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StGB II: Strafantragsfrist bei Internetbeleidigung, oder: „„kinderspritzarzt Nummer 1, der keine Skrupel kennt“

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Im zweiten Posting dann etwas aus dem Bereich der Beleidigungsdelikte, und zwar den OLG Karlsruhe, Beschl. v. 10.03.2025 – 3 ORs 310 SRs 59/25.

Der der Angeklagten zur Last gelegte Vorwurf stammt noch aus der Corona-Zeit. Das AG hatte wegen Beleidigung eines Arztes verurteilt. Nach den Feststellungen des AG hat die Angeklagte am 20.10.2022 gegen 10:57 Uhr als Nutzerin des Twitter-Accounts „pp.“ den Kinderarzt pp. mit den Worten „kinderspritzarzt Nummer 1, der keine Skrupel kennt“ beleidigt und den Hashtag „#Genozid“ angehängt, um ihre Missachtung auszudrücken. Dem Tweet habe sie einen auf BR24 veröffentlichten Beitrag über den Geschädigten mit dessen Bild beigefügt. Die Sprungrevision hatte beim OLG Erfolg.

„1. Ein Verfahrenshindernis liegt entgegen der Auffassung des Verteidigers allerdings nicht vor. Insbesondere fehlt es nicht an einem gemäß § 194 Abs. 1 Satz 1 StGB erforderlichen innerhalb der Frist des § 77b StGB eingegangenen und gemäß § 158 Abs. 2 StPO formgerecht gestellten Strafantrag.

Zwar wurde der in der Hauptverhandlung verlesene Strafantrag erst am 09.01.2023 gestellt, wäh-rend die per E-Mail durch den Geschädigten gestellte Strafanzeige bereits am 07.08.2022 einge-gangen war. Wäre für den Fristbeginn der dreimonatigen Strafantragsfrist nach § 77b Äbs. 1 StGB diese Strafanzeige entscheidend, so wäre die Frist am 09.01.2023 bereits abgelaufen gewesen. Allerdings beginnt der Lauf der Frist erst mit Kenntnis des Antragsberechtigten von der Tat und von der Person des Täters, § 77b Abs. 2 Satz 1 StGB. Hierzu müssen Tat und Tatbeteiligter so weitgehend konkretisiert sein, dass ein besonnener Mensch in der Lage ist zu beurteilen, ob er Strafantrag stellen soll (BGH, Beschluss vom 29.10.1998 – 5 StR 288-98 – , NJW 1999, 508, 509). Zwar muss dem Antragsteller nicht zwingend der vollständige Name des Täters bekannt sein. Allerdings muss jedenfalls eine hinreichende Individualisierbarkeit gegeben sein (BeckOK-Dallmeyer, StGB, 64. Edition, Stand: 01.02.2025, § 77b Rn. 4). Diese Voraussetzungen lagen vor dem 09.01.2023 nicht vor,

Anders als vom Verteidiger vorgetragen, sind die hierzu ergangenen Entscheidungen über die hinreichende Erkennbarkeit des Täters bei Verkehrsstraftaten (BayObLG, Beschluss vom 21.07.1993 – 2 StR RR 91/93 -, NStZ 1994, 86; OLG Stuttgart, Beschluss vom 16.03.1954 – Ws 392/53 -, NJW 1955, 73) nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar. So ist in diesen Fällen eine gute Individualisierbarkeit bereits durch die Wahrnehmbarkeit eines einzigartigen Kfz-Kennzeichens gegeben. Eine solche Möglichkeit besteht bei einer Kommentierung von Beiträgen in sozialen Netzwerken im Internet gerade nicht. Diese ist gekennzeichnet durch die Nutzung von – nicht zwingend mit dem Klarnamen übereinstimmenden – Profilnamen. Häufig werden Abkürzungen, Verfremdungen des Namens oder gänzliche Fantasienamen kreiert. In vielen Fällen wird auch ge-zielt ein fremder Name benutzt. Allein durch die Kenntnis eines Profilnamens gelingt dem Anzei-geerstatter daher noch keine Individualisierung. Diese kann lediglich durch – den Ermittlungsbe-hörden vorbehaltene – Auskünfte des jeweiligen Plattformbetreibers und anschließende Provider-anfragen erfolgen. Selbst diese führen aufgrund falscher E-Mail-Adressen oder fehlender Zuor-denbarkeit einer Mobiltelefonnummer zu einer bestimmten Person häufig nicht zu der Ermittlung eines Tatverdächtigen. Der Anzeigeerstatter hatte daher bei Kenntnis des Kommentars am 07.08.2022 noch keinerlei Kenntnis über die hinter dem Kommentar stehende Person und auch keine Möglichkeit, diese näher zu identifizieren.

