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Divers II: Erkennungsdienstliche Behandlung?, oder: Welche Stärke hat der Anfangsverdacht noch?

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Urheber Fotografie: Frank C. Müller, Baden-Baden

Die zweite Entscheidung, die ich vorstelle, kommt aus dem verwaltungsrechtlichen Bereich, hat aber Bezüge zum Straf(verfahrens)recht. Der OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 27.2.2023 – OVG 1 M 21/22 – äußert sich zur Notwendigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 81b Abs. 2 Alt. 2 StPO.

Geklagt wird gegen die Anordnung durch die Polizeibehörde. Der Kläger hatte PKH beantragt, die vom VG nicht bewilligt worden ist. Das OVG sieht das anders und bewilligt:

„Zunächst legt das Verwaltungsgericht für die Beurteilung der Notwendigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung einen zutreffenden rechtlichen Maßstab zugrunde, insbesondere dass – wie hier – in Fällen der Einstellung der Anlasstat nach § 170 Abs. 2 StPO Behörden und Gerichte unter Abwägung des Für und Wider sorgfältig begründen müssen, aus welchen Gründen sie dennoch eine erkennungsdienstliche Behandlung für notwendig halten (stRspr, vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2018 – 6 C 39.16 – juris Rn. 21 bis 23).

Das Verwaltungsgericht hat die Notwendigkeit bejaht und sie damit begründet, dass gegen den (minderjährigen) Kläger „in den Jahren 2018 bis 2021 mehrere Ermittlungsverfahren geführt werden mussten. … dass diese Ermittlungsverfahren, darunter insbesondere das den Anlass der Anordnung darstellende Ermittlungsverfahren, wegen Sachbeschädigung an 43 Kraftfahrzeugen, überwiegend auf der Grundlage von § 170 Abs. 2 StPO, eingestellt worden sind und lediglich Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung von Polizeivollzugsbeamten zu einer Anklage vor dem Jugendrichter geführt“ hätten. Die Verfahrenseinstellung beruhe nicht auf der Feststellung, dass der Kläger die Straftaten nicht begangen habe, sondern allein darauf, dass sie dem Kläger nicht hätten nachgewiesen werden können. Dass er zur Begehung derartiger Straftaten bereit sei, zeige sich aber an den Angaben des Herrn pp.. Dieser habe erklärt, der Kläger habe, nachdem er sich durch einen Einbruchsdiebstahl in den Besitz einer Axt gebracht habe, vorgeschlagen, bei einem geparkten Golf die Scheibe „einzuhauen“. Nach Angaben des pp. habe der Kläger ihm gegenüber außerdem erwähnt, in einem BVG-Bus randaliert zu haben. Für die Notwendigkeit spreche schließlich, dass gegen den Kläger nach der Anlasstat ein (ohne Auflagen nach § 154 StPO eingestelltes) Ermittlungsverfahren wegen Bedrohung eingeleitet worden sei und wegen der Beleidigung eines Polizeivollzugsbeamten Anklage vor dem Jugendrichter erhoben worden sei.

Die Beschwerde moniert zu Recht, dass das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Restverdachts und eine sich daraus ergebende Notwendigkeit zur Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen ungenügend geprüft habe, denn die bisher und im maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungsreife dem Erstgericht vorliegenden Informationen reichen nicht aus, um die Notwendigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung abschließend zu beurteilen.

Da die Anfertigung und Aufbewahrung von erkennungsdienstlichen Unterlagen einen gewichtigen Eingriff in die Persönlichkeitssphäre des Betroffenen und dessen Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) darstellt, darf darin nur „soweit“ eingegriffen werden, wie dies zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich geboten und verhältnismäßig ist. Bei nicht volljährigen Betroffenen sind auch das jugendliche Alter und die möglichen negativen Wirkungen für die weitere Entwicklung des Jugendlichen oder Kindes besonders zu berücksichtigen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13. Januar 1999 – 5 B 2562/98 – juris Rn. 17 ff.; Senatsbeschluss vom 3. Dezember 2013 – OVG 1 S 234.13 -, S. 3, n.v.).

Nach diesem Maßstab ist es offen, ob die erkennungsdienstliche Behandlung des Klägers zu Recht angeordnet worden ist. Zwar weist das Verwaltungsgericht zutreffend darauf hin, dass die Einstellung der Anlasstat nicht auf der Feststellung beruhe, dass der Kläger die ihm zur Last gelegten Straftaten nicht begangen habe. Die staatsanwaltschaftliche Einstellungsverfügung führt insoweit aus, der Beschuldigte habe von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht, Tatzeugen und auch sonstige zur Überführung geeignete Beweismittel seien nicht vorhanden, weshalb weitere Nachforschungen keinen Erfolg versprächen. Jedoch fehlt die Notwendigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung nicht erst dann, wenn der Anfangsverdacht, der Anlass zur Einleitung des Ermittlungsverfahrens gegeben hat, vollständig ausgeräumt ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. März 2019 – 6 B 163/18, 6 PKH 10/18 – juris Rn. 11). Vielmehr kommt es darauf an, ob sich aus dem (verbliebenen) Ergebnis des Ermittlungsverfahrens (noch) eine Notwendigkeit zur erkennungsdienstlichen Behandlung herleiten lässt.

