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Die Kosten im Verfassungsbeschwerdeverfahren, oder: Billigkeitsentscheidung

Als zweite Entscheidung dann mal etwas ganz Anderes, nämlich etwas Kostenrechtliches vom BVerfG. Das hat im BVerfG, Beschl. v. 10.01.2022 – 2 BvR 1851/21 – zu § 34a Abs. 3 BVerfGG Stellung genommen, also Kostenerstattung im Verfassungsbeschwerdeverfahren:

„1. Über die Verfassungsbeschwerde, mit der sich der Beschwerdeführer gegen die Ablehnung seines Asylantrags gewendet hat, ist nicht mehr zu entscheiden, weil der Beschwerdeführer das Verfassungsbeschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2021 für erledigt erklärt hat.

2. Die Auslagenerstattung war in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang anzuordnen.

a) Über die Auslagenerstattung ist gemäß § 34a Abs. 3 BVerfGG nach Billigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden. Die Erstattung der Auslagen nach dieser Vorschrift stellt im Hinblick auf die Kostenfreiheit des Verfahrens (§ 34 Abs. 1 BVerfGG), den fehlenden Anwaltszwang und das Fehlen eines bei Unterliegen des Beschwerdeführers erstattungsberechtigten Gegners die Ausnahme von dem Grundsatz des Selbstbehalts der eigenen Auslagen (vgl. BVerfGE 49, 70 <89>) dar (vgl. BVerfGE 66, 152 <154>). Bei der Entscheidung über die Auslagenerstattung kann insbesondere dem Grund, der zur Erledigung geführt hat, wesentliche Bedeutung zukommen. So ist es billig, einer beschwerdeführenden Person die Erstattung ihrer Auslagen zuzuerkennen, wenn die öffentliche Gewalt von sich aus den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Akt beseitigt oder der Beschwer auf andere Weise abhilft, weil in diesem Fall ? falls keine anderweitigen Gründe ersichtlich sind ? davon ausgegangen werden kann, dass sie das Begehren der beschwerdeführenden Person selbst für berechtigt erachtet hat (vgl. BVerfGE 85, 109 <114 ff.>; 87, 394 <397 f.>). Im Hinblick auf die Funktion und die Tragweite der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts findet eine überschlägige Beurteilung der Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde im Rahmen der Entscheidung über die Auslagenerstattung nicht statt (vgl. BVerfGE 33, 247 <264 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 12. März 2021 – 2 BvR 2069/19 -, Rn. 3).

b) Nach diesen Maßstäben entspricht es der Billigkeit, die Auslagenerstattung zu zwei Dritteln anzuordnen.

Die Auslagenerstattung ist anzuordnen, soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofs gerichtet hat. Denn der Verwaltungsgerichtshof hat diese mit Beschluss vom 26. November 2021 aufgehoben und damit zum Ausdruck gebracht, dass er das Begehren des Beschwerdeführers insoweit selbst für berechtigt erachtet hat.

Soweit sich der Beschwerdeführer auch gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts gewendet hat, ist die Auslagenerstattung nicht anzuordnen. Zum einen ist dieses durch den Verwaltungsgerichtshof nicht aufgehoben worden. Zum anderen war die Verfassungsbeschwerde insoweit mangels hinreichender Begründung (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG) offensichtlich unzulässig, sodass eine Auslagenerstattung aus Billigkeitsgesichtspunkten ausscheidet (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 21. Februar 2018 – 2 BvR 2628/17 -, Rn. 2).

3. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Bevollmächtigten für das Verfassungsbeschwerdeverfahren erledigt sich, soweit das Land Baden-Württemberg zur Kostenerstattung verpflichtet wird (vgl. BVerfGE 62, 392 <397>; 71, 122 <136 f.>; 105, 239 <252>). Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt, weil die vom Beschwerdeführer beabsichtigte Rechtsverfolgung mangels hinreichender Erfolgsaussicht die Voraussetzungen der entsprechend anzuwendenden §§ 114 ff. ZPO (vgl. BVerfGE 1, 109 <112>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Juni 2021 – 2 BvR 307/21 -, Rn. 2) nicht erfüllt.

