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OWi I: Stellungnahme der GStA zum Zulassungsantrag, oder. Muss der Betroffene die kennen?

So, heute dann mal wieder OWi. Nichts Besonderes, derzeit passiert bei den OWi-Entscheidungen nicht viel.

Zunächst hier eine Entscheidung aus dem Rechtsbeschwerdeverfahren, und zwar der OLG Schleswig, Beschl. v. 24.08.2023 – I ORbs 132/23. Der Betroffene hatte im Zulassungsverfahren eine Anhörungsrüge erhoben, auf die ihm das OLG „mitteilt“:

„Durch Beschluss vom 8. August 2023 hat der Senat den Antrag des Betroffenen, die Rechtsbeschwerde gegen dieses Urteil zuzulassen, als unbegründet verworfen.

Die hiergegen erhobene Anhörungsrüge ist bereits unzulässig, weil sie nicht erkennen lässt, dass der Senat bei letzterer Entscheidung den Anspruch des Betroffenen auf Gewährung rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise verletzt hätte.

Vor seiner Entscheidung hat der Senat dem Betroffenen die Zuschrift der Generalstaatsanwaltschaft Schleswig-Holstein zukommen lassen. Dies hat der Senat getan, um dem Betroffenen möglichst umfassend rechtliches Gehör zu gewähren, obwohl die Übersendung der Zuschrift nach Lage des Gesetzes nicht erforderlich gewesen wäre. Die hier vorliegende Situation einer Zulassungsrechtsbeschwerde ist grundsätzlich verschieden von einer Rechtsbeschwerde, bei der – revisionsrechtlich ausgestaltet – die Antragsschrift der Staatsanwaltschaft die Grundlage dafür bildet, ein Rechtsmittel als offensichtlich unbegründet verwerfen zu können. Wegen dieser Rechtsfolgen sieht das Gesetz in § 349 Abs. 3 StPO in dieser Konstellation ausdrücklich ein Recht des Betroffenen auf eine Gegenerklärung vor und legt eine Mindestfrist fest, die dem Betroffenen vor einer Entscheidung zur Stellungnahme einzuräumen ist.

Nichts davon gilt in Bagatellfällen wie dem Vorliegenden. Dennoch hat der Senat dem Betroffenen vorab die Zuschrift der Generalstaatsanwaltschaft zur Kenntnis gegeben. Diese lag ihm auch rechtzeitig – das ergibt sich aus der Anhörungsrüge – vor. Eine Frist zur Stellungnahme, die der Senat vor einer Entscheidung hätte einhalten müssen, hat der Senat nicht gesetzt. Das ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats in Bagatellfällen nicht üblich. Der Senat pflegt in solchen Fällen auch nicht übermäßig lange darauf zu warten, ob von Seiten des Betroffenen – der insoweit keinen weitergehenden Anspruch auf Gehör hat – noch etwas vorgebracht werden soll. Es hätte dem Verteidiger innerhalb der zehntägigen Frist, die der Senat mit der Entscheidung abgewartet hat, frei gestanden, jederzeit gegenüber dem Senat anzukündigen, dass eine ergänzende Stellungnahme beabsichtigt sei und hierfür um eine angemessene Frist zu bitten. Der Senat hätte einer solchen Bitte im Einzelfall dann stattgegeben. Derartiges ist jedoch hier nicht erfolgt.

Die Verwerfung der Anhörungsrüge löst eine Gerichtsgebühr aus (Nr. 3920 KV GKG), die der Betroffene zu tragen hat.“

Na ja …..

beA: Sachliche Reichweite der (Neu)Regelungen, oder: Wie ist das mit der Anhörungsrüge?

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Und dann noch eine Entscheidung zum beA – jetzt zur sachlichen Reichweite. Es handelt sich um den BFH, Beschl. v. 23.08.2022 – VIII S 3/22 – zur Frage, ob die Regelungen zum elekttonischen Dokument/beA auch für eine Anhörungsrüge gelten. Der BFH hat die Frage bejaht:

„Die Anhörungsrüge ist unzulässig, weil es ihr an der gesetzlich vorgeschriebenen Form fehlt. Sie ist nicht als elektronisches Dokument übermittelt worden.

