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Rücknahme des Strafantrags, oder: Anfechtbarkeit der Kostenentscheidung?

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Und als zweite Entscheidung stelle ich heute den LG Kaiserslautern, Beschl. v. 12.04.2021 – 5 Qs 23/21 – vor. Keine gebührenrechtliche, sondern eine kostenrechtliche Entscheidung. Das LG nimmt nämlich Stellung zur Kostenentscheidung nach Rücknahme eines Strafantrags. Wird ein Strafantrag zurückgenommen, kann, was nicht selten übersehen wird, das „dicke Ende“ für den Antragsteller hinterher kommen. Es droht ihm nämlich die Verpflichtung zur Übernahme der Kosten des Verfahrens nach § 470 StPO.

So auch hier. Die Zeugin hatte am 25.11.2019 Strafanzeige gegen ihren Ehemann wegen einer Körperverletzungshandlung erstattet, welche sich im Juni 2019 zugetragen haben sollte, und stellte einen entsprechenden Strafantrag. Die Staatsanwaltschaft nahm die Ermittlung auf und bejahte ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung. Sie beantragte am 12.ü2.2020 den Erlass eines Strafbefehls gegen den Ehemann beim AG. Das AG erließ den Strafbefehl am 19.2.2020 und stellte ihn dem Angeklagten zu. Nachdem der vertreten durch seinen Wahlverteidiger fristgerecht Einspruch eingelegt hatte, bestimmte das AG einen Termin zur Hauptverhandlung für den 22.6.2020 und lud die Ehefrau als Zeugin.

In der Hauptverhandlung wurde die Ehefrau als Zeugin vernommen. Sie hat von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Zudem erklärte sie, dass sie ihren Strafantrag zurücknehme. Nachdem sie unvereidigt entlassen worden war, erklärte der Vertreter der Staatsanwaltschaft, dass das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung nicht mehr bejaht werde, und beantragte eine Verfahrenseinstellung nach § 260 Abs. 3 StPO sowie eine Auferlegung der Verfahrenskosten auf die Zeugin. Den Anträgen schloss sich der Verteidiger des Ehemanns an. Das AG hat das Verfahren durch Urteil eingestellt und der Zeugin die Kosten auferlegt. Es wurde Rechtsmittelverzicht erklärt.

Der Verteidiger des Ehemannes hat dann die Festsetzung der Kosten gegen die Zeugin beantragt. Die Zeugin hat am 09.03.2021 vertreten durch einen Rechtsanwalt sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des AG vom 22.06.2020 eingelegt. Das Rechtsmittel hatte Erfolg:

„Die zulässige sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin hat auch in der Sache Erfolg.

1. Die sofortige Beschwerde ist zunächst das statthafte Rechtsmittel. Gemäß § 464 Abs. 3 S. 1, 1. HS StPO kann gegen eine Kostenentscheidung die sofortige Beschwerde eingelegt werden. Die Ausnahmeregelung des § 464 Abs. 3 S. 1, 2. HS StPO, wonach dies nicht gilt, wenn die Hauptsacheentscheidung, im Rahmen derer die Kostenentscheidung getroffen worden ist, nicht vom Antragsteller angefochten werden kann, findet hingegen keine Anwendung. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass die vorliegende Kostenentscheidung nach § 470 StPO im Urteil zur Hauptsache getroffen worden ist. Gegen das Urteil stünde der Beschwerdeführerin als Strafantragstellerin nach § 300 StPO kein Rechtsmittel zu. Für diese Konstellation wird von der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur vertreten, dass die Kostenentscheidung unanfechtbar sein soll (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 23.02.2012 – 2 Ws 80/11, BeckRS 2021, 9698; OLG Düsseldorf NStZ 2014, 424; OLG Rostock, Beschluss vom 14.08.2017 – 20 Ws 226/17, juris; KK-StPO/Gieg, 8. Aufl., § 470 Rn. 4). Die Kammer schließt sich hingegen der Auffassung an, nach der die Kostenentscheidung gleichwohl angreifbar ist, da sie aufgrund der Sonderstellung des § 470 StPO eine isolierte Entscheidung darstellt (MüKoStPO/Grommes, 1. Aufl., § 470 Rn. 20; Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 470 Rn. 8).

