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OWi II: Atemmessung mit Dräger Alcotest 9510 DE, oder: Aufklärungspflicht, Eichung und Störquellen

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Im zweiten Posting dann der OLG Karlsruhe, Beschl. v. 31.01.2025 – 3 ORbs 330 SsBs 629/24, und zwar zur Aufklärungspflicht bei einer Trunkenheitsfahrt nach § 24a Abs. 1 StVG, bei der der Verurteilung ein standardisiertes Messverfahren zugrunde gelegen hat. Hier hatte die Rechtsbeschwerde keinen Erfolg:

Der Senat merkt Folgendes ergänzend an:

1. Die erhobene Verfahrensrüge mangelnder Sachaufklärung zur Frage der Richtigkeit der Atemalkoholmessung dürfte bereits unzulässig sein (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG), weil der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde das von dem beauftragten Privatsachverständigen in Bezug genommene Gutachten des Bundesgesundheitsamtes zur Beweissicherheit der Atemalkoholanalyse nicht vorgelegt hat. Ungeachtet dessen ist die Rüge jedenfalls unbegründet.

Der Gesetzgeber hat ausdrücklich vorgesehen, dass bei der Atemalkoholbestimmung nur Messgeräte eingesetzt und Messmethoden angewendet werden dürfen, die den im Gutachten des Bundesgesundheitsamts zur Beweissicherheit der Atemalkoholanalyse gestellten Anforderungen genügen (BT-Drucks. 13/1439, S. 4). Dem wird das im hier gegebenen Fall verwendete Messgerät Dräger Alcotest 9510 DE gerecht, das die Voraussetzungen der DIN VDE 0405 erfüllt (vgl. Schuff, in: Burhoff/Grün, Messungen im Straßenverkehr, 6. Aufl., § 2 Rn 114; Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 6. Aufl., Abschnitt T, Rn 3636) und bei dem es sich um ein sog. standardisiertes, Messverfahren handelt (KG Berlin, B. v. 24.03.2022 – 3 Ws (B) 53/22-122 Ss 24/22 -, juris Rn 14, OLG Dresden, B. v. 06.10.2022 – OLG 23 Ss 608/22 (B), juris Rn 13; BayObLG, B. v. 07.01.2021 – 201 ObOWi 1683/20, juris Rn 6 f.; vgl. auch BGH, B. v. 03.04.2001 – 4 StR 507/00 -, juris Rn 11 zum Gerät Dräger Alcotest Evidential MK III). Diese Anerkennung führt hinsichtlich des Umfanges der Beweisaufnahme und der Anforderungen an die Urteilsgründe zu Erleichterungen (BGHSt 39, 291; 43, 277), die verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind (BVerfG, B. v. 12.11.2020 – 2 BvR 1616/18 -, juris). Die Erleichterungen bedeuten im Rahmen der Beweisaufnahme eine reduzierte Sachverhaltsaufklärungspflicht des Tatgerichts. Das Tatgericht darf bei einer mit einem standardisierten Messverfahren erfolgten Messung grundsätzlich ohne weitergehende Beweiserhebung von der Richtigkeit des ermittelten, gegebenenfalls um eine Toleranz zu bereinigenden Messwerts ausgehen (BGH a.a.O.; KG Berlin, a.a.O., BayObLG, a.a.O.).

Die in § 77 Abs. 1 OWiG normierte Aufklärungspflicht nötigt das Gericht nur dann zu einer weitergehenden Beweisaufnahme zwecks näherer Überprüfung des Messergebnisses, wenn im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte vorgetragen werden oder sonst ersichtlich sind, die geeignet sind, Zweifel an dessen Richtigkeit zu begründen (vgl. BGH a.a.O.; KG Berlin, a.a.O.; BayObLG, a.a.O.). Dies war vorliegend nicht der Fall:

