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Berufung I: Berufungshauptverhandlung, oder: Urteilsverlesung ist kein Urkundsbeweis

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Heute dann ein Tag mit StPO-Entscheidungen. Alle drei haben eine Thematik, die mit der Berufung im Straverfahren zusammenhängt.

Ich starte mit dem KG, Beschl. v. 04.03.2020 – (2) 121 Ss 32/20 (10/20). Es geht um den Inbegriff der Berufungshauptverhandlung (§ 261 StPO). Das KG hat das landgerichtliche Urteil auf die Verfahrensrüge hin aufgehoben:

„2. Die Revisionen dringen bereits mit der Verfahrensrüge durch, mit der die Angeklagten beanstanden, dass das Urteil nicht auf dem Inbegriff der Hauptverhandlung beruhe.

a) Die Rüge der Verletzung des § 261 StPO ist durch den Angeklagten W. zulässig erhoben. Die Inbegriffsrüge entspricht den Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, wenn mit den Mitteln des Revisionsrechts ohne Rekonstruktion der Beweisaufnahme der Nachweis geführt werden kann, dass eine im Urteil getroffene Feststellung nicht durch die in der Hauptverhandlung verwendeten Beweismittel und auch sonst nicht aus zum Inbegriff der Hauptverhandlung gehörenden Vorgängen gewonnen worden ist (vgl. BGH NStZ-RR 1998, 17; OLG Koblenz NStZ-RR 2011, 352; KG Berlin, Beschluss vom 18. April 2012 – (4) 121 Ss 53/12 (91/12) –juris Rn. 5). Die Revision des Angeklagten W. hat unter Mitteilung der maßgeblichen Urteilsgründe und der notwendigen Aktenteile ausreichend dargelegt, dass die kleine Strafkammer die Aussage des Zeugen Pr. anhand seiner Angaben in erster Instanz gewürdigt habe, ohne diese in prozessordnungsgemäßer Weise in die Hauptverhandlung einzuführen. Dass die Revisionsbegründung der Angeklagten P. demgegenüber versäumt hat, den relevanten Wortlaut des Hauptverhandlungsprotokolls wiederzugeben (vgl. hierzu OLG Hamm, Beschluss vom 15. April 2016 – III-2 RBs 61/16 –, juris), ist unschädlich, weil sich die Wirkung des § 357 StPO nicht nur auf Mitangeklagte erstreckt, die keine Revision eingelegt haben, sondern auch auf solche, die mit ihrer Revision deshalb nicht durchdringen könnten, weil sie unzureichend begründet ist (vgl. Gericke in KK-StPO 8. Aufl. 2019, § 357 Rn. 12 mwN).

b) Die Verfahrensrüge ist auch begründet.

Die Generalstaatsanwaltschaft führt hierzu Folgendes aus:

„Als Inbegriff der Hauptverhandlung darf nach einem der wesentlichen Grundsätze des Strafverfahrens, der seine gesetzliche Ausprägung namentlich in § 261 StPO findet, nur das verwertet und zur gerichtlichen Überzeugungsbildung herangezogen werden, was zum Gegenstand der Verhandlung gemacht worden ist; inhaltlich dürfen nur Beweiserhebungen zur Urteilsgrundlage gemacht werden, die in einer vom Gesetz vorgeschriebenen Form in das Verfahren eingeführt worden sind.

