Vorschadensproblematik bei der Unfallregulierung, oder: Verschweigen von Vorschäden

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Die zweite Entscheidung kommt heute mit dem OLG Hamm, Urt. v. 25.01.2022 – 9 U 46/21 – vom OLG Hamm. Gegenstand der Entscheidung ist eine Vorschadensproblematik mit folgendem Sachverhalt:

Der Kläger macht gegen die Beklagte aus einem von deren Versicherungsnehmerin allein verursachten Verkehrsunfall vSchadensersatzansprüche geltend. Bei diesem Unfall wurden die linke hintere Seitenwand und die hintere linke Tür seines Kraftfahrzeugs beschädigt.

Der im Dezember 2012 erstmals zugelassene PKW01 Typ01 hatte in der Vorbesitzzeit des Klägers im Jahre 2014 einen Heckschaden mit einem Reparaturaufwand von ca. 3.900,- EUR netto. Im Jahr 2016 erlitt das Fahrzeug bei einem Wildunfall einen Frontschaden und durch einen weiteren Unfall infolge eines Fehlers beim Einparken einen Schaden, durch den das linke Seitenteil betroffen wurde. Das Fahrzeug wurde, wie sich aus der Fahrzeughistorie unter Auflistung der einzelnen Positionen ergibt – jeweils bei einem PKW01 Vertragshändler instandgesetzt. Der Reparaturaufwand für den Seitenteilschaden belief sich ausweislich der vom Kläger vorgelegten und an den Voreigentümer adressierten Rechnung des PKW01 Autohauses C vom 18.01.2017 auf 1.400,57 EUR brutto. Im Zuge der Reparatur wurde das linke Seitenteil ausgebeult und anschließend lackiert. Eine Rechnung über die Instandsetzung des Frontschadens vermochte der Kläger nicht vorzulegen.

In der Besitzzeit des Klägers wurde durch spielende Kinder vor dem 01.11.2018 eine Beule oberhalb des hinteren linken Radkastens verursacht. Dieser Schaden blieb unrepariert.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe den Umfang möglicherweise deckungsgleicher Vorschäden am linken Seitenteil nicht dargelegt und insbesondere nichts zu deren fachgerechter Reparatur vorgetragen, so dass der ihm durch den Unfall vom 01.11.2018 entstandene Schaden nicht ermittelt werden könne. Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren fort. Die Berufung des Klägers hatte in dem teilweise Erfolg.

Hier die Leitsätze zu der Entscheidung:

  1. Wird das Fahrzeug in einem vorgeschädigten Bereich erneut, deckungsgleich beschädigt und ist die Unfallursächlichkeit der geltend gemachten Schäden deshalb streitig, muss der Geschädigte darlegen und mit überwiegender Wahrscheinlichkeit i.S.v. § 287 ZPO nachweisen, dass der geltend gemachte Schaden nach Art und Umfang insgesamt oder ein abgrenzbarer Teil hiervon auf das streitgegenständliche Unfallereignis zurückzuführen ist.
  2. Der Geschädigte muss grundsätzlich darlegen und ggf. nachweisen, welche eingrenzbaren Vorschäden an dem Fahrzeug vorhanden waren und durch welche konkreten Reparaturmaßnahmen diese zeitlich vor dem streitgegenständlichen Unfall fachgerecht beseitigt worden sind.
  3. Bei der Bemessung der klägerischen Substantiierungslast zu Art und Ausmaß des Vorschadens und zu Umfang und Güte der Vorschadensreparatur dürfen die Anforderungen nicht überspannt werden; der Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG darf nicht verletzt werden.
  4. Das Verschweigen von Vorschäden führt nicht zu einem Anspruchsausschluss nach § 242 BGB. Die Versagung nachweislich bestehender Ansprüche ist in dem gesetzlichen Regime des materiellen Bürgerlichen Rechts quasi als Nebenstrafe nicht vorgesehen.

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