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Kaskokürzung wegen Trunkenheit?, oder: Wer muss die Wildschweinrotte beweisen?

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Und als zweites Posting des Tages dann eine Entscheidung des OLG Brandenbrug mit (verkehrs)Versicherungsrechtlichem Einschlag. Das OLG hat im OLG Brandenburg, Urt. v. 08.01.2020 – 11 U 197/18 -über eine Leistungskürzung in der Kaskoversicherungbei wegen wegen relativer Fahruntüchtigkeit entschieden.

Die Beklagte hat sich nach einem Verkehrsunfall, der unstreitig einen wirtschaftlichen Totalschaden an dem Pkw des Klägers zur Folge hatte, auf die sog. Trunkenheitsklausel in de. AKB berufen. Die BAK des Klägers hatte zu einem Wert von 0,49 ‰ geführt. Ausfallerscheinungen gab es nicht.  Der Kläger hat das Abkommen von der Fahrbahn mit einer plötzlich aus dem Waldgebiet, durch das die von ihm befahrene Straße führte, von links kommenden Wildschweinrotte, die nach rechts über die Straße auf die daneben befindliche Wiese lief, erklärt. Darum wurde gestritten.Das LG hatte die Klage abgewiesen, das OLG hat ihr dann stattgegeben:

„1. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass das versicherte Fahrzeug bei einem Unfall nach dem Verständnis von Abschn. A.2.5.2 AKB einen sogenannten wirtschaftlichen Totalschaden erlitten hat, indem es von der Fahrbahn abkam, daneben noch einige Meter weiter fuhr, zu einem unmittelbar angrenzenden Waldgebiet gehörende Bäume zu Boden stieß und schließlich an einem Baum zum Stehen gekommen ist (LGU 4), wobei es schwer beschädigt wurde (vgl. dazu auch die Lichtbildmappe der Polizei in der beigezogenen Akte der Zentralen Bußgeldstelle, dort Bl. 8 ff.). Damit sind gemäß Abschn. A.2.5 AKB die Voraussetzungen für einen Leistungsfall in der Vollkaskoversicherung gegeben. Ein Recht, ihre Versicherungsleistung zu kürzen, hat die Beklagte unter den hier gegebenen Umständen laut Abschn. A. 2.21.1 Satz 3 AKB lediglich dann, wenn der Versicherungsfall vom Kläger infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel grob fahrlässig herbeigeführt wurde; diese Regelung schränkt § 81 Abs. 2 VVG – in zulässiger Weise (arg. e c. § 87 VVG) – zugunsten des Versicherungsnehmers ein. Die sogenannte Trunkenheitsklausel im Abschn. D.2.1 AKB, auf die sich die Rechtsmittelgegnerin schon vorgerichtlich in ihrem Schreiben vom 09.01.2017 (Kopie Anl. K6/GA I 28) berufen hat und deren Missachtung als Obliegenheitsverletzung ausgestaltet ist (Abschn. D.3 AKB), gilt – wie sich aus der Systematik des Regelwerkes ergibt – allein für die Kfz-Haftpflicht- und die Umweltschadenversicherung. Die Darlegungs- und Beweislast für sämtliche tatsächlichen Voraussetzungen eines Leistungskürzungsrechts trägt der Versicherer; er kann sich dabei hinsichtlich des Verschuldensgrades zwar auf Indizien, nicht aber auf einen Beweis des ersten Anscheins stützen (vgl. Halbach in Stiefel/Maier, KraftfahrtVers, 19. Aufl., AKB 2015 A.2 Rdn. 953 und 956, m.w.N.). Um eine relative Fahruntüchtigkeit des Wagenlenkers zu bejahen, deren Unfallkausalität tatsächlich vermutet wird, genügt nicht allein die Feststellung einer Blutalkoholkonzentration im Bereich zwischen 0,2 und 1,1 ‰, sondern es müssen sich – anders als bei absoluter Fahruntüchtigkeit, die nach neuerer Rechtsprechung bei 1,1 ‰ beginnt (grundlegend BGH, Urt. v. 09.10.1991 – IV ZR 264/90, LS und Rdn. 7, juris = BeckRS 9998, 96172) – weitere Gegebenheiten, speziell alkoholtypische Ausfallerscheinungen oder Fahrfehler, konstatieren lassen, die den Schluss rechtfertigen, der Fahrer sei nicht mehr in der Lage gewesen, sein Automobil sicher im Verkehr zu steuern (so zur privaten Unfallversicherung BGH, Urt. v. 30.10.1985 – IVa ZR 10/84, Rdn. 8 ff, 13 und 16 f., juris = BeckRS 2008, 18039; vgl. ferner zur Kaskoversicherung OLG Karlsruhe, Urt. v. 11.05.1989 – 12 U 49/89, VersR 1991, 181; OLG Saarbrücken, Urt. v. 07.04.2004 – 5 U 688/03, juris Rdn. 13 ff. = BeckRS 2004, 7093; Halbach aaO Rdn. 963 ff.; jurisPK-StrVkR/Reichel, Stand 24.06.2019, AKB 2015 Rdn. 89 ff.; Klimke in Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl., AKB 2015 A.2.16 Rdn. 51 ff.).