1. Nach § 52d Satz 1 FGO sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Die Vorschrift gilt für alle Verfahren nach der FGO (Brandis in Tipke/Kruse, § 52a FGO Rz 3; Schmieszek in Gosch, FGO § 52a Rz 4; Thürmer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 52a FGO Rz 20; Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 52a Rz 2), somit auch für die Anhörungsrüge i.S. des § 133a FGO. Sie ist zum 01.01.2022 in Kraft getreten (Art. 26 Abs. 7 i.V.m. Art. 6 Nr. 4 des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013, BGBl I 2013, 3786). Der Rügeführer zu 1., der als Rechtsanwalt in eigener Sache und als Prozessbevollmächtigter der Rügeführerin zu 2. auftrat, war daher verpflichtet, die Anhörungsrüge als elektronisches Dokument zu übermitteln. Die Norm knüpft allein an den Status des Prozessbevollmächtigten als Rechtsanwalt an.

2. Das am 21.02.2022 eingegangene Telefax, bei dem es sich nicht um ein Computerfax handelt, ist bereits kein elektronisches Dokument. Ein elektronisches Dokument ist eine Datei, die mit Mitteln der Datenverarbeitung erstellt, auf einem Datenträger aufgezeichnet werden kann und (bereits) in dieser Form maßgeblich ist. Dies ist bei dem vorliegenden Telefax nicht der Fall, da der Papierausdruck beim Empfänger (BFH) lediglich den Inhalt des Dokuments wiedergibt, ohne selbst Rechtswirksamkeit zu erzeugen. …..“

Gerichtsgebühren für die erfolglose Anhörungsrüge, oder: Altes oder neues Recht

Heute ist RVG- bzw. Gebührentag, also Entscheidungen, die mit Gebühren, Kosten und Auslagen zu tun haben. Und in dem Zusammenhang stelle ich heute zwei Entscheidungen vor, die sich mit etwas abgelegeneren Fragen befassen.

Das ist zunächst der BFH, Beschl. v. 16.12.2022 – X S 16/21 u.a. Der nimmt Stellung zur Frage, in welcher Höhe für eine nach dem 31.12.2020 bei Gericht eingegangene –ohne Erfolg gebliebene– Anhörungsrüge die Festgebühr festzusetzen ist. Altes Recht, also 60 EUR oder neuen Recht, also 66 EUR. Es geht um die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für eine vom Kläger beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde gegen ein Urteil eines Finanzgerichts. Der entsprechende Antrag ist abgelehnt worden. Dagegen hat der  Antragsteller/Kläger Anhörungsrüge erhoben, die keinen Erfolg hatte. Die Anhörungsrüge ist nach dem 1.1.2021 eingegangen, also nach Wirksamwerden der Rechtsänderungen durch das KostRÄG 2021. Der BFH sagt: Anwendbar ist aber dennoch altes Recht:

„1. Für erfolglose Anhörungsrügen sieht das Kostenverzeichnis in Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) eine Festgebühr vor (vgl. Nr. 6400 des Kostenverzeichnisses zum GKG). Diese Festgebühr greift auch dann ein, wenn —wie vorliegend— mit der Anhörungsrüge ein Verfahren wegen PKH-Bewilligung fortgesetzt werden soll, das seinerseits gerichtsgebührenfrei ist (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 16.02.2006 ? VII S 2/06 , BFH/NV 2006, 1123, unter II.4.; vom 14.12.2006 ? VIII S 25/06 , BFH/NV 2007, 923, unter II.3., und vom 26.03.2014 ? XI S 1/14 , BFH/NV 2014, 1071, Rz 18).

2. Infolge der Änderung des GKG durch das Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 vom 21.12.2020 —KostRÄG 2021— (BGBl I 2020, 3229) ist nach Nr. 6400 des Kostenverzeichnisses zum GKG ab dem 01.01.2021 eine Festgebühr in Höhe von 66 € anzusetzen (vgl. Art. 1 Abs. 2 Nr. 108 , Art. 13 Abs. 3 KostRÄG 2021 ), bis zum 31.12.2020 fiel eine Festgebühr von 60 € an.

3. Im Streitfall beträgt die Festgebühr noch 60 €. Dies ergibt sich aus § 71 Abs. 1 Satz 1 GKG , wonach die Kosten in Rechtsstreitigkeiten, die vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung anhängig geworden sind, nach dem bisherigen Recht erhoben werden. Der Antragsteller hat zwar die Anhörungsrüge X S 16/21 erst am 20.07.2021 beim BFH angebracht. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der PKH-Bewilligungsantrag, gegen dessen Ablehnung sich die vorliegende Anhörungsrüge richtet, bereits am 13.09.2019 beim BFH eingegangen ist.

