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KCanG I: Erneut „alte“ Überwachungserkenntnisse, oder: Einige OLG für, einige gegen Verwertbarkeit

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Und dann heute nach längerer Zeit mal wieder einige Entscheidungen zum KCanG.

Ich beginne mit einer Zusammenstellung der mir vorliegenden Rechtsprechung der OLG zu den Auswirkungen des KCanG auf die Verwertbarkeit „alter“ EncroChat-ANOM_Überwachungsdaten. Dazu habe ich hier vier Entscheidungen, und zwar:

Für eine Verwertbarkeit von vor Inkrafttreten des KCanG gewonnenen Überwachungsdaten haben sich ausgesprochen:

Vergehen nach § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 KCanG rechtfertigen als „schwere Straftaten“ weiterhin die Anordnung einer Telekommunikationsüberwachung nach § 100a StPO (§ 100a Abs. 2 Nr. 7a StPO). Sie gehören indes nicht zu den Delikten, die als „besonders schwere Straftaten“ nach § 100b Abs. 2 StPO die Anordnung einer Online-Durchsuchung erlauben würden. Das hat aber keinen Einfluss auf die Verwertbarkeit von vor dem Inkrafttreten des KCanG durch eine EncroChat-Maßnahme gewonnene Daten.

Zur – bejahten _ Verwertbarkeit von EncroChat- und SkyECC-Daten nach Einführung des KCanG.

Gegen eine Verwertbarkeit von vor Inkrafttreten des KCanG gewonnenen Überwachungsdaten haben sich ausgesprochen:

1. Erkenntnisse aus der Auswertung des über den Kryptomessenger-Dienst ANOM geführten Chatverkehrs sind unter Berücksichtigung des Grundgedankens der Verwendungsschranke des § 100e Abs. 6 StPO verwertbar. Eine Beweisverwertung derart erlangter Daten ist demnach stets unzulässig, sofern diese den Kernbereich privater Lebensführung i. S. v. § 100d Abs. 2 S. 1 StPO betreffen. Darüber hinaus dürfen die Erkenntnisse in einem Strafverfahren ohne Einwilligung der überwachten Person nur zur Aufklärung des Verdachts einer Katalogtat i. S. v. § 100b Abs. 2 StPO oder zur Ermittlung des Aufenthalts der einer solchen Straftat beschuldigten Person verwendet werden. Ferner sind die einschränkenden Voraussetzungen des § 100b Abs. 1 Nr. 2 und 3 StPO zu beachten, wonach die Straftat auch im Einzelfall besonders schwer wiegen und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsorts auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos sein muss.

2. Für die Prüfung, ob die Voraussetzungen einer Katalogtat i. S. v. § 100b StPO erfüllt sind, ist auf den Zeitpunkt der Verwendung der Beweisergebnisse abzustellen. Vor dem 01.04.2024 im Zuge der Überwachung der „ANOM“-Chats erlangte Erkenntnisse sind demnach nur verwertbar, wenn die betreffenden Delikte auch im Verwertungszeitpunkt noch den Anforderungen des § 100e Abs. 6 StPO genügen, wenn sie also auch nach Inkrafttreten des KCanG zum 01.04.2024 noch als Katalogtaten i. S. v. § 100b Abs. 2 StPO einzustufen sind.

Der Senat hält auch in Anbetracht der zwischenzeitlich zur Frage der Verwertbarkeit der bei dem Krypto-Dienstanbieter EncroChat in Frankreich gesicherten und den deutschen Strafverfolgungsbehörden übermittelten Daten ergangenen, in der Sache divergierenden obergerichtlichen Rechtsprechung daran fest, dass diese Daten nur in denjenigen Fällen verwertbar sind, in denen sich der Tatvorwurf auf eine Katalogtat im Sinne des § 100b Abs. 2 StPO bezieht. Hiervon nicht umfasst sind Straftaten gemäß § 34 Abs. 3 Satz 2 KCanG, also Fälle wie– das gewerbsmäßige Handeltreiben mit Cannabis in nicht geringer Menge gemäß § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 4 KCanG und die Abgabe von Cannabis in nicht geringer Menge gemäß § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG.

