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Gewußt wohin?

Der Betroffene wird erkennungsdienstlich behandelt. Dagegen will er sich zur Wehr setzen. Die Frage für ihn und/oder seinen Rechtsanwalt: Wo muss ich mein Rechtsmittel einlegen? Nun – wie häufig: es kommt darauf an: Handelt es sich um eine Maßnahme nach § 81b Satz 1 StPO geht es im zweifel zum AG, handelt es sich hingegen um eine Maßnahme nach § 81b Satz 2 StPO, stellt sich die Frage: Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG oder zum Verwaltungsgericht. Die h.M. sagt: Zuständig ist das Verwaltungsgericht bzw. der Verwaltungsrechtsweg ist der richtige Weg (§ 40 VwGO). So jetzt auch noch einmal der OLG Celle, Beschl. v. 16.04.2012 – 2 VAs 2/12, mit den Leitsätzen:

„Wehrt sich ein Betroffener gegen die auf Grundlage von § 81 b 2. Alt. StPO getroffene Anordnung zu seiner erkennungsdienstlichen Behandlung, ist hierfür der Verwaltungsrechtsweg gegeben.

 Das Oberlandesgericht verweist in einem solchen Fall die Sache nach § 17 a Abs. 2 GVG von Amts wegen mit bindender Wirkung an das zuständige Verwaltungsgericht

Also: Gewusst wohin.

Erkennungsdienstliche Behandlung nach Drogenfahrt?

Einer der Schnittpunkt von Verwaltungsrecht und Strafrecht (StPO) ist § 81b 2. Alt. StPO. „Für Zwecke des Erkennungsdienstes“ ist nicht Straf(prozess)Recht, sondern Polizeirecht. An der Stelle gibt es eine ganze Reihe verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen, die sich mit der Frage befassen, wann erkennungsdienstliche Maßnahme angeordnet werden dürfen. Dazu gehört jetzt auch ein Urteil, auf das gestern das VG Neustadt in einer PM hingewiesen hat (Urt. v. 29.11.2011 – 5 K 550/11). In der PM heißt es:

Wer unter Drogeneinfluss Auto fährt, muss damit rechnen, dass die Polizei von ihm trotz Einstellung des Strafverfahrens eine erkennungsdienstliche Behandlung verlangen darf. Eine entsprechende Verfügung des Polizeipräsidiums Rheinpfalz hat das Verwaltungsgericht Neustadt mit Urteil bestätigt.

Der Kläger wurde im Oktober 2010 mit seinem Pkw einer Verkehrskontrolle unterzogen. Aufgrund drogentypischer Ausfallerscheinungen führte die Polizei eine Blutprobe durch. Diese ergab, dass der Kläger Cannabis und Kokain konsumiert hatte. Das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen Besitz und Erwerb von Drogen stellte die Staatsanwaltschaft im November 2010 ein, weil eine auf Betäubungsmittel positive Blutprobe nicht mit der erforderlichen Sicherheit auf strafbaren Besitz oder Erwerb schließen lasse. Es sei von straflosem Konsum auszugehen. Daraufhin ordnete die Polizeibehörde gegenüber dem Kläger die erkennungsdienstliche Behandlung an und lud ihn zur Abnahme von Fingerabdrücken sowie der Fertigung von Lichtbildern mit der Begründung vor, es sei davon auszugehen, dass der Kläger sich die Drogen selbst beschafft habe. Da Drogenkonsum typischerweise zu einem Abhängigkeitsverhalten führe, das zu neuer Tatbegehung nahezu zwinge, sei damit zu rechnen, dass der Kläger sich auch künftig Drogen besorgen werde. Dagegen erhob der Kläger nach erfolgloser Durchführung eines Widerspruchsverfahrens Klage und berief sich darauf, er habe kein Suchtproblem. Das habe auch ein medizinisch-psychologisches Gutachten zur Wiedererteilung der Fahrerlaubnis bestätigt. Deshalb liege eine Wiederholungsgefahr als Voraussetzung für die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung nicht vor.

Die 5. Kammer des Gerichts wies die Klage ab. Zur Begründung führte das Gericht aus, da der Kläger Cannabis und Kokain konsumiert habe, sei nach kriminalistischer Erfahrung von einer gewissen Drogenerfahrenheit auszugehen. Die Polizei habe daher annehmen können, dass trotz Einstellung des Ermittlungsverfahrens der Kläger ausreichend verdächtig sei, Drogen in strafbarer Weise erworben oder besessen zu haben. Auch bestehe Wiederholungsgefahr. Es gehöre zu den Aufgaben der Polizei, geeignete Vorbereitungen zur Aufklärung von Straftaten zu treffen. Ein wichtiges Hilfsmittel stelle insoweit die Anfertigung und Aufbewahrung von Lichtbildern und Fingerabdrücken dar. Bei Drogendelikten sei die Wiederholungsgefahr groß, weil typischerweise der Drogenkonsum zu einem Abhängigkeitsverhalten führe, das die Begehung weiterer Verstöße gegen die Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes sehr wahrscheinlich mache. Das gelte vor allem, wenn im Einzelfall objektive Anhaltspunkte für eine weitergehende Involvierung in die Drogenszene bestünden.