Zunächst spricht für diese Bewertung der Umkehrschluss aus den Regelungen der § 467a Abs. 3 und § 469 Abs. 3 StPO. Nach § 467a Abs. 1 StPO trägt die Staatskasse auf entsprechenden Antrag die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten, wenn die Staatsanwaltschaft die öffentliche Klage nach Erhebung zurücknimmt und das Verfahren einstellt. Ein so ergangener Beschluss ist ausdrücklich gemäß § 467a Abs. 3 StPO nicht anfechtbar. Gleiches gilt für eine Entscheidung gemäß § 469 Abs. 1 StPO, wonach dem Anzeigenerstatter, der durch eine unwahre Anzeige leichtfertig oder vorsätzlich die Aufnahme eines Strafverfahrens veranlasst, die Kosten hierfür aufzuerlegen sind. Auch hier wird in Abs. 3 der Norm eine Anfechtbarkeit ausdrücklich verneint (vgl. MüKoStPO/Grommes, 1. Aufl., § 469 Rn. 16). Ein ausdrückliches Anfechtungsverbot findet sich bei § 470 StPO, wonach sich die Kostentragungspflicht alleine aus der Rücknahme des Antrags ergibt und mithin im Hinblick auf den Anlass der Verfahrenseinstellung indifferent ist, gerade nicht, sodass eine gesetzgeberisch gewünschte Gleichstellung mit den Normadressaten der § 467a Abs. 1 und § 469 Abs. 1 StPO nicht anzunehmen ist.

Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus dem systematischen Vergleich zu den Nebenklagerechten (§ 400 StPO, vgl. KK-StPO/Gieg, 8. Aufl., § 470 Rn. 4). Nach der wohl überwiegenden und zutreffenden Ansicht, handelt es sich bei der Vorschrift des § 400 Abs. 1 StPO lediglich um einen gesetzlich geregelten, generellen Ausschluss der Beschwer des Nebenklägers, der die Statthaftigkeit des Rechtsmittels gegen die Hauptentscheidung ebenso wenig wie eine mangelnde Beschwer im Einzelfall beseitigt und damit die Zulässigkeit der Kostenbeschwerde nicht berührt (OLG Köln NStZ-RR 2009, 126; OLG Hamm NStZ-RR 2006, 95 f.; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2004, 120 f.; Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 400 Rn. 1).

Auch gebieten die dogmatischen Bedenken, die insbesondere das OLG Hamburg in seinem Beschluss vom 23.02.2012 gegen eine isolierte Betrachtung der Kostenauferlegung nach § 470 StPO im Rahmen einer Hauptsacheentscheidung vorbringt, keine andere Bewertung. Nach dieser Auffassung bestehe zwischen Haupt- und Nebenentscheidung ein innerer Zusammenhang, der auch nur eine einheitliche Tatsachenbewertung gebiete. Dieser Erwägung ist entgegenzuhalten, dass das beschriebene Risiko zweier divergierender Entscheidungen auch dann besteht, wenn ein Rechtsmittelbefugter nicht die Hauptentscheidung, sondern nur die Kostenregelung angreift. Auch in diesem Fall ist das Beschwerdegericht angehalten, wegen § 464 Abs. 3 S. 2 StPO bei unzureichenden Feststellungen die Entscheidung zurückzuverweisen (BGH, Beschluss vom 04.12.1974 – 3 StR 298/74, NJW 1975, 699, 700; KK-StPO/Gieg, 8. Aufl., § 464 Rn. 11; Dölling/Duttge/König/Rössner/Meier, Gesamtes Strafrecht, 4. Aufl., StPO § 464 Rn. 17). Wenn das Erstgericht in diesem Fall eine Unwirksamkeit der Antragsrücknahme feststellen würde, blieben die Feststellungen der nunmehr widersprüchlichen, aber rechtskräftigen Hauptsacheentscheidung ebenfalls unberührt.

Eine Unanfechtbarkeit der Kostenentscheidung nach § 470 StPO wäre schließlich in der hier vorliegenden Konstellation nicht mit dem Rechtsstaatsprinzip aus Art. 19 Abs. 4 GG und dem Recht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG vereinbar, da dem Strafantragsteller so die einzige Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung einer Entscheidung, die ihn erheblich belastet, genommen werden würde. Eine solche Möglichkeit muss insbesondere dann gegeben sein, wenn der Strafantragsteller – wie hier – nicht zuvor angehört und über die Kostenfolgen seiner Antragsrücknahme belehrt worden ist (vgl. zur Unbilligkeit der Kostenauferlegung bei Verfahrensfehlern OLG Koblenz, Beschluss v. 22.12.2004 – 2 Ss 312/05, juris).