Edit: Die Entscheidung des OLG Hamm muss man genau lesen. Das hatte ich erst nicht, habe ich dann aber auf netten Hinweis noch einmal getan und dann den Beitrag und die Überschrift etwas abgeändert

Kessel

KCanG II: „Kessel Buntes“ vom LG, AG und VG, oder: Funkzellenabfrage, Mietverhältnis, Erkennungsdienst

Kessel

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Und dann im zweiten Posting ein „Kessel Buntes“ zum KCanG, nämlich eine LG-, eine AG und eine VG-Entscheidun. Im Einzelnen:

Der Anordnung steht einer Funkzellenabfrage nach § 100g Abs. 3 S. 1 StPO steht nicht entgegen, dass kein Verdacht einer besonders schweren Straftat im Sinne des § 100g Abs. 2 StPO vorliegt, da eine solche Katalogtat für eine Funkzellenabfrage nach § 100g Abs. 3 StPO nicht erforderlich ist. (Anschluss an: LG Hamburg, Beschl. v. 06.06.2024 – 621 Qs 32/24; entgegen: BGH, Beschl. v. 10.01.2024 – 2 StR 171/23).

Eine Kündigungsgrund kann auch nach Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetz – KCanG – grundsätzlich dann gegeben sein, wenn der Bereich der eigenen Wohnung durch die Auswirkungen des Cannabiskonsum überschritten wird, da insofern dann ein Verstoß gegen das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme und damit eine erhebliche Störung des Hausfriedens in Betracht kommt (§ 241 Abs. 2, § 535, § 543 Abs. 1, § 549, § 569 Abs. 2, § 573, § 573c, § 574, § 574a BGB unter Beachtung des KCanG).

Zu den Auswirkungen der Neuregelungen des KCanG auf die für eine erkennungsdienstliche Behandlung nach § 81b Abs. 1 Alt. StPO erforderliche Gefahrenprognose.

KCan I: Neufestsetzung von Strafe und Bewährung, oder: Verwertung von „alten“ ANOM-Daten

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In die 35 KW. geht es dann mit KCanG-Entscheidungen. Allerdings habe ich heute nicht ganz so viel wie sonst. Das verwundert sicherlich, wenn man die Homepage des BGH im Auge hat und verfolgt, was sich dort zu den Fragen tut. Derzeit gibt es reichlich Entscheidungen des BGH, allerdings letztlich immer zu denselben Fragen, wie vor allem: Milderes Gesetz und Neufestsetzung der Strafe. Die kann man nicht alle vorstellen. Ich stelle hier heute allerdings auch einige Entscheidungen zur Neufestsetzung der Strafe vor.

Im Einzelnen:

Der OLG Schleswig, Beschl. v. 01.08.2024 – 1 Ws 123/24 äußert sich noch einmal zur Zuständigkeit für die Neufestsetzung einer Strafe oder die Neufestsetzung einer Gesamtstrafe nach Art. 316p, Art. 313 Abs. 3 und Abs. 4 EGStGB mit folgendem Leitsatz:

1. Für die Neufestsetzung einer Strafe oder die Neufestsetzung einer Gesamtstrafe nach Art. 316p, Art. 313 Abs. 3 und Abs. 4 EGStGB ist das erkennende Gericht zuständig.
2. Eine Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammern folgt nicht aus der Verweisung in Art. 313 Abs. 5 EGStGB, da § 462a StPO auch nach der Einführung des Konsumcannabisgesetzes von dieser Verweisung nicht erfasst wird.

Auch der OLG Saarbrücken, Beschl. v. 08.08.2024 – 1 Ws 101/24 – nimmt zur Frage der Neufestsetzung der Strafe Stellung, und zwar im Hinblick auf Strafaussetzung zur Bewährung:

Eine nach Art. 316p i.V.m. Art. 313 Abs. 4 Satz 1 EGStGB veranlasste Neufestsetzung der Strafe erfordert bei Festsetzung einer aussetzungsfähigen Strafe auch eine neue Entscheidung über eine Strafaussetzung zur Bewährung.