2. Im Streitfall kann bereits keine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des Berufungsführers zum Unfallzeitpunkt festgestellt werden.

a) Seine Blutalkoholkonzentration betrug bei dem Test, der ungefähr 75 Minuten nach dem Unfall durchgeführt wurde, 0,49 ‰. Sie lag somit nur wenig über dem unteren Schwellenwert, der für die relative Fahruntüchtigkeit bei etwa 0,3 ‰ angenommen wird (vgl. Klimke in Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl., AKB 2015 A.2.16 Rdn. 51, m.w.N.). Alkoholbedingte Auffälligkeiten, insbesondere Ausfallerscheinungen, haben sich bei der Blutentnahme nicht gezeigt (LGU 2). Vielmehr waren laut ärztlichem Untersuchungsbericht vom pp.12.2016 11:18 Uhr (in der Akte der Zentralen Bußgeldstelle, Bl. 12R) bei dem Kläger der Gang geradeaus, die plötzliche Kehrtwendung nach vorherigem Gehen, die Finger-Finger-Probe und die Nasen-Finger-Probe sicher, die Sprache deutlich, der Denkablauf geordnet, das Verhalten beherrscht, die Stimmung unauffällig und er schien äußerlich nicht merkbar unter Alkoholeinfluss zu stehen.

b) Freilich können – wie von der Vorinstanz zutreffend ausgeführt wird (LGU 4) – auch beim Unfallgeschehen zu Tage getretene alkoholtypische Fahrfehler, beispielsweise das Abkommen von der Fahrbahn ohne ersichtlichen Grund, den Schluss auf eine relative Fahruntüchtigkeit rechtfertigen. Es obliegt jedoch nicht dem klagenden Versicherungsnehmer, die von ihm behauptete – alkoholunabhängige – Unfallursache zu beweisen, sondern dem beklagten Versicherer die Sachdarstellung seines jeweiligen Prozessgegners zu widerlegen (vgl. insb. BGH, Urt. v. 30.10.1985 – IVa ZR 10/84, Rdn. 13, juris = BeckRS 2008, 18039). Selbst wenn das gelingt und danach eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit konstatiert werden kann, spricht nur ein Prima-facie-Beweis für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dieser und dem Unfall, der keine Umkehr der Beweislast bewirkt; er ist vielmehr entkräftet, sobald der Gegner der beweisbelasteten Partei Umstände nachweist, aus denen sich die ernsthafte – nicht allein rein theoretische (denkgesetzliche), sondern reale – Möglichkeit eines abweichenden Geschehensverlaufes ergibt, woran keine überspannten Anforderungen gestellt werden dürfen (so BGH aaO Rdn. 16 f.). Eine plausible Erklärung für die alkoholunabhängigen Unfallgründe, wie sie in der obergerichtlichen Rechtsprechung unter Berücksichtigung der Höhe der jeweiligen Blutalkoholkonzentration vom Versicherungsnehmer verlangt wird (vgl. dazu insb. OLG Saarbrücken, Urt. v. 07.04.2004 – 5 U 688/03, juris Rdn. 15 ff. m.w.N. = BeckRS 2004, 7093), hat der hiesige Kläger gegeben.