2. Die Beschwerde wurde fristgemäß eingelegt. Da die Beschwerdeführerin ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls nicht anwesend war bei der Urteilsverkündung, wurde ihr die Entscheidung nicht bekannt gemacht nach § 35 Abs. 1 StPO. Daher begann der Fristlauf zur sofortigen Beschwerde frühestens mit Akteneinsichtnahme durch ihren Verteidiger, wobei dahingestellt sein kann, ob hierin eine Zustellung nach § 35 Abs. 2 StPO zu erblicken ist.

3. Die sofortige Beschwerde ist auch begründet, da die Anforderungen nach § 470 S. 1 StPO nicht vorlagen und somit die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Herrn H. nicht der Beschwerdeführerin hätten auferlegt werden dürfen. Eine Kostentragungspflicht des § 470 S. 1 StPO setzt voraus, dass das Verfahren durch den Strafantrag bedingt war und wegen dessen Zurücknahme eingestellt werden muss.

Hierfür hätte der Strafantrag zunächst wirksam gestellt werden müssen (Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 470 Rn. 2). Die Beschwerdeführerin hatte am 25.11.2019 den Strafantrag für eine Körperverletzungshandlung gestellt, die sich bereits im Juni 2019 zugetragen haben soll. Somit war die dreimonatige Strafantragsfrist aus § 77b StGB nicht gewahrt.

Das Verfahren war mithin nicht bedingt durch den Strafantrag der Beschwerdeführerin, sondern ausschließlich durch die Bejahung des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung durch die Staatsanwaltschaft nach § 230 StGB. Ein solches Strafverfolgungsinteresse liegt in der Regel vor, wenn der Rechtsfrieden über den Lebenskreis des Verletzten hinaus in besonderer Weise gestört und die Strafverfolgung ein erheblich gesteigertes, gegenwärtiges Anliegen der Allgemeinheit ist. (vgl. Nr. 86 Abs. 2 S. 1 RiStBV MüKoStGB/Hardtung, 3. Aufl., § 230 Rn. 25). Es besteht folglich unabhängig von dem eigenen Verfolgungsinteresse des Verletzten oder seinem Aussageverhalten in der Hauptverhandlung.

Mithin entstand des Verfahrenshindernisses erst mit der Verneinung des besonderen öffentlichen Interesses, sodass die Kostenregelung zulasten der Staatskasse nach § 467 Abs. 1 StPO hätte ergehen müssen.“

Versterben des Angeklagten während des Revisionsverfahrens, oder: Auslagenentscheidung

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Heute am Gebührentag zwei BGH-Entscheidungen in den Fällen der Einstellung des Verfahrens im Revisiosnverfahren  in den Fällen, in denen der Angeklagte während des Revisionsverfahrens verstorben ist, und zwar den BGH, Beschl. v. 21.07.2020 – 2 StR 319/19 – und den BGH, Beschl. v. 25.08.2020 – 6 StR 124/20.

Kurz gefasst macht der BGH/das Revisionsgericht Folgendes: Das Verfahren wird nach § 206a StPO eingestellt. Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 467 StPO. Danach werden die die notwendigen Auslagen des Angeklagten aber der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Rechtsmittel es Angeklagten keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. Genauer nachzulesen hier im BGH, Beschl. v. 21.07.2020 – 2 StR 319/19:

„Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Während des Verfahrens über die Revision des Angeklagten ist dieser am 28. Oktober 2019 verstorben.

Das Verfahren ist gemäß § 206a StPO einzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juni 1999 – 4 StR 595/97, BGHSt 45, 108, 110 ff.). Das angefochtene Urteil ist damit gegenstandslos, ohne dass es einer Aufhebung bedarf.

