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Drogenfahrt – Kommt es auf den Zeitpunkt des Konsums an? – Innendivergenz im Hause Hamm

In Rechtsprechung und Literatur ist die Frage, ob für die Annahme einer fahrlässigen Drogenfahrt (§ 24a Abs. 2 StVG) der Zeitpunkt des Drogenkonsums von Bedeutung ist oder, ob das nicht der Fall ist, da den Betroffenen auch bei länger zurückliegendem Konsum eine Prüfungs- und Erkundigungspflicht trifft, umstritten.

Die h.M. in der Rechtsprechung misst dem zeitlichen Abstand des Konsums zur Fahrt Bedeutung zu (vgl. dazu Entscheidungen des KG, des OLG Celle, des OLG Hamm, des OLG Karlsruhe, des OLG Frankfurt und des OLG Stuttgart), während vor allem König diese Rechtsprechung im Widerspruch stehend zur Rechtsprechung zu § 24a Abs. 1 StVG sieht.

Nun hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des OLG Hamm sich des Themas angenommen. Er schient sich in OLG Hamm, Beschl. v. 05.04.2011 – III 3 RVs 19/11 jetzt der Auffassung von König anschließen zu wollen, ohne sich allerdings mit der abweichenden Auffassung des 4. Senats für Bußgeldsachen und der Rechtsprechung der anderen OLG näher auseinander zu setzen.Damit also mal wieder eine Innendivergenz beim OLG.

M.E. ist die Auffassung des 3. Senats wenig überzeugend, da sie letztlich dazu führt, den Schuldvorwurf an den Konsum als solchen und dessen Kenntnis zu koppeln statt an den Fahrtantritt. Hinzuweisen ist allerdings darauf, dass auch nach Ansicht der h.M. der Fahrlässigkeitsvorwurf nur „ausnahmsweise“ zu verneinen sein wird.

Und schließlich: Das OLG hätte das Faß gar nicht aufzumachen brauchen. Denn bei den festgestellten Mengen Amphetamin wären auch wohl die anderen OLG zur Fahrlässigkeit gekommen.

Mundschutz im Schuh – ist das eine Schutzwaffe?

Die Frage: „Mundschutz im Schuh – ist das eine Schutzwaffe?“ hatte sich das AG Offenbach gestellt und sie verneint und damit den Angeklagten von einem Verstoß gegen § 17a VersG frei gesprochen. Das OLG Frankfurt hat das jetzt in seinem Urt. v. 11.o4.2011 – 2 Ss 36/11 anderes gesehen und den Angeklagten verurteilt. In der PM v. 29.04.2011 heißt es dazu:

„Oberlandesgericht Frankfurt am Main verurteilt Fußballfan wegen Mitführens eines Mundschutzes
Mit Urteil vom 11.4.2011 hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main einen Angeklagten, der beim Besuch eines Fußballspiels einen Mundschutz bei sich führte, wegen des Mitsichführens einer Schutzwaffe bei einer öffentlichen Veranstaltung verurteilt.
Bei einer Personenkontrolle vor dem Stadion am Bieberer Berg in Offenbach am 2.8.2009 war bei dem Angeklagten, der das an diesem Tag stattfindende DFB-Fußballpokalspiel besuchen wollte, in dessen Schuh ein schwarzer Mundschutz aufgefunden worden. Der damals 21jährige Angeklagte ließ sich dahin ein, er habe sich mit dem Mundschutz für den Fall von Fanrivalitäten schützen wollen. Einen Einsatz gegen Vollstreckungsbeamte habe er hingegen nicht beabsichtigt.
Das in erster Instanz mit der Sache befasste Amtsgericht Offenbach hatte den Angeklagten zunächst freigesprochen, weil es sich bei dem Mundschutz nicht um eine Schutzwaffe im Sinne des Versammlungsgesetzes handele.
Auf die hiergegen eingelegte Sprungrevision der Staatsanwaltschaft hob der zuständige 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts den Freispruch nunmehr auf und sprach den Angeklagten schuldig.
Zur Begründung führt der Senat aus:
Der von dem Angeklagten mitgeführte Mundschutz sei entgegen der Auffassung des Amtsgerichts als Schutzwaffe im Sinne von § 17 a Absatz 1 Versammlungsgesetz anzusehen, deren Mitführen bei einer Veranstaltung unter freiem Himmel verboten sei. Schutzwaffen in diesem Sinne seien dazu bestimmt, dem Schutz des Körpers gegen Angriffsmittel bei kämpferischen Auseinandersetzungen zu dienen. Im Mitführen solcher Schutzwaffen sehe der Gesetzgeber ein sicheres Indiz für offenkundige Gewaltbereitschaft. Ein Mund- oder Zahnschutz, wie er bei dem Angeklagten gefunden worden sei, werde bei bestimmten Kampfsportarten – etwa beim Boxen – zum Schutz der Mundpartie vor den Auswirkungen eines Schlages eingesetzt und sei damit Schutzwaffe im Sinne des Versammlungsgesetzes.
Beim Mitführen von Schutzwaffen werde Gewaltbereitschaft und damit die Gefahr unfriedlichen Verhaltens unwiderleglich vermutet. Es komme nicht darauf an, ob die Schutzwaffe tatsächlich bestimmungsgemäß gebraucht werde.
Das Oberlandesgericht hat die Sache zur Festsetzung des Strafmaßes an das Amtsgericht Offenbach zurückgewiesen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Hintergrundinformation:
§ 17a Abs. 1 des Versammlungsgesetzes lautet:
Es ist verboten, bei öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel, Aufzügen oder sonstigen öffentlichen Veranstaltungen unter freiem Himmel oder auf dem Weg dorthin Schutzwaffen oder Gegenstände, die als Schutzwaffen geeignet und den Umständen nach dazu bestimmt sind, Vollstreckungsmaßnahmen eines Trägers von Hoheitsbefugnissen abzuwehren, mit sich zu führen.
Urteil vom 11.04.2011, Az.: 2 Ss 36/11