Das Landgericht hat bei der Würdigung der Frage, ob es die Angabe des Zeugen Pr., die es – im Zusammenhang mit erhobenen Urkundsbeweisen – als Grundlage der Verurteilung der Angeklagten herangezogen hat, als glaubhaft angesehen hat, maßgeblich darauf abgestellt, dass diese gegenüber seinen Angaben in erster Instanz im Wesentlichen konstant waren (UA S. 6). Diesbezüglich bemängeln die Revisionen indes zutreffend, dass die Angaben, die der Zeuge in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung getätigt hatte, zu keinem Zeitpunkt Gegenstand der Beweisaufnahme vor dem Landgericht waren. Entsprechend sei die Strafkammer aus Rechtsgründen gehindert gewesen, einen Vergleich der jeweiligen Aussagen des Zeugen vor Amts- bzw. Landgericht und damit eine Überprüfung von deren möglicher Konstanz anzustellen. Diesem Vorbringen kann sich die revisionsrechtliche Prüfung des angefochtenen Urteils nicht verschließen. Das Sitzungsprotokoll der Berufungshauptverhandlung (dort S. 2) weist zwar aus, dass gemäß dem gesetzlichen Gang der Berufungshauptverhandlung (§ 324 StPO) das erstinstanzliche Urteil – auszugsweise – verlesen worden ist. Dies ist aber – selbst wenn es sich vorliegend auch auf die Angaben des Zeugen Pr. erstreckt hätte – schon nach Auslegung des Gesetzeswortlautes des § 324 StPO (dort Inhalt des Abs. 2 im Anschluss an Abs. 1 Satz 2 der Norm) nicht Teil der Beweisaufnahme bzw. -erhebung und damit nicht als Urkundsbeweis verwertbar (vgl. KG StV 2013, 433 f., juris Rn. 8). Kommt es inhaltlich darauf an, was Angeklagte oder Zeugen vor dem erstinstanzlichen Spruchkörper ausgesagt haben, muss das Urteil (nochmals) nach § 249 StPO verlesen werden (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 62. Aufl., § 249 Rn. 21). Dies ist jedoch, worauf die Revisionen zu Recht hinweisen, nicht erfolgt; die stattgefundene Verlesung hat sich auf die Passagen zu den Lebensläufen der Angeklagten beschränkt. Die vorgeschriebene Verknüpfung zwischen dem Inbegriff der Hauptverhandlung und der Entscheidungsfindung des Gerichts ist damit in diesem Punkt nicht gegeben.

Dieser Rechtsfehler hat auch zur Aufhebung des Urteils zu führen, da das Beruhen des Urteils hierauf anzunehmen ist, jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann. Die Strafkammer hat, wie ausgeführt, die Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen Pr., auf denen die Überzeugung des Gerichts ,insbesondere‘ begründet (UA S. 5), maßgeblich an deren Konstanz festgemacht. Die diesbezügliche Prüfung aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung anzustellen, war ihr jedoch aus den genannten Gründen nicht möglich.“

Diese Ausführungen treffen zu und zwingen zur Aufhebung des gesamten Urteils.“

Höchstgebühr im Berufungsverfahren, oder: Man glaubt es nicht und traut seinen Augen nicht….

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Die zweite Entscheidung, die ich vorstelle – der LG Hechingen, Beschl. v. 29.05.2020 – 3 Qs 43/20 -, ist dann eine Entscheidung, die ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Es geht zwar auch um § 14 RVG – dessen Anwendung führt meist nicht zum Lächeln – hier dann aber (ausnahmsweise) aber mal doch.

Der Verteidiger hatte für das Berufungsverfahren, in dem er den (ehemaligen) Angeklagten auch vertreten hatte, die Höchstgebühr des Rahmens aus der Nr. 4124 VV RVG geltend gemacht. Das AG hatte nur die Mittelgebühr festgesetzt. Das LG folgt in der sofortigen Beschwerde dem Verteidiger:

„Die Absetzung durch das Amtsgericht von der geltend gemachten Verfahrensgebühr im Berufungsverfahren ist zu Unrecht erfolgt, da die Festsetzung des Verteidigers gemäß § 14 Abs. 1 RVG jedenfalls nicht unbillig und mithin verbindlich ist.