Dies war zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife sowie nach den bisher vorliegenden Unterlagen zweifelhaft. Zwar sprechen der Seriencharakter, die Schadenshöhe und die Zerstörungsweise für eine gesteigerte Gewaltbereitschaft und erhöhte kriminelle Energie des Täters der Anlasstat. Jedoch gab es in dem Ermittlungsverfahren zu keiner Zeit Erkenntnisse darüber, dass der Kläger derartige Zerstörungshandlungen tatsächlich ausgeführt hat. Vielmehr konnte nur der Umstand ermittelt werden, dass der Kläger, der eine kurz zuvor aus einem Gewächshaus entwendete Axt mitführte, den pp. mit Blick auf einen parkenden Golf IV gefragt haben soll: „ey wollen wir die Scheibe einhauen“? Von dieser Idee lies der Kläger jedoch gleich ab, nachdem der pp. abgelehnt hatte. Die aus einer abgegebenen Erklärung geschlossene bloße „Bereitschaft“ zu einer solchen Zerstörungshandlung, wie sie das Verwaltungsgericht annimmt, genügt insofern nicht.

Der Verdacht der angezeigten 45 Sachbeschädigungen beruht damit im Ergebnis nur auf einer Vermutung, was die Staatsanwaltschaft Potsdam offenbar selbst so beurteilt hat. So wird in der vom Kläger erstinstanzlich eingereichten staatsanwaltschaftlichen Verfügung vom 21. Juli 2020 (vgl. S. 5 der Antragsbegründung vom 2. Dezember 2021) ausgeführt: „Bezüglich der angezeigten Sachbeschädigungen enthält der Bericht vom 08.07.2020 allenfalls Vermutungen, dass der Beschuldigte Täter der angezeigten Taten sein könnte. Die Vermutung wird darauf gestützt, dass er bereits einschlägig in Erscheinung getreten ist, sich in Tatortnähe aufhielt und am 26.05.2020 gegen 03.45 Uhr mit einer mitgeführten Axt, …, in jenem Gebiet in pp. angetroffen wurde, in dem zuvor Sachbeschädigungen begangen wurden. Konkrete Anhaltspunkte für eine Täterschaft liegen bislang nicht vor.“

Diese staatsanwaltschaftliche Bewertung hat das Verwaltungsgericht bei seiner Prognose der Erfolgsaussichten der Klage ebenso wenig berücksichtigt wie die Tatsache, dass der Beschuldigte am Ende seiner Vernehmung vom 27. Mai 2020 (S. 7) seine Aussage, der Kläger habe vor etwa zwei Jahren in einem BVG-Bus randaliert, korrigierte und stattdessen angab,, pp. sei das damals mit dem Bus gewesen, der Kläger habe den  pp.  bisher nur nicht verraten.

Soweit das Verwaltungsgericht für die Begründung der Notwendigkeit weiter ganz allgemein andere gegen den Kläger in den Jahren 2018 bis 2021 geführte Ermittlungsverfahren ergänzend heranzieht, hat es nicht berücksichtigt, dass hierzu keinerlei konkrete Erkenntnisse vorlagen. Die Existenz dieser Ermittlungsverfahren lässt sich dem Verwaltungsvorgang nur anhand von mehreren formularmäßigen Auskünften aus dem Zentralen Staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister (ZStV) „ZStV Detailansicht – Personenauskunft (Polizeirecht)“ entnehmen (Bl. 35 bis 48 des Verwaltungsvorgangs), die lediglich Stammdaten zur Person, Aktenzeichen der mitteilenden Behörde, Strafnorm und Tattag enthalten sowie ein Stichwort zum jeweiligen Verfahrensausgang (Einstellung nach § 170 Abs. 2 oder § 154 StPO oder Anklage vor dem Jugendrichter). Die Auskünfte belegen, dass von den insgesamt sieben Ermittlungsverfahren fünf nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurden. Ob in diesen Verfahren jeweils überhaupt Anhaltspunkte für einen verbliebenen Restverdacht bestehen, ist anhand der gegenwärtigen Aktenlage nicht zu beurteilen und bedarf ggf. näherer Aufklärung im Klageverfahren.

Lässt sich im Ergebnis bisher kein Restverdacht hinsichtlich der anlassgebenden Sachbeschädigung von 43 Kraftfahrzeugen und der anderen vier nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellten Verfahren feststellen, bleiben lediglich ein nach der Anlasstat gegen den Kläger eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen Bedrohung, dass ausweislich der ZStV-Auskunft ohne Auflagen nach § 154 StPO als unwesentliche Nebenstraftat eingestellt wurde, sowie die Beleidigung eines Polizeivollzugsbeamten, die zu einer Anklage vor dem Jugendrichter führte, übrig. Ungeachtet dessen, dass bislang auch hierfür keine Erkenntnisse über den jeweils konkreten Tatverlauf bzw. -vorwurf vorliegen, könnte es sich bei den Delikten möglicherweise um jugendtypische Verfehlungen aus dem Bagatellbereich handeln, hinsichtlich derer, angesichts des gegenüber Minderjährigen geltenden besonderen Verhältnismäßigkeitsmaßstabes, eine erkennungsdienstliche Behandlung außer Verhältnis stünde. Ob dies zutrifft, ist ggf. im Klageverfahren zu klären.“

Erkennungsdienstliche Behandlung II, oder: Beschuldigter muss man sein

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In der zweiten Entscheidung, dem VG Köln, Beschl. v. 08.07.2020 – 20 L 659/20, den mir der Kollege Dr. Bleicher aus Dortmund geschickt hat, dann noch einmal die Thematik: Erkennungsdienstliche Behandlung. Ergangen ist der Beschluss im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO, nachdem dem Verwaltungshebörde auch die sofortige Vollziehung der angeordneten ED-Behandlung angeordnet hatte. Der Antrag hatte Erfolg:

„Das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt darüber hinaus auch deswegen, weil der angegriffene Bescheid voraussichtlich rechtswidrig ist.