Nach seinem Vorbringen ist er durch eine plötzlich aus dem Waldgebiet von links kommende Wildschweinrotte, die nach rechts über die Straße auf die daneben befindliche Wiese lief, zu seinem Fahrverhalten veranlasst worden. So hat er den Unfallhergang laut der Verkehrsunfallanzeige vom 21.12. 2016 (in der Akte der Zentralen Bußgeldstelle, Bl. 1 f.) noch an der Unfallstelle den dort erschienenen Polizeibeamten geschildert. Deren Fotos vom Ort des Ereignisses lassen einen Wildwechsel solcher Art als denkbare Möglichkeit erscheinen, auch wenn es nicht zur Kollision mit den Tieren gekommen ist. Soweit die Zivilkammer angenommen hat, der Buchstabe „W“, der für Wildschwein stehen soll, sei vom Zeugen Dpp. Bpp. bei seiner erstinstanzlichen Vernehmung in der dem Protokoll vom 15.03.2018 beigefügten Karte (GA I 83, 85) auf der falschen Seite eingezeichnet worden, beruht dies – wie die Erörterung der Sache und die Wiederholung der Beweisaufnahme in der Berufungsinstanz ergeben hat – offensichtlich auf einem Irrtum des Landgerichts. Dass die Fahrzeuginsassen zu den Details des allenfalls wenige Sekunden andauernden Geschehensablaufs unmittelbar vor dem Abkommen des Wagens von der Fahrbahn, speziell dazu, wer die Wildschweine zuerst sah und wer sich weshalb erschrak, unterschiedliche oder – wie möglicherweise die ursprünglich benannte Zeugin Lpp. Kpp. – keine Wahrnehmungen oder Erinnerungen haben, erscheint dem Senat nachvollziehbar und ist aus seiner Sicht ungeeignet, die Plausibilität des klägerischen Vorbringens infrage zu stellen und die durch die Zivilkammer gezogenen Schlüsse zu tragen. Eine etwaige nicht alkoholbedingte Unaufmerksamkeit des Berufungsführers bliebe gemäß Abschn. A.2.21.1 Satz 2 AKB ohnehin folgenlos, da die Beklagte grundsätzlich auf das Recht zur Leistungskürzung bei grober fahrlässiger Schadensverursachung verzichtet hat. Dass eine plötzlich die Fahrbahn überquerende Wildschweinrotte Auslöser des Unfalls gewesen ist, hat der Zeuge Dpp. Bpp. bei seiner – aus prozessualen Gründen erforderlichen erneuten – Vernehmung vor dem Senat bestätigt. Seine Aussage war in sich schlüssig, glaubhaft und nachvollziehbar; er konnte den Ablauf auch anhand des ihm vorgelegten Kartenmaterials widerspruchsfrei darstellen. Anders als das Landgericht hat der Senat nicht den Eindruck gewonnen, dass die Bekundungen auswendig gelernt wurden. Soweit in den Gründen des angefochtenen Urteils argumentiert wird, der Zeuge habe eingeräumt, vor dem Termin seiner Vernehmung die Unterlagen des Klägers eingesehen zu haben, steht dies nicht im Einklang mit dem Inhalt des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 27.09.2018 (GA I 115, 116). In zweiter Instanz hat der Zeuge auf explizite Nachfrage bestätigt, die Prozessunterlagen nicht zu kennen (GA II 226, 228). Im Ergebnis vermag der Senat – abweichend von der Zivilkammer (LGU 5) – insbesondere nicht die Überzeugung zu gewinnen, dass gar kein Wildwechsel stattgefunden hat.“

Erstattung von Kopien, oder: Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, die Erforderlichkeit zu prüfen – wirklich?

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Am Gebührenfreitag heute zwei Beschlüsse zur Erstattung von Fotokopiekosten, und zwar ein „positiver“ und ein „negativer“ Beschluss. Ich beginne mit dem negativen, dann haben wir es hinter uns.

Es handelt sich um den LG Braunschweig, Beschl. v. 05.08.2019 – 9 Qs 158/19. Ergangen ist er in einem Verfahren betreffend Festsetzung der Pflichtverteidigervergütung. Der Pflichtverteidiger hatte deren Festsetzung beantragt, enthalten war im Antrag ein Betrag von 205,90 € für 1.256 Kopien entfielen. Das AG hat die nicht festgesetzt. Dagegen die Beschwerde, die beim LG dann keinen Erfolg hatte:

„Die Beschwerde ist indes unbegründet.