Die Geltendmachung der Höchstgebühr nach Nr. 4124 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG erscheint im vorliegenden Fall nicht unangemessen. Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers. Die Festsetzung der Gebühr ist jedoch nach § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG dann nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Unbillig ist ein Gebührensatz in der Regel dann, wenn er den Rahmen des Angemessenen um mehr als 20 % übersteigt (Winkler in: Mayer/Kroiß, RVG, 7. Auflage 2018, § 14 Rn.56). Der Rechtsanwalt erhält die Verfahrensgebühr für „das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Informationen“. Abgegolten wird die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts im Berufungsrechtszug, soweit hierfür keine besonderen Gebühren vorgesehen sind. Zur Verfahrensgebühr gehört auch die Tätigkeit gegenüber dem Mandanten (Beratung, Besprechung). Zwar kann die Verfahrensvorbereitung für die einzelnen Termine in den Abgeltungsbereich der Terminsgebühr (als „besondere Gebühr“) fallen. Dies ist bei dem vorliegenden umfangreichen Verfahren, bei welchem vier Termine erforderlich waren und der erste über acht Stunden dauerte, indes nicht für die gesamte Vorbereitungszeit der Fall. Es bedurfte zunächst des Aufbaus einer Verteidigungsstrategie für das Berufungsverfahren indegesamt, die mit dem Mandanten abgesprochen werden musste. Die allgemeine Vorbereitung der Berufungshauptverhandlung hat Auswirkungen auf die Verfahrensgebühr (vgl. Gerold/Schmidt/Burhoff, 24. Aufl. 2019, RVG VV 4124 Rn. 10). Die vom Verteidiger mit seiner Erinnerung dokumentierten Besprechungen und weiteren Tätigkeiten vom 23. Mai 2019 (telefonische Besprechung), vom 19. Juni 2019 (Aufbereitung/Abgleich Urteil und HV-Protokolle 1. Instanz), vom 15. Juli 2019 (Terminsabstimmung/Telefonat/Diktat) und vom 16. August 2019 (telefonische Besprechung) belegen, dass der Rechtsanwalt „sein Geschäft“ in diese Richtung umfangreich betrieben hat. Auf der Grundlage der sog. Mittelgebühr, von der auszugehen ist, können also gebührenerhöhend diese zeitintensiven Tätigkeiten, der Umfang der erstinstanzlichen Akte und die Vielzahl der Termine berücksichtigt werden, bei welcher eine Gesamtübersicht im Blick behalten werden musste. Eine Gesamtschau all dieser Umstände zeigt, dass eine erheblich über der Mittelgebühr liegende Verfahrensgebühr gerechtfertigt und die Höchstgebühr zumindest nicht unbillig ist.

Die Differenz zwischen der bereits zuerkannten Mittelgebühr und der Höchstgebühr beträgt netto 240 €. Die darauf fallende Umsatzsteuer beträgt 45,60 €. Um die Summe (285,60 €) war der festzusetzende Betrag zu erhöhen.“

Ja, Festsetzung der Höchstgebühr. Man glaubt es nicht und traut seinen Augen nicht. Dass man das noch erleben darf 🙂 .

Der dringende Tatverdacht im Berufungsverfahren, oder: Haftgrund fehlende Zustellungsvollmacht?

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In die 38. KW starte ich mit zwei Entscheidungen zu Haftfragen.

Zunächst weise ich auf den KG, Beschl. v.01.03.2018 – 4 Ws 25/18 – hin. Behandelt wird die Frage der Aufhebung eines Haftbefehls durch das Berufungsgericht. Der Angeklagte wurde am 19.09.2017 festgenommen und befand sich nach Vollstreckung zweier Ersatzfreiheitsstrafen seit dem 17. November 2017 aufgrund eines amtsgerichtlichen Haftbefehls bis zu dessen Aufhebung durch das LG am 17.01.2018 in Untersuchungshaft. Am 28.11.2017 hatte das AG den Angeklagten nach dreitägiger Hauptverhandlung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten verurteilt. Mit Beschluss vom gleichen Tag hatte das AG unter Aufrechterhaltung des Haftbefehls  Haftfortdauer angeordnet. Gegen das Urteil hat der Angeklagte Berufung eingelegt. In dem durch die Staatsanwaltschaft Berlin angefochtenen Beschluss vom 17.01.2018 hatte das LG zur Begründung der Aufhebung des Haftbefehls des AG lediglich ausgeführt, es liege zwar ein hinreichender, aber kein dringender Tatverdacht vor.