Die Kostenentscheidung richtet sich im Fall des Todes des Angeklagten nach den Grundsätzen, die bei Einstellung des Verfahrens wegen eines Verfahrenshindernisses allgemein anzuwenden sind. Deshalb fallen die Auslagen der Staatskasse dieser gemäß § 467 Abs. 1 StPO zur Last. Jedoch wird nach § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO davon abgesehen, die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen, weil er nur deshalb nicht rechtskräftig verurteilt wird, da mit seinem Tod ein Verfahrenshindernis eingetreten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Februar 2014 – 1 StR 631/13, NStZ-RR 2014, 160; Beschluss vom 18. Oktober 2017 – 3 StR 342/15). Da das Rechtsmittel des Angeklagten aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 13. September 2019 genannten Gründen keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte, wäre es unbillig, der Staatskasse die notwendigen Auslagen des Angeklagten aufzuerlegen (vgl. Senat, Beschluss vom 30. Juli 2014 – 2 StR 248/14).“

 

Kostenentscheidung beim beschränkten Rechtsmittel, oder: Zeitpunkt der Beschränkung und Ziel des Rechtsmittels

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Die erste Entscheidung am Gebührentag ist mal wieder eine „kostenrechtliche“. Sie kommt mit dem OLG Celle, Beschl. v. 05.02.2020 – 2 Ws 35/20 – vom OLG Celle. Thematik: Kostenentscheidung beim beschränkten Rechtsmittel, also eine Problematik des § 473 Abs. 3 StPO.

Auszugehen war von folgendem Verfahrensgeschehen: Das AG hat den Angeklagten wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls in 2 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt. Gegen das Urteil legten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Angeklagte unbeschränkt Berufung ein. Nach Zustellung des schriftlich begründeten Urteils hat der Verteidiger die Berufung auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung beschränkt. Die Berufungskammer des LG hat diese Beschränkung als unwirksam angesehen.

Nachdem die Staatsanwaltschaft ihre Berufung in der Berufungshauptverhandlung mit Zustimmung des Angeklagten zurückgenommen hatte, änderte die Berufungskammer unter Verwerfung des Rechtsmittels im Übrigen den Rechtsfolgenausspruch des AG-Urteils dahingehend ab, dass der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt wurde, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zudem wurden dem Angeklagten die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen auferlegt, die Berufungsgebühr allerdings um 1/5 ermäßigt und angeordnet, dass die Landeskasse die notwendigen Auslagen des Angeklagten in der Berufungsinstanz in diesem Umfang trage. Zur Begründung der Kostenentscheidung führte das LG aus, angesichts der umfassenden Anfechtung des Urteils sei der Berufungserfolg lediglich mit 1/5 zu bemessen. Dagegen hat sich der Verurteilte mit seiner sofortigen Beschwerde gewandt. Die hatte überwiegend Erfolg.

Das OLG gibt seiner Entscheidung folgende Leitsätze mit auf den Weg:

1. Die Regelung des § 473 Abs. 3 StPO ist auch dann anzuwenden, wenn eine Beschränkung des Rechtsmittels auf einen bestimmten Beschwerdepunkt vom Berufungsgericht für rechtlich unwirksam erachtet wird, der Rechtsmittelführer aber von vornherein erklärt, dass er nur das beschränkte Ziel verfolgt und dieses im Ergebnis auch erreicht.

2. Gibt der Rechtsmittelführer die Erklärung über das beschränkte Ziel erst nachträglich ab, so hat er diejenigen gerichtlichen und außergerichtlichen Auslagen zu tragen, die bei einer alsbald nach Rechtsmitteleinlegung abgegebenen Erklärung hierüber vermeidbar gewesen wären.

StPO III: Besetzungseinwand verfristet, oder: OLG ist/bleibt zuständig

Und als dritte Entscheidung dann der OLG Bamberg, Beschl. v. 21.01.2020 – 1 Ws 14/20 – zur Zuständigkeit des OLG nach § 222b Abs. 3 Satz 1 StPO n.F. auch für einen verfristeten Besetzungseinwand.

Folgender Sachverhalt: Der Angeklagte hat am ersten Tag der Hauptverhandlung vor der Strafkammer am 07.01.2020 eine Besetzungsrüge erhoben. Das LG hat die Rüge mit Beschluss vom gleichen Tage für nicht begründet erachtet und die Akten dem OLG zur Entscheidung vorgelegt. In den Gründen ist ausgeführt, dass die Besetzungsrüge unzulässig, weil verspätet erhoben, sei. Innerhalb der Wochenfrist des § 222b Abs. 1 StPO sei kein Einwand der vorschriftsmäßigen Besetzung erhoben worden. Gründe für eine unverschuldete Fristversäumnis seien weder vorgetragen noch ersichtlich.

Das OLG hat den Einwand verworfen.