Gem. § 46 RVG, Nr. 7000, Nr. 1 a VV RVG sind Ablichtungen aus Behörden- oder Gerichtsakten nur dann erstattungsfähig, wenn ihre Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung des Sachverhaltes und der Rechtssache geboten ist. Bei dieser Prüfung besteht ein objektiver Maßstab. Zu berücksichtigen ist ferner, dass ein Ermessensspielraum des Verteidigers besteht. Eine ordnungsgemäße Ausübung dieses Ermessens ist indes vorliegend nicht erkennbar.

Die ungeprüfte Ablichtung einer gesamten Akte genügt den gesetzlichen Anforderungen grundsätzlich nicht (vgl. Mayer/Kroiß, 4. Aufl. 2009, RVG Nr. 7000-7002 VV Rn. 5). Nach ständiger Rechtsprechung des hiesigen Oberlandesgerichtes sind z. B. eigene Schriftsätze des Verteidigers in der Akte nicht zu kopieren. Enthalten sind weiterhin z. B. ein Empfangsbekenntnis oder bloße Anfragen zum Bundesamt für Justiz. Auch insoweit ist nicht erkennbar, dass eine ordnungsgemäße Ausübung des anwaltlichen Ermessens bei der Auswahl der kopierenden Aktenbestandteile erfolgt ist.

Unter diesen Umständen ist es auch nicht die Aufgabe des Gerichtes im Kostenfestsetzungsverfahren, nunmehr selbst zu prüfen, welche Aktenbestandteile aus Sicht der Verteidigung zwingend zu kopieren waren und welche nicht. Daher ist es nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung die Dokumentenpauschale insgesamt in Abzug gebracht hat.“

Der Beschluss ist in meinen Augen falsch. Zutreffend ist es  wenn das das LG davon ausgeht, dass die Notwendigkeit von Aufwendungen dargetan werden muss. Ebenso geht die Rechtsprechung aber auch davon aus, dass die Staatskasse trägt die Beweislast dafür trägt, dass Auslagen zur sachgemäßen Wahrnehmung der Interessen der Partei nicht erforderlich gewesen sind. Und diese Beweislast trägt die Staatskasse m.E. eben nicht bzw. kommt ihr nicht nach, wenn man sich einfach darauf zurück zieht, dass es nicht Aufgabe des Gerichtes ist, im Kostenfestsetzungsverfahren zu prüfen, welche Aktenbestandteile aus Sicht der Verteidigung zwingend zu kopieren waren und welche nicht. Denn: Der Rechtsanwalt hat mit der Vorlage der Kopien und der Erklärung, dass nach seiner Auffassung alles zu kopieren gewesen sei, die Notwendigkeit der von ihm gemachten Aufwendungen dargetan, wobei das Ermessen des Rechtsanwalts recht weit geht. Die Ermessensausübung mag falsch gewesen sein. Das Ermessen ist aber ausgeübt und dargelegt und daher ist es dann m.E. Aufgabe der Staatskasse darzulegen, welche Kopien sie nicht erstatten will, warum diese als nicht erforderlich gewesen sind. Und das hat die Staatskasse hier nicht getan. Und das LG will sich – was offensichtlich ist – mit der Frage leider auch nicht befassen. Ergebnis: Der Rechtsanwalt bleibt auf den Kopiekosten sitzen.

Und wer Rechtsprechung zu der Problematik sucht: Steht alles/einiges auf meiner Homepage und auch im <<Werbemodus an>> RVG-Kommentar Burhoff/Volpert, den man hier bestellen kann <<Werbemodus aus>>.

Aber, wer will sich schon mit der Staatskasse streiten 🙂 : M.E. kann der Verteidiger diesem Streit entgehen, wenn er in seinem Kostenfestsetzungsantrag konkreter als es hier offenbar geschehen ist, darlegt, welche Kopien nach seiner Auffassung erforderlich waren. Also ein wenig mehr schreibt als: Ich habe alle für erforderlich gehalten. Damit bietet er nämlich kein Einfallstor für solche Entscheidungen.

Wildunfall, oder: Rettungskostenersatz aus der Teilkaskoversicherung?