Dagegen die Beschwerde zum KG, die Erfolg hatte. Das KG sieht die Voraussetzungen für einen Haftbefehl gegen den Angeklagten nach § 112 Abs. 1 und Abs. 2 StPO als gegeben an:

„1. Der Angeklagte ist dringend verdächtig (§ 112 Abs. 1 StPO), sich des versuchten schweren Raubes sowie der gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht zu haben. Das folgt bereits aus seiner erstinstanzlichen Verurteilung. Haftentscheidungen, die während einer Hauptverhandlung oder nach einer tatgerichtlichen Verurteilung erfolgen, unterliegen im Beschwerdeverfahren hinsichtlich des Vorliegens dringenden Tatverdachts lediglich eingeschränkter Überprüfung durch das Beschwerdegericht, da allein das Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattfindet bzw. stattgefunden hat, in der Lage ist, deren Ergebnisse aus eigener Anschauung festzustellen und zu würdigen sowie auf dieser Grundlage zu bewerten, ob der dringende Tatverdacht nach dem erreichten Verfahrensstand fortbesteht. Eine Beweisaufnahme über eine durch das erkennende Tatgericht bereits durchgeführte oder noch laufende Beweisaufnahme im Sinne eines „Schattenverfahrens“ findet im Haftbeschwerdeverfahren nicht statt (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 16. Oktober 2015 – 2 Ws 236/15 – [juris]). Ist ein Angeklagter nach abgeschlossener Beweisaufnahme verurteilt worden, ist der dringende Tatverdacht in der Regel durch das verurteilende Erkenntnis hinreichend belegt (vgl. BGH NStZ 2006, 297; OLG Hamburg aaO). Damit ist es dem Berufungsrichter prinzipiell vor einer eigenen Beweisaufnahme verwehrt, den dringenden Tatverdacht allein aus dem Aktenstudium zu verneinen und den Haftbefehl aus diesem Grund aufzuheben, weil ein Schuldspruch aufgrund einer Hauptverhandlung regelmäßig eine höhere Richtigkeitsgewähr bietet als eine anhand der Akten angestellte Prognose (vgl. Senat, Beschluss vom 7. März 2014 – 4 Ws 21/14 – [juris = OLGSt StPO § 112 Nr. 18] mwN). Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn das erstinstanzliche Urteil derartige offensichtliche Fehler aufweist, dass ein Berufen auf dieses Urteil gegen den Anspruch auf ein faires Verfahren aus Art. 6 EMRK verstoßen würde, oder sich zwischen dem Zeitpunkt des Erlasses des erstinstanzlichen Urteils und der Haftentscheidung durch den Berufungsrichter erhebliche neue Umstände ergeben haben, die eine andere Beurteilung der Haftvoraussetzungen rechtfertigen (vgl. BGH NStZ 2004, 276). Beides liegt nicht vor. Das erstinstanzliche Urteil hat auch für das Beschwerdegericht nachvollziehbar die Gründe dargelegt, weshalb es von der Täterschaft des Angeklagten überzeugt ist, und ihn aus diesen Gründen verurteilt. Neue Umstände, die eine andere Beurteilung der Haftfrage rechtfertigen würden, sind bis zum heutigen Zeitpunkt nicht zu Tage getreten. Sie werden auch durch die Nichtabhilfeentscheidung der Berufungskammer nicht belegt, die lediglich den Beweiswert der vom Amtsgericht herangezogenen Beweise abweichend vom erstinstanzlichen Urteil gewichtet.