In formeller Hinsicht begegnet der Bescheid bereits Bedenken, da eine Anhörung gemäß § -28 Abs. 1 VwVfG NRW nicht erfolgt ist und auch nicht nach § 28 Abs. 2 VwVfG NRW entbehrlich ist. Daraus allein folgt jedoch nicht das Überwiegen des Aussetzungsinteresses des Antragstellers, da die Anhörung bis zum Abschluss des Gerichtsverfahrens durch den Beklagten nachgeholt werden kann.

Die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung ist allerdings auch materiell rechtswidrig.

Nach § 81b 2. Alt. StPO dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden, soweit es für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist.

Es fehlt bereits an der Beschuldigteneigenschaft des Antragstellers.

Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 81b 2. Alt. StPO sind die Maßnahmen nur gegen den Beschuldigten zulässig. Beschuldigter ist, gegen den das Verfahren auf der Grundlage zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Straftat im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO betrieben wird. Dabei bedarf es nicht der förmlichen Einleitung eines Ermittlungsverfahrens. Es genügt vielmehr, dass gegen den Betroffenen mit dem Willen der Strafverfolgung eine Maßnahme ergriffen wird, die nur gegen einen Beschuldigten gerichtet werden kann oder wenn die Staatsanwaltschaft nach §§ 161, 162 StPO um die Vernehmung einer Person als Beschuldigter ersucht. Zwar besteht bei einer erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 81b 2. Alt. StPO kein unmittelbarer Zweckzusammenhang zwischen der Beschuldigteneigenschaft des Betroffenen und den gesetzlichen Zielen der Aufnahme und Aufbewahrung der erkennungsdienstlichen Behandlung. Die Voraussetzung, dass der Adressat der Maßnahme Beschuldigter ist, gewährleistet jedoch, dass die Anordnung nicht an beliebige Tatsachen anknüpft und nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt ergeht, sondern dass sie aus einem konkret gegen den Betroffenen als Beschuldigten geführten Strafverfahren hervorgeht und sich die Notwendigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung jedenfalls auch aus den Ergebnissen dieses Verfahrens ergibt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 27.06.2018 – 6 C 39/16 – juris Rn 16; Brauer, in: Gercke/Julius/Temming/Zöller, Strafprozessordnung, 6. Aufl. 2019, § 81b, Rn 5 f. mwN.

Diese Voraussetzungen liegen beim Antragsteller im maßgeblichen Zeitpunkt der Anordnung nicht vor. Die letzte gegen ihn geführte Maßnahme vor der erkennungs-dienstlichen Behandlung ist die Vorladung zur Vernehmung als Zeuge am 29.01.2020. Soweit der Antragsgegner vorträgt, der Statuswechsel zum Beschuldig-ten erkläre sich durch die im Laufe der Ermittlungen gewonnenen Erkenntnisse durch die Auswertung der elektronischen Speichermedien, mag dies inhaltlich zutreffen. Ein nach außen erkennbarer Akt, aus dem sich der Wechsel zum Beschuldigten ergeben könnte, ist jedoch nicht ersichtlich.

Darüber hinaus fehlt auch die für eine erkennungsdienstliche Behandlung erforderliche Wiederholungsgefahr, die diese Behandlung notwendig macht.

Eine erkennungsdienstliche Behandlung gemäß § 81 b 2. Alt. StPO kann angeordnet werden, wenn der anlässlich des gegen den Betroffenen gerichteten Ermittlungs- oder Strafverfahrens festgestellte Sachverhalt nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalls – insbesondere angesichts der Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen zur Last gelegten Straftaten, seiner Persönlichkeit sowie unter Berücksichtigung des Zeitraums, während dessen er strafrechtlich nicht (mehr) in Erscheinung getreten ist – Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene künftig mit guten Gründen als Verdächtiger in den Kreis potentieller Beteiligter an einer strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen fördern könnten, indem sie den Betroffenen überführen oder entlasten.

Vgl. ständige Rechtsprechung des BVerwG, Beschluss vom 06.07.1988 – 1 B 61.88 – sowie Urteil vom 23.11.2005 – 6 C 2.05 -; beide: juris.

Maßgeblich ist demnach, ob der Antragsteller vorliegend mit guten Gründen als Verdächtiger in den Kreis potentieller Beteiligter an noch aufzuklärenden Handlungen dieser oder ähnlicher Art einzubeziehen ist.

Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art 2 Abs. 1 i.V.m. Art 1 Abs. 1 GG, der verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und der präventive Charakter der erkennungsdienstlichen Maßnahmen verlangen eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse und dem Interesse des Betroffenen, entsprechend dem Menschenbild des Grundgesetztes nicht bereits deshalb als potentieller Rechtsbrecher behandelt zu werden, weil er sich irgendwie verdächtig gemacht hat oder anzeigt worden ist.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25.06.1991 – 5 A 1257/90 – und vom 29.11.1994 5 A 2234/93 -.

Dabei kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für die Beurteilung der Notwendigkeit der angeordneten und bereits vollzogenen erkennungsdienstlichen Maßnahmen auf die Sachlage im Zeitpunkt der tatsächlichen Vornahme dieser Maßnahmen an.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14.07.2014 – 6 B 2/14 – juris.

Die genannten Voraussetzungen liegen nicht vor. Ausweislich der vorgelegten Vorgänge spricht für eine Tatbegehung, dass der Antragsteller türkischstämmiger Taxifahrer ist und zudem auf das vom Zeugen A. wahrgenommene Taxi seines Bruders Ibrahim Gülen Zugriff hat. Außerdem ist er dem Beschuldigten K. bekannt. Wenn der Antragsgegner aus diesen Umständen den Verdacht herleitet, dass auch der Antragsteller Täter des in Rede stehenden Betrugs sein könnte, rechtfertigt dies weitere Ermittlungen zur Aufklärung der Täterschaft der konkret in Rede stehenden Tat. Im Rahmen der Ermittlungen zur Aufklärung der konkreten Tat kann unter Umständen auch eine erkennungsdienstliche Behandlung vorgenommen werden. Von dieser Notwendigkeit scheint auch der Antragsgegner auszugehen, wenn er erklärt, die Strafverfolgungsvorsorge benötige Lichtbilder des Antragstellers, um den abkaufen-den Unternehmern in den jeweiligen Beschuldigtenvernehmungen Lichtbilder des Antragsstellers zeigen zu können, um diesen gegebenenfalls als Täter identifizieren zu können. Damit begründet der Antragsgegner die erkennungsdienstliche Behandlung jedoch mit dem Zweck der Aufklärung einer Straftat, die sich allein an § 81b 1. Alt. StPO misst. Hingegen liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass eine erkennungsdienstliche Behandlung nach § 81b 2. Alt. StPO aus präventiven Gesichts-punkten heraus gerechtfertigt wäre. Denn der Antragsgegner hat bisher keine Anhaltspunkte dafür vorgebracht, wieso bei dem Antragssteller von einer Wiederholung der möglicherweise begangenen Tat auszugehen sei. Es handelt sich nicht um ein Neigungsdelikt. Auch einschlägige, vorhergegangene Straftaten oder Ermittlungsverfahren, die auf ein bestimmtes Verhaltensmuster oder eine bestimmte Persönlichkeit des Antragstellers schließen ließen, liegen, soweit ersichtlich, nicht vor. Die Begründung der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung erschöpft sich darin, dass aufgrund der Art und Weise der Tatausführung eine Wiederholungsgefahr ergebe. Allein der Verdacht der erstmaligen, konspirativen Weiterveräußerung von falsch ausgestellten Bahngutscheinen und die Eigenschaft als Taxifahrer begründet eine Wiederholungsgefahr indessen nicht.

Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, ob die Anordnung sich mangels  Beschuldigteneigenschaft auf § 14 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW stützen ließe, da auch § 14 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW eine Wiederholungsgefahr fordert.

Vgl. zu der streitigen Frage, ob § 14 Abs. 1 Nr, 2 PolG NRW die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen zum Zwecke der Strafverfolgungsvorsorge nach der Änderung des Polizeigesetzes zum 09.02.2010 noch ermöglicht: OVG NRW, Beschluss vom 11.04.2016 – 5 E 772/15 – juris Rn 9; im Anschluss daran VG Düsseldorf, Urteil vom 30.08.2018 – 18 K 15809/17 – juris Rn 23; ebenso: Ogorek/Molitor, in: Möstl/Kugelmann, BeckOK Polizei- und Ordnungsrecht NRW, 12. Ed., Stand 10.07.2019, § 14 PolG NRW, Rn 8.“

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Streitwert folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG. Das Gericht hat dabei für die Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutz die Hälfte des für ein Klageverfahren maßgeblichen Streitwertes festgelegt.

Erkennungsdienstliche Behandlung I, oder: Wiederholungsgefahr und eingestellte Bagatelldelikte

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Im Kessel Buntes dann heute zwei Entscheidungen zur sog. erkennungsdiesntlichen Behandlung nach § 81b StPO und der Löschung etwaiger Ergebnisse nach Beendigung des Verfahrens. Ein Bereich, in dem es und um den es immer wieder Diskussionen gibt.