Der Betroffene nahm am 19.01.2024, 002 Uhr, in Singen, mit einem Pkw pp. am Straßenverkehr teil und wurde einer Polizeikontrolle unterzogen. Eine zu diesem Zeitpunkt dort mittels eines nicht geeichten Atemalkoholmessgeräts durchgeführter Test ergab eine Atemalkoholkonzentration von 0,32 mg/I. Die auf dem fünf Kilometer entfernten Polizeirevier in Mühlhausen-Ehingen erfolgte Atemalkoholmessung mit dem am 25.09.2023 vor und am 19.03.2024 nach der verfahrensgegenständlichen Messung gültig geeichten Messgerät Dräger Alcotest 9510 DE fand am 19.01.2024 ab 00:36 Uhr statt. Dem Protokoll zur Atemalkoholanalyse zufolge hatte der Betroffene angegeben, sein letzter Alkoholkonsum habe am 19.01.2024 um 00:00 Uhr stattgefunden. Dem Protokoll ist u.a. weiter zu entnehmen, dass die Wartezeit von 20 Minuten vor der ersten Messung eingehalten sei und der Betroffene mindesten zehn Minuten vor Beginn bis Ende des Messzyklus keine Nahrungs- oder Genussmittel aufgenommen habe. Ein erster, um 00:38:36 Uhr durchgeführter Messversuch wurde vom Messgerät abgebrochen („Fehlversuch, Atemabgabe unzulässig“). Um 00:39:42 Uhr erfolgte die erfolgreiche erste Einzelmessung, die eine Atemalkoholkonzentration von 0,267 mg/I, um 00:43 Uhr die zweite Einzelmessung, die eine Atemalkoholkonzentration von 0,277 mg/I ergab. Das Messergebnis (Mittelwert) wurde mit 0,27 mg/I ausgewiesen. Der Betroffene erklärte in der Hauptverhandlung, er habe vor Fahrtantritt zunächst ein alkoholfreies und sodann ein alkoholhaltiges Bier getrunken.

Das in der Hauptverhandlung eingeführte, von dem anwesenden Verteidiger vorgelegte Privatgutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. pp. vom 27.05.2024 über die „Begutachtung der Beweismittel“ kommt zu dem Ergebnis, dass insgesamt ein ordnungsgemäßer Messablauf nachvollzogen werden könne; da aber in einem Eichschein der ordnungsgemäße Zustand eines Messsystems zum Zeitpunkt der Eichung bestätigt werde, seien zur Sicherstellung, dass das Messgerät zur Messzeit ordnungsgemäß funktioniert habe und nicht Störungen aufgetreten seien, die zu einem falschen Messergebnis geführt haben könnten, auch noch die Ergebnisse der Eingangsprüfung der nachfolgenden Eichung heranzuziehen, weil bei Atemalkoholmessgeräten nicht auszuschließen sei, dass Rückstände bzw. Ablagerungen in den beiden Probenkammern trotz Spülung nicht vollständig beseitigt werden, was dann nachfolgende Messungen verfälschen könne. Insbesondere werde im Gutachten „Beweissicherheit der Atemalkoholanalyse“, welches die Grundlage für die Zulassung von Atemalkoholmessungen bilde, vom Verfasser Schoknecht darauf hingewiesen (Abs. 3.1. Grundvoraussetzungen): „Die Zuverlässigkeit (Reliabilität) der Messgeräte muss über den Zeitraum, in dem ein Messgerät zum Einsatz kommt, gewährleistet sein. Diese Nacheichungen, die die Gewähr für die Messsicherheit über den Einsatzzeitraum sichern, sollten in möglichst kurzen Zeitabständen stattfinden. Nach den bisherigen Erfahrungen wird hierfür ein Zeitraum von 6 Monaten als notwendig erachtet.“

Hinweise auf eine nicht ordnungsgemäße Verwendung des Atemalkoholmessgeräts durch den Bediener hat der Privatsachverständige somit ausdrücklich verneint. Konkrete Anhaltpunkte für eine strukturelle, von der Bauartprüfung- und Zulassung des Messgeräts durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (vgl. Schuff, in: Burhoff/Grün, Messungen im Straßenverkehr, 6. Aufl., § 2 Rn 114) nicht erfasste Fehlerquelle, denen das Amtsgericht unter dem Gesichtspunkt der Amtsaufklärung hätte nachgehen müssen, ergeben sich aus den Darlegungen des Privatsachverständigen ebenso wenig wie aus dem in Bezug genommen Gutachten des Bundesgesundheitsamtes „Beweissicherheit der Atemalkoholanalyse“, das Rückstände und Ablagerungen in Probekammern als mögliche Ursache von Messfehlern nicht thematisiert, aber insbesondere klarstellt, dass Nacheichungen die Gewähr für die Messsicherheit über den Einsatzzeitraum sichern (Ziff. 3.1. Grundvoraussetzungen, S. 10). Die Äußerungen des Privatsachverständigen erschöpfen sich letztlich in dem Hinweis auf eine von den Eichbehörden im Rahmen der Eichprüfung eines Atemalkoholmessgeräts zu kontrollierende, theoretisch mögliche Störungsquelle.

