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Das OLG Frankfurt und das Berufsbild des Rechtsanwaltes/Verteidigers – ärgerlich

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Eine gebührenrechtliche Problematik beschäftigt die Gerichte seit Inkraftreten des RVG im Jahr 2004, nämlich die Frage: Sind bei der Berechnung der maßgeblichen Hauptverhandlungsdauer für den dem Pflichtverteidiger zustehenden „Längenzuschlag“ Wartezeiten und Pausen mit einzubeziehen oder nicht. Die Frage ist natürlich für das Überschreiten der „Grenzwerte“ von mehr als 5 bzw. mehr als 8 Stunden von erheblicher Bedeutung.

Während die OLG in der Frage, ob Wartezeiten miteinzurechnen sind, sich weitgehend einig sind, besteht bei der Frage der Berücksichtigung von Pausen erheblicher Streit in der OLG Rechtsprechung. Das geht von: Ja immer, über verschiedene Abstufungen bis zu: Nein nie. Ich bin der Meinung, dass man auch Pausen berücksichtigen muss, weil es dem RVG gerade auf eine angemessene Honorierung des Zeitaufwandes des Rechtsanwalts/des Verteidigers ankommt. Nun gut, man kann ja über alles diskutieren und streiten. Dann aber bitte auch mit fairen und nachvollziehbaren Argumenten. Und die vermisse ich in zwei Beschlüssen des OLG Frankfurt, die sich vor einiger Zeit mit dieser Problematik auseinander gesetzt haben, nämlich der OLG Frankfurt, Beschl. v. 13.03.2012 – 2 Ws 182/11 und OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.06. 2012 – 2 Ws 83/12:

Argumentiert wird mit dem Berufsbild des Rechtsanwaltes:

„Wartezeiten und Vorhaltezeiten wie sie durch Pausen und Unterbrechungen während der Hauptverhandlung entstehen, sind typische Begleiterscheinungen des Berufsbildes des Rechtsanwaltes und insb. des Strafverteidigers und weder eigenständig vergütungspflichtig noch stellen sie Besonderheiten da, die durch Ausweitung bestehender Vergütungstatbestände aufgefangen werden müssen. Der Gesetzgeber wollte mit dem RVG gerade die intransparente Kasuistik zu Sondervergütungen für Rechtsanwälte beenden und durch transparente Vergütungstatbestände pauschalisieren. Dem RVG liegt die Konzeption einer Mischkalkulation zu Grunde.“

Im Grunde genommen hätte man auch schreiben können: Deine Arbeitszeit hast du zur Verfügung zu stellen. Nur bezahlt wird dir das nicht vollständig. Ärgerlich.

Fahrverbot – Absehen nach einem Zeitablauf von zwei Jahren, nur wann?

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Das von einem Regelfahrverbot nach einem längeren Zeitablauf nach der Tat abgesehen werden kann, ist h.M. in der obergerichtlichen Rechtsprechung. Man ist sich auch einig, dass es dabei um einen Zeitablauf von zwei Jahren handeln muss. Nur: wie berechnet sich der Zeitraum: Müssen es zwei Jahre zwischen Tat und letzter tatrichterlicher Entscheidung sein oder isz bei einer Entscheidung des OLG die Zeit des Rechtsbeschwerdeverfahrens mit ein zu beziehen? Der OLG Celle, Beschl.  v. 18.07.2012 –  311 SsBs 82/12 – geht von der ersten – für den Betroffenen ungünstigeren – Variante aus (ebenso wie auch schon das OLG Oldenburg im Beschluss vom 03. 08.2011 – 2 SsBs 172/11. Andere OLG haben das in Vergangenheit auch anders gesehen. Vielleicht legt ja mal ein OLG beim BGH vor.

 

Wer (unter)schreibt, der bleibt, auch wenn es nur ein „Schriftgebilde“ ist

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Nach getaner Arbeit steht für den Rechtsanwalt die Abrechnung ins Haus. Fordern kann der Rechtsanwalt/Verteidiger die Vergütung vom Mandanten nach § 10 RVG nur aufgrund „einer von ihm unterzeichneten … Berechnung“. Mit den Anforderungen an diese Berechnung befasst sich das OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.04.2012 – I 24 U 166/11. Da hatte der Rechtsanwalt nämlich die Berechnung nicht „schon“ unterschrieben. Und es war Streit entstanden, ob die „Unterschrift“ des Rechtsanwalts den Anforderungen an eine „Unterschrift“ erfüllte. Das OLG wendet die Rechtsprechung zu den Anforderungen  an eine Unterschrift bei prozessbestimmenden Schriftsätzen (§§ 129, 130 Nr. 6 ZPO) an. Der Leitsatz:

Eine i.S. des § 10 RVG ordnungsgemäße Berechnung der anwaltlichen Vergütung liegt nur vor, wenn die Kostenrechnung eine Unterschrift erkennen lässt. Erforderlich, aber auch genügend, ist das Vorliegen eines die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnenden Schriftzuges, der individuelle und entsprechende charakteristische Merkmale aufweist, die die Nachahmung erschweren, sich als Wiedergabe eines Namens darstellt und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lässt.