Hinzu kommt, dass der Grund für die geringen Anforderungen an die Kenntnis des Täters in den beiden zitierten Entscheidungen auch darin liegt, dass bei Straßenverkehrsstraftaten die Kenntnis von Namen und Lebensumständen des dem Geschädigten meist unbekannten Täters für die Frage der Antragstellung ohne Bedeutung ist (so ausdrücklich OLG Stuttgart, a. a. 0.). Anders gelagert sind dagegen die Fälle im Internet eingestellter Kommentare. Hier wird für den Anzeigeerstat-ter häufig die Kenntnis des Namens des Täters relevant sein, da entsprechende Kommentare oft durch dem Geschädigten bekannte Personen eingestellt werden, die der Geschädigte möglicherweise nicht anzeigen will. Die Kenntnis des Namens wird für den Anzeigeerstatter daher in der Regel wichtig sein, um herausfinden zu können, ob es sich um eine ihm bekannte oder eine ihm fremde Person handelt. Bei Äußerungen, die wie hier das berufliche Umfeld des Geschädigten betreffen, wird dieses Interesse an der Identität des Täters häufig noch stärker sein. So kann allein bei Kenntnis des Namens herausgefunden werden, ob es sich bei dem Täter um eine dem Anzeigeerstatter eventuell aus dem beruflichen Umfeld bekannte Person handelt. Des Weiteren bleibt es bei Internet-Beiträgen oft nicht bei der einmaligen Einstellung eines Betrages, sondern es kommt zu wiederkehrenden Auseinandersetzungen einer Person mit einem bestimmten Thema. Auch insoweit kann der Anzeigeerstatter nur dann herausfinden, ob es sich bei dem Verfasser um eine Person handelt, die bereits einmal einen Text über ihn verfasst hat, oder eine Person, die er – auch aus diesem Zusammenhang – noch nicht kennt.

Die für Verkehrsstraftaten in der Rechtsprechung teilweise entwickelten Grundsätze sind damit auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Die Besonderheiten der Tatbegehung durch Kommentierungen im Internet berücksichtigend war dem Geschädigten erst zuzumuten, Strafantrag zu stellen, nachdem er von der Polizei nach Abschluss der hierzu getätigten Ermittlungen am 09.01.2023 über den ermittelten Klarnamen der Angeklagten informiert worden war. Der an diesem Tag vom Geschädigten unterzeichnete Strafantrag wurde somit form- und fristgerecht gestellt.

2. Die Revision führt jedoch auf die allgemeine Sachrüge hin zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache, da die Urteilsgründe lückenhaft sind und daher nicht auszuschließen ist, dass das Amtsgericht zu Unrecht von einer Erfüllung des Tatbestands der Beleidigung ausgegangen ist. Die getroffenen Tatsachenfeststellungen tragen den Schuldspruch nicht…..“

Wegen der weiteren Einzelheiten verweise ich auf den Volltext. Hier dazu nur der Leitsatz:

Eine Äußerung nimmt den Charakter als Schmähung erst dann an, wenn sie keinen irgendwie nachvollziehbaren Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung hat und es bei ihr im Grunde nur um das grundlose Verächtlichmachen der betroffenen Person als solcher geht. Es sind dies Fälle, in denen eine vorherige Auseinandersetzung erkennbar nur äußerlich zum Anlass genommen wird, um über andere Personen herzuziehen oder sie niederzumachen.