Ich beginne mit dem OVG Sachsen, Beschl. v. 16.06.2020 – 3 A 346/20, dem folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

Gegen den Kläger ist gem. § 81b Alt. 2 StPO die erkennungsdienstliche Behandlung des Klägers „in Form der Anfertigung eines Ganzkörperbilds, Dreiseitenbilds, Detailbilds, einer Personenbeschreibung, „Messen und Wiegen“, Zehn-Finger- und Handflächenabdrucks angeordnet [worden]. Zur Begründung zog der Beklagte ein bei der Polizeidirektion D. im Jahr 2015 eröffnetes Ermittlungsverfahren u. a. wegen Landfriedensbruchs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung heran. Dem Kläger wird hierin vorgeworfen, aus einer Gruppe von etwa elf Personen heraus in der Nacht vom 00. auf den 00.00.0000 in D. körperliche Angriffe gegen eine Gruppe von Geschädigten ausgeübt und diese auch beleidigt zu haben. Gegen den daraufhin erlassenen Strafbefehl des Amtsgerichts D. vom 00.00.0000 legte der Kläger Einspruch ein. Gegen den Kläger sind ausweislich einer im Widerspruchsbescheid enthaltenen Übersicht (S. 2 f. des Widerspruchsbescheids) zwischen 2003 sowie 2014 15 Ermittlungs- oder Strafverfahren geführt worden. Die Verfahren wurden mit Verurteilungen zu Geldstrafen abgeschlossen oder gemäß §§ 153, 154, 170 Abs. 2 StPO als Bagatellsachen, als unwesentliche Nebenstraftat oder mangels Nachweisbarkeit der Täterschaft eingestellt.“

Das VG hat die Klage des Klägers abgewiesen. Dagegen dann der Antrag auf Zulassung der Berufung, den das OVG zurückgewiesen hat:

„2. Die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zuzulassen.

Zweifel im Sinne der genannten Vorschrift bestehen dann, wenn ein tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Kammerbeschl. v. 21. Dezember 2009 – 1 BvR 812/09 -, NJW 2010, 1062) und sich das angegriffene Urteil im Ergebnis nicht aus anderen Gründen als offensichtlich richtig erweist (BVerwG, Beschl. v. 10. März 2004 – 7 AV 4.03 -, juris Rn. 7 ff.).

Der Kläger trägt hierzu mit Schriftsatz vom 28. April 2020 vor: Die Tatsache, dass ihm gegenüber ein noch nicht rechtskräftiger Strafbefehl ergangen sei, zeige, dass der Vorwurf offensichtlich nicht schwer sei. Er sei bislang nur dreimal wegen ersichtlicher Bagatellkriminalität verurteilt worden; die übrigen Verfahren seien aus verschiedenen Gründen eingestellt worden. Es sei falsch, dass noch ein „Restverdacht“ gegeben sei. Das Gesetz kenne den Begriff der erwiesenen Unschuld nicht. Die Tatsache, dass seit 2016 keine Verfahren mehr anhängig gemacht worden seien, zeige, dass sich seine Lebenssituation und die Einstellung zu Regelverstößen geändert hätte. Die Schlussfolgerung einer „rechten Gesinnung“ lasse sich aus dem Sachverhalt nicht ableiten, sondern sei reine Spekulation über die rechtlich letztlich nicht bedeutsame Gesinnung im Zusammenhang mit nicht nachgewiesener Täterschaft wegen einer nicht aufklärbaren Straftat. Es handelt sich um einen klassischen Zirkelschluss. Es werde vom Gericht nicht belastbar dargestellt, aus welchen Tatsachen sich tatsächlich die unterstellte Befürchtung weiterer Straftaten ergeben solle. Die Vorteile einer erkennungsdienstlichen Behandlung seien derart allgemein gehalten, dass sie letztendlich auf jedermann zutreffen könnten. Die Sache habe wegen des erheblichen Grundrechtseingriffs gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und die Missachtung der Unschuldsvermutung erhebliche Bedeutung.

Das Vorbringen rechtfertigt keine Zulassung der Berufung. Die Prognose des Beklagten ist nicht zu beanstanden, der Kläger werde voraussichtlich auch in Zukunft strafrechtlich in Erscheinung treten.

Mit dem Verwaltungsgericht ist der Senat der Auffassung, dass die Anlasstat und die weiteren gegen den Kläger geführten Ermittlungs- und Strafverfahren die Annahme einer Wiederholungsgefahr rechtfertigen. Dabei können auch Ermittlungsverfahren herangezogen werden, die nicht wegen erwiesener Unschuld gemäß § 170 Abs. 2 StPO, sondern mangels Nachweises der Tat oder aus anderen Gründen eingestellt worden sind (SächsOVG, Beschl. v. 6. Februar 2017 – 3 A 862/16 -, juris Rn. 9 m. w. N.). Aufgrund der präventiv-polizeilichen Ausrichtung der erkennungsdienstlichen Behandlung entfällt die Notwendigkeit von erkennungsdienstlichen Maßnahmen nicht von Vornherein infolge derartiger Verfahrenseinstellungen, mithin bei Ermittlungs- und Strafverfahren, die nicht wegen erwiesener Unschuld des Klägers zur Einstellung gelangt sind. Behörde und Gericht müssen sich unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände des Falls damit auseinandersetzen, aus welchen Gründen eine erkennungsdienstliche Behandlung dennoch notwendig ist (st. Rspr.; vgl. SächsOVG, Urt. v. 19. April 2018 – 3 A 215/17 -, juris Rn. 22 m. w. N.; BVerwG, Urt. v. 27. Juni 2018 – 6 C 39/16 -, juris Rn. 23 m. w. N.). Die Berücksichtigung auch solcher Ermittlungsverfahren verstößt nicht gegen die strafrechtliche Unschuldsvermutung (hierzu im Einzelnen SächsOVG, Beschl. v. 5. Mai 2014 – 3 A 82/13 -, juris Rn. 5 m. w. N.). Davon ausgehend hat das Gericht insbesondere die erkennbaren Lebensumstände des Klägers und seine gegenüber seiner Prozessbevollmächtigten gemachten Äußerungen herangezogen. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO; S. 7-9 der Urteilsgründe).