2. Es besteht jedenfalls der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Der Angeklagte ist in Deutschland wie auch in M. ohne feste Wohnanschrift, aus der Untersuchungshaft ist er am 17. Januar 2018 ohne Angabe einer Austrittsadresse entlassen worden. Er hat sich in Berlin vor seiner Inhaftierung im September 2017 in wechselnden Asylbewerberunterkünften aufgehalten, sein derzeitiger Aufenthaltsort ist hingegen nicht bekannt. Weder in Deutschland noch in M. verfügt er über feste soziale Bedingungen, er geht keiner Arbeit nach und erhält keine finanzielle Unterstützung. In Anbetracht der Verurteilung zu einer nicht unerheblichen Freiheitsstrafe steht zu erwarten, dass der Angeklagte, der die Tatvorwürfe bestreitet, nunmehr für die Strafverfolgungsbehörden und die Gerichte unerreichbar sein wird, auch wenn der Verteidiger angegeben hat, Kontakt zu dem Angeklagten zu haben. Der (Pflicht)Verteidiger verfügt weder über eine schriftliche Ladungs- noch Zustellvollmacht (vgl. Senat StraFo 2015, 201 = StV 2015, 646).“

Na ja, das mit der „Ladungs- und Zustellungsvollmacht“ hätte ich mir verkniffen. Ist das Fehlen ein Haftgrund?

„Erkennender Richter“ im Berufungsverfahren, oder: Eingang der Akten maßgeblich

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Als zweite Entscheidung des Tages im „Nachmittagsposting“ dann eine zum Ablehnungsrecht, und zwar der KG, Beschl. v. 29.06.2018 – 2 Ws 123/18. Er betrifft/beantwortet die Frage: Wer ist eigentlich im Berufungsverfahren erkennender Richter i.S. des § 28 Abs. 2 StPO. Die Antwort hat Auswirkungen auf die Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen eine im Ablehnungsverfahren ergangene Entscheidung. Das war hier von Bedeutung, da der Verteidiger des Angeklagten den Vorsitzenden der Berufungskammer wegen Besorgnis der Befangenheit nach Aufhebung einer Pflichtverteidigerbestellung abgelehnt hatte. Das Ablehnungsgesuch wurde zurückgewiesen. Dagegen dann die sofortige Beschwerde. Frage: Zulässig? Das KG sagt, nein:

„Die Beschwerde  ist unzulässig, denn sie betrifft einen erkennenden Richter, so dass sie nur zusammen mit dem noch ausstehenden Urteil angefochten werden kann (§ 28 Abs. 2 Satz 2 StPO). Bereits mit dem Eingang der Akten bei der Berufungsstrafkammer nach § 321 StPO sind die nach der Geschäftsverteilung zur Mitwirkung an der Hauptverhandlung berufenen Richter „erkennende Richter“ im Sinne von § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO geworden (vgl. OLG Düsseldorf, NStZ-RR 2013, 215; OLG Karlsruhe NStZ-RR 1998, 144). Dies gilt unabhängig davon, ob bereits ein Termin zur Hauptverhandlung bestimmt oder eine sonstige Maßnahme getroffen worden ist, die die Entscheidung vorbereitet oder nicht. Die Eigenschaft als erkennender Richter beginnt erstinstanzlich bereits mit dem Erlass des Eröffnungsbeschlusses und nicht erst mit der Terminierung (vgl. OLG Hamm NStZ-RR 238; Hanseatisches OLG Bremen, NStZ 1991, 95). Denn schon dann steht aufgrund der Geschäftsverteilung fest, wer zur Mitwirkung an der Hauptverhandlung berufen ist, und dass diese durchgeführt werden muss. Nichts anderes gilt für Verfahren in der Berufungsinstanz. Denn mit dem Eingang der Akten bei dem Landgericht steht ebenfalls dessen Zuständigkeit fest und damit auch die Pflicht, über eine Berufung zu verhandeln. Erkennende Richter im Sinne von § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO sind aber nicht nur die Richter, die in der Hauptverhandlung mitwirken, sondern auch diejenigen, die nach § 27 StPO berufen sind, über Ablehnungsgesuche gegen die erkennenden Richter zu entscheiden (vgl. OLG Karlsruhe aaO). Denn § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO bezweckt auch aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit, gegen den Verwerfungsbeschluss nur eine Nachprüfung gemeinsam mit dem Rechtsmittel gegen das Urteil zuzulassen, um zu verhindern, dass die bevorstehende oder begonnene Hauptverhandlung verzögert oder in Frage gestellt wird.“