a) Zwar hat der Senat Anhörungsrügen in der Vergangenheit als selbständige Verfahren der FGO und damit als eine Rechtsstreitigkeit i.S. des § 71 1 Satz 1 GKG angesehen und damit auf die Anhängigkeit der Anhörungsrüge abgestellt ( Beschlüsse vom 31.01.2014 ? X S 57/13 , BFH/NV 2014, 871, Rz 10, und vom 20.05.2014 ? X S 11/14 , BFH/NV 2014, 1754, Rz 13, m.w.N.). Diese Qualifikation als selbständiges Verfahren wird allerdings dem Wesen einer Anhörungsrüge nicht gerecht, die eine nachträgliche Selbstkontrolle des Gerichts und eine die Rechtskraft der bereits getroffenen Entscheidung beiseiteschiebende Fortsetzung des Verfahrens ermöglicht (so Rüsken inGosch, FGO § 133a Rz 11). Die Regelungen des § 133a FGO sind hierfür der Beleg: Nach dessen Abs. 1 und Abs. 5 Satz 1 FGO führt das Gericht bei begründeter Anhörungsrüge das Verfahren fort. Das Verfahren wird nach § 133a Abs. 5 Satz 2 FGO in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand.

b) Zudem ist der Senat in einem Entschädigungsklageverfahren wegen überlanger Verfahrensdauer gemäß § 198 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) davon ausgegangen, dass eine sich an ein isoliertes Verfahren auf PKH-Bewilligung anschließende Anhörungsrüge ein Rechtsbehelf ist, der auf die Fortführung des ursprünglichen Verfahrens gerichtet ist ( Urteil vom 20.03.2019 ? X K 4/18 , BFHE 263, 498, BStBl II 2020, 16, Rz 36). Er hat damit die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) bestätigt, nach der ein Anhörungsrügeverfahren kein selbständiges Verfahren ist, sondern dem Hauptsacheverfahren hinzugerechnet wird und somit Teil eines einheitlichen Gerichtsverfahrens i.S. von § 198 6 Nr. 1 GVG ist ( BGH-Urteil vom 21.05.2014 ? III ZR 355/13 , Neue Juristische Wochenschrift 2014, 2443, Rz 12). Nach Auffassung des Senats ist kein Grund erkennbar, den Begriff der Rechtsstreitigkeit i.S. von § 71 Abs. 1 Satz 1 GKG und den des einheitlichen Gerichtsverfahrens gemäß § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG in diesem Zusammenhang unterschiedlich auszulegen.

c) Aus alledem ergibt sich, dass der Senat —unter Aufgabe seiner in den Entscheidungen in BFH/NV 2014, 871 [BFH 31.01.2014 – X S 57/13] und BFH/NV 2014, 1754 [BFH 20.05.2014 – X S 11/14] vertretenen Auffassung— die vorliegende Anhörungsrüge als Teil eines einheitlichen Verfahrens (hier des unter dem Aktenzeichen pp. geführten PKH-Bewilligungsverfahrens) ansieht. Demzufolge ist nach § 71 1 Satz 1 GKG noch das bis zum 31.12.2020 gültige Kostenrecht anzuwenden. Nichts anderes ergibt sich aus § 71 Abs. 1 Satz 2 GKG . Danach kommt im Verfahren über ein Rechtsmittel, das nach dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung eingelegt worden ist, abweichend von Satz 1 das im Zeitpunkt seiner Einlegung geltende Recht zur Anwendung. Die Anhörungsrüge gemäß § 133a FGO ist aber mangels Devolutiv- und Suspensiveffekts kein Rechtsmittel, sondern lediglich ein subsidiärer Rechtsbehelf (vgl. Senatsurteil in BFHE 263, 498, BStBl II 2020, 16 [BFH 20.03.2019 – X K 4/18] , Rz 36; Bergkemper inHHSp, § 133a FGO Rz 3,8).“

Die Argumentation könnte auch in anderen Verfahren helfen.

Wiedereinsetzung II: Das falsche Rechtsmittel, oder: Rechtskenntnis macht es dem Rechtsanwalt leichter

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Und die zweite Entscheidung zur Wiedereinsetzung kommt dann vom 8. Zivilsenat des BGH. Der hat über folgenden Sachverhalt entschieden:

Die Beklagte war Mieterin einer Wohnung der Klägerin in Duisburg. Wegen rückständiger Miete und Nebenkosten in Höhe von insgesamt 6.811,66 EUR nebst Zinsen erwirkte die Klägerin einen Vollstreckungsbescheid. In dem auf den Einspruch der Beklagten durch das AG bestimmten Termin sind weder diese noch deren Rechtsbeistand erschienen. Das AG hat daher den Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid durch ein zweites Versäumnisurteil verworfen.