Und dann habe ich den AG Mannheim, Beschl. v. 06.08.2024 – 2 Ls 302 Js 14819/21 -, auch zur Neufestsetzung mit folgendem Leitsatz:

Mit der Formulierung „zugleich“ in Art. 313 Abs. 3 Satz 1 EGStGB ist (lediglich) Tateinheit, nicht aber Handlungseinheit gemeint.

Und dann noch etwas Verfahrensrechtliches, und zwar mal wieder Verwertbarkeit von Daten, die durch die Überwachung von Messengerdiensten vor dem 01.04.2024 gewonnenen worden sind, nach dem 01.04.2024 – Stichwort: Katalogtat. Dazu äußert sich der OLG Saarbrücken, Beschl. v.  13.08.2024 – 1 Ws 152/24:

    1. Die Verwertbarkeit von Daten, die über den Kryptomessengerdienst ANOM gewonnen wurden, richtet sich nach denselben Grundsätzen (BGHSt 67, 29) wie die Verwertbarkeit von Daten des Anbieters EncroChat.
    2. Die Daten dürfen in einem Strafverfahren ohne Einwilligung der überwachten Person nur zur Aufklärung einer Straftat, aufgrund derer eine Maßnahme nach § 100b StPO hätte angeordnet werden können, oder zur Ermittlung des Aufenthalts der einer solchen Straftat beschuldigten Person verwendet werden. Die Straftat muss auch im Einzelfall besonders schwer wiegen und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsorts auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos sein.
    3. Für die Prüfung, ob diese Voraussetzungen vorliegen ist auf den Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der Verwertung der Beweisergebnisse abzustellen. Liegt demnach aufgrund der zum 1.4.2024 durch das Cannabisgesetz in Kraft getretenen Neuregelungen zum Verwertungszeitpunkt keine Katalogtat nach § 100b Abs. 2 StPO mehr vor, scheidet die Verwertbarkeit der ANOM-Chatprotokolle aus und dürfen diese zur Begründung eines dringenden Tatverdachts nicht herangezogen werden.

KCanG III: Verwertbarkeit von „alten“ SkyECC-Daten, oder: KCanG reicht nicht für Online-Durchsuchung

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Und dann noch etwas zu den Auswirkungen des KCanG auf die Verwertbarkeit von (alten) Messengerdienst-Daten. Darüber habe ich ja schon ein paar Mal berichtet (vgl. u.a. StPO I: Encrochat-/ANOM-/SkyECC-Daten und KCanG, oder: OLG Stuttgart/LG Saarbrücken ggf. unverwertbar; oder: KCanG II: SkyECC-Chatinhalte und das neue KCanG, oder: LG Köln hält sie für verwertbar,oder: KCanG I: Handel mit „nicht geringer Menge“ strafbar?, oder: Einmal hopp, einmal topp zum neuen KCanG).

Dazu habe ich jetzt eine weitere Entscheidung erhalten, und zwar den OLG Karlsruhe, Beschl. v. 24.07.2024 – 3 Ws 221/24. Ergangen ist die Entscheidung in einem beim LG Mannheim anhängigen Verfahren. In dem hatte die Staatsanwaltschaft Mannheim Anklage zum Landgericht Mannheim wegen des Verdachts der Einfuhr von Betäbungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in vier Fällen sowie des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge erhoben. Dem Angeschuldigten wurde zur Last gelegt: Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt, spätestens im April 2020, entschloss sich der zu diesem Zeitpunkt in Spanien aufhältige Angeschuldigte dazu, einen schwunghaften Drogenhandel zu betreiben und die Betäubungsmittel, insbesondere Marihuana und Kokain, in großen Mengen bei seinen Lieferanten in Spanien zu erwerben, um sie sodann ebenfalls in großen Mengen an Abnehmer in Deutschland zu verkaufen und sie dazu in Lkws mit Hilfe von Transportpersonen von Spanien nach Deutschland zu transferieren. Die Absprachen der Verkäufe erfolgten mittels sogenannter Krypta-Handys unter Verwendung des als abhörsicher geltenden Messenger-Dienstes SkyECC. Hierbei nutzte der Angeklagte zwei Kennungen. Dadurch wollte sich der Angeschuldigte eine laufende Einnahmequelle von einigem Umfang und gewisser Dauer sichern und seinen Lebensunterhalt und Eigenkonsum finanzieren.