Man darf gespannt sein, ob der Angeklagte das hinnimmt oder ggf. nach Karlsruhe geht.

Kind geht nicht in die Schule, aber Mutter in die JVA

Über die Ticker ist in den letzten Tagen ja schon die PM des OLG Frankfurt zu OLG Frankfurt, Beschl. v. 18.03.2011 – 2 Ss 413/10, in der es heißt – ich nehme mal einfach die Nachricht dazu von Jurion Recht (vgl. dazu auch schon das Lawblog).

OLG Frankfurt am Main: Verurteilung einer Mutter zu einer Freiheitsstrafe wegen Entziehung ihres Sohnes von der Schulpflicht

Mit Beschluss hat das OLG Frankfurt am Main die vorausgehenden Urteile des AG Lampertheim und des LG Darmstadt bestätigt, die gegen die Mutter eines schulpflichtigen Jungen wegen hartnäckigen Entziehens ihres Sohnes von der Schulpflicht eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten ohne Bewährung – die gesetzlich mögliche Höchststrafe – verhängt haben.

Die von ihrem Ehemann getrennt lebende Angeklagte hatte ihren minderjährigen schulpflichtigen Sohn im Zeitraum November 2008 bis Februar 2009 an insgesamt 37 einzelnen Tagen erneut nicht zur Schule geschickt. Der Sohn stand zu diesem Zeitpunkt auf dem Wissensstand eines Sonderschülers der 4. Klasse, obwohl er altersgemäß die 9. Klasse hätte besuchen müssen. Schon seit 2004 war es immer wieder dazu gekommen, dass er die meiste Zeit nicht in die Schule ging. Die Angeklagte war daraufhin zunächst zu Geldstrafen und im September 2008 zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden, ohne dass dies zu einer Verhaltensänderung führte.

In seinem Beschluss, mit dem die Revision der Angeklagten verworfen wurde, führt der zuständige 2. Strafsenat des OLG aus: Die Angeklagte habe sich eines vorsätzlichen Vergehens nach § 182 Hessisches Schulgesetz schuldig gemacht. Die allgemeine Schulpflicht diene dem Schutz des Kindes in Bezug auf sein Recht auf Bildung und die Heranbildung zu einem verantwortlichen Staatsbürger. Dieser Schutz werde durch den staatlichen Erziehungsauftrag gewährleistet, konkret durch die allgemeine Schulpflicht, die das elterliche Erziehungsrecht in zulässiger Weise beschränke. Danach sei es die strafbewehrte Pflicht der Eltern, dafür Sorge zu tragen, dass ihre Kinder am Schulunterricht teilnehmen könnten. Versagten die Eltern ihrem Kind die Teilnahme am Unterricht, liege hierin ein aktiver Verstoß gegen die Schulpflicht. Im vorliegenden Fall sei die Verhängung der gesetzlich möglichen Höchststrafe gerechtfertigt, weil im Vorfeld mildere und zielorientiertere Maßnahmen zur Sicherstellung der Teilnahme am Schulunterricht – wie z.B. der teilweise Sorgerechtsentzug – versucht worden seien, aber nicht zum Erfolg geführt hätten.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Beschluss des OLG Frankfurt am Main vom 18.03.2011