Und den Anforderungen war genüge getan:

„b) Das Schriftgebilde unter der Kostenrechnung erfüllt entgegen der Auffassung der Beklagten die an eine Unterschrift zu stellenden Anforderungen. Sein Beginn lässt sich bei Kenntnis des – unmittelbar darunter in Maschinenschrift mitgeteilten – Namens ohne weiteres als eine vereinfachte Form des großen Anfangsbuchstabens G deuten. Der Schriftzug geht danach in eine Linie über, die nur leicht gewellt ist. Sieht man auch diesen Teil des Schriftzugs in Verbindung mit dem Namen, so ergibt sich: Beim Namen des unterzeichnenden Anwalts G. folgen dem Anfangsbuchstaben G noch insgesamt vier weitere Buchstaben, die sich alle außer im Schriftbild auf das Mittelband beschränken, also keine Ober- und Unterlängen aufweisen (…..). Eine derartige Buchstabenfolge unterliegt bei Unterschriften häufig einem Abschleifungsprozess, dessen Ergebnis schließlich nur noch eine durchgehende Wellen- oder Fadenlinie ist. Dem Gesamtschriftzug kann ein individuell stilisierter, unverwechselbarer Charakter nicht abgesprochen werden. Die hinreichende Länge der auslaufenden Fadenlinie macht deutlich, dass es sich nicht nur um ein abgekürztes Handzeichen, sondern um eine vollständige Unterschrift handeln soll (vgl. a. BGH, NJW 1992, 243). Gegen das Vorliegen einer bloßen Paraphe spricht, dass sich an das große „G“ noch eine Linie anschließt und dass der Unterzeichnende keinen Punkt gesetzt hat. Berücksichtigt man, dass der Schriftzug mit dem in Maschinenschrift eingesetzten vollen Namen des Rechtsanwalts G. unterlegt worden ist, die Autorenschaft unstreitig ist und Rechtsanwalt G. immer in dieser Weise unterschreibt, so ist bei Anlegung eines großzügigen Maßstabs das Erfordernis einer Unterschrift noch erfüllt. Der Schriftzug ist zwar einfach strukturiert, aber dennoch so individuell ausgeführt, dass ihm der Charakter einer Unterschrift nicht abgesprochen werden kann.“ 

 

Verfahrensverzögerung – was wird daraus?

Der BGH, Beschl. v. 25.10.2011 – 3 StR 206/11 nimmt zur Verfahrensverzögerung Stellung und führt aus:

„3. Die Kompensationsentscheidung wird von der Teilaufhebung des Urteils nicht erfasst (BGH, Urteil vom 27. August 2009 – 3 StR 250/09, BGHSt 54, 135). Der Angeklagte ist durch die rechtsfehlerhaft überhöhte Entschädigung – acht Monate Freiheitsstrafe bei einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung von zwei Jahren und drei Monaten – nicht beschwert. Mit Blick auf die Aus-führungen der Revision und des Generalbundesanwalts weist der Senat ergänzend darauf hin, dass die Höhe der im Falle einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung zu gewährenden Entschädigung sich nicht nach der Höhe der Strafe richtet, auf die das Tatgericht erkannt hat. Die im Wege des sog. Vollstreckungsmodells vorzunehmende Kompensation koppelt den Ausgleich für das erlittene Verfahrensunrecht vielmehr von vornherein von Fragen des Tatunrechts, der Schuld und der Strafhöhe ab. Der Ausgleich für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung stellt eine rein am Entschädigungsgedanken orientierte eigene Rechtsfolge neben der Strafzumessung dar. Das Gewicht der Tat und das Maß der Schuld spielen weder für die Frage, ob das Verfahren rechtsstaatswidrig verzögert worden ist, noch für Art und Umfang der zu gewährenden Kompensation eine Rolle (vgl. schon BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 – GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 138; s. auch BGH, Urteil vom 27. August 2009 – 3 StR 250/09, aaO, 138).“

M.E. nicht ganz deckungsgleich mit dem neuen § 198 GVG, in dem es hießt:

§ 198.
(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

Die Fragen dürften interessant werden, wenn es um eine andere Wiedergutmachung i.S. des § 198 Abs. 4, 199 GVG geht. M.E. wird man nur dann über § 198 Abs. 4 GVG eine Entschädigung ablehnen können, wenn das, was man vergleicht, auch gleich ist bzw. auf den gleichen Grundlagen beruht. Das scheint mir so nicht der Fall zu sein.

Wegfall des Fahrverbotes: Wie berechnet sich der lange Zeitablauf – oder: OLG kneift bei Vorlage

Nachdem sich gerade das OLG Zweibrücken mit dem Wegfall des Fahrverbotes nach längerem Zeitablauf beschäftigt hat (vgl. hier) und das Fahrverbot nach einer Frist von (nur) 1 Jahr und 9 Monaten hatten wegfallen lassen, befasst sich auch der OLG Oldenburg, Beschl. v. 03.08.2011 – 2 SsBs 172/11 – mit dieser Frage. Das OLG Oldenburg geht aber nach wie vor von einem Zeitraum von zwei Jahren aus, der zwischen Verkehrsverstoß und letzter tatrichterlicher Entscheidung liegen muss. Grundsätzlich nicht maßgebend sei der Zeitpunkt der Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts oder des Wirksamwerdens des Fahrverbotes. Insoweit also nichts Neues, sondern nur Bestätigung der wohl h.M. in dieser Frage.

Nicht ganz einheitlich wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung allerdings die Frage gesehen, auf welchen Zeitpunkt bei der Berechnung der Frist abzustellen ist. Teilweise wird nämlich auf den Zeitpunkt der Entscheidung durch das OLG abgestellt. An sich also eine Frage, die durch den BGH aufgrund einer Vorlage mal entschieden werden könnte. Das OLG Oldenburg hat aber insoweit gekniffen mit der Begründung: Tatfrage.