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Erkennungsdienstliche Behandlung, oder: Kommt jetzt eine „Penisdatendatei“?

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Über den VG Cottbus, Beschl. v. 14.02.2018 – 3 L 95/18 – haben ja schon andere Blogs berichtet. Ich greife die Entscheidung heute dann aber mal im „Kessel Buntes“ auf.

Es geht um einen Polizeibeamten, der mit einem 13-Jährigen Mädchen sexuellen Kontakt über das Internet gehabt haben soll. Gegen ihn wird wegen eines Sexualdelikts ermittelt wird. Dem Polizeibeamten wird vorgeworfen, von seinem Dienstrechner aus über einen privaten Account erotische Kontakte zu dem Mädchen gesucht und von ihr Bilder gefordert zu haben. Obwohl der Polizeibeamten von sich selbst nur Bilder seines Gesichts und seines unbekleideten Oberkörpers verschickt hat, wird ihmgem. § 81b Abs. 2 StPO aufgegeben, eine Abbildung seines Geschlechtteils zu „liefern“. Der Polizeibeamte legt dagegen Widerspruch ein und begehrt einstweiligen Rechtsschutz.

Und: Man – glaubt es nicht – er unterliegt beim VG. Die Maßnahme sei verhältnismäßig:

„Schließlich ist auch gegen die ausdrücklich angeordnete Abbildung des Geschlechtsteils des Antragstellers zum Zwecke des Erkennungsdienstes nichts zu erinnern; auch diese Maßnahme ist i.S.v. § 81 2. Alt. StPO notwendig und bewegt sich im Rahmen der Verhältnismäßigkeit. Der Antragsgegner führt insoweit zu Recht aus, dass es nicht auszuschließen sei, dass der Antragsteller zu anderen Kindern Kontakt gesucht hat und es hierbei zum Austausch von Fotos, vor allem Nacktfotos, gekommen sein könnte. Dass der Antragsgegner die so gewonnenen erkennungsdienstlichen Unterlagen nicht (nur) zu repressiven Maßnahmen, also zur Aufklärung von bereits begangenen Straftaten nutzen möchte, sondern zu präventiven Zwecken für notwendig erachtet, wird entgegen der Ansicht des Antragstellers hinreichend deutlich. So führt der Antragsgegner nämlich aus, dass es (auch) der Aufnahme des Geschlechtsteils des Antragstellers bedürfe, um diesen in ähnlich gelagerten oder zukünftigen Fällen entweder schneller als Täter ermitteln oder gegebenenfalls auch ausschließen zu können. Dass insoweit Abbildungen des Geschlechtsteils des Antragstellers bei der Identifizierung eines Tatverdächtigen im Bereich pädophil-sexueller Delikte belastend oder entlastend hilfreich sein können, liegt hierbei auf der Hand. Sexualdelikte sind davon geprägt, dass den Geschlechtsorganen bei der Tatbegehung eine hervorgehobene Bedeutung zukommt. Geschehen diese -wie im Internet nicht unüblich- durch Austausch von Bildern, kann insoweit ein Abgleich mit im Rahmen des Erkennungsdienstes gewonnenen Bildern erfolgen. Es liegen im vorliegenden Fall aufgrund der Anlasstat auch hinreichend gewichtige Anhaltspunkte vor, dass es im Fall des Antragstellers zu solchen Handlungen kommen kann, in welchem auch der Antragsteller Bilder seines Intimbereichs verschicken könnte. Im Rahmen der Anlasstat hat nämlich der Antragsteller nicht nur Fotos des minderjährigen Mädchens begehrt. Er soll vielmehr auch Fotos von sich verschickt haben. Auch wenn er auf diesen Bildern lediglich mit seinem Gesicht und unbekleideten Oberkörper zu sehen sein soll, ist dies gleichwohl hinreichend gewichtiges Indiz für die Annahme, dass der Antragsteller sich nicht nur auf das Konsumieren von Bildern von anderen Personen beschränken sondern auch bereit sein dürfte, Fotos von sich zu versenden, so dass die vom Antragsgegner aus kriminalistischer Erfahrung gewonnene Annahme, es könne zum Austausch von Nacktfotos kommen, auch im Falle des Antragstellers nicht fernliegend ist.