4. Die Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>; BVerfGK 20, 336 <337 f.>).“

Im Urteil unterbliebene Auslagenentscheidung, oder: Reminder

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Und als zweite kostenrechtliche Entscheidung dann der OLG Hamm, Beschl. v. 16.11.2021 – III-3 Ws 433/21. Die Entscheidug ist „selbserklärend“:

„Die Staatsanwaltschaft Bielefeld hat unter dem 5. März 2021 Anklage gegen den Beschwerdeführer wegen Beihilfe zu einem versuchten schweren Raub beim Landgericht — Jugendkammer — Bielefeld erhoben. Nach Eröffnung des Hauptverfahrens hat die 3. große Strafkammer — Jugendkammer — des Landgerichts Bielefeld den Beschwerdeführer mit Urteil vom 27. September 2021 freigesprochen und zwei Mitangeklagte verurteilt. Die Kostenentscheidung in der Urteilsformel lautet wie folgt:

„Die Angeklagten tragen die Kosten des Verfahrens, soweit es sie betrifft und soweit sie verurteilt wurden.

Im Übrigen fallen die Kosten der Landeskasse zur Last.“

Mit seiner sofortigen Beschwerde vom 27. September 2021 — Eingang beim Landgericht Bielefeld am selben Tag — wendet sich der Angeklagte gegen die unterbliebene Auslagenentscheidung.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 27. September 2021 bezüglich des Angeklagten pp. dahingehend abzuändern und zu ergänzen, dass die Staatskasse auch die dem Angeklagten pp. entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen hat.

II.

Die sofortige Beschwerde gegen die unterbliebene Auslagenentscheidung ist statthaft und form- und fristgerecht eingelegt worden. Der Zulässigkeit steht auch § 464 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz StPO. nicht entgegen, da gegen die Hauptentscheidung ein Rechtsmittel als solches statthaft ist und dieses — wie hier aufgrund des Freispruchs — lediglich mangels Beschwer nicht zulässig wäre (vgl. Senat, Beschluss vom 19. Mai 2005 — 3 Ws 212/05 — juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Auflage, § 464, Rdnr. •19 m.w.N.).

Die sofortige Beschwerde ist auch begründet. Die das Verfahren abschließende Entscheidung muss ausdrücklich zum Ausdruck bringen, dass ein Dritter und — wie im Falle des Freispruchs — die Staatskasse auch die notwendigen Auslagen eines Angeklagten zu tragen hat (vgl. OLG Hamm Beschluss vom 29′. November 2000 — 2 Ws 316/00, BeckRS 2007, 18586; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Auflage, § 467, Rdnr. 20).

Gemäß § 467 Abs. 1 StPO hat die Staatskasse die einem freigesprochenen Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Dementsprechend ist das Urteil abzuändern und zu ergänzen.“

Nichts wesentlich Neues, aber ein „Reminder“ 🙂 .

JGG III: Die Verurteilung im Jugendstrafverfahren, oder: Die Kostenentscheidung muss schon begründet werden

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Und die dritte Entscheidung des Tages hat dann noch einmal mit dem Urteil in einer Jugendsache zu tun, und zwar mit der Begründung der Kostenentscheidung im Hinblick auf § 74 GG.

Dazu sagt der LG Potsdam, Beschl. v. 14.07.2021 – 22 Qs 14/21:

„Die Kostenentscheidung im Urteil des Amtsgerichts, wonach dem Angeklagten gemäß § 465 StPO die Kosten des Verfahrens auferlegt wurden, unterliegt der Aufhebung.

Der bloße Hinweis in dem Urteil, „die Kostenentscheidung folgt aus § 465 I StPO“ (vgl. UA S. 4) genügt wegen der jugendstrafrechtlichen Sonderregelung des § 74 JGG nicht (vgl. Eisenberg/ Kölbel, 63. Auflage 2020, § 54 Rn.41 m.w.N). Insoweit unterliegt die Kostenentscheidung bei Anwendung von Jugendstrafrecht, wie im vorliegenden Fall, einer zumindest kurzen und nachvollziehbaren Begründungspflicht.