Das LG hat die Eröffnung des Hauptverfahrens, in dem dem Angeklagten insgesamt fünf Tatkomplexe zur Last gelegt worden sind, u.a. mit der Begründung abgelehnt, weil die aus der Überwachung des Chatverkehrs des Angeklagten gewonnenen Erkenntnisse aus dem Messenger-Dienst SkyECC nach Inkrafttreten des KCanG nicht mehr verwertbar seien. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der StA hatte keinen Erfolg:

„Die Eröffnung des Hauptverfahrens ist zu beschließen, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint (§ 203 StPO). Hinreichende Tatverdacht ist anzunehmen, wenn die nach Maßgabe des Akteninhalts vorzunehmende vorläufige Tatbewertung ergibt, dass die Verurteilung des Angeschuldigten wahrscheinlieh ist (Senat, Beschl. v. 21.07.2005 — 3 Ws 165/04, BeckRS 2005, 33531, beck-online). Auf diese Verdachtsprognose in Gestalt der strafprozessualen Reproduzierbarkeit der im Ermittlungsverfahren erarbeiteten Erkenntnisse in der Hauptverhandlung können auch Beweisverwertungsverbote Einfluss gewinnen (vgl.. BGH, Beschl. v. 01.12.2016 — 3 StR 230/16, NStZ 2017, KK-StPO/Schneider, 9. Aufl. 2023, StPO § 203 Rn. 9 m.w.N.).

Gemessen hieran besteht hinsichtlich der dem Angeschuldigten in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Mannheim vom 08.03.2024 vorgeworfenen Tat Ziff. 2 keine Verurteilungswahrscheinlichkeit Das dem Angeschuldigten diesbezüglich zur Last gelegte Cannabisgeschäft lässt sich, wie im Sonderband „Fallakte 7″ ausführlich und überzeugend dargestellt, in tatsächlicher Hinsicht ohne weiteres aus dem Inhalt der über Kryptohandys des Anbieters SkyECC mit den Kennungen „K 1″ und „K 2“ ausgetauschten Nachrichten ableiten; welche von französischen Ermittlungsbehörden in einem dort geführten Verfahren erhoben und an die Staatsanwaltschaft Mannheim im Wege einer Europäischen Ermittlungsanordnung übermittelt wurden. Weitere einen Verdacht begründende Erkenntnisse liegen hingegen nicht vor.

Allerdings besteht hinsichtlich dieser Inhalte nach Inkrafttreten des Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (Cannabisgesetz — CanG) vom 27.03.2024 (BGBl I, 2024 Nr. 109) am 01.04.2024 ein Beweisverwertungsverbot.