„Diese Kanzlei kann ich „NICHT“ weiterempfehlen, oder: Vermengung von Tatsachen und Meinungen

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Im „Kessel Buntes“ heute dann zwei „zivilrechtliche“ Entscheidungen, aber: Beide haben nichts mit Verkehrsrecht zu tun, sondern behandeln andere Fragen.

Als erste Entscheidung stelle ich den OLG Bamberg, Beschl. v. 14.06.2024 – 6 U 17/24 e – vor. Es geht um die negative Bewertung im Internet. Der Kläger, Inhaber einer Rechtsanwaltskanzlei, macht gegen den Beklagten einen Unterlassungs-, Widerrufs-, Löschungs- und Schadensersatzanspruch wegen der negativen Bewertung (s)einer Rechtsanwaltskanzlei im Internet geltend. Der Beklagte war im Jahr 2022 Mandant der Rechtsanwaltskanzlei und wurde vom Klägervertreter in einer Verkehrsunfallsache beraten und außergerichtlich vertreten. Ein weitergehendes Mandat kam nicht zustande, weil der Beklagte den vom Klägervertreter für ein gerichtliches Vorgehen geforderten Vorschuss nicht zahlte. Im November 2022 veröffentlichte der Beklagte „bei Google“ eine Bewertung, mit der er die Kanzlei des Klägers mit einem von fünf möglichen Sternen bewertete und die den folgenden Text enthielt:

Diese Rechtsanwaltskanzlei kann ich ‚NICHT‘ weiterempfehlen. Dies liegt allein an dem meiner Meinung nach nicht besonders fähigen RA X.“

Der Kläger hat den Beklagten erfolglos aufgefordert, die Bewertung zu unterlassen, zu widerrufen und zu löschen. Er hat dann Klage erhoben und vorgetragen, die Bewertung des Beklagten sei „ein nicht durch die Meinungsfreiheit abgedecktes Werturteil“, das „den Tatbestand der Beleidigung/üble Nachrede“ erfülle. Die Bewertung des Beklagten enthalte eine Erklärung, warum er die Kanzlei des Klägers nicht empfehlen könne, „die letztlich ein subjektives Werturteil des Beklagten“ enthalte und „keine Tatsachenbehauptung“. Es handele sich um herabwürdigende, beleidigende Äußerungen, die so nicht stehen bleiben dürften.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Es hat die Bewertung als Meinungsäußerung eingeordnet. Zwar beinhalte die Bewertung auch einen Tatsachenkern, schwerpunktmäßig liege jedoch eine Meinungsäußerung vor, da sie von wertenden Bestandteilen geprägt sei. Im Ergebnis überwiege, da keine Schmähkritik vorliege, die Meinungsfreiheit des Beklagten die Interessen des Klägers.

Dagegen die Berufung der Beklagten, zu deren Aussichten das OLG im Beschluss Stellung genommen hat. Es sieht die Berufung als offensichtlich unbegründet an:

„Nach der einstimmigen Auffassung des Senats ist die Berufung des Klägers offensichtlich unbegründet, so dass das Rechtsmittel keine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinn des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO bietet. Das Urteil des Landgerichts entspricht der Sach- und Rechtslage. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann daher zunächst auf die Gründe der angegriffenen Entscheidung Bezug genommen werden. Das Berufungsvorbringen veranlasst lediglich die nachfolgenden ergänzenden Anmerkungen:

1. Zutreffend hat das Landgericht angenommen, die vom Beklagten veröffentlichte Bewertung der Rechtsanwaltskanzlei des Klägers sei eine Meinungsäußerung. Auch nach Ansicht des Senats stellt die vom Beklagten verfasste Bewertung beginnend mit der symbolischen Sternebewertung bis zum Anschluss des Textteils eine einheitliche, grundsätzlich nicht in Einzelteile aufspaltbare Meinungsäußerung dar (vgl. BGH, Urteil vom 1. März 2016 – VI ZR 34/15, NJW 2016, 2106 Rn. 34; OLG Saarbrücken, Urteil vom 9. September 2022 – 5 U 117/21, GRUR 2023, 91 Rn. 47; OLG Stuttgart, Urteil vom 31. August 2022 – 4 U 17/22, MDR 2022, 1546 Rn. 37; Wagner, in: MüKo-BGB, 9. Aufl. 2024, § 823 Rn. 991).

