert werden können, sind die dadurch möglichen Unterschiede bei den Eingriffsvoraussetzungen auf der Ebene der Beweisverwendung zu kompensieren. Hierfür kann auf die in strafprozessualen Verwendungsbeschränkungen verkörperten Wertungen zurückgegriffen werden, mit denen der Gesetzgeber dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei vergleichbar eingriffsintensiven Mitteln Rechnung trägt (vgl. BGH, Beschluss vom 02.03.2022, aaO., Rn. 68). Zur Verwertung von Daten von Nutzern des Kommunikationsdienstes EnchroChat, die von französischen Ermittlungsbehörden auf Grundlage einer Europäischen Ermittlungsanordnung übermittelt wurden, hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass hinsichtlich der Frage der Verwertbarkeit die Vorschrift des § 100e Abs. 5 StPO nach ihrem Wortlaut nicht ausdrücklich angewendet werden kann, da die in Rede stehenden Daten nicht durch Maßnahmen nach den §§ 100b, 100c StPO, sondern durch eigenständige Maßnahmen nach französischem Prozessrecht gewonnen wurden. Allerdings können aufgrund des Gewichts der Maßnahme zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – auch um jede Benachteiligung auszuschließen – die Grundgedanken des § 100e Abs. 6 StPO als Verwendungsschranke mit dem höchsten Schutzniveau fruchtbar gemacht werden (vgl. BGH Beschluss vom 02.03.2022 — 5 StR 457/21, aaO., Rn. 65 f.). Daraus folgt, dass eine Beweisverwertung von Erkenntnissen aus dem Kernbereich privater Lebensführung stets unzulässig ist (vgl. auch § 100d Abs. 2 Satz 1 StPO) und darüber hinaus nach der Wertung des § 100e Abs. 6 Nr. 1 StPO die im Wege europäischer Rechtshilfe erlangten Beweisergebnisse aus dem EncroChat-Komplex in einem Strafverfahren ohne Einwilligung der überwachten Person nur zur Aufklärung einer Straftat, auf Grund derer eine Maßnahme nach § 100b StPO hätte angeordnet werden können, oder zur Ermittlung des Aufenthalts der einer solchen Straftat beschuldigten Person verwendet werden dürfen. Hierbei sind auch die den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz konkretisierenden einschränkenden Voraussetzungen in § 100b Abs. 1 Nr. 2 und 3 StPO in den Blick zu nehmen, wonach die Straftat auch im Einzelfall besonders schwer wiegen und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsorts auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos sein muss (vgl. BGH Beschluss vom 02.03.2022 — 5 StR 457/21, aaO, Rn. 68-69). Für die Prüfung, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist auf den Zeitpunkt der Beweisergebnisse abzustellen (BGH, Beschluss vom 02.03.2022 — 5 StR 457/21, aaO, Rn. 70).

Dieselben Maßstäbe gelten – da sich die Rahmenbedingungen für die Datenerhebung in Frankreich und die Übermittlung der Daten im Wege einer Europäischen Ermittlungsanordnung nicht wesentlich unterscheiden – auch für die Verwertung von im Wege. europäischer Rechtshilfe erlangter Beweisergebnisse hinsichtlich des Krypto-Messengers SkyECC. Ebenso wie die Encro-Chat-Daten sind diese in einem französischen Ermittlungsverfahren erhoben worden und auch die wesentlichen Rahmenbedingungen stimmen zwischen den beiden Anbietern überein. lnsbesondere befand sich – ausweislich der vorliegenden Beschlüsse des in beiden Fällen zuständigen Gerichts in Lille – bei beiden Anbietern der Server, über den die Kommunikation erfolgte, an einem Standort in Roubaix und das Angebot sowohl von Encrochat als auch von SkyECC war dadurch gekennzeichnet, dass die Geräte nicht über legale Vertriebswege verkauft wurden und für die verschlüsselten Geräte ein außergewöhnlich hoher Preis — etwa 1.500 Euro für eine sechsmonatige Nutzung –  zu zahlen war, obwohl die Geräte selbst nur über einen sehr eingeschränkten Funktionsumfang verfügten (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 15.11:2021 — 2 HEs 24 – 30/21 -, Rn. 23, juris).

