Schlagwort-Archive: Cannabis

Erkennungsdienstliche Behandlung nicht wegen einer Bagatelle

Die mit der erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 81b Alt. 2 StPO zusammenhängenden Fragen spielen in der Praxis immer wieder eine Rolle. Dazu verhält sich jetzt der Beschl. des OVG Lüneburg v. 24.11.2010 – 11 LA 468/10. Folgender Sachverhalt:

„Gegen den 1978 geborenen Kläger sind in der Vergangenheit drei Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts, gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen zu haben, anhängig gewesen. Einzelheiten über ein 2002 geführtes Verfahren wegen der Einfuhr von geringen Mengen Betäubungsmittel sind nicht mehr bekannt. Im April 2008 und im Juni 2009 wurden jeweils anlässlich von Verkehrskontrollen im Blut des Klägers THC-Werte kleiner als 1,0 ng/ml sowie THC-COOH-Werte von 8,99 bzw. 6,8 ng/ml festgestellt. Die beiden letztgenannten Ermittlungsverfahren wurden jeweils nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, da ein strafloser Konsum von Cannabisprodukten nicht auszuschließen war.

Die Beklagte nahm das letzte der o. a. Ermittlungsverfahren (vor seiner Einstellung im Oktober 2009) zum Anlass, mit Bescheid vom 16. September 2009 die erkennungsdienstliche Behandlung des Klägers anzuordnen. Der dagegen gerichteten Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht stattgegeben. Es hat unter Bezugnahme auf den Senatsbeschuss vom 31. August 2010 (- 11 ME 288/10 -, juris) offen gelassen, ob gegen den Kläger überhaupt ein hinreichend konkreter (Rest-)Verdacht eines Verstoßes gegen § 29 BtMG durch den unerlaubten Erwerb und Besitz von Cannabis bestehe. Jedenfalls sei nach den o. a. Ergebnissen der Blutuntersuchungen davon auszugehen, dass der Kläger allenfalls in Einzelfällen Cannabis auch besessen bzw. erworben habe. Dieses Verhalten stelle eine Bagatelle dar und führe zur Unverhältnismäßigkeit seiner erkennungsdienstlichen Behandlung.“

Vom VG ist die Berufung nicht zugelassen worden. Die dagegegen gerichtete Beschwerde hatte beim OVG keinen Erfolg.

Drogenfahrt, zeitnaher Konsum und Fahrlässigkeit

Ein Ansatz bei der sog. Drogenfahrt nach § 24a Abs. 2 StVG ist die Frage: Fahrlässigkeit gegeben, ja oder nein? In dem Bereich tut sich einiges in der Rechtsprechung der OLG.

In den Zusammenhang passt dann ein Beschluss des OLG Frankfurt v. 20.08.2010 2 Ss-OWi 166/10, in dem das OLG zur Frage der Fahrlässigkeit noch einmal Stellung genommen hat. Danach reicht es für ein fahrlässiges Führen eines Kraftfahrzeuges unter berauschenden Mitteln gemäß § 24 a Abs. 2 StVG aus, wenn der Kraftfahrer das Fahren unter der Wirkung des Rauschgiftes für möglich hält. Eine verhältnismäßig geringe Überschreitung von 4,6 ng/mg THC kann eine Voraussehbarkeit der Tatbestandsverwirklichung aber nicht stützen.

Und was auch immer wichtig ist, ist die Frage des zeitnahen Konsums. Dazu sagt das OLG: Erscheinungen wie „zittriger Eindruck“ und „auffällige Pupillen beim Betroffenen belegen keinen zeitnahen Konsum.

Teilnahme an einem Aufbauseminar hilft nur Fahranfängern, sie bringt nichts im Fahrerlaubnis-Entziehungsverfahren

Der Betroffene war wegen Fahrens unter Drogeneinfluss auffällig geworden. Es stand die Entziehung der Fahrerlaubnis an. Um dagegen argumentieren zu können, nahm der Betroffene an einem sog. Aufbauseminar für drogenauffällige Fahranfänger teil.

Das OVG Bremen meint aber in seinem Beschluss v. 20.04.2010 – 1 B 23/10: Bringt nichts. Denn fehlt einem Verkehrsteilnehmer wegen gelegentlichen Cannabiskonsums sowie der fehlenden Fähigkeit, Konsum und Fahren zu trennen, die Kraftfahreignung, ist die Teilnahme an einem Aufbauseminar für drogenauffällige Fahranfänger für sich genommen nicht geeignet, die negative Beurteilung in Zweifel zu ziehen. Die verpflichtende Teilnahme an einem Aufbauseminar stellt eine zusätzliche Maßnahme für Inhaber einer Fahrerlaubnis auf Probe dar, die der spezifischen Anfängersituation Rechnung trägt, verdrängt aber nicht die allgemeinen Regelungen über die Fahrerlaubnisentziehung bei fehlender Kraftfahreignung. Eine positive Feststellung eines Einstellungswandels kann allein durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten getroffen werden.

KG: Fahrlässigkeitsvorwurf bei der Drogenfahrt – Schweigen ist Gold :-)

In der oberlandesgerichtliche Rechtsprechung gibt es derzeit eine Fülle von Entscheidungen, die sich mit der Frage der Fahrlässigkeit bei einer Drogenfahrt nach § 24a Abs. 2 StVG auseinandersetzen. Die OLG gehen davon aus, dass der Vorwurf des fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung berauschender Mittel im Hinblick auf die Wirkung von Cannabis zum Tatzeitpunkt nur dann erhoben werden kann, wenn der Konsum entweder nachgewiesener Maßen zeitnah erfolgt ist oder im Falle eines länger zurückliegenden Konsums weitere Umstände hinzutreten, die es für den Betroffenen erkennbar gemacht haben, dass die Wirkung des von ihm vor längerer Zeit genossenen Cannabis unter Umständen noch fortdauert. So jetzt (auch noch einmal) das KG in einem lesenswerten Beschluss v. 04.01.2010 – 3 Ws (B) 667/09.

Das KG arbeitet sehr schön die Prüfungsaufgaben für den Tatrichter heraus, aus denen der Verteidiger natürlich sehr schön Verteidigungsansätze ableiten kann. Da es letztlich immer auch darum geht, ob sonstige Umstände vorhanden sind, die auf einen zeitnahen Konsum schließen lassen bzw. aus denen gefolgert werden kann, dass der Betroffene die Wirkungsweise des Cannabis kannte, gilt: Schweigen ist – zumindest bei niedrigen Konzentrationen – Gold. Der Betroffene darf sich nicht vorschnell zum Beweismittel gegen sich selbst machen lassen.