Dem Tatrichter ist bei seiner Entscheidung, dem Angeklagten die Kosten aufzuerlegen und von der Vorschrift des § 74 JGG keinen Gebrauch zu machen, ein weiter Ermessensspielraum zuzubilligen. Die Prüfung des Beschwerdegerichts ist darauf beschränkt, ob das erkennende Gericht das ihm eingeräumte Ermessen frei von Rechtsfehlern ausgeübt hat. Fehlt es vollständig an einer solchen Begründung, wird das Beschwerdegericht nicht in die Lage versetzt, die Entscheidung des Tatgerichts zu überprüfen. Insoweit ist nicht auszuschließen, dass das Amtsgericht die Vorschrift in § 74 JGG übersehen hat.

Die Auferlegung der Kosten gemäß § 465 StPO kommt in geeigneten Fällen durchaus infrage. Das Amtsgericht wird bei der Entscheidung jedenfalls im Blick haben müssen, dass die Kostenentscheidung nicht zu einer der Geldstrafe ähnlichen Sanktion führen darf (vgl. BGH BeckRS 2016, 5080).“

OWi II: Neues zu Leivtec XV 3, oder: Weiterhin nicht standardisiert, Auslagenerstattung, Wiederaufnahme

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Im Gespräch ist/war das Messverfahren Leivtec XV3. Darüber, insbesondere über die derzeit diskutierten Fragen der Verwertbarkeit, habe ich hier ja auch schon berichtet. Und auch zu dieser Problematik gibt es neuere Rechtsprechung, die ich in diesem Posting vorstelle. Und zwar:

Zunächst hier der OLG Oldenburg, Beschl. 19.07.2021 – 2 Ss (OWi) 170/21 –, über den der Kollege Gratz ja gestern auch schon berichtet hat. Er befasst sich mit der Verwertbarkeit von Geschwindigkeitsmessungen mit dem Messgerät Leivtec XV 3 nach Abschluss der Untersuchungen durch die PTB. Das OLG meint: Auch danach ist das Messverfahren derzeit nicht als standardisiertes Messverfahren anzusehen. Das OLG ist – so habe ich den Eindrick – leicht „verschnupft“ über die zuständigen Behörden, denn:

„Der Senat hat erwogen, Messungen, bei denen diese kritischen Konstellationen vorgelegen haben, nicht mehr als standardisiert anzusehen, das Messverfahren im Übrigen aber schon.

Diese Überlegung hat der Senat allerdings verworfen:

Gemäß § 55 MessEG haben nämlich die zuständigen Behörden die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, wenn sie den begründeten Verdacht haben, dass Messgeräte nicht entsprechend den Anforderungen des Abschnittes 3 verwendet werden.

Der Senat hat deshalb mit Schreiben vom 18. Juni 2021 die zuständige Eichdirektion in Hessen zunächst mit der Bitte um Stellungnahme, ob und gegebenenfalls wie auf die Problematik reagiert werden solle, angeschrieben und – nachdem von dort mitgeteilt worden war, dass die Eichbehörden vom Hersteller und der PTB eine Anpassung der Messbedingungen und Auswerterichtlinien erwarten würden – mit Schreiben vom 23.06.2021 unter Hinweis auf § 55 MessEG zum Ausdruck gebracht, dass dringender Handlungsbedarf gesehen werde. Daraufhin hat die für die Marktüberwachung zuständige Eichdirektion mitgeteilt, nach ihrer Auffassung seien die „wesentlichen Anforderungen nach § 6 Abs. 2 [MessEG] unter Einhaltung der Verkehrsfehlergrenzen“ zu bejahen, nur der „Stand der Technik“ habe sich geändert und sei bei der Durchführung von Messungen vom Verwender zu berücksichtigen. Es bestehe keine Möglichkeit, den Hersteller bzw. die PTB zur Anpassung der Auswerterichtlinien bzw. der Bedienungsanleitung zu zwingen.