Schließlich ändert an dem Ergebnis auch nichts, dass es sich angeblich bei mehreren strafrechtlichen Ermittlungsverfahren nur um Bagatellkriminalität gehandelt haben soll. Denn – auch hierauf hat das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen – der Kläger ist nicht nur allein im Bereich von Bagatelldelikten auffällig geworden, sondern insbesondere auch mit Körperverletzungsdelikten und Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz, wegen Tankbetrugs und Fahren ohne Fahrerlaubnis und damit mit von einem erheblichen Unrechtsbewusstsein geprägten Straftatsvorwürfen.

Auch die vom Verwaltungsgericht gebilligte Prognose des Beklagten ist nicht zu beanstanden. Dabei hat es nicht entscheidungserheblich auf die mögliche (rechte) Gesinnung des Klägers abgestellt, sondern darauf, dass auch nach seinen von seiner Prozessvertreterin in der mündlichen Verhandlung mitgeteilten Äußerungen ihr gegenüber der Kläger auch heute noch Teil eines Freundeskreises ist, den er selber als „falsche Leute“ bezeichnet und wegen derer er in „ein Fadenkreuz hineingeraten“ sei. Die Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts, dass mangels ausreichender Distanzierung von seinem bisherigen Freundeskreis auch in Zukunft mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Begehung von Straftaten zu erwarten sei, ist unter diesen Vorgaben durchaus naheliegend. Schließlich geht es zu Lasten des Klägers, wenn er die empfohlene Teilnahme an der mündlichen Verhandlung nicht dafür genutzt hat, zur weiteren Aufklärung seiner derzeitigen Lebensverhältnisse zur Verfügung zu stehen. Angesichts dessen kann keine Rede davon sein, dass das Verwaltungsgericht nur Spekulationen angestellt und nur allgemein gehaltene Vermutungen abgegeben habe. Auch ist die Feststellung des Verwaltungsgerichts nachvollziehbar, dass allein der bisherige etwa dreijährige Zeitraum, in dem der Kläger strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten ist, zu kurz sei, um von einer gefestigten Veränderung der Lebensumstände und damit von einer nicht mehr bestehenden Wiederholungsgefahr auszugehen.“

Erkennungsdienstliche Behandlung, oder: Kommt jetzt eine „Penisdatendatei“?

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Über den VG Cottbus, Beschl. v. 14.02.2018 – 3 L 95/18 – haben ja schon andere Blogs berichtet. Ich greife die Entscheidung heute dann aber mal im „Kessel Buntes“ auf.

Es geht um einen Polizeibeamten, der mit einem 13-Jährigen Mädchen sexuellen Kontakt über das Internet gehabt haben soll. Gegen ihn wird wegen eines Sexualdelikts ermittelt wird. Dem Polizeibeamten wird vorgeworfen, von seinem Dienstrechner aus über einen privaten Account erotische Kontakte zu dem Mädchen gesucht und von ihr Bilder gefordert zu haben. Obwohl der Polizeibeamten von sich selbst nur Bilder seines Gesichts und seines unbekleideten Oberkörpers verschickt hat, wird ihmgem. § 81b Abs. 2 StPO aufgegeben, eine Abbildung seines Geschlechtteils zu „liefern“. Der Polizeibeamte legt dagegen Widerspruch ein und begehrt einstweiligen Rechtsschutz.

Und: Man – glaubt es nicht – er unterliegt beim VG. Die Maßnahme sei verhältnismäßig:

„Schließlich ist auch gegen die ausdrücklich angeordnete Abbildung des Geschlechtsteils des Antragstellers zum Zwecke des Erkennungsdienstes nichts zu erinnern; auch diese Maßnahme ist i.S.v. § 81 2. Alt. StPO notwendig und bewegt sich im Rahmen der Verhältnismäßigkeit. Der Antragsgegner führt insoweit zu Recht aus, dass es nicht auszuschließen sei, dass der Antragsteller zu anderen Kindern Kontakt gesucht hat und es hierbei zum Austausch von Fotos, vor allem Nacktfotos, gekommen sein könnte. Dass der Antragsgegner die so gewonnenen erkennungsdienstlichen Unterlagen nicht (nur) zu repressiven Maßnahmen, also zur Aufklärung von bereits begangenen Straftaten nutzen möchte, sondern zu präventiven Zwecken für notwendig erachtet, wird entgegen der Ansicht des Antragstellers hinreichend deutlich. So führt der Antragsgegner nämlich aus, dass es (auch) der Aufnahme des Geschlechtsteils des Antragstellers bedürfe, um diesen in ähnlich gelagerten oder zukünftigen Fällen entweder schneller als Täter ermitteln oder gegebenenfalls auch ausschließen zu können. Dass insoweit Abbildungen des Geschlechtsteils des Antragstellers bei der Identifizierung eines Tatverdächtigen im Bereich pädophil-sexueller Delikte belastend oder entlastend hilfreich sein können, liegt hierbei auf der Hand. Sexualdelikte sind davon geprägt, dass den Geschlechtsorganen bei der Tatbegehung eine hervorgehobene Bedeutung zukommt. Geschehen diese -wie im Internet nicht unüblich- durch Austausch von Bildern, kann insoweit ein Abgleich mit im Rahmen des Erkennungsdienstes gewonnenen Bildern erfolgen. Es liegen im vorliegenden Fall aufgrund der Anlasstat auch hinreichend gewichtige Anhaltspunkte vor, dass es im Fall des Antragstellers zu solchen Handlungen kommen kann, in welchem auch der Antragsteller Bilder seines Intimbereichs verschicken könnte. Im Rahmen der Anlasstat hat nämlich der Antragsteller nicht nur Fotos des minderjährigen Mädchens begehrt. Er soll vielmehr auch Fotos von sich verschickt haben. Auch wenn er auf diesen Bildern lediglich mit seinem Gesicht und unbekleideten Oberkörper zu sehen sein soll, ist dies gleichwohl hinreichend gewichtiges Indiz für die Annahme, dass der Antragsteller sich nicht nur auf das Konsumieren von Bildern von anderen Personen beschränken sondern auch bereit sein dürfte, Fotos von sich zu versenden, so dass die vom Antragsgegner aus kriminalistischer Erfahrung gewonnene Annahme, es könne zum Austausch von Nacktfotos kommen, auch im Falle des Antragstellers nicht fernliegend ist.

Soweit der Antragsteller damit, es erscheine äußerst fraglich, ob männliche Geschlechtsteile Merkmale aufwiesen, die eine eindeutige Identifizierung zuließen, die generelle Geeignetheit und Notwendigkeit der Maßnahme in Frage stellen möchte, greift dies nicht. Gleiches gilt für den Einwand, es sei fraglich, wie eine Abbildung des Penis des Antragstellers im schlaffen Zustand zu einer Identifizierung auf einem versendeten Bild im dann wohl eher erregten Zustand führen könne, da es einen erheblichen Unterschied mache, ob der Penis im erigierten oder schlaffen Zustand abgebildet werde. Zwar mag es zutreffen, dass ein Penis (im erigierten oder weniger stark durchbluteten Zustand) und das Scrotum nicht mit der Eindeutigkeit eine Identifizierung seines Trägers zulassen, wie etwa Gesichtszüge eine bestimmte Person kennzeichnen. Gleichwohl weisen diese Körperteile Merkmale und eine Variationsbreite hinsichtlich Größe, Farbe und Gestalt auf, die zumindest eine Eingrenzung der in Betracht kommenden Verdächtigten ermöglichen. Sie können zudem besondere angeborene (z.B. ein Muttermal oder Leberfleck) oder erworbene (z.B. Warzen, Tattoo, Piercing, Narben) Merkmale besitzen, die den Kreis der möglichen Verdächtigen noch weiter einschränken.“

Für mich schon – gelinde ausgedrückt – schwer nachzuvollziehen….

Videofotografie vom Fußballfan für das „Polizeialbum“ – so einfach geht das nicht…..

FootballMaßnahmen gegen Fußballfans sind in der Rechtsprechung angekommen. Nach dem OLG Bamberg, Beschl. v. 24. 11. 2015 – 3 Ss OWi 1176/15 betreffend das Vermummungsverbot (vgl. dazu Für Fußballfans: Vermummungsverbot auch im überdachten Tribünenbereich eines Fußballstadions?) bin ich vor einigen Tagen dann noch auf das VG Köln, Urt. v. 05.11.2015 – 20 K 3466/13 – gestoßen. Das betrifft die erkennungsdienstliche Behandlung eines Fußballfans, die vom VG Köln als teilweise rechtswidrig angesehen worden ist. Es ging um Vorfälle in Zusammenhang mit dem Bundesligaspiel zwischen Fortuna Düsseldorf und Eintracht Frankfurt am Abend des 30.11.2012 in Düsseldorf. Bereits im Vorfeld des Spiels war es im Rahmen der Fananreise zu Gewalttätigkeiten und Ausschreitungen sog. Problemfans aus Frankfurt u.a. in Zügen der DB gekommen. Die Landespolizei Düsseldorf setzte nach Spielende Shuttle-Busse ein, die die Frankfurter Fans zum Düsseldorfer Hauptbahnhof brachten und führte die Fans zum Eingang des Bahnhofsgebäudes. Im Hauptbahnhof wurden die Fans durch die Bundespolizei aufgefordert, einzeln ihren Ausweis so hochzuhalten, dass das Gesicht eines jeden einzelnen Fans zusammen mit seinem Ausweis videofotografiert werden konnte. Diese Maßnahme wurde auch beim späteren Kläger durchgeführt. Die Bundespolizei begründete die Anordnung mit zu erwartenden Ausschreitungen im Bereich der Bahnanlagen durch abreisende Frankfurter Fans. Der betroffene Fan hatte gegen diese Maßnahme der Bundespolizei Klage erhoben und wollte festgestellt wissen, dass es sich um eine rechtswidrige Identitätsfeststellung und um eine rechtswidrige erkennungsdienstliche Behandlung gehandelt habe. Denn er selbst habe sich noch nie an Ausschreitungen beteiligt und den Bahnhof an diesem Abend auch gar nicht aufsuchen wollen.

