Inzwischen hat auch das OLG Bremen in einem Beschluss vom 14.07.2009 (Ss BS 15/09) die Auffassung vertreten, dass dann, wenn in der HV die Frage eines Beweisverwertungsverbotes wegen Verletzung des Richtervorbehalts aus § 81a Abs. 2 StPO strittig wird, ein Pflichtverteidiger beizuordnen ist. Was interessant ist: Es handelte sich nicht um ein Strafverfahren, sondern um ein Verfahren wegen eines Verstoßes gegen § 24a Abs. 2 StVG (also Drogenfahrt) und es ist auf die Rechtsbeschwerde hin das Urteil aufgehoben worden. Also schon eine Besonderheit. Denn wann gibt es im OWi-Verfahren schon mal einen Pflichtverteidiger?
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BVerfG: Beweismittel können auch nach rechtswidriger Wohnungsdurchsuchung verwertet werden
Das Amtsgericht München ordnete die Durchsuchung der Wohnungen des Beschwerdeführers im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen eines Verstoßes gegen das Markenrecht zum Zwecke der Beschlagnahme von Rechneranlagen sowie von weiteren Unterlagen an. Bei den Durchsuchungen fand die Polizei keine Beweismittel, die im Zusammenhang mit diesem Tatvorwurf standen. Das Ermittlungsverfahren wegen des Verstoßes gegen das Markenrecht wurde daher eingestellt. Der zugrundeliegende Durchsuchungsbeschluss wurde durch die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts mit Beschluss vom 13. November 2005 – 2 BvR 728/05 u.a. – deswegen aufgehoben, weil der mit der Durchsuchung verbundene Grundrechtseingriff außer Verhältnis zu dem allenfalls geringen Tatverdacht gestanden habe.
Bei der Durchsuchung einer der Wohnungen des Beschwerdeführers, die dieser gemeinsam mit anderen Personen bewohnte, fanden die Ermittlungspersonen in einem dem Beschwerdeführer zugeordneten Zimmer Haschisch in nicht geringer Menge sowie zwei Feinwaagen. Der Beschwerdeführer wurde deswegen vom Amtsgericht wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz verurteilt. Dieses Urteil wurde auf die Revision des Beschwerdeführers hin vom Oberlandesgericht wegen lückenhafter Beweiswürdigung insoweit aufgehoben, als es um die Zuordnung des Haschischs zum Besitz des Beschwerdeführers ging. Die bei der Durchsuchung gewonnenen Beweismittel sah das Gericht aber als verwertbar an. Der Beschwerdeführer legte gegen diesen Beschluss Verfassungsbeschwerde ein, die nicht zur Entscheidung angenommen wurde.
Nach Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht sprach dieses den Beschwerdeführer vom Tatvorwurf des § 29a BtMG frei. Es bejahte ein Verwertungsverbot bzgl. der gewonnenen Beweismittel im Hinblick auf den mit der Wohnungsdurchsuchung verbundenen schwerwiegenden Grundrechtsverstoß. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hob das Landgericht wiederum das amtsgerichtliche Urteil auf und verurteilte den Beschwerdeführer wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Landgericht verneinte ein Verwertungsverbot mit der Begründung, dass dieses nur aus übergeordneten Gründen im Einzelfall anzunehmen sei. Die Revision des Beschwerdeführers blieb ohne Erfolg.
Die erneute Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts nicht zur Entscheidung angenommen. Die Verwertung der bei dieser Durchsuchung gewonnenen Beweismittel im Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen Verstoß gegen das BtmG verstößt nicht gegen Art. 13 Abs. 1 GG. Zwar verletzte die Anordnung und Durchführung der Durchsuchung den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG, wie die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 13. November 2005 festgestellt hat. Es besteht aber kein Rechtssatz des Inhalts, dass im Fall einer rechtsfehlerhaften Beweiserhebung die Verwertung der gewonnenen Beweise stets unzulässig wäre. Für die Beurteilung der Frage, welche Folgen ein möglicher Verstoß gegen strafprozessuale Verfahrensvorschriften hat und ob hierzu insbesondere ein Beweisverwertungsverbot zählt, sind in erster Linie die Fachgerichte zuständig. Diese gehen in gefestigter, willkürfreier Rechtsprechung davon aus, dass dem Strafverfahrensrecht ein allgemein geltender Grundsatz, dass jeder Verstoß bei der Beweisgewinnung ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich zieht, fremd ist, und dass die Frage jeweils nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Art des Verbots und dem Gewicht des Verstoßes unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden ist. Ein Beweisverwertungsverbot bedeutet eine Ausnahme, die nur nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist. Insbesondere die willkürliche Annahme von Gefahr im Verzug oder das Vorliegen eines besonders schwerwiegenden Fehlers können – müssen indes nicht in jedem Fall – danach ein Verwertungsverbot nach sich ziehen. Die Gerichte haben im vorliegenden Fall die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze ausreichend beachtet. Insbesondere wurde die Schwere der Grundrechtsverletzung bei der Durchsuchung in ihrer Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer effektiven Strafverfolgung und der Wahrheitsermittlung im Strafverfahren wegen des Verbrechenstatbestandes des § 29a Abs. 1 BtMG angemessen berücksichtigt.