Gemessen an den genannten Grundsätzen wäre eine Verwertbarkeit der über den Krypto-Messenger SkyECC erlangten Erkenntnisse nur dann zu bejahen, wenn die betreffenden Taten im Verwertungszeitpunkt noch den Anforderungen des § 100b StPO genügten, insbesondere wenn sie auch nach Inkrafttreten des CanG noch Katalogtaten im Sinne des § 100b Abs. 2 StPO darstellten (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 06.06.2024 – 2 Ws 251/24 -, n.v.; KG Berlin, Beschluss s 67/24 – 121 GWs 38/24 juris zu EncroChat; OLG Stuttgart, Beschluss Ws 123/24 – Burhoff online zu Anom).

Im hier zu entscheidenden Fall unterfällt die dem Angeschuldigten in der Anklageschrift vom 08.04.204 zur Last gelegte Tat Ziff. 2, die alleine die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Mannheim nach § 7 StPO begründen könnte, nach dem zum 01.04.2024 als Art. 1 CanG in Kraft getretenen KCanG nicht mehr dem BtMG, sondern ist als Handeltreiben mit Cannabis in Tateinheit mit Einfuhr von Cannabis, gemäß §§ 1 Nr. 8, 2 Abs. 1 Nr. 4 und 5, 34 Abs. 1 Nr. 4 und 5 KCanG zu werten, wobei die Tat eine nicht geringe Mengen Cannabis betrifft und aufgrund der erheblichen Mengen und des Marktwerts eine gewerbsmäßige Begehungsweise nahe liegt, weshalb die Tat einen besonders schwereren Fall gemäß § 34 Abs. 3 Nr. 1 und 4 KCanG darstellt. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Tat einen Verbrechenstatbestand des § 34 Abs. 4 KCanG erfüllt, sind nicht gegeben.

Durch Art. 13a des CanG wurden zeitgleich mit Inkrafttreten des KCanG strafprozessuale Befugnisnormen, u.a. auch § 100b StPO, geändert. Nach § 100b Abs. 2 Nr. 5a StPO in der ab dem 01.04.2024 gültigen Fassung sind schwere Straftaten im Sinne des § 100b Abs. 1 Nr. 1 StPO die Verbrechenstatbestände des § 34 Absatz 4 Nr. 1, 3 oder 4 KCanG. Zu dem maßgeblichen Verwendungszeitpunkt – also der Verwertung der Erkenntnisse im Zwischen- und Hauptverfahren – lag demnach keine Katalogtat im Sinne des § 100b Abs. 2 Nr. 5a StPO mehr vor, weshalb die Verwertbarkeit der Daten ausscheidet und diese zur Begründung des hinreichenden Tatverdachts nicht mehr herangezogen werden können (vgl. OLG Köln aaO.; KG aaO.; OLG Stuttgart aaO).

Soweit im Hinblick auf die Verwertung von im Ausland erhobenen und nach Deutschland zum Zwecke der StrafverfoIgung übermittelten Daten von Krypto-Messengem vertreten wird, für die Frage der Verwertbarkeit sei allein auf den Zeitpunkt der Erhebung abzustellen, da rechtliche Veränderungen ebenso zu behandeln seien wie Veränderungen der Verdachtslage, für die anerkannt sei, dass es für die Prüfung der Verwertbarkeit auf den Zeitpunkt der Anordnung der Eingriffsmaßnahme oder der Verwendung in einem anderen Strafverfahren ankommt (vgl. – nicht tragend – Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 13. Mai 2024 -1 Ws 32/24 – Rn. 72) überzeugt dies nicht. Denn in der Verwendung der aus einem anderen Strafverfahren stammenden personenbezogenen Daten in einem anhängigen Verfahren und in deren Verwertung in einer in diesem Verfahren zu treffenden ‚gerichtlichen Entscheidung liegt ein eigenständiger Grundrechtseingriff. Ob für diesen eine gesetzliche Grundlage besteht, kann und muss daher nach der für den Verwendungs- bzw. Verwertungszeitpunkt geltenden Rechtslage beurteilt werden (BGH, Beschluss vom 21 November 2012— 1 StR 310/12 —, juris, Rn. 45). Nach ständiger Rechtsprechung ist daher bei sich im Verlaufe eines anhängigen Strafverfahrens ändernden strafprozessualen Vorschriften für die Beurteilung der prozessualen Zulässigkeit die neue Rechtslage maßgebend (vgl. BGH, Beschluss. vom 19. Februar 1969 — 4 StR 357/68 -, juris, Rn11; BGH, Urteil vom 27. November 2008 — 3 StR 342/08 juris, Rn. 13; BGH, Beschluss vom 21. November 2012 — 1 StR 310/12, aaO., Rn. 45; BGH, Beschluss vom 02.03.2022 – 5 StR 57/21, aaO., Rn. 70).