Gesetzliche Rechtsgrundlage für die Verwertung von in einer Hauptverhandlung zu erhebenden Beweisen ist § 261 StPO und zwar unabhängig davon, ob diese zuvor im Inland oder auf sonstige Weise – etwa im Wege der Rechtshilfe – erlangt worden sind. Denn die Frage, ob im Wege der Rechtshilfe erlangte Beweise verwertbar sind, richtet sich ausschließlich nach dem nationalen Recht des um Rechtshilfe ersuchenden Staates, soweit – wie hier – der um Rechtshilfe ersuchte Staat die unbeschränkte Verwendung der von ihm erhobenen und übermittelten Beweisergebnisse gestattet hat (vgl. BGH, Beschluss vom 02.03.2022 — 5 StR 457/21 —, juris, Rn. 25 ff.). Da die in Grundrechte eingreifende Ermittlungsmaßnahmen anders als bei inneren oder im Wege der europäischen Rechtshilfe ersuchten ausländischen Ermittlungsmaßnahmen nicht schon bei deren Anordnung, etwa durch Beschränkung auf besonders schwere Straftaten oder Fälle qualifizierten Verdachts, limitiert werden können, sind die dadurch möglichen Unterschiede bei den Eingriffsvoraussetzungen auf der Ebene der Beweisverwendung zu kompensieren. Hierfür kann auf die in strafprozessualen Verwendungsbeschränkungen verkörperten Wertungen zurückgegriffen werden, mit denen der Gesetzgeber dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei vergleichbar eingriffsintensiven Mitteln Rechnung trägt (vgl. BGH, Beschluss vom 02.03.2022, aaO., Rn. 68). Zur Verwertung von Daten von Nutzern des Kommunikationsdienstes EnchroChat, die von französischen Ermittlungsbehörden auf Grundlage einer Europäischen Ermittlungsanordnung übermittelt wurden, hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass hinsichtlich der Frage der Verwertbarkeit die Vorschrift des § 100e Abs. 5 StPO nach ihrem Wortlaut nicht ausdrücklich angewendet werden kann, da die in Rede stehenden Daten nicht durch Maßnahmen nach den §§ 100b, 100c StPO, sondern durch eigenständige Maßnahmen nach französischem Prozessrecht gewonnen wurden. Allerdings können aufgrund des Gewichts der Maßnahme zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – auch um jede Benachteiligung auszuschließen – die Grundgedanken des § 100e Abs. 6 StPO als Verwendungsschranke mit dem höchsten Schutzniveau fruchtbar gemacht werden (vgl. BGH Beschluss vom 02.03.2022 — 5 StR 457/21, aaO., Rn. 65 f.). Daraus folgt, dass eine Beweisverwertung von Erkenntnissen aus dem Kernbereich privater Lebensführung stets unzulässig ist (vgl. auch § 100d Abs. 2 Satz 1 StPO) und darüber hinaus nach der Wertung des § 100e Abs. 6 Nr. 1 StPO die im Wege europäischer Rechtshilfe erlangten Beweisergebnisse aus dem EncroChat-Komplex in einem Strafverfahren ohne Einwilligung der überwachten Person nur zur Aufklärung einer Straftat, auf Grund derer eine Maßnahme nach § 100b StPO hätte angeordnet werden können, oder zur Ermittlung des Aufenthalts der einer solchen Straftat beschuldigten Person verwendet werden dürfen. Hierbei sind auch die den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz konkretisierenden einschränkenden Voraussetzungen in § 100b Abs. 1 Nr. 2 und 3 StPO in den Blick zu nehmen, wonach die Straftat auch im Einzelfall besonders schwer wiegen und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsorts auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos sein muss (vgl. BGH Beschluss vom 02.03.2022 — 5 StR 457/21, aaO, Rn. 68-69). Für die Prüfung, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist auf den Zeitpunkt der Beweisergebnisse abzustellen (BGH, Beschluss vom 02.03.2022 — 5 StR 457/21, aaO, Rn. 70).

Dieselben Maßstäbe gelten – da sich die Rahmenbedingungen für die Datenerhebung in Frankreich und die Übermittlung der Daten im Wege einer Europäischen Ermittlungsanordnung nicht wesentlich unterscheiden – auch für die Verwertung von im Wege. europäischer Rechtshilfe erlangter Beweisergebnisse hinsichtlich des Krypto-Messengers SkyECC. Ebenso wie die Encro-Chat-Daten sind diese in einem französischen Ermittlungsverfahren erhoben worden und auch die wesentlichen Rahmenbedingungen stimmen zwischen den beiden Anbietern überein. lnsbesondere befand sich – ausweislich der vorliegenden Beschlüsse des in beiden Fällen zuständigen Gerichts in Lille – bei beiden Anbietern der Server, über den die Kommunikation erfolgte, an einem Standort in Roubaix und das Angebot sowohl von Encrochat als auch von SkyECC war dadurch gekennzeichnet, dass die Geräte nicht über legale Vertriebswege verkauft wurden und für die verschlüsselten Geräte ein außergewöhnlich hoher Preis — etwa 1.500 Euro für eine sechsmonatige Nutzung –  zu zahlen war, obwohl die Geräte selbst nur über einen sehr eingeschränkten Funktionsumfang verfügten (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 15.11:2021 — 2 HEs 24 – 30/21 -, Rn. 23, juris).