„1. Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts für die Entscheidung über den Besetzungsein-wand ergibt sich aus § 222b Abs. 3 Satz 1 StPO. Sie besteht auch für den hier vorliegenden Fall, dass das Landgericht den Besetzungseinwand der Sache nach für unzulässig, weil ver-fristet erhoben, erachtet hat. Nach der gesetzlichen Systematik hat ein Gericht, dessen Beset-zung angegriffen wird, den Vorgang dem Rechtsmittelgericht vorzulegen, wenn es den Ein-wand vorschriftswidriger Besetzung nicht für begründet erachtet. Dies ist auch dann der Fall, wenn das Gericht bereits nicht in die Sachprüfung einsteigt, weil nach seiner Ansicht die for-malen Voraussetzungen der Rüge nicht eingehalten sind. Dieses Ergebnis entspricht dem Te-los der gesetzlichen Regelung. Zweck des Gesetzes zur Modernisierung des Strafverfahrens ist es, die Frage der ordnungsgemäßen Gerichtsbesetzung einer zeitnahen Klärung zuzufüh-ren, die für das spätere Revisionsverfahren verbindlich ist (vgl. BT-Drucks. 19/14747, S. 35). Eine solche frühzeitige Klärung, die die Möglichkeit einer Besetzungsrüge im Revisionsverfah-ren ausschließt (vgl. § 338 Nr. 1 lit b StPO), ist jedoch nur dadurch zu erreichen, dass das Rechtsmittelgericht, dem der Einwand im Falle der Nichtabhilfe binnen 3 Tagen vorzulegen ist, gemäß § 222b Abs. 3 StPO über diesen entscheidet.

2. Der Besetzungseinwand des Angeklagten dringt nicht durch, weil er ihn nicht innerhalb von einer Woche nach Zustellung der Besetzungsmitteilung geltend gemacht hat (§ 222b Abs. 1 Satz 1 StPO).

a) Der Besetzungseinwand wurde erst am 07.01.2020 erhoben. Zu diesem Zeitpunkt war die Wochenfrist des § 222b Abs. 1 Satz 1 StPO abgelaufen. Ausweislich der Zustellungsurkunden wurde den beiden Verteidigern des Angeklagten die Gerichtsbesetzung am 18.12.2019 bzw. 19.12.2019 zugestellt. Die Wochenfrist zur Erhebung eines Besetzungseinwands endete ge-mäß § 43 Abs. 2 StPO mit Ablauf des 27.12.2019.

b) Die Zustellung der Besetzungsmitteilung war wirksam, da sie mit Verfügung des Vorsitzen-den der Strafkammer vom 16.12.2019 angeordnet worden war. Dieser hat ausweislich seiner Verfügung angeordnet: „Gerichtsbesetzung gem. § 222a mitteilen an (vorab per Fax) Rechts-anwalt T. aus N.; Rechtsanwalt M. aus D.“ Damit ist ein Zustellungswille ausreichend doku-mentiert, nachdem die in Bezug genommene Vorschrift des § 222a Abs. 1 Satz 2 StPO zwin-gend die Zustellung der Besetzungsmitteilung vorsieht.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen, da § 222b StPO eine solche nicht vorsieht und das Verfahren über die Entscheidung über einen Besetzungseinwand nicht als Rechtsmittel-verfahren im Sinne des § 473 StPO ausgestaltet ist.“

So weit, so gut. Ob die Frage hinsichtlich der Kostenentscheidung richtig entschieden ist, kann man sich fragen. Das OLG Celle hatte das im OLG Celle, Beschl. v. 27.01.2020 – 3 Ws 21/20 – anders gesehen unter Hinweis auf „BT-Drucks. 19/14747, S. 32„.

Antrag nach den §§ 23 ff. EGGVG, oder: Kostenentscheidung gegen Staatskasse bleibt die Ausnahme

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Die zweite Entscheidung ist dann eine kostenrechtliche. Sie kommt mit/in dem KG, Beschl. v. 03.07.2019 – 5 VAs 6/18 – aus Berlin. Die Thematik ist etwas abgelegen bzw. mit der entschiedenen Frage hat man als Verteidiger/Rechtsanwalt nicht täglich zu tun.