Dies ist beim Kläger nach Überzeugung des Gerichts der Fall. Dieser sei seit Jahren drogenerfahren, habe regelmäßig Joints geraucht und sei auf Partys verkehrt, auf denen Kokain konsumiert worden sei. Er habe sich somit zumindest in einem Randbereich des Drogenmilieus bewegt und kenne Quellen, wo Drogen erhältlich seien. Dass er aufgrund eines positiven Gutachtens inzwischen wieder eine Fahrerlaubnis bekommen habe, stehe der Prognose, es bestehe Wiederholungsgefahr in Bezug auf Drogendelikte, nicht entgegen.“

Wirs sicherlich nicht rechtskräftig werden. Mal sehen, was das zuständige OVG dazu sagt.

Erkennungsdienstliche Behandlung nicht wegen einer Bagatelle

Die mit der erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 81b Alt. 2 StPO zusammenhängenden Fragen spielen in der Praxis immer wieder eine Rolle. Dazu verhält sich jetzt der Beschl. des OVG Lüneburg v. 24.11.2010 – 11 LA 468/10. Folgender Sachverhalt:

„Gegen den 1978 geborenen Kläger sind in der Vergangenheit drei Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts, gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen zu haben, anhängig gewesen. Einzelheiten über ein 2002 geführtes Verfahren wegen der Einfuhr von geringen Mengen Betäubungsmittel sind nicht mehr bekannt. Im April 2008 und im Juni 2009 wurden jeweils anlässlich von Verkehrskontrollen im Blut des Klägers THC-Werte kleiner als 1,0 ng/ml sowie THC-COOH-Werte von 8,99 bzw. 6,8 ng/ml festgestellt. Die beiden letztgenannten Ermittlungsverfahren wurden jeweils nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, da ein strafloser Konsum von Cannabisprodukten nicht auszuschließen war.

Die Beklagte nahm das letzte der o. a. Ermittlungsverfahren (vor seiner Einstellung im Oktober 2009) zum Anlass, mit Bescheid vom 16. September 2009 die erkennungsdienstliche Behandlung des Klägers anzuordnen. Der dagegen gerichteten Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht stattgegeben. Es hat unter Bezugnahme auf den Senatsbeschuss vom 31. August 2010 (- 11 ME 288/10 -, juris) offen gelassen, ob gegen den Kläger überhaupt ein hinreichend konkreter (Rest-)Verdacht eines Verstoßes gegen § 29 BtMG durch den unerlaubten Erwerb und Besitz von Cannabis bestehe. Jedenfalls sei nach den o. a. Ergebnissen der Blutuntersuchungen davon auszugehen, dass der Kläger allenfalls in Einzelfällen Cannabis auch besessen bzw. erworben habe. Dieses Verhalten stelle eine Bagatelle dar und führe zur Unverhältnismäßigkeit seiner erkennungsdienstlichen Behandlung.“

Vom VG ist die Berufung nicht zugelassen worden. Die dagegegen gerichtete Beschwerde hatte beim OVG keinen Erfolg.

Immer wieder die „kriminalistische Erfahrung“, aber „Vorermittlungen“ reichen nicht für eine erkennungsdienstliche Behandlung

In der Praxis imemr wieder von Bedeutung ist die Frage, wann eigentlich genügend Anhaltspunkte vorliegen, um gegen einen Betroffenen die erkennungsdienstliche Behandlung nach § 81b 2. Alternative StPO anzuordnen. Die Ermittlungsbehörden sehen das häufig sehr weit und kommen schnell zu der entsprechenden Anordnung. Dem hat jetzt das OVG Lünburg in seinem Beschl. v. 31.08.2010 – 11 ME 288/10 einen Riegel vorgeschoben und ausgeführt, dass auf den örtlich, zeitlich und gegenständlich nicht näher konkretisierten Verdacht eines allgemeinen (erneuten) Verstoßes gegen § 29 BtMG eine sofort vollziehbare Anordnung nach § 81b Alt. 2 StPO nicht gestützt werden kann. War aber auch wirklich nicht viel, was die Behörde als Grundlage für die Anordnung vorliegen hatte. Mehr als „Vorermittlungen“ waren es nicht. Und das reicht eben nicht, sagt das OVG.

Erkennungsdienstliche Behandlung auch bei Verstößen gegen das Arzneimittelgesetz verhältnismäßig.

Die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen kann sich nach § 81b 1. Alternative StPO bzw. nach der 2. Alternative richten. Bei der 2. Alternative -„für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig“. Bei der 2. Alternative gibt es häufig Streit mit der anordnenden Behörde, ob die Maßnahme verhältnismäßig ist. Dazu jetzt das OVG Niedersachsen im Beschl. v. 09.03.2010 – 1 B 1530/09: Auch bei Verstößen, die sich „nur“ gegen das Arzneimittelgesetz und/oder das Markenrecht richten, kann die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung in Betracht kommen. Vor allem – so das OVG – wohl dann, wenn die „Geschäfte“ anonym über das Internet abgewickelt werden.