2. Richtigerweise hat das Landgericht seiner Entscheidung auch zugrunde gelegt, dass Äußerungen, in denen Tatsachen und Meinungen sich vermengen und die durch Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, insgesamt als Meinung von dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt werden. Das gilt insbesondere dann, wenn eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufhöbe oder verfälschte (BGH, Urteil vom 1. März 2016 – VI ZR 34/15, NJW 2016, 2106 Rn. 33). Kern der vom Beklagten verfassten Bewertung ist die Ein-Stern-Bewertung, die mit eindeutig subjektiven Eindrücken unterlegt wird. Die Bewertung ist somit geprägt von Elementen der Stellungnahme, des Dafürhaltens und Meinens.

Erweisen sich die in der angegriffenen Bewertung aufgestellten Tatsachenbehauptungen als unwahr, überwiegt das von Art. 2 Abs. 1 GG (auch in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 GG) und Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse des Klägers die von Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 10 EMRK geschützten Interessen des Bewertenden an der Äußerung und die Meinungsäußerung ist insgesamt zu unterlassen. Denn bei Äußerungen, in denen sich – wie im vorliegenden Fall – wertende und tatsächliche Elemente in der Weise vermengen, dass die Äußerung insgesamt als Werturteil anzusehen ist, fällt bei der Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen der Wahrheitsgehalt der tatsächlichen Bestandteile besonders ins Gewicht (BGH, Urteil vom 1. März 2016 – VI ZR 34/15, NJW 2016, 2106 Rn. 36). Der Bewertung des Beklagten lässt sich jedenfalls konkludent die Tatsachenbehauptung entnehmen, er habe die Kanzlei des Klägers mandatiert. Dass ein Mandatsverhältnis zwischen der vom Kläger betriebenen „Scheinsozietät“ und dem Beklagten bestanden hat, ist jedoch zwischen den Parteien unstreitig. Die entsprechende Tatsachenbehauptung ist folglich wahr. Weitere Tatsachenbehauptungen enthält die Bewertung nicht. Im Übrigen handelt es sich eindeutig um wertende Äußerungen, etwa die einer „Empfehlung“ oder einer subjektiven Einschätzung („meiner Meinung nach“) der Kompetenz des Klägervertreters. Dies alles hat das Landgericht richtig erkannt, sodass die vom Kläger behaupteten Abwägungsfehler ersichtlich nicht vorliegen.

3. Frei von Rechtsfehlern ist schließlich die Auffassung des Landgerichts, die Bewertung sei keine „Schmähkritik“. Die Grenze zur unzulässigen Schmähkritik ist erst überschritten, wenn das abwertende Urteil zur bloßen Verächtlichmachung des Gegners herabsinkt, die jeden sachlichen Bezug zu dem Standpunkt vermissen lässt, den der Kritiker vertritt, und damit kein adäquates Mittel des Meinungskampfes mehr ist (Steffen/Lauber-Rönsberg, in: Löffler, Presserecht, 7. Aufl. 2023, § 6 LPG Rn. 439; Weberling, in: Ricker/Weberling, Handbuch des Presserechts, 7. Aufl. 2021, 42. Kap. Rn. 32; Burkhardt/Peifer, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. 2018, 5. Kap. Rn. 98, jeweils m.w.N.). Der Kläger hat selbst zunächst die Ansicht vertreten, es handele „sich gewiss nicht um eine Schmähkritik“, „keineswegs“ falle „die Äußerung in die Kategorie“ (Seite 4 des Schriftsatzes vom 14.08.2023). Zwischenzeitlich vertritt der Kläger die gegenteilige Auffassung. Das ist allerdings unzutreffend, denn dass die Bewertung des Beklagten den Kläger oder den Klägervertreter verächtlich mache oder grundlos herabwürdige, ist bei der gebotenen objektiven Betrachtung der Äußerung fernliegend. Aus dem gleichen Grund sieht der Senat davon ab, die Frage zu erörtern, ob in der Bewertung des Klägers eine „Formalbeleidigung“ oder ein „Angriff auf die Menschenwürde“ zu sehen ist.