Gemessen an den genannten Grundsätzen wäre eine Verwertbarkeit der über den Krypto-Messenger SkyECC erlangten Erkenntnisse nur dann zu bejahen, wenn die betreffenden Taten im Verwertungszeitpunkt noch den Anforderungen des § 100b StPO genügten, insbesondere wenn sie auch nach Inkrafttreten des CanG noch Katalogtaten im Sinne des § 100b Abs. 2 StPO darstellten (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 06.06.2024 – 2 Ws 251/24 -, n.v.; KG Berlin, Beschluss s 67/24 – 121 GWs 38/24 juris zu EncroChat; OLG Stuttgart, Beschluss Ws 123/24 – Burhoff online zu Anom).

Im hier zu entscheidenden Fall unterfällt die dem Angeschuldigten in der Anklageschrift vom 08.04.204 zur Last gelegte Tat Ziff. 2, die alleine die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Mannheim nach § 7 StPO begründen könnte, nach dem zum 01.04.2024 als Art. 1 CanG in Kraft getretenen KCanG nicht mehr dem BtMG, sondern ist als Handeltreiben mit Cannabis in Tateinheit mit Einfuhr von Cannabis, gemäß §§ 1 Nr. 8, 2 Abs. 1 Nr. 4 und 5, 34 Abs. 1 Nr. 4 und 5 KCanG zu werten, wobei die Tat eine nicht geringe Mengen Cannabis betrifft und aufgrund der erheblichen Mengen und des Marktwerts eine gewerbsmäßige Begehungsweise nahe liegt, weshalb die Tat einen besonders schwereren Fall gemäß § 34 Abs. 3 Nr. 1 und 4 KCanG darstellt. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Tat einen Verbrechenstatbestand des § 34 Abs. 4 KCanG erfüllt, sind nicht gegeben.

Durch Art. 13a des CanG wurden zeitgleich mit Inkrafttreten des KCanG strafprozessuale Befugnisnormen, u.a. auch § 100b StPO, geändert. Nach § 100b Abs. 2 Nr. 5a StPO in der ab dem 01.04.2024 gültigen Fassung sind schwere Straftaten im Sinne des § 100b Abs. 1 Nr. 1 StPO die Verbrechenstatbestände des § 34 Absatz 4 Nr. 1, 3 oder 4 KCanG. Zu dem maßgeblichen Verwendungszeitpunkt – also der Verwertung der Erkenntnisse im Zwischen- und Hauptverfahren – lag demnach keine Katalogtat im Sinne des § 100b Abs. 2 Nr. 5a StPO mehr vor, weshalb die Verwertbarkeit der Daten ausscheidet und diese zur Begründung des hinreichenden Tatverdachts nicht mehr herangezogen werden können (vgl. OLG Köln aaO.; KG aaO.; OLG Stuttgart aaO).

