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Nötigung: 30 Sekunden aufhalten im Straßenverkehr, reicht nicht

Die Nötigung (§ 240 StGB) ist schon allgemein ein schwieriger Tatbestand, noch schwieriger wird das Umgehen mit der Vorschrift aber, wenn der straßenverkehrsrechtliche Bereich tangiert wird. Man denke nur an den „Parkplatzkampf“, an das Blockieren einer Fahrspur durch Langsamfahrer usw. Die Probleme rühren vom schwierigen Gewaltbegriff und das Umgehen der Rechtsprechung damit.

Dazu hat jetzt das OLG Frankfurt/Main , Urt. v. 23.11.2010 – 2 Ss 274/10 Stellung genommen. Danach gilt:

„Stellt sich der Täter dem herannahenden Kraftfahrer lediglich für 30 Sekunden in den Weg und zwingt ihn allein durch seine körperliche Anwesenheit zum Anhalten, liegt Gewalt im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB nicht vor.“

Das OLG führt aus:

„Die Annahme einer tatbestandsmäßigen Gewalt scheidet aus, wenn die Handlung lediglich in körperlicher Anwesenheit besteht und die Zwangswirkung auf den Betroffenen nur psychischer Natur ist (BVerfGE 92, S. 1 ff.; BGH ST 41, S. 231 ff.; OLG Düsseldorf, NJW 1999, S. 2912).

So verhielt es sich hier. Eine physische Gewalteinwirkung auf den Zeugen war nicht gegeben. Der Angeklagte versperrte dem Zeugen, selbst wenn dieser wegen ihm sein Motorrad anhalten musste, ohne direkte körperliche Einwirkung lediglich für etwa 30 Sekunden den Weg und gab diesen unmittelbar wieder frei, nachdem der Zeuge ihn fragte, ob er -der Angeklagte- ihn schlagen wolle (vgl. auch BGH, NStZ-RR 2002, S. 236). Nähere Feststellungen zu den Örtlichkeiten des Geschehens waren vor diesem Hintergrund entbehrlich.

Im Übrigen würde es auch an einer Verwerflichkeit der Tathandlungen im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB fehlen. Diese liegt vor, wenn die Nötigungshandlung zu dem angestrebten Zweck unter Berücksichtigung aller Umstände so anstößig ist, dass es als grober Angriff auf die Entschlussfreiheit anderer der Zurechtweisung mit den Mitteln des Strafrechts bedarf (OLG Düsseldorf, a.a.O.). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

Nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des Landgerichts handelt es sich bei dem Grundstück, über das der Zeuge in der Vergangenheit häufiger gefahren ist, um das Grundstück des Angeklagten. Da sich dieser einem weiteren Eingriff in sein Eigentumsrecht durch den Zeugen ausgesetzt wähnte und die Hinderung des Zeugen am Wegfahren lediglich etwa 30 Sekunden andauerte, wäre das Verhalten des Angeklagten nicht ethisch missbilligenswert und somit nicht verwerflich im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB.“

Das Recht des Straftäters am eigenen Bild

Von einem ehemaligen Kollegen habe ich die Bearbeitung des Bescheides des rheinland-pfälzischen Ministeriums der Justiz v. 28.04.2010  – 4121E10 – 4 – 49 übersandt bekommen (herzlichen Dank).

Danach dürfen Fotos zur Identifizierung eines Verdächtigen nur bei Abbildung des unmittelbaren Tatgeschehens gefertigt werden. Ansonsten hindert das Recht des Straftäters am eigenen Bild die Fertigung von Fotoaufnahmen. Der Absicht, den Täter gleichwohl zu fotografieren, darf der Verdächtige sich gewaltsam widersetzen (hier: durch Androhung von Schlägen). Dem steht nicht entgegen, dass Zeugen und Geschädigte einen Verdächtigen nach § 127 StPO zur Identitätsfeststellung vorläufig festnehmen dürfen (Anschluss an OLG Karlsruhe NStZ 1982, 123).

Zum Sachverhalt: Der Anzeigeerstatter hatte dem Beschuldigten vorgeworfen, den wegen einer Beleidigung unternommenen Versuch, den Täter zur Identitätsfeststellung zu fotografieren, durch die Drohung unterbunden zu haben, der Zeuge werde „gleich eine fangen“, wenn er das nicht unterlasse. Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren aus tatsächlichen Gründen eingestellt. Auf die Beschwerde des Anzeigeerstatters hat das rheinland-pfälzische Ministerium der Justiz das Verhalten des Beschuldigten als gerechtfertigt  angesehen.

Aus den Gründen: Die Drohung des Beschuldigten  „wenn du keine Ruhe gibst, dann fängst du eine“ erfüllt nicht den Tatbestand der Nötigung gem. § 240 StGB. Nach dem Vorbringen des Anzeigeerstatters diente diese Drohung ausschließlich dem Zweck, den Anzeigeerstatter daran zu hindern, eine Fotografie des Beschuldigten zu fertigen. Die Herstellung eines Bildes, das den Abgebildeten erkennen lässt, bedeutet einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschuldigten in Form des Rechts am eigenen Bild, der der Rechtfertigung bedarf (OLG Karlsruhe, NStZ 1982, 123). Derartige Rechtfertigungsgründe sind vorliegend nicht ersichtlich. Bei dem Beschuldigten handelt es sich weder um eine relative Person der Zeitgeschichte, noch wäre das Foto zum Nachweis der angeblich vorausgegangenen Beleidigung geeignet gewesen. Der Beschuldigte war daher zur Abwehr des rechtswidrigen Angriffs des Anzeigerstatters berechtigt. Aus diesen Gründen erscheint das Verhältnis zwischen dem angewandten Mittel (Androhung einfacher körperlicher Gewalt) und dem angestrebten Zweck (Verhinderung der Fotografie) nicht in einem derartigen Missverhältnis, dass der Tatbestand der Nötigung gemäß § 240 StGB erfüllt ist.