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Urheber Mediatus – Eigenes Werk

Das LG Kleve, Urt. v. 30.08.2018- 6 O 97/16 – bezieht sich auf einen Sachverhalt/Unfallablauf, der in der Praxis häufiger vorkommen dürfte. Es geht um den Ersatz von Schäden, die durch das Ausweichen vor einem Widltier zur Vermeidung einer Kollision entstanden sind. Besteht dann keine Vollkaskoversicherung, wird gern auf eine bestehende Teilkaskoversicherung zurückgegriffen. Die Versicherungen sind an der Stelle aber sehr „argwöhnisch“ , weil u.U/nicht selten ein Sachverhalt wahrheitswidrig geschildert wird, um Versicherungsschutz in der Teilkaskoversicherung erhalten zu können. Vor dem Hintergrund geht die Rechtsprechung davon aus, dass der Versicherungsnehmer nach dem strengen Maßstab des § 286 ZPO frei von Zweifeln den Vollbeweis dafür zu erbringen hat, dass der von ihm behauptete Fall eines Rettungskostenersatzes bei einer ansonsten drohenden Kollision mit einem ausreichend großen Tier auch tatsächlich so stattgefunden hat. So eben auch das LG Kleve:

„Unstreitig besteht für das streitgegenständliche Fahrzeug „lediglich“ ein Premium-Teilkaskoversicherungsvertrag bei der Beklagten. Gern. E. 2 b) der anzuwendenden AKB besteht in der Premium-Teilkaskoversicherung Versicherungsschutz bei einem Zusammenstoß des fahrenden Fahrzeuges mit Tieren, wobei es in der Premium-Versicherung – anders als in der Basis-Versicherung – nicht darauf ankommt, um welche Tierart es sich handelt.

Unstreitig ist es nicht zu einem Zusammenstoß zwischen dem fahrenden Fahrzeug und einem Tier gekommen, so dass sich ein Anspruch auf Versicherungsleistungen nicht ausschließlich aus dem Versicherungsvertrag der Parteien ergibt.

Der Klägerin würde jedoch ein Anspruch aus §§ 90, 83 VVG zustehen, wenn die behaupteten Fahrzeugschäden entstanden sind, um einen unmittelbar bevorstehenden Versicherungsfall abzuwenden oder in seinen Auswirkungen zu mindern (sog. Rettungskostenersatz). Gern. § 83 Abs. 1 VVG hat der Versicherer Aufwendungen des Versicherungsnehmers nach § 82 Abs. 1 und 2 VVG, auch wenn sie erfolglos bleiben, insoweit zu erstatten, als der Versicherungsnehmer sie den Umständen nach für geboten halten durfte, Nach § 82 Abs, 1 VVG ist der Versicherungsnehmer bei Eintritt des Versicherungsfalls verpflichtet, nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen. Aufwendung i. S. d. § 83 Abs. 1 S. 1 VVG ist dabei jede auch unfreiwillige Vermögensverminderung, welche adäquate Folge einer Maßnahme ist, die der Versicherungsnehmer zur Schadensabwehr oder Schadensminderung getroffen hat. Grundsätzlich kommen hierfür auch Vermögensminderungen wegen der Beschädigung von Sachen in Betracht, Hierzu zählen Reparaturkosten (vgl. OLG Rostock, Urt. vom 27.05.2016, Az. 5 U 45/14 zit. nach juris).

Bei der Klage auf sog. Rettungskostenersatz wegen Wildwechsels gegen die Teilkaskoversicherung — wie hier — bedarf es der vollen richterlichen Überzeugung im Sinne des § 286 ZPO, dass der Unfall durch einen Wildwechsel verursacht worden ist (vgl. OLG Rostock, a.a.O.). Die Beklagte hat den von der Klägerin vorgetragenen Unfallhergang — auch dass dieser durch einen Wildwechsel verursacht wurde -bestritten. Die beweisbelastete Klägerin hat Beweis durch Vernehmung der Zeugen pp. und Beifahrer) angetreten.

Nach der durchgeführten Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen pp. ist die Kammer nicht davon überzeugt, dass die Fahrzeugschäden aufgrund eines Wildwechsels und einem dadurch bedingten Ausweichmanöver entstanden sind……“

 

Fahrradfahrerzusammenstoß beim Überholen, oder: Wann muss man klingeln?