Soweit im Hinblick auf die Verwertung von im Ausland erhobenen und nach Deutschland zum Zwecke der StrafverfoIgung übermittelten Daten von Krypto-Messengem vertreten wird, für die Frage der Verwertbarkeit sei allein auf den Zeitpunkt der Erhebung abzustellen, da rechtliche Veränderungen ebenso zu behandeln seien wie Veränderungen der Verdachtslage, für die anerkannt sei, dass es für die Prüfung der Verwertbarkeit auf den Zeitpunkt der Anordnung der Eingriffsmaßnahme oder der Verwendung in einem anderen Strafverfahren ankommt (vgl. – nicht tragend – Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 13. Mai 2024 -1 Ws 32/24 – Rn. 72) überzeugt dies nicht. Denn in der Verwendung der aus einem anderen Strafverfahren stammenden personenbezogenen Daten in einem anhängigen Verfahren und in deren Verwertung in einer in diesem Verfahren zu treffenden ‚gerichtlichen Entscheidung liegt ein eigenständiger Grundrechtseingriff. Ob für diesen eine gesetzliche Grundlage besteht, kann und muss daher nach der für den Verwendungs- bzw. Verwertungszeitpunkt geltenden Rechtslage beurteilt werden (BGH, Beschluss vom 21 November 2012— 1 StR 310/12 —, juris, Rn. 45). Nach ständiger Rechtsprechung ist daher bei sich im Verlaufe eines anhängigen Strafverfahrens ändernden strafprozessualen Vorschriften für die Beurteilung der prozessualen Zulässigkeit die neue Rechtslage maßgebend (vgl. BGH, Beschluss. vom 19. Februar 1969 — 4 StR 357/68 -, juris, Rn11; BGH, Urteil vom 27. November 2008 — 3 StR 342/08 juris, Rn. 13; BGH, Beschluss vom 21. November 2012 — 1 StR 310/12, aaO., Rn. 45; BGH, Beschluss vom 02.03.2022 – 5 StR 57/21, aaO., Rn. 70).

Soweit in der Literatur vertreten wird, dass für den Fall, dass nach bisherigem Recht rechtmäßige Maßnahmen für unzulässig erklärt werden, die Frage der Verwertbarkeit der Erkenntnisse – falls keine besondere Überleitungsvorschrift bestehe – jeweils im Einzelfall unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Zwecks der Neuregelung zu beantworten sei (vgl. Kühne/Gössel/Lüderssen in Löwe-Rosenberg StPO, 27. Aufl. 2016, Einleitung E, Rn. 22), führt auch diese Auffassung im vorliegenden Fall nicht zur Verwertbarkeit der von den französischen Ermittlungsbehörden übermittelten Erkenntnisse. Denn eine Prüfung durch den ersuchenden Staat, ob der ersuchte Staat dort vorhandene Beweismittel nach dem Maßstab seiner eigenen nationalen Verfahrensregeln rechtmäßig erlangt hat, ist nicht vorgesehen (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 06.06.2024, 2 Ws 251/24; BGH, Beschluss vom 02.03.2022 — 5 StR 457/21, aaO., Rn. 26).

Dürfen demgemäß die hier verfahrensgegenständlichen Chatnachrichten nur zur Verfolgung von auch im Einzelfäll besonders schwerwiegenden Straftaten im Sinne § 100b Abs. 2 StPO verwendet werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos und der Kernbereich privater Lebensführung nicht berührt ist, und ist zudem für die Prüfung, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, auf den Zeitpunkt der Verwertung der Beweisergebnisse im deutschen Strafverfahren abzustellen, unterliegen die hier relevanten Chat-Nachrichten der Kennungen „K 1″ und „K 2″ nach Inkrafttreten KCanG seit dem 01.04.2024 einem Beweisverwertungsverbot.