Unter Berücksichtigung der im Gesetz verankerten Zuständigkeiten sieht der Senat es aber nicht als seine Aufgabe an, quasi anstelle der zum Tätigwerden berufenen Beteiligten (Hersteller, Behörden) die Bedienungsanleitung fortzuschreiben.“

Und zur Abrundung dann der AG Eilenburg, Beschl. v. 14.06.2021 – 8 OWi 308/21 – zur Frage der Auslagenerstattung nach Einstellung eines Leivtec XV 3-Verfahren nach § 47 Abs. 2 OWi. Das AG meint:

Ein Betroffener, dem ein Geschwindigkeitsverstoß festgestellt mit dem Messgerät LEIVTEC XV3 zur Last gelegt wurde, hat auch im Rahmen einer behördlichen Verfahrenseinstellung nach § 47 Abs. 1 OWiG seine notwendigen Auslagen selbst zu tragen.

Das ist m.E. falsch – zutreffend a.A. ja dann auch das AG Landstuhl (vgl. z.B. AG Landstuhl, Beschl. v. 17.03.2021 – 2 OWi 4211 Js 2050/21).  Wenn das AG Eilenburg seine Entscheidung letztlich damit begründet: „Dem Gericht sind aus anderen Verfahren diverse Gutachten namhafter Sachverständiger bekannt, die eine Berechnung der Mindestgeschwindigkeit in derartigen Fällen erlauben.„. übersieht es dabei, dass ein Messgerät eingesetzt worden ist, dass eine unverwertbare Messung geliefert hat. Warum soll der Betroffene dann die Kosten des Verfahrens tragen.

Und dann zum Schluss noch der AG Oldenburg, Beschl. v. 28.06.2021 – 29 OWi 775 Js 56106/21. Das hat im Hinblick auf die Rechtsprechung des OLG Oldenburg zu Leivtec XV 3 die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht ausgeschlossen, „weshalb konkrete Tatsachen vorliegen, die eine nicht unerhebliche Wahrscheinlichkeit an der Wiederaufnahme des Verfahrens aufgrund des Wiederaufnahmeantrags des Betroffenen begründen und in dessen Folge auch eine geringere Bestrafung in Betracht käme.“

Teil“Verringerung“ der Einziehung in der Revision, oder: Zusatzgebühren als „verteilungsfähige Einzelposten“

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Heute knüpfe ich am RVG-Tag zunächst an die Thematik von gestern – Einziehung – an und stelle den BGH, Beschl. v. 25.02.2021 – 1 StR 423/20 – zur Kostenentscheidung bei Verringerung der Einziehung durch das Revisionsgericht vor.

Das LG hatte die Angeklagten jeweils wegen Marktmanipulation zu Freiheitsstrafen verurteilt. Zudem hatte es gegen den Angeklagten K. die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 2.614.344,56 EUR und gegen den Angeklagten T. in Höhe von 419.477,18 EUR angeordnet. Dagegen haben die Angeklagten jeweils Revision eingelegt. Diese hatten insofern Erfolg, dass das landgerichtliche Urteil in den Aussprüchen über die Einziehung dahin geändert, dass die Einziehung des Wertes von Taterträgen gegen den Angeklagten K. in Höhe von nur 851.377,16 EUR und gegen den Angeklagten T. in Höhe von nur 65.957,18 EUR angeordnet worden ist. Die darüber hinausgehenden Einziehungen sind entfallen. Von den im Verfahren entstandenen notwendigen Auslagen der Angeklagten, die die Einziehung betreffen, hat der BGH in der Kostenentscheidung seiner Revisionsentscheidung bestimmt, dass die Staatskasse 2/3 hinsichtlich des Angeklagten K. und 6/7 hinsichtlich des Angeklagten T. zu tragen hat und die insoweit angefallenen Gerichtsgebühren, soweit es den Angeklagten K. betrifft, um 2/3 und, soweit es den Angeklagten T. betrifft, um 6/7 ermäßigt werden.