Soweit der Antragsteller damit, es erscheine äußerst fraglich, ob männliche Geschlechtsteile Merkmale aufwiesen, die eine eindeutige Identifizierung zuließen, die generelle Geeignetheit und Notwendigkeit der Maßnahme in Frage stellen möchte, greift dies nicht. Gleiches gilt für den Einwand, es sei fraglich, wie eine Abbildung des Penis des Antragstellers im schlaffen Zustand zu einer Identifizierung auf einem versendeten Bild im dann wohl eher erregten Zustand führen könne, da es einen erheblichen Unterschied mache, ob der Penis im erigierten oder schlaffen Zustand abgebildet werde. Zwar mag es zutreffen, dass ein Penis (im erigierten oder weniger stark durchbluteten Zustand) und das Scrotum nicht mit der Eindeutigkeit eine Identifizierung seines Trägers zulassen, wie etwa Gesichtszüge eine bestimmte Person kennzeichnen. Gleichwohl weisen diese Körperteile Merkmale und eine Variationsbreite hinsichtlich Größe, Farbe und Gestalt auf, die zumindest eine Eingrenzung der in Betracht kommenden Verdächtigten ermöglichen. Sie können zudem besondere angeborene (z.B. ein Muttermal oder Leberfleck) oder erworbene (z.B. Warzen, Tattoo, Piercing, Narben) Merkmale besitzen, die den Kreis der möglichen Verdächtigen noch weiter einschränken.“

Für mich schon – gelinde ausgedrückt – schwer nachzuvollziehen….

Videofotografie vom Fußballfan für das „Polizeialbum“ – so einfach geht das nicht…..

FootballMaßnahmen gegen Fußballfans sind in der Rechtsprechung angekommen. Nach dem OLG Bamberg, Beschl. v. 24. 11. 2015 – 3 Ss OWi 1176/15 betreffend das Vermummungsverbot (vgl. dazu Für Fußballfans: Vermummungsverbot auch im überdachten Tribünenbereich eines Fußballstadions?) bin ich vor einigen Tagen dann noch auf das VG Köln, Urt. v. 05.11.2015 – 20 K 3466/13 – gestoßen. Das betrifft die erkennungsdienstliche Behandlung eines Fußballfans, die vom VG Köln als teilweise rechtswidrig angesehen worden ist. Es ging um Vorfälle in Zusammenhang mit dem Bundesligaspiel zwischen Fortuna Düsseldorf und Eintracht Frankfurt am Abend des 30.11.2012 in Düsseldorf. Bereits im Vorfeld des Spiels war es im Rahmen der Fananreise zu Gewalttätigkeiten und Ausschreitungen sog. Problemfans aus Frankfurt u.a. in Zügen der DB gekommen. Die Landespolizei Düsseldorf setzte nach Spielende Shuttle-Busse ein, die die Frankfurter Fans zum Düsseldorfer Hauptbahnhof brachten und führte die Fans zum Eingang des Bahnhofsgebäudes. Im Hauptbahnhof wurden die Fans durch die Bundespolizei aufgefordert, einzeln ihren Ausweis so hochzuhalten, dass das Gesicht eines jeden einzelnen Fans zusammen mit seinem Ausweis videofotografiert werden konnte. Diese Maßnahme wurde auch beim späteren Kläger durchgeführt. Die Bundespolizei begründete die Anordnung mit zu erwartenden Ausschreitungen im Bereich der Bahnanlagen durch abreisende Frankfurter Fans. Der betroffene Fan hatte gegen diese Maßnahme der Bundespolizei Klage erhoben und wollte festgestellt wissen, dass es sich um eine rechtswidrige Identitätsfeststellung und um eine rechtswidrige erkennungsdienstliche Behandlung gehandelt habe. Denn er selbst habe sich noch nie an Ausschreitungen beteiligt und den Bahnhof an diesem Abend auch gar nicht aufsuchen wollen.