Verfahrensgebühr für die Berufung, oder: Wenig Mühe gemacht……

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Und als zweite Entscheidung dann der (unerfreuliche) AG Köthen, Beschl. v. 12.03.2018 – 5 Ds 393 Js 803/17 (33/17). Zu dem teilt mir der Kollege Gregor aus Aken, der ihn mir geschickt hat, mit:

„Zur Vorgeschichte: Ich hatte gegen ein Urteil Berufung eingelegt, durch dass mein Mdt. zu 4 Monaten FS ohne Bewährung verurteilt wurde. Dadurch drohte auch der Widerruf zweier Bewährungen (1 Jahr FS und 4 Monate FS). Zur Vorbereitung des Berufungstermins gab es mit dem Mandanten und v. a. dessen Betreuer mehrere Gespräche, um die Zeit zu nutzen. Das war erfolgreich, denn ich hatte die Berufung auf das Strafmaß – sprich Bewährung – beschränkt, die dann auch „gewährt“ wurde. Kosten und notwendige Auslagen zu Lasten der Staatskasse.

Dann habe ich bei der Verfahrensgebühr die Mittelgebühr beantragt, die mir die Bezirkksrevisorin auf 200,00 € gekürzt hat. Begründung: deutlich unterdurchschnittliche Angelegenheit. Vielleicht sehe ich es ja auch verkehrt, aber ich habe dann zum einen meinen Arbeitsaufwand dargestellt, der vor allem in wiederholten Beratungen lag. Außerdem habe ich ausgeführt, dass die Verhängung einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung für einen Menschen micht deutlich unterdurchschnittliche Bedeutung hat, sondern wohl überdurchschnittlich. Denn mehr als seine Freiheit kann ihm der Staat nicht nehmen. Außerdem hängen da ja noch andere Folgen dran wie Verlust Arbeitsplatz, Wohnung etc.“

In dem Beschluss – eher ein Beschlüsschen :-), da man von den Argumenten des Kollegen dort nichts wiederfindet, heißt es kurtz und knapp:

„Die geltend gemachte Gebühr W 4124 RVG ist lediglich in Höhe von 200,00 € als erstattungsfähig anzusehen. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit jm Rechtssinne ist vorliegend nicht mit einer üblichen Berufung gleichzusetzen. Die vom Verteidiger vorgetragene Begründung, wonach ein höherer Gebührenbetrag gerechtfertigt sei, mag nicht überzeugen. Die Bezirksrevisorin weist nach Auffassung des Gerichtes zu Recht darauf hin, dass es sich bei den vom Verteidiger in seiner Stellungnahme aufgeführten Tätigkeiten vorwiegend um Gespräche mit dem Betreuer handelt. Diese begründen jedoch keine durchschnittliche Tätigkeit im gebührenrechtlichen Sinn.“

Der Kollege wird ins Rechtsmittel gehen. m.E. zu Recht. Denn die Kriterien des § 14 RVG sind nicht ausreichend beachtet. Abgestellt wird lediglich auf die Schwierigkeit und auf mehr nicht….. Was schreibt man da nicht. Fast hätte ich geschrieben: Typisch Rechtspfleger, aber das wäre sicherlich nicht angemessen, da es auch andere – besser begründete – Entscheidungen gibt….. Vielleicht passt: wenig Mühe gemacht besser?