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Die zweite Entscheidung kommt – wie bereits angekündigt auch vomKG aus Berlin. Gegenstand ist ein Fahrradfahrerunfall. Zwei Fahrradfahrer sind bei einem Überholvorgang im gleichgerichteten Verkehr zusammen gestoßen. Der eine macht gegen den anderen Radfahrer Zahlung von Schmerzensgeld, Krankenbehandlungskosten, Sachschäden und Verdienstausfall sowie Nebenforderungen in Höhe von zuletzt 16.825,52 EUR geltend. Das LG hat die Klage abgewiesen, weil es die Behauptung des Klägers nicht für erwiesen erachtet hat, dass die Beklagte beim Überholen den notwendigen Seitenabstand zu ihm als ebenfalls auf einem Rad Fahrenden nicht eingehalten hat. Die durch den Sturz des Klägers eingetretene Unterarmfraktur habe die Beklagte daher nicht verschuldet. Der Fahrradweg aus Bitumen habe eine Breite von 1,75 m gehabt, bis zum Bordstein habe sich noch ein kleingepflasterter Bereich angeschlossen, der eine Breite von 95 cm gehabt habe. Rechts neben dem Fahrradweg habe sich ein Grünstreifen befunden. Dann aber sei ausreichender Platz für ein Überholen mit einem Abstand von 1 m vorhanden gewesen. Ausreichende Anhaltspunkte für ein Unterschreiten des notwendigen Abstands ergäben sich allenfalls aus den Angaben des Klägers, die aber keinen Vorrang vor den plausiblen Erklärungen der Beklagten hätten. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet gewesen, den Überholvorgang durch ein Klingeln vorzubereiten.

Das KG führt dazu in seinem Hinweisbeschluss, dem KG, Beschl. v. 26.02.2018 – 22 U 146/16, in dem es für den Kläger angeregt hat, seine Berufung zu überdenken:

„…..Diese Ausführungen sind nicht zu beanstanden. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verletzt hat, so dass weder ein Anspruch wegen der eingetretenen Körperverletzung nach § 823 Abs. 1 BGB noch nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 229 StGB in Betracht kommt…………

2. Die Entscheidung des Landgerichts unterliegt auch keinem Rechtsfehler. Zu Recht hat das Landgericht eine Verpflichtung zum Klingeln verneint. Eine entsprechende generelle Verpflichtung ergibt sich nicht aus dem Gesetz, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 StVO ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.

Nach § 5 Abs. 1 StVO ist links zu überholen. Dabei ist nach § 5 Abs. 4 Satz 2 StVO ein ausreichender Seitenabstand zu anderen Radfahrern einzuhalten. Der Überholende muss sich weiter so verhalten, dass eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist und der Überholte nicht behindert wird. Dies alles gilt auch dann, wenn ein Radfahrer einen anderen Radfahrer überholen will, weil ihm das Überholen trotz der Regelung des § 2 Abs. 4 Satz 1 StVO grundsätzlich erlaubt ist. Die Regelung § 2 Abs. 4 Satz 1 StVO betrifft nur den Fall, dass länger nebeneinander gefahren und gerade nicht überholt werden soll (vgl. Burmann/Heß, Straßenverkehrsrecht, 25. Aufl., § 2 Rdn. 55). Die beim Überholen zu beachtenden Pflichten setzen das vorherige Ankündigen des Überholens grundsätzlich nicht voraus. Selbst nach § 5 Abs. 6 StVO besteht keine Pflicht zur Ankündigung des Überholens durch Schallzeichen. Anderes kann allenfalls dann in Betracht kommen, wenn eine besondere Sachlage vorliegt. Eine solche Konstellation könnte gegeben sein, wenn der Überholvorgang wegen der geringen Straßenbreite besonders gefährlich ist oder der zu Überholende erkennbar unsicher ist. All dies ist hier aber nicht der Fall gewesen. Aus dem gleichen Grund scheidet auch eine Verpflichtung aus § 16 Abs. 1 StVO aus. Dann aber kann hier auch offen bleiben, ob sich eine etwaige Verletzung der Ankündigungspflicht überhaupt auf den Unfall ausgewirkt hat, nachdem der Kläger im Rahmen seiner persönlichen Anhörung ausdrücklich erklärt hat, er habe sich nicht wegen des Überholens erschrocken, sondern wegen der Berührung.“

Der Kläger ist der Anregung des KG übrigens nicht gefolgt. Das hat die Berufung dann im KG, Beschl. v. 09.04.2018 – 22 U 146/18 – zurückgewiesen.