Das Ergebnis: Soweit der Fan die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Identitätsfeststellung beantragt hatte, hat das VG die Klage abgewiesen, weil keine Identitätsfeststellung erfolgt sei. Denn im Zeitpunkt ihrer Durchführung habe die Maßnahme nicht der Identifizierung der jeweiligen Person gedient, was aber eine Identitätsfeststellung charakterisiere. Vielmehr sei es von der Zielsetzung her um eine erkennungsdienstliche Maßnahme gegangen. Deren Voraussetzungen hätten jedoch nicht vorgelegen, weil der Kläger einer Straftat nicht verdächtig gewesen sei. Insoweit hatte die Klage daher Erfolg:

„Die von den Beamten der Beklagten im Hauptbahnhof Düsseldorf durchgeführte Maßnahme, von der der Kläger betroffen war, stellt der Sache nach ausschließlich eine erkennungsdienstliche Behandlung gegen eine Einzelperson dar.

Als Rechtsgrundlage kommt daher allein § 24 Abs. 1 BPolG in Betracht. Die Maßnahme ist jedoch im vorliegenden Fall von § 24 BPolG nicht gedeckt.

Nach § 24 Abs. 1 BPolG kann die Bundespolizei zu präventivpolizeilichen Zwecken erkennungsdienstliche Maßnahmen vornehmen, wenn 1.) eine nach § 23 Abs. 1 oder 2 zulässige Identitätsfeststellung auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten möglich ist oder 2.) dies zur Verhütung von Straftaten im Sinne des § 12 Abs. 1 erforderlich ist, weil der Betroffene verdächtig ist, eine solche Straftat begangen zu haben und wegen der Art oder Ausführung der Tat die Gefahr einer Wiederholung besteht.

Erkennungsdienstliche Maßnahmen zielen auf die Erfassung äußerer körperlicher Merkmale einer Person.

Die Beamten der Beklagten haben – was zwischen den Beteiligten von Anfang an unstreitig war und ist – das Gesicht des Klägers zusammen mit seinem Ausweis videofotografiert. Sie haben dadurch eine erkennungsdienstliche Maßnahme im Sinne von § 24 Abs. 3 Nr. 2 BPolG (Aufnahme von Lichtbildern einschließlich Bildaufzeichnungen) beim Kläger vorgenommen.

Die Voraussetzungen für eine erkennungsdienstliche Behandlung lagen im vorliegenden Fall jedoch weder nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 noch nach Nr. 2 BPolG vor.

Erkennungsdienstliche Maßnahmen nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 BPolG müssen einer Identitätsfeststellungen nach § 23 Abs. 1 oder 2 BPolG dienen, solche nach Abs. 2 verschaffen der Polizei Unterlagen, um den Betroffenen bei späteren Anlässen wiederzuerkennen. Sie dienen folglich dazu, der Polizei vorsorglich – und zwar unabhängig vom bestehenden strafprozessualen Status einer Person – ein Hilfsmittel zur Verhütung von Straftaten zu Verfügung zu stellen.

Die erkennungsdienstliche Maßnahme der Beklagten diente im vorliegenden Fall nicht einer Identitätsfeststellung.

Unter einer Identitätsfeststellung wird die Erhebung und Überprüfung derjenigen Personalien einer Person verstanden, aus denen sich die Identität des Betroffenen ergibt. Die Identität einer Person ist vollständig und umfassend festgestellt, wenn Familienname, Vorname, Geburtsort, Geburtsdatum, Anschrift, Staatsangehörigkeit, Familienstand und ggf. Beruf aufgrund der durchgeführten Maßnahmen so feststehen, dass nennenswerte Zweifel ausgeschlossen erscheinen. Vgl. dazu Drewes, Malmberg, Walter, Kommentar zum BPolG, 5. Auflage 2015, § 23 Rn. 9

Eine solche unmittelbare und sofortige Feststellung der Identität des Betroffenen wurde nach Angaben der für den Einsatz verantwortlichen Polizeiführerin, der Zeugin POR L2., entsprechend ihrer Anordnung jedoch insgesamt nicht vorgenommen und auch nicht bezweckt. Die Zeugin POR L2. gab dazu auf Befragen unmissverständlich an, dass der konkrete Name des Ausweisinhabers im Zeitpunkt der Maßnahme keine Rolle gespielt habe und auch nicht festgestellt worden sei. Das betrifft auch das Herausfiltern von Problemfans; auch insoweit waren die Namen der Personen nicht relevant. Ziel der Maßnahme war danach hier vielmehr eine vorsorgliche Erhebung und Speicherung von Daten für den Fall der Begehung von Straftaten im Zuständigkeitsbereich der Beklagten, die aufgrund der von der Beklagten dargestellten Gesamtsituation – der Gegebenheiten bei der Anreise der Fans, insbesondere der sogenannten Problemfans, deren Verhalten in Düsseldorf sowie am und im Stadion – aus den Reihen der Frankfurter Fans erwartet wurden.“

Erkennungsdienstliche Behandlung: Einstellung ist nicht gleich Einstellung?