4. Nach alledem hat das Landgericht den Unterlassungsanspruch (Klageantrag zu 1) zu Recht und mit in jeder Hinsicht zutreffender Begründung zurückgewiesen. Aus dem Gesagten folgt zugleich, dass der Widerrufs- und der Löschungsanspruch (Klageantrag zu 2) ebenfalls erfolglos bleiben müssen.

a) Ein Widerrufsanspruch – als Unterfall des Berichtigungsanspruchs – kann von vornherein nur auf den Widerruf unwahrer Tatsachen, nicht jedoch auf den Widerruf von Meinungsäußerungen gerichtet sein (BGH, Urteil vom 22. April 2008 – VI ZR 83/07, NJW 2008, 2262 Rn. 11; Weberling, a.a.O., Kap. 44 Rn. 17 f.; Gamer/Peifer, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. 2018, Kap. 13 Rn. 98). Die Bewertung des Beklagten als Meinungsäußerung kann daher nicht Gegenstand eines Widerrufs sein.

b) Entsprechendes gilt für den vom Kläger geltend gemachten Löschungsanspruch (Söder, in: BeckOK Informations- und Medienrecht, 43. Ed. Stand: 01.02.2024, § 823 BGB Rn. 295; Kamps, in: Götting/Schertz/Seitz, Handbuch Persönlichkeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 44 Rn. 6; Dörre, GRUR-Prax 2015, 437; Fricke, AfP 2015, 518, 519; Haug/Virreira Winter, K& R 2017, 310, 315). Keiner Entscheidung bedarf in diesem Zusammenhang, ob ausnahmsweise die Löschung von Schmähkritik verlangt werden kann, denn eine solche liegt – wie dargelegt – offensichtlich nicht vor.“

Wirtschaftlicher Totalschaden des Pkws eines Autohändlers, oder: Restwertmarkt im Internet?

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Die zweite Entscheidung kommt heute mit dem BGH, Urt. v. 25.06.2019 – VI ZR 358/18 vom BGH.

Die Klägerin des Verfahrens ist Inhaberin eines Autohauses. Eines ihrer Fahrzeuge wurde bei einem Verkehrsunfall erheblich beschädigt. Die grundsätzliche Haftung der Beklagten ist außer Streit. Gestritten wird über die Höhe der Schadensersatzes.

Die Klägerin hatte ein außergerichtliches Sachverständigengutachten eingeholt, das den Restwert ihres Fahrzeugs unter Berücksichtigung von Angeboten regionaler Anbieter am 10.03.2016 auf 9.500 € schätzte. Dieses Gutachten übergab sie der Beklagten. Am 24.03.2016 legte die Beklagte der Klägerin ein Restwertangebot eines Unternehmers vor, der 17.030 € brutto anbot. Die Beklagte hat den Unfallschaden auf dieser Grundlage abgerechnet. Die Klägerin hat das mit dem Hinweis darauf abgelehnt, dass das Fahrzeug bereits einen Tag vorher zu dem im Gutachten geschätzten Preis verkauft worden sei.

Die Klägerin hat auf den Rest geklagt. Das LG ist der Klägerin gefolgt und hat der Klage stattgegen. Die Beklagte hat Berufung eingelegt, die jedoch keinen Erfolg hatte. Dre BGH hat Der BGH hat das OLG-Urteil aufgehoben und und die Klage abgewiesen

Hier die Leitsätze seiner Entscheidung:

1. Der Geschädigte, der von der Ersetzungsbefugnis des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB Gebrauch macht und den Schaden nicht im Wege der Reparatur, sondern durch Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs beheben will, leistet bei der Verwertung des beschädigten Fahrzeugs dem Wirtschaftlichkeitsgebot im Allgemeinen Genüge, wenn er die Veräußerung zu einem Preis vornimmt, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger in einem Gutachten, das eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt, als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (Festhaltung Senatsurteil vom 27. September 2016 – VI ZR 673/15 , NJW 2017, 953).