Die Kostenentscheidung hat der BGH wie folgt begründet:

„Die Entscheidung über die allein die Einziehung betreffenden zusätzlichen und damit ohne Weiteres ausscheidbaren Kosten des Verfahrens und notwendigen Auslagen (insbesondere Verteidigergebühren) nach Bruchteilen beruht auf § 473 Abs. 4 Satz 1, 2 StPO , soweit es das Revisionsverfahren betrifft (dazu unter a)), und im Übrigen auf § 465 Abs. 2 StPO (entsprechend), § 464d StPO (dazu unter b)).

a) Aus Rechtsgründen hat sich der Einziehungsumfang jeweils deutlich, nämlich weit über die Hälfte im Vergleich zu den Beträgen im angefochtenen Urteil, zugunsten der Angeklagten verringert. Dieser Teilerfolg muss sich hier in der Kostenentscheidung nach § 473 Abs. 4 StPO niederschlagen (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 14. Oktober 2020 – 5 StR 229/19 und vom 20. Januar 2020 – 1 StR 529/19); dies betrifft indes allein die Verteilung der in Bezug auf die Nebenfolge der Einziehung ( § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB ) den Verteidigern jeweils zustehenden ʺzusätzlichen Gebührʺ (Nr. 4142 der Anlage 1 Teil 4 Abschnitt 1 Unterabschnitt 5 zum RVG ), die sich – in Abweichung vom allgemeinen strafprozessualen Vergütungssystem nach Pauschalsätzen – nach dem (Gegenstands-)Wert der Einziehung bemisst ( §§ 13 , 49 RVG ), daneben in der Ermäßigung der zusätzlich entstehenden Gerichtsgebühr von pauschal 70 € (Teil 3 Hauptabschnitt 4 Vorbemerkung 3.4 Abs. 1 Satz 2 Abschnitt 4 Nr. 3440 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG ).

aa) Diese beiden „Zusatzgebühren“ lassen sich ohne Weiteres von den sonstigen Rechtsmittelkosten, die die Angeklagten zu tragen haben, weil sie bezüglich des Schuld- und Strafausspruchs erfolglos geblieben sind ( § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO ), trennen (vgl. zu ʺverteilungsfähigen Einzelpostenʺ: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 473 Rn. 28; SK-StPO/Degener, 5. Aufl., § 473 Rn. 48; MüKoStPO/Maier, § 473 Rn. 176).

bb) Nach dem im strafrechtlichen Kostenrecht geltenden Veranlassungsprinzip werden die Verfahrenskosten in wertender Betrachtung grundsätzlich dem Verurteilten auferlegt, weil er mit seiner Tat das kostenverursachende Verfahren notwendig gemacht hat ( BVerfG, Beschluss vom 27. Juni 2006 – 2 BvR 1392/02 , BVerfGK 8, 285, 292 ff.). Eine teilweise Entlastung insbesondere von der zusätzlichen (Wahlverteidiger-)Gebühr nach der vorstehend genannten Nr. 4142 VV RVG ist hier nach ʺBilligkeitʺ aufgrund der gegenstandswertgebundenen Höhe der Vergütung (vgl. die Werttabelle zu § 13 RVG ) geboten. Denn der staatliche Einziehungsanspruch ( § 73 Abs. 1 , § 73c Satz 1 StGB ) war bei zutreffender rechtlicher Wertung von vornherein auf die Abschöpfung der Wertsteigerung beschränkt; in diesem Sinne haben die Angeklagten die weitergehenden Zusatzgebühren gemessen an dem höheren Gegenstandswert nicht veranlasst.

b) Diese Maßstäbe gelten auch für die in der ersten Instanz entstandenen zusätzlichen Verteidigergebühren, die am Einziehungsumfang zu bemessen sind; dieser ergibt sich seinerseits aus dem Akteninhalt, insbesondere der Anklage.

aa) Da der Senat bezüglich der Einziehungsanordnungen in der Sache selbst entscheidet, ist ihm insoweit – nicht anders als etwa bei einem Teilfreispruch ( § 354 Abs. 1 , § 467 Abs. 1 StPO ) – die Entscheidung über die zugehörigen Kosten des Verfahrens und notwendigen Auslagen der Beteiligten zugewiesen (vgl. nur BGH, Beschluss vom 8. Dezember 1972 – 2 StR 29/72 , BGHSt 25, 77, 79 ).