Diese Äußerungen mussten, da das vorliegend verwendete Messgerät vor und nach der verfahrensgegenständlichen Messung innerhalb des halbjährigen Regelturnusses gültig geeicht wurde, dem Amtsgericht zu keiner weiteren Aufklärung Anlass geben. Durch die Bauartprüfung- und Zulassung bzw. Konformitätsbewertung zusammen mit der auf deren Grundlage erfolgenden staatlichen Eichung ist über den Zeitraum der Eichperiode die immer korrekte Funktion des einzelnen Gerätes sichergestellt (vgl. BayObLG, a.a.O., Rn 6 f.; Lagois, Blutalkohol 37, 77, 88 zum Vorgängergerät Dräger Alcotest 7110 Evidential, das im Wesentlichen über die gleichen messtechnischen Einrichtungen verfügt wie das Modell Alcotest 9510 DE, vgl. dazu: Schuff, in: Burhoff/Grün, Messungen im Straßenverkehr, 6. Aufl., § 2 Rn 114).

Der am 19.01.2024, 00:38:36 Uhr, bei dem ersten Messversuch erfolgte – von dem Privatsachverständigen in seinem Gutachten nicht thematisierte – Abbruch des Messvorgangs rechtfertigt keine andere Beurteilung, denn er ist lediglich Beleg für die funktionsfähigen geräteinternen Kontrollmechanismen, die das Messergebnis absichern und in einem Fehlerfall zu einer entsprechenden Fehlermeldung bzw. zu einem Abbruch des Messvorgangs führen (vgl. OLG Dresden, B. v. 03.01.2005 – Ss (OWi) 629/04 – Rn 17; Schuff, a.a.O., Rn 116; Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 6. Aufl., Abschnitt T, Rn 3644; Schäler, NZV 2017, 422, 425; Haffner u.a., NZV 2009, 209 ff.; Schmidt u.a., Blutalkohol 37, 92 ff.).

Soweit der Betroffene pauschal erklärte, das Messgerät habe ein paar Mal neu gestartet werden müssen, musste dieser (im Privatgutachten ebenfalls nicht thematisierte) Vortrag gleichfalls – auch im Rahmen einer Gesamtschau und unter Berücksichtigung des vom Betroffenen angegebenen Umfangs seines Alkoholkonsums – nicht zu weiterer Aufklärung drängen. Der geschulte Messbeamte hatte dazu in der Hauptverhandlung zwar nur angegeben, er könne sich nicht mehr erinnern, ob das Gerät vorher (offensichtlich gemeint: vor der durchgeführten Messung) abgestürzt sei und sie einen Neustart hätten machen müssen. Da das Messgerät jedoch gültig geeicht war, das Polizeipräsidium Konstanz am 02.04.2024 schriftlich gegenüber der Bußgeldbehörde erklärt hatte, dass im Eichzeitraum keine (ausschließlich vom Hersteller durchgeführten – vgl. Schuff, a.a.O., Rn 114) Wartungen oder Reparaturen und demgemäß auch keine unplanmäßige Eichung stattgefunden hätte(n) und da das Gerät – wie ausgeführt – über zahlreiche geräteinterne Kontroll- bzw. Selbsttestmechanismen verfügt und die Atemalkoholkonzentration mit zwei verschiedenen voneinander unabhängigen Messsystemen und Messmethoden misst, die sich gegenseitig überwachen (vgl. Gutachten des Bundesgesundheitsamtes „Beweissicherheit der Atemalkoholanalyse“, Ziff. 3.5. Messsicherheit, S. 13; Knopf u.a., NZV 2000, 195; Krumm, NJW 2012, 1860; Burhoff, a.a.O., Rn 3644 ff.; Lagois, a.a.O.; Schmidt u.a., a.a.O.), durfte das Amtsgericht davon ausgehen, dass gegebenenfalls notwendige Neustarts des Messgeräts weder einen Gerätedefekt noch einen Messfehler nahelegten (vgl. auch AG Reutlingen, Urt. v. 20.06.2018- 5 OWi 28 Js 9556/18 -, juris Rn 13).“

Rest dann bitte selbst lesen oder <<Werbemodus an>> entweder bei Burhoff/Grün, Messungen im Straßemverkehr, 6. Aufl. 2021, oder bei Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 7. Aufl., 2024, nachlesen. Bestellen kann man die hier. Wenn das OLG uns zitiert, darf ich das auch 🙂 <<Werbemodus aus“.