Az.: 2 Ss 413/10

Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt am Main vom 12.04.2011

Vergütungsvereinbarung: 300 – 500 €/Stunde können angemessen sein

Ich hatte ja neulich schon über OLG Frankfurt, Urt. v. 12.01.2011 – 4 U 3/08 berichtet, allerdings nur über einen mir bis dahin lediglich vorliegenden FAZ-Artikel. Inzwischen habe ich den Volltext der Entscheidung vorliegen und auf meiner HP bei den gebührenrechtlichen Entscheidungen eingestellt. Ganz interessante Entscheidung, die man vielleicht so zusammenfassen kann (was bei der Länge nicht ganz einfach ist):

  1. Eine auf Stundenbasis noch unter Geltung der BRAGO abgeschlossene Honorarvereinbarung für eine Vertretung in einem Verfahren und einer umfangreichen Hauptverhandlung wegen Subventionsbetruges kann auch in einer Größenordnung von rund 800.000,- € noch angemessen sein. Dabei sind auch Stundensätze der Verteidiger zwischen 300,- € und 500,- € rechtlich nicht zu beanstanden, soweit eine transparente Vereinbarung vorgelegen hat und der Mandant hinreichend über etwaige Kostenrisiken aufgeklärt worden ist.
  2. Die Kostenrechnung muss lediglich so detailliert und hinreichend aufgeschlüsselt sein, dass sich dem Mandanten ohne Weiteres erschließt, welche Leistungen genau in welchem Zeitraum erbracht worden sind. Sind einzelne Punkte einer solchen Abrechnung zu vage gehalten, kann das Gericht insoweit eine Kürzung vornehmen; gleiches gilt auch im Hinblick auf fehlerhaft dem Mandanten in Rechnung gestellte Leistungen, die nicht umlagefähig sind.“

Bei der Entscheidung handelt es sich übrigens um die „neue“ Berufungsentscheidung nach Aufhebung der ersten Entscheidung durch BGH, Urt. v. 04.02.2010 -IV ZR 18/09, über die wir ja auch schon berichtet hatten.

Nötigung: 30 Sekunden aufhalten im Straßenverkehr, reicht nicht

Die Nötigung (§ 240 StGB) ist schon allgemein ein schwieriger Tatbestand, noch schwieriger wird das Umgehen mit der Vorschrift aber, wenn der straßenverkehrsrechtliche Bereich tangiert wird. Man denke nur an den „Parkplatzkampf“, an das Blockieren einer Fahrspur durch Langsamfahrer usw. Die Probleme rühren vom schwierigen Gewaltbegriff und das Umgehen der Rechtsprechung damit.

Dazu hat jetzt das OLG Frankfurt/Main , Urt. v. 23.11.2010 – 2 Ss 274/10 Stellung genommen. Danach gilt:

„Stellt sich der Täter dem herannahenden Kraftfahrer lediglich für 30 Sekunden in den Weg und zwingt ihn allein durch seine körperliche Anwesenheit zum Anhalten, liegt Gewalt im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB nicht vor.“

Das OLG führt aus:

„Die Annahme einer tatbestandsmäßigen Gewalt scheidet aus, wenn die Handlung lediglich in körperlicher Anwesenheit besteht und die Zwangswirkung auf den Betroffenen nur psychischer Natur ist (BVerfGE 92, S. 1 ff.; BGH ST 41, S. 231 ff.; OLG Düsseldorf, NJW 1999, S. 2912).

So verhielt es sich hier. Eine physische Gewalteinwirkung auf den Zeugen war nicht gegeben. Der Angeklagte versperrte dem Zeugen, selbst wenn dieser wegen ihm sein Motorrad anhalten musste, ohne direkte körperliche Einwirkung lediglich für etwa 30 Sekunden den Weg und gab diesen unmittelbar wieder frei, nachdem der Zeuge ihn fragte, ob er -der Angeklagte- ihn schlagen wolle (vgl. auch BGH, NStZ-RR 2002, S. 236). Nähere Feststellungen zu den Örtlichkeiten des Geschehens waren vor diesem Hintergrund entbehrlich.

Im Übrigen würde es auch an einer Verwerflichkeit der Tathandlungen im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB fehlen. Diese liegt vor, wenn die Nötigungshandlung zu dem angestrebten Zweck unter Berücksichtigung aller Umstände so anstößig ist, dass es als grober Angriff auf die Entschlussfreiheit anderer der Zurechtweisung mit den Mitteln des Strafrechts bedarf (OLG Düsseldorf, a.a.O.). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

Nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des Landgerichts handelt es sich bei dem Grundstück, über das der Zeuge in der Vergangenheit häufiger gefahren ist, um das Grundstück des Angeklagten. Da sich dieser einem weiteren Eingriff in sein Eigentumsrecht durch den Zeugen ausgesetzt wähnte und die Hinderung des Zeugen am Wegfahren lediglich etwa 30 Sekunden andauerte, wäre das Verhalten des Angeklagten nicht ethisch missbilligenswert und somit nicht verwerflich im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB.“