Rückabwicklung des Neuwagenkaufs, oder: Der Verkäufer muss die Unerheblichkeit des Mangels beweisen

Im „Kessel Buntes“ heute dann zunächst das BGH, Urt. v. 18.10.2017 – VIII ZR 242/16, eine kaufrechtliche Entscheidung. Im Verfahren ging es um Mängel bei einem Neuwagenkauf. Bei dem vom Kläger gekauften Pkw gaben die Scheinwerfer unterschiedlich Licht. Der eine leuchtete dreimal so hell wie der andere. Der Kläger ist dann von der Polizei angehalten und darauf hingewiesen worden, dass sein Fahrzeug deswegen verkehrsgefährdend sei. Er hat Rückabwicklung des Kaufvertrages begeht. In erster Instanz hat Sachverständiger bestätigt, dass die Lichtstärke der Scheinwerfer bei 15,7 lx bzw. 47,2 lx lag. Offen geblieben ist aber, ob die Blendwirkung auf einem Scheinwerferdefekt, falscher Einstellung, einem Softwarefehler oder einer Kombination dieser Ursachen beruhte. Die Klage hatte dann erst beim BGH Erfolg.

Der BGH hebt wegen nicht ausreichender Feststellungen im Berufungsurteil auf. In der „Segelanweisung“ gibt er dem OLG Köln als Berufungsgericht dann mit auf den Weg, wie man bei der Neuverhandlung mit der Sache umgehen muss/soll:

2. Für das neue Berufungsverfahren sieht der Senat unter Heranziehung des Akteninhalts Anlass zu folgenden Hinweisen:

a) Dem Käufer (beziehungsweise hier aus abgetretenem Recht dem Kläger) obliegt es nicht, im Rahmen seines Nachbesserungsbegehrens die genaue Ursache des beanstandeten Mangels zu benennen (vgl. Senatsurteil vom 9. März 2011 – VIII ZR 266/09, NJW 2011, 1664 Rn. 10). Vielmehr genügt es, wenn er die Mangelerscheinung laienhaft beschreibt, also darlegt, in welchen Symptomen sich der Mangel äußert (Senatsurteil vom 26. Oktober 2016 – VIII ZR 240/15, NJW 2017, 153 Rn. 16 [zum Kauf]; BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 – VII ZR 276/13, NJW-RR 2014, 1204 Rn. 16 [zum Werkvertrag]; Beschluss vom 21. Februar 2017 – VIII ZR 1/16, NJW 2017, 1877 Rn. 11 mwN [zur Miete]).

Im vorliegenden Fall ist ein Mangel der Frontbeleuchtung betroffen, den der Kläger durch den Hinweis auf eine Blendwirkung dahin beschrieben hat, einer der beiden Scheinwerfer leuchte dreimal so hell wie der andere. Hierin fügte sich der weitere Vortrag des Klägers ein, dass er mit dem Fahrzeug von der Polizei angehalten worden sei, weil diese das Fahrzeug wegen der Blendwirkung als verkehrsgefährdend eingestuft habe. In ähnlicher Weise hat sich im Übrigen auch der vom Landgericht beauftragte Sachverständige geäußert, der bei einem Scheinwerfer eine Lichtstärke von 15,7 lx und bei dem anderen von 47,2 lx festgestellt und das Fahrzeug deswegen als verkehrsunsicher und verkehrsgefährdend bezeichnet hat.

Ob die Ursache dieser Blendwirkung letztlich auf einem Defekt der Scheinwerfer selbst, auf einer falschen Einstellung der Scheinwerfer, auf einem Softwarefehler oder einer Kombination dieser Ursachen beruht, ist für die Gewährleistungspflicht der Beklagten ersichtlich ohne Bedeutung, da sämtliche in Betracht kommenden Ursachen jedenfalls nach derzeitigem Sachstand der Sphäre der Beklagten zuzuordnen sind. Hierauf hat der Kläger im Übrigen bereits in seinem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 24. September 2015, mit dem sich die Vorinstanzen nicht auseinandergesetzt haben, zutreffend hingewiesen.

b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts trägt der Verkäufer und nicht der Käufer die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein Mangel unerheblich im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ist und den Käufer deshalb nicht zur Rückabwicklung des Kaufvertrages berechtigt. Dies ergibt sich schon daraus, dass das Gesetz den Ausschluss des Rücktrittsrechts bei nur unerheblichem Mangel als Ausnahme formuliert (vgl. OLG Köln, Urteil vom 27. März 2008 – 15 U 175/07, juris Rn. 59 mwN; OLG Düsseldorf, Urteile vom 24. Oktober 2005 – 1 U 84/05, juris Rn. 40; vom 8. Januar 2007 – 1 U 177/06, juris Rn. 24).