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Viele Mandanten/ehemalige Beschuldigte denken nach der Einstellung eines gegen sie anhängigen Ermittlungsverfahrens: Das war es. Jetzt habe ich Ruhe. Und sie sind dann überrascht, wenn dann doch noch eine erkennungsdienstliche Behandlung nach § 81b Alt. 2 StPO angeordnet wird und fragen: Geht das?

So auch der Kläger im Verfahren, das dann zum VG Münster, Urt. v. 27.05.2015 – 1 K 115/14 – geführt hat. Er war Beschuldigter in einem  Ermittlungsverfahren wegen Nachstellung. Ihm wurde vorgeworfen über einen längeren Zeitraum (mindestens von August bis Oktober 2013) versucht haben, sowohl seine ehemalige Ehefrau als auch seine Ex-Freundin unabhängig voneinander durch Drohungen und Einschüchtern mittels ständiger (auch nächtlicher) SMS, Anrufe und via Internet dazu zu bewegen, die Trennung rückgängig zu machen bzw. die Beziehung aufrecht zu halten.Das Ermittlungsverfahren wurde im November 2013 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt und die Anzeigeerstatterinnen/Geschädigten wurden auf den Privatklageweg verwiesen. In der Vergangenheit waren gegen den Kläger zudem auch noch weitere Ermittlungsverfahren anhängig gewesen, die sämtlich gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sind.

Das VG Münster hat dem Kläger die Antwort auf die seine Frage: Geht das?, gegeben. Ja es geht, und zwar grdunsätzlich auch noch nach Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO:

„Entgegen der Auffassung des Klägers steht der Anordnung der erkennungsdienstlichen Maßnahmen auch nicht entgegen, dass sämtliche Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurden. Entscheidend ist allein, ob ein hinreichender Verdacht besteht, die betroffene Person werde künftig wieder straffällig werden. Ein solcher (Rest-)Verdacht kann auch dann vorliegen, wenn alle Strafverfahren gegen die betroffene Person eingestellt worden sind.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Mai 2002 – 1 BvR 2257/01-, […], Rn. 11; VGH Mannheim, Beschluss vom 20. Februar 2011 – 1 S 2054/00 -, NVwZ 2001, 1289 (1290); Tegtmeyer/Vahle, PolG NRW, § 14 Rn. 11.

Gegen den Kläger besteht nach den obigen Ausführungen nach wie vor ein „Restverdacht“. Aus den ausführlichen Darlegungen des Beklagten in der Klageerwiderung vom 00.00.0000und den in den übersandten Verwaltungsvorgängen enthaltenen Strafanzeigen ergibt sich, dass gegen den Kläger seit 2009 insgesamt acht strafrechtliche Ermittlungsverfahren geführt wurden. Der Restverdacht beruht – wie oben bereits geschildert – insbesondere auf den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens wegen Nachstellung. Die gegen den Kläger geführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wurden nicht nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, weil der Kläger die Taten erwiesenermaßen nicht begangen hat, sondern weil oftmals Aussage gegen Aussage stand oder weil – wie im Fall der Nachstellung – eine Anklageerhebung nicht im öffentlichen Interesse lag.“

Nun, so ganz überzeugend ist das für mich nicht. Einstellung ist also nicht gleich Einstellung?

Erkennungsdienstliche Behandlung – auch noch nach Einstellung des Verfahrens?