bb) In diesem Fall hält es der Senat für geboten, nach der Vorschrift des § 465 Abs. 2 Satz 3 StPO über die zusätzlichen Gegenstandswertgebühren gesondert zu befinden (vgl. zu § 465 Abs. 2 Satz 2 StPO und einem gegenüber dem Anklagevorwurf gravierend milderen Schuldspruch: BGH, Beschlüsse vom 9. Oktober 2012 – 5 StR 441/12 Rn. 4, BGHR StPO § 465 Abs. 2 Zurückverweisung 1 ; vom 2. Juni 2005 – 4 StR 177/05 Rn. 4 und vom 12. Februar 1998 – 1 StR 777/97 Rn. 3, BGHR StPO § 465 Abs. 2 Billigkeit 4 ; zu einem – nach Aufhebung und Zurückverweisung – erheblich reduziertem Schuldumfang: BGH, Beschluss vom 21. September 1988 – 3 StR 349/88 Rn. 4, BGHR StPO § 465 Abs. 2 Billigkeit 1 ). Eine gesonderte Auslagenentscheidung kann auch als Folge einer Verfahrensbeschränkung nach § 154a Abs. 2 StPO in Betracht kommen ( BGH, Beschlüsse vom 17. März 1992 – 4 StR 34/92 Rn. 2 und vom 11. Juni 1991 – 1 StR 267/91 Rn. 10, BGHR StPO § 465 Abs. 2 Billigkeit 3 zu Sachverständigenkosten; vgl. auch § 421 Abs. 1 Nrn. 1, 2 StPO ). Für die mit § 473 Abs. 4 StPO gleichlaufende Billigkeitsentscheidung sind folgende Erwägungen zu beachten:

(1) Die Tatgerichte sollen im Sinne der ʺWirtschaftlichkeit des Verfahrensʺ zügig über die Schuld- und Straffrage entscheiden; damit sie sich auf diese Hauptsache konzentrieren können, soll ihnen im Rahmen der bloßen Nebenentscheidung keine eigene Pflicht zur eingehenden Untersuchung der Auslagenfrage aufgebürdet werden ( BGH, Beschluss vom 24. Januar 1973 – 3 StR 21/72 , BGHSt 25, 109, 112-114). Deswegen ist die Vorschrift des § 465 Abs. 2 StPO , mit deren Hilfe die Strafgerichte die umfassende Kostentragungspflicht der verurteilten Angeklagten abmildern können, um zu gerechten Kostenergebnissen zu gelangen, als Billigkeitsregelung ausgestaltet. Zudem ist stets zu beachten, dass die Täter durch ihre Straftaten die Strafverfolgungsmaßnahmen veranlasst haben. Der Staat ist im Strafprozess nicht als teilweise unterlegen anzusehen, wenn sich die Anklagevorwürfe nicht in vollem Umfang erweisen lassen ( BGH, Beschluss vom 24. Januar 1973 – 3 StR 21/72 , BGHSt 25, 109, 118 f. ).

(2) Die zusätzlichen Gebühren lassen sich auch für die erste Instanz dem Grund nach leicht ausscheiden und der Höhe nach einfach berechnen (vgl. LR/StPO-Hilger, 26. Aufl., § 465 Rn. 24; SSW-StPO/Steinberger-Fraunhofer, 4. Aufl., § 465 Rn. 9; siehe auch BGH, Beschlüsse vom 24. Januar 1973 – 3 StR 21/72 , BGHSt 25, 109, 112 f., 116 und vom 23. September 1981 – 3 StR 341/81 Rn. 3).

c) Gesonderte Gerichtsgebühren fallen für die Einziehung im ersten Rechtszug nicht an (vgl. Teil 3 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG ); auch sind insoweit keine gerichtlichen Auslagen aus Billigkeitsgründen auszuscheiden. Insbesondere die Auslagen für den Sachverständigen waren bereits für den Schuld- und Strafausspruch relevant, die sich nicht betrags- und damit nicht quotenmäßig zur Einziehung in Beziehung setzen lassen. Regelmäßig werden sich Schuld- und Einziehungsumfang decken und sich daher die einzelnen Untersuchungen auf beide zugleich erstrecken.“

Interessante Entscheidung. Da kann es um ganz schöne Beträge gehen.