Mandant fragt hinterher: Wer ist denn dieser „Burhoff“? – so muss es sein

Ib_owich weiß, ich weiß, Werbung wird nicht so gern gesehen, aber die Geschichte ist jetzt zu schön. Die muss/möchte ich einfach bringen. Ausgangspunkt ist das (gebührenrechtliche) Posting des Kollegen Nebgen unter: Der beigeordnete Vertreter verteidigt . Das hatte der Kollege auch auf Facebook, wo man ja heute die Beiträge hin meldet 🙂 , „eingestellt“ und dazu dann „Burhoff hilf“. Schon das war nett und ich habe dazu dann kommentiert und u.a. auf den RVG-Kommentar hingewiesen. So weit, so gut, den kannte der Kollege, so dass er gut gerüstet ist für den Kampf mit der Staatskasse 🙂 .

Aber was m.E. noch viel schöner war als „Burhoff hilf“ und die Kommentare zum „Gebührenpapst“ – nicht von mir, um Kommentatoren gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen – war der Kommentar eines Kollegen, der ein Erlebnis aus seinen „Jugendjahren“ berichtete und das poste ich jetzt hier (als versteckte/verdeckte) Werbung:

„Ich (junger Anwalt mit 1 Jahr Zulassung) stelle einen Beweisantrag.
Proberichter: „Die Sitzung wird unterbrochen. Das Gericht muss sich beraten!!“
Ich: „Ähm, falls Sie den Burhoff brauchen, den hätte ich in der Tasche!“
Proberichter: „Haben Sie schon nachgeguckt? Was sagt ER denn?“
Ich: „Ich habe das so im Burhoff abgeschrieben!“
Proberichter: „Zeigen Sie mal, wenn das da so steht, dann stellen wir die Sache ein, ne?“

Mandant fragt hinterher wer denn dieser „Burhoff“ sei!“

Einfach nur schön 🙂 :-). Nun weiß ich nicht,. welche Auflage der Kollege damals bei sich hatte. Heute müsste/sollte es die 4. Auflage sein. Zu Leseproben und zum Bestellformular 🙂 geht es hier.

Rotlichtzeit: Richtiger Toleranzwert ist entscheidend

Das Urt. des AG Konstanz v. 16.02.2011 – 13 OWi 52 Js 1314/2011-43/11 zeigt anschaulich, welche Bedeutung für den Betroffenen die Anwendung des (richtigen) Toleranzwertes bei der Ermittlung der Rotlichtzeit hat. Es muss das Ziel sein, eine Rotlichtzeit von nicht mehr als 1 Sekunde festzustellen, um nicht in den sog. „fahrverbotsträchtigen“ Bereich der Nr. 132.3 BKat – „länger als eine Sekunde Rotlichtzeit“ zu kommen.

Das AG nimmt dazu zutreffend auf die von ihm angeführte Entscheidung des OLG Braunschweig Bezug, in der die entsprechenden Toleranzwerte, die ggf. abzuziehen sind, vom OLG zusammengefasst worden sind (vgl. dazu auch noch OLG Hamm VRR 2007, 316; und Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 2. Aufl., 2009 [demnächst 3. Aufl., 2011], Rn. 2368 ff.).

Und: Das AG hat in seinem Urteil auf die von dem Verkehrsverstoß gefertigten Lichtbilder verwiesen. Das ist – nicht nur zur Täteridentifizierung – zulässig. Allerdings ist darauf zu achten, dass dann auch die Vorgaben der obergerichtlichen Rechtsprechung beachtet werden (vgl. dazu BGHSt 41, 376; eingehend Burhoff/Gübner, a.a.O., Rn. 1748 ff.). Es muss also prozessordnungsgemäß i.S. des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Bezug genommen werden. Das AG hat hier ausgeführt:

Das Lichtbild wurde in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen. Es wird insoweit Bezug genommen auf AS. 5 (unteres Lichtbild).“

Das wird man als noch ausreichend ansehen können. Zwar reicht die Mitteilung, dass das Lichtbild in Augenschein genommen worden ist, nicht aus. Die weiteren Angaben machen aber noch ausreichend deutlich, dass der Tatrichter als Lichtbild zum Gegenstand der Urteilsurkunde machen will (vgl. dazu Burhoff/Gübner, a.a.O.).