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Erkennungsdienstliche Maßnahmen nach § 81b 2. Alt. StPO sind naturgemäß unbeliebt. Das gilt vor allem dann, wenn eine solche Maßnahme auf der Grundlage eines Ermittlungsverfahrens angeordnet worden ist, dieses dann aber eingestellt wird. So ist es einem Beschuldigten in Aachen geschehen. Gegen ihn ermittelte die Staatsanwaltschaft wegen Betruges (§ 263 StGB). Der Beschuldigte soll eine Anzahlung auf eine zu erbringende Werkleistung erhalten, das Werk dann aber nicht erbracht haben. Der Vertrag wird dann aber später rückabgewickelt, die Anzahlung zurückgezahlt und das Verfahren durch die StA nach § 153 Abs. 1 StPO eingestellt. Gegen den Beschuldigten, gegen den zuvor bereits in verschiedenen Ermittlungsverfahren strafrechtlich ermittelt worden war, wird dann dessen erkennungsdienstliche Behandlung angeordnet. Die Maßnahme sollte umfassen die Aufnahme von Zehnfingerabdrücken, die Aufnahme eines mehrteiligen Lichtbildes, die Fertigung einer Ganzaufnahme, die Feststellung äußerlicher körperlicher Merkmale und die Aufnahme von Handflächenabdrücken. Und dagegen hat der Beschuldigte geklagt, beim VG Aachen aber keinen Erfolg gehabt. Aus dem VG Aachen, Urt. v. 10.09.2014 – 6 K 2525/13:

„Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die angefochtene Anordnung nicht zu beanstanden.

Sie erging nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt, sondern aus dem konkreten Anlass des gegen den Kläger als Beschuldigten geführten Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Aachen 406 Js 1183/13 wegen des Verdachts des Betruges.

Dass dieses Ermittlungsverfahren später eingestellt worden ist, führt nach den eingangs dargelegten Grundsätzen nicht zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides. Denn der spätere Wegfall der Beschuldigteneigenschaft lässt – wie aufgezeigt – die Rechtmäßigkeit der angeordneten Maßnahmen regelmäßig unberührt. Vgl. BVerwG, u.a. Urteile vom 23. November 2005 – 6 C 2.05 -, […] Rn. 20, und vom 19. Oktober 1982 – 1 C 29.79 -, […] Rn. 28.

Anders ist dies nur dann zu beurteilen, wenn die für das Ermittlungsverfahren bestimmenden Verdachtsmomente vollständig ausgeräumt sind. Vorliegend ist im Anlassverfahren hinsichtlich des Tatvorwurfs eines Betruges aber ein Restverdacht geblieben. Bereits nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft Aachen in ihrer Einstellungsverfügung vom 19. Dezember 2013 ist der Kläger nach wie vor der Begehung eines Betruges verdächtig gewesen. Die Verfahrenseinstellung ist, gestützt auf § 153 Abs. 1 StPO, damit begründet worden, dass erwartet werden könne, dass der Kläger durch das Ermittlungsverfahren bereits hinreichend beeindruckt und gewarnt worden, der Schaden relativ gering und inzwischen auch wiedergutgemacht sei. Die Einschätzung der Staatsanwaltschaft ist auch nicht offensichtlich falsch und willkürlich, sondern wird gestützt durch die Aussagen der im Ermittlungsverfahren angehörten Zeugen U. und I. . Insbesondere der Zeuge U. hat ausgesagt, dass sich der Kläger nach Auftragserteilung und Entgegennahme der Anzahlung in Höhe von 300,- € nicht mehr gemeldet habe und für ihn auch nicht mehr erreichbar gewesen sei. Der Einlassung des Klägers, er habe den Auftrag einschließlich der erhaltenen Anzahlung weitergegeben an den Zeugen I. , der seinerseits jedoch die vereinbarte Leistung nicht erbracht habe, steht die Aussage des Zeugen I. entgegen, der dieser Darstellung vehement widersprochen hat. Im Übrigen ist auch nicht plausibel erklärt, warum der Kläger dem Zeugen U. im Zuge der Rückabwicklung des Vertrages die Anzahlung zuzüglich einer Auslagenpauschale in Höhe von 100,– € zurückgezahlt hat. Denn hierzu wäre, seinem Vortrag zufolge, nicht er, sondern der Zeuge I. verpflichtet gewesen, der die Anzahlung auch vereinnahmt haben soll. Angesichts dieser Widersprüchlichkeiten und Ungereimtheiten kann keine Rede davon sein, dass im Anlassverfahren kein Anhaltspunkt für das Vorliegen einer Straftat verblieben sei.“

Na ja, so ganz überzeugt mich das nicht. Und auch hinsichtlich der Frage der Notwendigkeit kann ich dem VG nicht so richtig folgen: Bisher alles nur Betrugs- und Urkundsdelikte. Was da die erkennungsdienstlichen Maßnahmen bringen sollen…? Aber vielleicht bessert das OVG Münster ja nach.