c) Anders als das Berufungsgerichts meint, richtet sich die Beurteilung der Erheblichkeit eines Mangels schließlich keineswegs allein danach, ob die Mängelbeseitigungskosten die Grenze von 5 % des Kaufpreises übersteigen. Vielmehr ist – wie der Senat in seiner Grundsatzentscheidung vom 28. Mai 2014 (VIII ZR 94/13, BGHZ 201, 290 Rn. 16 mwN) ausgeführt hat – eine umfassende Interessenabwägung auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls erforderlich. Weiter hat der Senat entschieden, dass im Rahmen dieser Interessenabwägung von einer Geringfügigkeit des Mangels und damit von einer Unerheblichkeit der Pflichtverletzung (§ 323 Abs. 5 Satz 2 BGB) in der Regel nicht mehr auszugehen ist, wenn bei einem behebbaren Mangel der Mangelbeseitigungsaufwand einen Betrag von 5 % des Kaufpreises übersteigt (Senatsurteil vom 28. Mai 2014 – VIII ZR 94/13, aaO Rn. 12 mwN).

Dies schließt es allerdings nicht aus, dass bei Vorliegen besonderer Umstände – etwa einer nur sehr geringfügigen Gebrauchsbeeinträchtigung – trotz eines Mangelbeseitigungsaufwandes von mehr als 5 % des Kaufpreises der Mangel als unerheblich einzustufen ist (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 27. Juli 2016 – 3 U 70/15, juris) oder umgekehrt trotz eines unter der 5 %-Grenze liegenden Mangelbeseitigungsaufwands aufgrund besonderer Umstände (etwa besondere Schwierigkeiten oder Zeitdauer einer erforderlichen Ersatzteilbeschaffung) die Gesamtabwägung zur Bejahung einer erheblichen Pflichtverletzung führen kann. Denn wie der Senat in seinem Urteil vom 28. Mai 2014 (VIII ZR 94/13, aaO Rn. 38 mwN) bereits betont hat, handelt es sich bei der Schwelle von 5 % des Kaufpreises um eine nicht starre („in der Regel“), sondern – entsprechend den Vorstellungen des Gesetzgebers und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – um eine flexible, in eine Interessenabwägung und eine Würdigung der Umstände des Einzelfalls eingebettete Erheblichkeitsschwelle, die dem Ziel dient, die Interessen der Kaufvertragsparteien zu einem sachgerechten Ausgleich zu bringen.

d) Darüber hinaus hat das Berufungsgericht in grundlegender Weise verkannt, dass sich die Frage der Behebbarkeit eines Mangels nach den Erkenntnissen im Zeitpunkt des Rücktritts beurteilt (Senatsurteile vom 29. Juni 2011 – VIII ZR 202/10, NJW 2011, 2872 Rn. 21; vom 5. November 2008 – VIII ZR 166/07, NJW 2009, 508 Rn. 19; vom 28. Mai 2014 – VIII ZR 94/13, aaO Rn. 16). Deshalb kommt es im Rahmen der Beurteilung der Unerheblichkeit eines Mangels nicht entscheidend auf die Behebbarkeit an, wenn die Mangelursache im Zeitpunkt des Rücktritts noch ungewiss ist, etwa weil es dem Verkäufer – wie der Kläger auch hier geltend macht – in mehreren Nachbesserungsversuchen nicht gelungen ist, die Mangelursache zu finden und den Mangel zu beseitigen. In einem solchen Fall ist vielmehr auf die Einschränkung der Gebrauchstauglichkeit abzustellen (Senatsurteile vom 29. Juni 2011 – VIII ZR 202/10, aaO; vom 28. Mai 2014 – VIII ZR 94/13 aaO Rn. 17).

e) Ausgehend von diesen Grundsätzen verbietet sich bei einer schwerwiegenden und in mehreren Nachbesserungsversuchen nicht behobenen Einschränkung der Verkehrssicherheit, wie sie der Kläger hier geltend macht, eine Einordnung als nur unerheblicher Mangel. Es kommt in diesen Fällen gerade nicht darauf an, ob die genaue Mangelursache zu einem späteren Zeitpunkt – nach dem Rücktritt – noch ermittelt wird, etwa im Rahmen der Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens, durch das sich dann herausstellt, dass die Beseitigung des Mangels nur einen unerheblichen Betrag erfordert.“