(Auch) Kein Augenblicksversagen bei Überschreiten der hypothetischen Höchstgeschwindigkeit

In der bußgeldrechtlichen Rechtsprechung ist die Frage umstritten, wie es sich auswirkt, wenn in einer Tempo 30-Zone ein nur leicht fahrlässiges Übersehen des entsprechenden Tempo-30-Schildes vorliegt, der Betroffene also subjektiv, aber irrig von der gesetzlichen (hypothetischen) Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h ausgeht und diese überschreitet.

Teilweise wird in der Rechtsprechung in solchen Fällen mehrheitlich ein Augenblicksversagen bereits dann nicht mehr anerkannt, wenn die hypothetische Höchtsgeschwindigkeit unabhängig vom Ausmass überschritten wird (bspw. OLG Karlsruhe NZV 2004, 211: 59 km/h; anders aber OLG Hamm NZV 2000, 92: 68 km/h).

A.A. ist Deutscher in unserem OWi-Handbuch: Er weist darauf hin, dass das Merkmal der groben Pflichtwidrigkeit als Voraussetzung für die Anordnung des Fahrverbots das kumulative Vorliegen von objektiven und subjektiven Elementen verlangt (näher Burhoff/Deutscher, a.a.O., Rn. 1142 m.Nw.). Das subjektive Element der groben Pflichtwidrigkeit sei bei einem an sich leicht fahrlässigen Übersehens des Verkehrsschildes erst dann erfüllt, wenn der Betroffene die hypothetisch zulässige Geschwindigkeit in einer Höhe überschreite, die bei deren tatsächlichen Bestehen das Regelbeispiel auslösen würde.

Anders jetzt allerdings auch das OLG Bamberg in einem Beschl. v. 01.06.2010 – 3 Ss OWi 814/10, das jedenfalls bei einer Überschreitung der hypothetischen Höchstgeschwindkeit von 30 % den Ausschluss des Augenblicksversagens nicht zulassen will.

Also: Immer schön aufpassen, auch hypothetisch.

Das Schwätzchen zum Jahrestag :-), oder: Man lernt nie aus

Ich hatte ja gerade schon gepostet, dass ich mir zur Feier des Tages heute auch mal ein Schwätzchen erlaube.

Eingehen will ich auf eine schon etwas zurückliegende Begebenheit: Ich befand mich auf der Rückfahrt vom OLG Hamm nach Münster. Im Bereich einer „gefährdeten“ (= häufige Geschwindigkeitsüberwachungen) Stelle wird mal wieder kontrolliert. Ich denke nicht an die Gefahr und fahre zu schnell. Nicht viel, aber es reicht, um herausgewunken zu werden. Der Polizeibeamte verweist mich an seine beiden Kollegen, die in einem Bulli auf mich warten und gleich das Gespräch damit eröffnen: „Sie sind geblitzt worden, Sie waren zu schnell, kostet 20 €“. Na ja, geblitzt hatte es nicht, aber was soll es, dachte ich. Für 20 € machste kein Theater, zumal ich es eilig hatte. Ich habe also bezahlt, konnte mir dann aber beim Aussteigen es dennoch nicht verkneifen, Folgendes anzumerken:

Ich: „War jetzt für mich sehr lehrreich“.

PB 1: “ Ja, Sie fahren jetzt hier sicher nicht mehr zu schnell.“

Ich: „Nee, nicht deshalb, sondern ich frage mich, wann ich denn belehrt und angehört worden bin. Also §§ 55 OWi, 136 StPO“.

PB 2: „Hm, wie meinen Sie das denn?“

Ich:: „Ich kann mich nicht erinnern, dass Sie mich über mein Schweigerecht belehrt haben“.

PB 1: Aber, wir haben Ihnen doch gesagt, dass Sie zu schnell gefahren sind.“

Ich: „Das dürfte kaum ausreichen..“

PB2: „Mal ne Frage: Was sind Sie denn von Beruf?“

Ich: „Richter am OLG. Und ich habe gerade gelernt, dass an dem, was man immer wieder in den Akten liest, dass nämlich nicht belehrt wird, doch wohl etwas dran ist.“

PB1 und PB2: Schweigen.

Ich: „Schönen Tag noch meine Herren. Man lernt eben nie aus.“