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Nachtrunk verschwiegen – Versicherungsschutz futsch

© monticellllo - Fotolia.com

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Mit Nachtrunk, falschen/unrichtigen/unvollständigen Angaben des Fahrers nach einem Verkehrsunfall und den daraus entstehenden Folgen befasst sich das OLG Köln, Urt. v. 15.07.2014 – 9 U 204/13. Da hatte der Kläger Ansprüche aus einer Kaskoversicherung geltend gemacht. Sein Sohn war mit dem versicherten Kfz in einen Unfall verwickelt. Im Schadensanzeigeformular der beklagten Versicherung, die der Sohn im Auftrage seines Vaters, des Versicherungsnehmers, ausfüllte und unterschrieb, verneinte der Sohn Alkoholgenuss. Die Versicherung zahlt nicht. Es kommt zum Prozess. In dem behauptet der Kläger/Vater, sein Sohn habe erst nach dem Unfall getrunken und sei zum Zeitpunkt des Unfalls nicht alkoholisiert gewesen. Der beklagte Versicherer hat sich auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung berufen und: Sie hatte Erfolg. Die Klage wurde abgewiesen.

Das OLG nimmt zu drei Punkten Stellung:

  1. Verletzung der Aufklärungspflicht : Das OLG lässt offen, ob der Sohn vor dem Unfall Alkohol getrunken hatte. Auch bei einem reinen Nachtrunk habe die Frage nach einem Alkoholgenuss nicht verneint werden dürfen. Auch dessen Verschweigen verletze bei einer Frage nach Alkoholkonsum die Aufklärungsobliegenheit nach E.1.3 AKB.
  2. Zurechnung des Verhaltens des Dritten: Da der Vater seinen Sohn mit der Ausfüllung der Schadensanzeige beauftragt habe, sei dieser auch mit der Erfüllung der versicherungsvertraglichen Aufklärungspflicht und der Abgabe von Erklärungen betraut worden. Sein Verhalten sei daher als das eines Wissenserklärungsvertreters dem Kläger zuzurechnen. Dazu reiche ein einmaliges Tätigwerden aus. Eine auf Dauer ausgerichtete Beauftragung sei nicht erforderlich (BGH VersR 1995, 281; 2014, 59).
  3.  Folgen der Obliegenheitsverletzung: Wegen der dem Vater zuzurechnenden Obliegenheitsverletzung sei die Versicherung vollständig leistungsfrei. Da der Sohn vorsätzlich gehandelt habe, dürfe der Anspruch nicht nur gekürzt werden (§ 28 Abs. 2 Satz 2 VVG). Wegen Arglist entfalle auch die Beschränkung der Leistungsfreiheit auf einen kausalen Anteil (§ 28 Abs. 3 Satz 2 VVG). Der Sohn habe durch seine Angaben bewusst und willentlich auf die Entscheidung der Versicherung einwirken wollen, was auch aus dem Verschweigen einer Blutprobe folge.a, das war es dann.

Richtervorbehalt beim Nachtrunk?

Die ein oder andere Frage gibt es im Bereich des Richtervorbehalts für die Anordnung der Entnahme einer Blutprobe (§ 81a StPO) dann doch noch, die noch nicht ausdrücklich entschieden ist. Das ist/war die Frage, ob Gefahr im Verzug und damit die Anordnungskompetenz der Ermittlungsbehörden vorliegt, wenn ein Nachtrunk vorliegt oder nicht auszuschließen ist. Dazu nimmt dann jetzt aber das OLG Bamberg, Urt. v. 22. 3. 2011 – 3 Ss 14/11 Stellung, dem das OLG folgendes Leitsätze gegeben hat:

  1. Verweigert der Beschuldigte die Mit­wirkung an einem freiwilligen Atemalkohol­test und fehlen auch sonstige eindeutige Anhaltspunkte für einen Alkoholisie­rungsgrad außerhalb eines rechtlich relevanten Grenzwertes, ist die polizeiliche Ermittlungsperson jedenfalls dann zur Anordnung der Blutprobenentnahme we­gen Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung nach § 81 a I 2 i.V.m. II StPO berechtigt, wenn von einem sog. Nachtrunk auszugehen oder ein solcher nicht auszuschließen ist (u.a. Anschluss an OLG Hamburg, Beschluss vom 04.02.2008 – 1 Ss 226/07)).
  2. Die rechtliche Frage nach der Existenz eines Beweisverwertungsverbots stellt sich erst dann und nur dann, wenn eine originäre polizeiliche Anordnungszu­ständigkeit nach § 81 a II StPO entweder schon wegen Fehlens der materiellen Eingriffsvorausset­zungen des § 81 a I StPO oder wegen Fehlens der formellen Voraussetzungen des § 81 a II StPO nicht bestanden hat und sich die Maßnahme­anordnung der Blutentnahme – wegen des Verstoßes gegen die Beweiserhe­bungsvorschrift des § 81 a StPO auf­grund der unberechtigten Annahme von ‚Gefahr im Verzug’ und damit einer tatsächlich nicht gegebenen polizeilichen Eilanordnungskompetenz – zusätzlich insbe­sondere als (sub­jektiv oder objektiv) willkürlich oder als gezielte Umgehung oder Igno­rierung des Richter­vorbehalts oder als ein gleichgewichtiger sonstiger besonders schwerwiegender Fehler darstellt (u.a. Anschluss an BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des 2. Senats vom 24.02.2011 – 2 BvR 1596/10; BVerfG NJW 2008, 3053 f.; BGHSt 44, 243/249; 51, 285/289 ff.; OLG Naumburg, Be­schluss vom 07.02.2011 – 1 Ss 38/10).
  3. Ist die polizeiliche Eilanordnungskompetenz berechtigt in Anspruch genom­men und deshalb be­reits nicht gegen die Beweiserhebungsvorschrift des § 81 a StPO verstoßen worden, folgt ein Beweisverwertungsverbot auch nicht daraus, dass kein Versuch zur Erlangung einer Entnahmeanordnung durch einen fern­mündlich erreichbaren (Ermitt­lungs-) Richter unternommen wurde.
  4. Außerhalb der zur konkreten Umsetzung einer nach § 81 a II StPO getroffe­nen Maßnahmenanordnung wegen verzögerungsbedingter Gefährdung des Untersu­chungserfolges sieht § 81 a StPO ein eigenständiges Festhalte- oder Fest­nahme­recht der polizeilichen Ermittlungsperson nicht vor.“

Wie gesagt: Der Leitsatz zu 1 und die dahinter stehende Problematik sind „neu“, die anderen Leitsätzen behandeln Fargen, die bereits entschieden sind bzw. erheben sich, wie der Leitsatz zu 2, von selbst.

OLG Frankfurt: Kein Beweisverwertungsverbot beim Verstoß gegen den Richtervorbehalt bei der Blutentnahme

Durch ein Posting im Forum von LexisNexis Strafrecht stoße ich gerade auf den Beschluss des OLG Frankfurt v. 14.10.2009 – 1 Ss 310/09, in dem dieses ein Beweisverwertungsverbot bei einem Verstoß gegen § 81a Abs. 2 StPO abgelehnt hat. M.E. nicht ganz so überraschend, weil eine Nachtrunkbehauptung in der Welt war. Und da wird/ist es mit dem Beweisverwertungsverbot immer schwierig.