Es liegt auch kein Verstoß gegen das Recht des Beschwerdeführers auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren nach Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 20 Abs. 3 GG vor. Denn es liegen keine Anhaltspunkte für eine willkürliche, den Fairnessgrundsatz ignorierende Handhabung der strafprozessualen Grundsätze über Beweisverwertungsverbote vor.
BverfG, Beschl. v. 02.07.2009 – 2 BvR 2225/08
Quelle: Pressemitteilung des BVerfG Nr. 85/2009 vom 28. Juli 2009
Und es bewegt sich doch was…….
Ich bin dann doch erstaunt. Es bewegt sich ja doch etwas in der obergerichtlichen Rechtsprechung – trotz der Entscheidung des BVerfG vom 28.07.2008 – 2 BvR 784/08 (NJW 2008, 3053 = VRR 2008, 389 = StRR 2008, 382), in der man schon den Abgesang auf das Beweisverwertungsverbot bei Verletzung des Richtervorbehalts in § 81a vermutet hatte.
Nach der Annahme von Beweisverwertungsverboten durch das OLG Hamm, das OLG Dresden und das OLG Celle, den zumindest vorsichtigen Hinweisen des OLG Karlsruhe hat nun das KG in einem Beschluss vom 01.07.2009 darauf hingewiesen, dass mit zunehmendem zeitlichen Abstand zu den veröffentlichten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und mehrerer Oberlandesgerichte zur Verletzung des Richtervorbehalts aus § 81a Abs.2 StPO bei der Anordnung der Blutprobenentnahme durch ermittelnde Polizeibeamte die Annahme, die anordnenden Polizeibeamten hätten in schlichter Unkenntnis ihrer Pflichten und daher nicht willkürlich gehandelt, nicht mehr ohne weiteres aufrecht zu erhalten sein dürfte.
Ich habe es doch immer schon gesagt. 🙂
Update vom 20.07.2009:
Den Beschluss des KG vom 01.07.2009 – (3) 1 Ss 204/09 (71/09) finden Sie nun im Volltext online auf LexisNexis® Strafrecht.
OLG Celle: Beweisverwertungsverbot bei der Blutentnahme
Inzwischen hat auch das OLG Celle (Beschl. v. 16.06.2009 – 311 SsBs 49/09) ein Beweisverwertungsverbot bejaht, und zwar – so weit ich es sehe – zum ersten Mal bei einer Drogenfahrt. Das OLG hat „Gefahr im Verzug“ mit der Begründung verneint, dass in den zur Verfügung stehenden 20 Minuten zwischen Anhalten und Blutentnahme an einem Wochentag ohne weiteres ein Richter zu erreichen gewesen wäre. Wenn man bei der Sachlage dann nicht zu einem „evidenten Verstoß“ komme, sei das eine glatte Umgehung des Richtervorbehalts. Das OLG hat außerdem noch darauf hingewiesen, dass es kein Einverständnis mit der Blutentnahme sei, wenn der Betroffene diese bloß widerspruchslos hinnehme.
Es bewegt sich also doch etwas, auch wenn das den Ermittlungsbehörden nicht schmecken wird.
BVV bei Blutentnahme weiter in der Diskussion
Die Flut der Entscheidungen zum Beweisverwertungsverbot bei Verletzung des Richtervorbehalts bei der Blutentnahme (§ 81a Abs. 2 StPO) reißt nicht ab. Nachdem der 3. Strafsenat des OLG Hamm (3 Ss 31/09) und das OLG Dresden (1 Ss 90/09) ein Beweisverwertungsverbot bejaht haben, haben jetzt der 2. Strafsenat des OLG Hamm (2 Ss 117/09) und das OLG Karlsruhe (1 Ss 183/08) ein BVV verneint, allerdings letztlich ohne neue Begründung.
Die Ausführungen, die praktisch wortgleich sind mit denen in früheren OLG-Entscheidungen anderer Gerichte, kann man m.E. auch zusammenfassen unter: Es darf nicht sein, was nicht sein kann. Allerdings setzen sich beide OLG mit der Frage von Gefahr im Verzug auseinander und haben die verneint. Das OLG Karlsuhe hat zudem die „Cottbuser-Lösung“ gewählt. BVV derzeit nein, nach dieser Entscheidung des Senats kann aber Willkür in Betracht kommen. Na ja, schade. Gerade vom 2. Strafsenat des OLG Hamm hätte man sich eine Entscheidung in der Frage erhofft, wie denn damit umzugehen ist, wenn der Polizeibeamte den Richtervorbehalt des § 81a Abs. 2 StPO gar nicht kennt. Denn genau das war in dem dort entschiedenen Fall passiert.