Ergangen ist die Entscheidung nämlich nach Abschluß eines §§ 23 ff. EGGVG-Verfahrens, also Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Der Betroffene hatte durch seinen Rechtsanwalt einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Er hatte beantragt, die in einem ehemals gegen ihn geführten, inzwischen gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellten Ermittlungsverfahren ergangene Entscheidung der Staatsanwaltschaft Berlin, der Bundesrepublik Deutschland ? diese vertreten durch das Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur, dieses vertreten durch einen anderen Rechtsanwalt auf deren Antrag auf der Rechtsgrundlage von § 474 Abs. 2 bis 4 StPO ergänzende Akteneinsicht zu gewähren, aufzuheben. Ferner beantragte der Betroffene, „zu entscheiden, dass der Bundesrepublik Deutschland kein Recht auf weitere Akteneinsicht in die Verfahrensakten pp. der Staatsanwaltschaft Berlin zusteht“.

Nachdem dann der Rechtsanwalt der Bundesrepublik Deutschland den Antrag auf ergänzende Akteneinsicht für die Bundesrepublik Deutschland zurückgenommen hat, hat der Betroffene seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung für erledigt erklärt. Die GStA Berlin hat sich nach Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft der Erledigungserklärung angeschlossen und ausgeführt, dass für eine Anordnung betreffend die außergerichtlichen Kosten des Betroffenen nach § 30 EGGVG kein Anlass bestehe. Der Betroffene hat hierzu nicht Stellung genommen. Das KG hat eine Erstattung der Kosten des Betroffenen aus der Landeskasse nicht angeordnet:

„Nach § 30 Satz 1 EGGVG kann das Oberlandesgericht nach billigem Ermessen bestimmen, dass die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG notwendig waren, ganz oder teilweise aus der Staatskasse zu erstatten sind. Dies gilt nicht nur im Zusammenhang mit einer verfahrensabschließenden Entscheidung in der Sache, sondern auch in Fällen, in welchen das Verfahren ohne Sachentscheidung, namentlich durch Rücknahme des Antrags auf gerichtliche Entscheidung, Erledigung der Maßnahme ohne Antragstellung nach § 28 Abs. 1 Satz 4 EGGVG oder – wie hier – (übereinstimmende) Erledigungserklärung beendet wird (vgl. KG, Beschluss vom 9. Januar 2015 ? 4 VAs 46/14 ?).

Dabei bleibt die Überbürdung der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers auf die Staatskasse auch nach der Neufassung der Kostenvorschrift in § 30 EGGVG durch das 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom 23. Juli 2013 (BGBl. I 2013, 2586, 2704) die Ausnahme. Sie bedarf einer besonderen Rechtfertigung im Einzelfall. Hierfür genügt allein der Erfolg oder – im Falle der Erledigung vor Sachentscheidung – eine Erfolgsaussicht des Antrages nicht; denn § 30 Satz 2 EGGVG verweist ? wie bereits § 30 Abs. 2 Satz 2 EGGVG a.F. ? gerade nicht auf diejenigen Vorschriften der Zivilprozessordnung, die für die Kostentragungspflicht maßgeblich auf das Maß des Obsiegens und Unterliegens der Partei im Rechtsstreit oder die Erfolgsaussichten des Klagebegehrens abstellen (§§ 91 Abs. 1 Satz 1, 91a, 92 ZPO). Vielmehr muss hinzutreten, dass der Justizbehörde ein offensichtlich oder grob fehlerhaftes oder gar willkürliches Verhalten zur Last zu legen ist (zum Ganzen vgl. KG a.a.O. m.w.N.; ferner [noch zu § 30 Abs. 2 Satz 1 EGGVG a.F.] OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Oktober 2014 – I-3 Va 2/12 – juris Rdn. 15 m.w.N.; Böttcher in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl., § 30 EGGVG Rdn. 4).

Letzteres ist hier nicht der Fall und wird auch von dem Antragsteller nicht geltend gemacht. Insbesondere ist die der Gewährung der ergänzenden Akteneinsicht zugrunde liegende Auffassung der Vollstreckungsbehörde, dass der Empfänger ? soweit dieser (wie hier) eine öffentliche Stelle oder ein Rechtsanwalt ist ? die Verantwortung für die Zulässigkeit der Übermittlung trägt, im Hinblick auf die gesetzliche Regelung in § 477 Abs. 4 Satz 1 StPO ohne weiteres vertretbar und damit keinesfalls offensichtlich oder grob fehlerhaft. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers würde daher selbst dann ausscheiden, wenn man zu seinen Gunsten unterstellen wollte, sein Antrag auf gerichtliche Entscheidung wäre in vollem Umfang zulässig und begründet gewesen. „