„Bitte lächeln“oder: ED-Behandlung unter Zwang im Bußgeldverfahren?

entnommen openclipart.org

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Das Thema der erkennungsdienstlichen Behandlung des Betroffenen im Bußgeldverfahren, und zwar unter Zwang, kocht wieder. Wir hatten darüber ja schon 2012 in Zusammenhang mit dem LG Zweibrücken, Beschl. v. 31.05.2012 – Qs 55/12, berichtet (vgl. dazu „So geht`s: Unmittelbarer Zwang in der Sitzung bei Identifizierungsgutachten“ über den LG Zweibrücken, Beschl. v. 31.05.2012 – Qs 55/12).  Zu der Problematik gibt es jetzt eine OLG-Entscheidung, nämlich den OLG Stuttgart, Beschl. v. 26.08.2014 – 4 Ss 225/14. Das OLG geht da einen etwas anderen Weg als das LG Zweibrücken.

Vorab: Ich will mich jetzt gar nicht wieder darüber auslassen, ob das OLG unser OWi-Handbuch und meine Ausführungen darin zu dieser Frage richtig zitiert hat. Das habe ich in der anstehenden 4. Aufl. eh geändert bzw. versucht, es zu ändern. Sondern: Richtig ist es, wenn das OLG auf weniger einschneidende Mittel verweist und rügt, dass das AG die nicht angewendet hat:

„Im Bußgeldverfahren, in dem die Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen nur unter engen Voraussetzungen zulässig ist, ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz jedoch in besonderem Maße zu beachten. Aufgrund dessen haben weniger belastende Maßnahmen Vorrang (Burhoff aaO mwN).

Dem Senat ist aus zahlreichen früheren Bußgeldverfahren bekannt, dass andere anthropologische Sachverständige, die ebenso wie der Gutachter im vorliegenden Verfahren der „Arbeitsgruppe Identifikation nach Bildern“ (AGIB) angehören, in der Lage sind, zumindest in Bußgeldsachen ein mündliches Lichtbildvergleichsgutachten zu erstatten, ohne dass die Fertigung eines Vergleichsbildes vor der Hauptverhandlung erforderlich ist. Vielmehr erstellen diese Sachverständigen ein digitales Vergleichsbild des Betroffenen im Rahmen der Hauptverhandlung, das mit dem im Vorfeld bereits ausgewerteten Tatbild abgeglichen wird. Hierfür ist unter normalen Umständen ein Zeitraum von ca. 10 – 20 Minuten erforderlich. Die Erstattung des mündlichen Gutachtens folgt unmittelbar im Anschluss. Eine nennenswerte Verzögerung des Verfahrens entsteht bei dieser Vorgehensweise nicht. Die Fertigung eines Lichtbilds durch den Sachverständigen im Hauptverhandlungstermin stellt für den Betroffenen somit einen geringeren Eingriff dar als die Fertigung von Lichtbildern durch den polizeilichen Erkennungsdienst, die üblicherweise auf einer Polizeidienststelle – mit der Möglichkeit der zwangsweisen Vorführung – an einem zusätzlichen Termin erfolgt (vgl. auch LG Zweibrücken aaO).“

Das OLG verneint dann aber ein Beweisverwertungsverbot – alles andere hätte mich auch erstaunt. Die Argumentation kann ich noch nachvollziehen, ob sie die Auffassung des OLG trägt, ist eine andere Frage. Dazu weiß man zu wenig von den Umständen der Erstellung des Vergleichsbildes. Was mir allerdings fehlt, ist eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob das AG das Vergleichsbild in der Hauptverhandlung überhaupt verwerten konnte/durfte, nachdem der Betroffene vom Erscheinen entbunden war, also ohne ihn verhandelt wurde. Aber auch insoweit kann man ohne die näheren Umstände abschließend nichts sagen.