Ob auch hinsichtlich der dem Angeschuldigten in der Anklageschrift vom 08.03.2024 zur Last gelegten Taten Ziff. 1, 4 und 5 ein Beweisverwertungsverbot anzunehmen ist, kann jedenfalls derzeit dahinstehen. Denn aufgrund des nicht gegebenen Tatortes in Mannheim und in Ermangelung anderer Gerichtsstände ist hinsichtlich dieser Taten eine örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Mannheim nicht begründet. Da die örtliche Unzuständigkeit einer sachlichen Entscheidung über das Vorliegen der Eröffnungsvoraussetzungen entgegensteht (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 10.09.1998 – 2 Ws 6/98, NStZ-RR 1999, 16; KK-StPO/Gellhorn, 9. Aufl. 2023, StPO § 16 Rn. 8; 3 Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Auflage, § 16 Rn. 4 m.w.N.), war es dem Landgericht verwehrt, die Eröffnung des Hauptverfahrens hinsichtlich dieser Taten abzulehnen. Daher war auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Ziff. 3 des angegriffenen Beschlusses aufzuheben, soweit dort die Eröffnung des Hauptverfahrens hinsichtlich der dem Angeschuldigten in der Anklageschrift vom 08.03.2024 zur Last gelegten Taten Ziff. 1, 4 und 5 abgelehnt wurde, und insoweit die örtliche Unzuständigkeit des Landgerichts Mannheim festzustellen.“

StPO III: Funkzellenabfrage ohne Katalogstraftat, oder: (Neues) Beweisverwertungsverbot

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Und dann noch der BGH, Beschl. v. 10.01.2024 – 2 StR 171/23 – zum Beweisverwertungsverbot nach einer Funkzellenabfrage ohne Katalogstraftat, der für BGHSt bestimmt ist

Folgender Sachverhalt: Das LG hat den Angeklagten wegen Diebstahls mit Waffen in drei Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, und Diebstahls in zwei Fällen verurteilt und im Übrigen freigesprochen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision, die hinsichtlich eines Falls der Verurteilung mit der Verfahrensrüge Erfolg hatte.

Mit seiner Verfahrensrüge hatte der Angeklagte beanstandet, das LG habe bei seiner Beweiswürdigung in einem Verurteilungsfalls der Urteilsgründe retrograde Standortdaten aus einer Funkzellenabfrage rechtsfehlerhaft verwertet. Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde: Auf der Grundlage eines mit „wegen besonders schweren Fall des Diebstahls […] gemäß §§ 242 , 243 StGB “ eingeleiteten Ermittlungsberichts der Polizei vom 12.02.2020 beantragte die Staatsanwaltschaft den Erlass eines „Funkzellenbeschlusses“ beim AG -Ermittlungsrichter. Der Ermittlungsrichter erließ den Beschluss zur Erhebung der nach § 96 TKG in der Fassung vom 03.05.2012 (im Folgenden: § 96 TKG a.F.) erhobenen und gespeicherten Verkehrsdaten, bei mobilen Anschlüssen unter anderem auch der Standortdaten, betreffend die Tatortfunkzelle am Folgetag wegen des Verdachts einer Straftat nach §§ 242, 243 StGB. Der Erhebungszeitraum lief vom 09.02.2020, 22.30 Uhr, bis zum 10.02.2020, 11.58 Uhr. Nach Umsetzung des Beschlusses am 17.02.2020 wurde der Angeklagte auf Basis der erhobenen Verkehrsdaten als möglicher Täter ermittelt. Das LG hat die Inhalte der Funkzellenauswertung im Selbstleseverfahren und durch Vernehmung eines Polizeibeamten entgegen dem jeweiligen Widerspruch der Verteidigung in die Hauptverhandlung eingeführt. Seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten hat es auch auf die Verwertung der aus der Funkzellenabfrage gewonnenen Erkenntnisse gestützt.

    1. Die Anordnung einer Funkzellenabfrage nach § 100g Abs. 3 Satz 1 StPO setzt den Verdacht einer besonders schweren Straftat nach § 100g Abs. 2 StPO voraus. Die in § 100g Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StPO enthaltene Verweisung auf § 100g Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO ist so auszulegen, dass diese zugleich die Anordnungsvoraussetzungen des § 100g Abs. 1 Satz 3 StPO erfasst.
    2. Fehlt es bei einer Funkzellenabfrage nach § 100g Abs. 3 Satz 1 StPO an dem Verdacht einer Katalogtat nach § 100g Abs. 2 StPO, hat dies ein Beweisverwertungsverbot zur Folge.“

Achtung: Widerspruch nicht vergessen!