Soweit in der Literatur vertreten wird, dass für den Fall, dass nach bisherigem Recht rechtmäßige Maßnahmen für unzulässig erklärt werden, die Frage der Verwertbarkeit der Erkenntnisse – falls keine besondere Überleitungsvorschrift bestehe – jeweils im Einzelfall unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Zwecks der Neuregelung zu beantworten sei (vgl. Kühne/Gössel/Lüderssen in Löwe-Rosenberg StPO, 27. Aufl. 2016, Einleitung E, Rn. 22), führt auch diese Auffassung im vorliegenden Fall nicht zur Verwertbarkeit der von den französischen Ermittlungsbehörden übermittelten Erkenntnisse. Denn eine Prüfung durch den ersuchenden Staat, ob der ersuchte Staat dort vorhandene Beweismittel nach dem Maßstab seiner eigenen nationalen Verfahrensregeln rechtmäßig erlangt hat, ist nicht vorgesehen (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 06.06.2024, 2 Ws 251/24; BGH, Beschluss vom 02.03.2022 — 5 StR 457/21, aaO., Rn. 26).

Dürfen demgemäß die hier verfahrensgegenständlichen Chatnachrichten nur zur Verfolgung von auch im Einzelfäll besonders schwerwiegenden Straftaten im Sinne § 100b Abs. 2 StPO verwendet werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos und der Kernbereich privater Lebensführung nicht berührt ist, und ist zudem für die Prüfung, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, auf den Zeitpunkt der Verwertung der Beweisergebnisse im deutschen Strafverfahren abzustellen, unterliegen die hier relevanten Chat-Nachrichten der Kennungen „K 1″ und „K 2″ nach Inkrafttreten KCanG seit dem 01.04.2024 einem Beweisverwertungsverbot.

Ob auch hinsichtlich der dem Angeschuldigten in der Anklageschrift vom 08.03.2024 zur Last gelegten Taten Ziff. 1, 4 und 5 ein Beweisverwertungsverbot anzunehmen ist, kann jedenfalls derzeit dahinstehen. Denn aufgrund des nicht gegebenen Tatortes in Mannheim und in Ermangelung anderer Gerichtsstände ist hinsichtlich dieser Taten eine örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Mannheim nicht begründet. Da die örtliche Unzuständigkeit einer sachlichen Entscheidung über das Vorliegen der Eröffnungsvoraussetzungen entgegensteht (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 10.09.1998 – 2 Ws 6/98, NStZ-RR 1999, 16; KK-StPO/Gellhorn, 9. Aufl. 2023, StPO § 16 Rn. 8; 3 Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Auflage, § 16 Rn. 4 m.w.N.), war es dem Landgericht verwehrt, die Eröffnung des Hauptverfahrens hinsichtlich dieser Taten abzulehnen. Daher war auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Ziff. 3 des angegriffenen Beschlusses aufzuheben, soweit dort die Eröffnung des Hauptverfahrens hinsichtlich der dem Angeschuldigten in der Anklageschrift vom 08.03.2024 zur Last gelegten Taten Ziff. 1, 4 und 5 abgelehnt wurde, und insoweit die örtliche Unzuständigkeit des Landgerichts Mannheim festzustellen.“