2. Etwas anderes gilt nach dem Gebot der Wirtschaftlichkeit, wenn es sich beim Geschädigten um ein Unternehmen handelt, welches sich jedenfalls auch mit dem An- und Verkauf von gebrauchten Kraftfahrzeugen befasst. In diesem Fall ist dem Geschädigten bei subjektbezogener Schadensbetrachtung die Inanspruchnahme des Restwertmarktes im Internet und die Berücksichtigung dort abgegebener Kaufangebote zuzumuten.

Man wird sehen, ob und wie der BGH diese „Ausnahmerechtsprechung“ weiter entwickelt.

BtM-Bestellung/Handel via Internet, oder: Nichteröffnung aus tatsächlichen Gründen

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Und die dritte Entscheidung kommt dann auch aus Berlin. Der Kollege Schönrock hat mir zur Vervollständigung der Sammlung von Entscheidungen zur Nichteröffnung von BtM-Verfahren mit dem Vorwurf des Handeltreibens – Stichtwort: Internetbestellung/Darknet – den AG Tiergarten, Beschl. v. 20.06.2018 – (268 Ls) 273 Js 5719/16 (56/17) – geschickt. Das AG Tiergarten hat (auch) nicht eröffnet:

„Dem Angeschuldigten wird mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Berlin vom 21.08.2017 zur Last gelegt, zwischen dem 30.01. und 02.04.2016 durch vier selbständige Handlungen mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel getrieben zu haben (§§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, 53 StGB).

Der Angeschuldigte bestellte an folgenden Tagen über Internet über die

Website „chemical-love. to“ bzw. „chemical-love.cc“ folgende Betäubungsmittel zum Versand an seine Wohnanschrift in der pp. Berlin:

  1. Am 03.01.2016: 50 g Amfetamin
  2. Am 30.01.2016: 100 g Amfetamin und 5 Stück pinkfarbene Tabletten des Wirkstoffes MDMA (3,4-Methylendioxymethamfetamin)
  3. Am 29.02.2016: 100 g Amfetamin
  4. Am 02.04.2016: 100 g Amfetamin

Der Angeschuldigte handelte in allen Fällen in der Absicht, die Substanzen gewinnbringend zu verkaufen. Zudem war ihm jeweils bewusst, dass er nicht über die zum Vertrieb der genannten Substanzen erforderliche Erlaubnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte verfügte.

Verbrechen, strafbar nach §§ 1 Abs. 1 i.V.m. Anlage III, 3 Abs. 1, 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, 53 StGB

Zwar gibt es eine Packliste, die bei den Betreibern des Webshops „chemical-Love“, aus der sich als billing-address und shipping address der Name und die Anschrift des Angeklagten ergibt. Aus dem bei ihm sichergestellten Lebenslauf des Angeklagten ergibt sich, dass er Amphetamin, Kokain und Heroin konsumierte.

Es kann jedoch nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, ob der Angeklagte die Betäubungsmittel selbst bestellt und auch tatsächlich selbst erhalten hat. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass er mit Betäubungsmittel Handel getrieben hat. Aus seinem Lebenslauf ergibt sich darüber hinaus nicht, wann er Amphetamin in welchen Mengen konsumiert hat.

Bei der Wohnungsdurchsuchung sind keine Betäubungsmittel sichergestellt worden.

Die Eröffnung des Hauptverfahrens war daher gemäß § 204 Abs. 1 St PO aus tatsächlichen Gründen abzulehnen.“

Wer mehr solche Entscheidungen sucht: Bitte einfach bei der Suche unter „Darknet“ oder „Internet“ suchen. Das gibt dann einige Treffer.

Löschung von Internetseiten mit kinderpornografischen Inhalten vor Sperrung

Die Bundesregierung will ein Gesetz erarbeiten, dass die Löschung von Internetseiten mit kinderpornografischen Inhalten möglich macht. Das kündigte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Max Stadler (FDP), während einer öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses am 22.02.2010 an.

Näheres hier: http://www.wkdis.de/aktuelles/rechtsnews/175870/loeschung-von-internetseiten-mit-kinderpornografischen-inhalten-vor-sperrung-bundesregierung-will-entsprechendes-gesetz-erarbeiten