Das Ergebnis: Soweit der Fan die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Identitätsfeststellung beantragt hatte, hat das VG die Klage abgewiesen, weil keine Identitätsfeststellung erfolgt sei. Denn im Zeitpunkt ihrer Durchführung habe die Maßnahme nicht der Identifizierung der jeweiligen Person gedient, was aber eine Identitätsfeststellung charakterisiere. Vielmehr sei es von der Zielsetzung her um eine erkennungsdienstliche Maßnahme gegangen. Deren Voraussetzungen hätten jedoch nicht vorgelegen, weil der Kläger einer Straftat nicht verdächtig gewesen sei. Insoweit hatte die Klage daher Erfolg:

„Die von den Beamten der Beklagten im Hauptbahnhof Düsseldorf durchgeführte Maßnahme, von der der Kläger betroffen war, stellt der Sache nach ausschließlich eine erkennungsdienstliche Behandlung gegen eine Einzelperson dar.

Als Rechtsgrundlage kommt daher allein § 24 Abs. 1 BPolG in Betracht. Die Maßnahme ist jedoch im vorliegenden Fall von § 24 BPolG nicht gedeckt.

Nach § 24 Abs. 1 BPolG kann die Bundespolizei zu präventivpolizeilichen Zwecken erkennungsdienstliche Maßnahmen vornehmen, wenn 1.) eine nach § 23 Abs. 1 oder 2 zulässige Identitätsfeststellung auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten möglich ist oder 2.) dies zur Verhütung von Straftaten im Sinne des § 12 Abs. 1 erforderlich ist, weil der Betroffene verdächtig ist, eine solche Straftat begangen zu haben und wegen der Art oder Ausführung der Tat die Gefahr einer Wiederholung besteht.

Erkennungsdienstliche Maßnahmen zielen auf die Erfassung äußerer körperlicher Merkmale einer Person.

Die Beamten der Beklagten haben – was zwischen den Beteiligten von Anfang an unstreitig war und ist – das Gesicht des Klägers zusammen mit seinem Ausweis videofotografiert. Sie haben dadurch eine erkennungsdienstliche Maßnahme im Sinne von § 24 Abs. 3 Nr. 2 BPolG (Aufnahme von Lichtbildern einschließlich Bildaufzeichnungen) beim Kläger vorgenommen.

Die Voraussetzungen für eine erkennungsdienstliche Behandlung lagen im vorliegenden Fall jedoch weder nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 noch nach Nr. 2 BPolG vor.

Erkennungsdienstliche Maßnahmen nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 BPolG müssen einer Identitätsfeststellungen nach § 23 Abs. 1 oder 2 BPolG dienen, solche nach Abs. 2 verschaffen der Polizei Unterlagen, um den Betroffenen bei späteren Anlässen wiederzuerkennen. Sie dienen folglich dazu, der Polizei vorsorglich – und zwar unabhängig vom bestehenden strafprozessualen Status einer Person – ein Hilfsmittel zur Verhütung von Straftaten zu Verfügung zu stellen.

Die erkennungsdienstliche Maßnahme der Beklagten diente im vorliegenden Fall nicht einer Identitätsfeststellung.

Unter einer Identitätsfeststellung wird die Erhebung und Überprüfung derjenigen Personalien einer Person verstanden, aus denen sich die Identität des Betroffenen ergibt. Die Identität einer Person ist vollständig und umfassend festgestellt, wenn Familienname, Vorname, Geburtsort, Geburtsdatum, Anschrift, Staatsangehörigkeit, Familienstand und ggf. Beruf aufgrund der durchgeführten Maßnahmen so feststehen, dass nennenswerte Zweifel ausgeschlossen erscheinen. Vgl. dazu Drewes, Malmberg, Walter, Kommentar zum BPolG, 5. Auflage 2015, § 23 Rn. 9

Eine solche unmittelbare und sofortige Feststellung der Identität des Betroffenen wurde nach Angaben der für den Einsatz verantwortlichen Polizeiführerin, der Zeugin POR L2., entsprechend ihrer Anordnung jedoch insgesamt nicht vorgenommen und auch nicht bezweckt. Die Zeugin POR L2. gab dazu auf Befragen unmissverständlich an, dass der konkrete Name des Ausweisinhabers im Zeitpunkt der Maßnahme keine Rolle gespielt habe und auch nicht festgestellt worden sei. Das betrifft auch das Herausfiltern von Problemfans; auch insoweit waren die Namen der Personen nicht relevant. Ziel der Maßnahme war danach hier vielmehr eine vorsorgliche Erhebung und Speicherung von Daten für den Fall der Begehung von Straftaten im Zuständigkeitsbereich der Beklagten, die aufgrund der von der Beklagten dargestellten Gesamtsituation – der Gegebenheiten bei der Anreise der Fans, insbesondere der sogenannten Problemfans, deren Verhalten in Düsseldorf sowie am und im Stadion – aus den Reihen der Frankfurter Fans erwartet wurden.“