Hiergegen hat die Beklagte fristgerecht Berufung eingelegt. Diese hat das LG – nach einem entsprechenden Hinweis – mit Beschluss vom 08.06.2021 als unzulässig verworfen, da die Voraussetzungen des § 514 Abs. 2 ZPO, mithin das Nichtvorliegen eines Falls schuldhafter Säumnis, durch die Beklagte mit ihrer Berufung nicht schlüssig dargelegt worden seien. Gegen diesen, ihrem zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten am 15.06.2021 zugestellten Beschluss, hat die Beklagte am 17.06.2021 beim Berufungsgericht Anhörungsrüge erhoben. Das Berufungsgericht hat die Beklagte mit Verfügung vom 20.07.2021, dem Prozessbevollmächtigten am 23.07.2021 zugegangen, darauf hingewiesen, dass die Anhörungsrüge wegen der gegen den Beschluss vom 08.06.2021 eröffneten Rechtsbeschwerde nicht statthaft sein dürfte.

Mit am 05.08.2021 beim BGH eingegangenem Schriftsatz hat die Beklagte gegen den (die Berufung als unzulässig verwerfenden) Beschluss des LG vom 08.06.2021 Rechtsbeschwerde eingelegt, diese begründet sowie beantragt, ihr wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Dies hatte beim BGH keinen Erfolg. Der hat den Antrag im BGH, Beschl. v. 11.01.2022 – VIII ZB 37/21 – zurückgewiesen.

„Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig.

1. Sie wurde nicht innerhalb der mit der Zustellung des die Berufung verwerfenden Beschlusses des Landgerichts beginnenden und am 15. Juli 2021 endenden Monatsfrist (§ 575 Abs. 1 Satz 1 ZPO) eingelegt. Die erhobene Gehörsrüge hindert den Eintritt der formellen Rechtskraft nicht (vgl. Senatsbeschluss vom 13. April 2021 – VIII ZB 80/20, juris Rn. 15 mwN). Dies stellt auch die Beklagte nicht in Frage.

2. Der Beklagten ist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde zu gewähren (§ 233 ZPO), da sie nicht ohne Verschulden an der Einhaltung dieser Fristen gehindert war. Ihr zweitinstanzlicher Prozessbevollmächtigter, dessen Verschulden der Beklagten zuzurechnen ist (§ 85 Abs. 2 ZPO), hat die Fristen zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde (§ 575 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO) schuldhaft verstreichen lassen.

a) Zu den – nicht auf sein Büropersonal übertragbaren – Aufgaben eines Rechtsanwalts gehört es, Art und Umfang des gegen eine gerichtliche Entscheidung einzulegenden Rechtsmittels zu bestimmen. Dabei wird vom Rechtsanwalt, an den insoweit hohe Sorgfaltsanforderungen zu stellen sind, die Kenntnis des Rechtsmittelsystems der Zivilprozessordnung erwartet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. Mai 2014 – V ZB 172/13, NJW 2014, 2503 Rn. 9; vom 12. Oktober 2016 – V ZB 178/15, NJW 2017, 1112 Rn. 12; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 23. Aufl., § 233 Rn. 50, Stichwort Rechtsirrtum [Anwalt] unter c). Zugleich ist es seine Aufgabe, alle gesetzlichen Anforderungen an die Zulässigkeit des danach bestimmten Rechtsmittels in eigener Verantwortung zu prüfen und dafür Sorge zu tragen, dass dieses Rechtsmittel innerhalb der jeweils gegebenen Rechtsmittelfrist bei dem zuständigen Gericht eingeht (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Mai 2016 – VIII ZR 19/16, NZM 2016, 767 Rn. 6 mwN; vgl. auch Senatsurteil vom 24. Juni 1992 – VIII ZR 203/91, NJW 1992, 2413 unter I 2 c, insoweit in BGHZ 119, 35 nicht abgedruckt).

b) Dem ist der Prozessbevollmächtigte der Beklagten nicht gerecht geworden. Denn statt eine Rechtsbeschwerde durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt einlegen zu lassen hat er gegen den die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss des Landgerichts eine unstatthafte Anhörungsrüge erhoben.

Nach § 321a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO ist die Anhörungsrüge nur statthaft, wenn ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Endentscheidung nicht gegeben ist. Diese Voraussetzung lag hier (offensichtlich) nicht vor (vgl. auch Senatsurteil vom 5. November 2003 – VIII ZR 10/03, NJW 2004, 1598 unter II 1 a; BT-Drucks. 15/3706, S. 15). Denn gegen einen Beschluss des Berufungsgerichts, mit welchem die Berufung – wie hier – gegen ein zweites Versäumnisurteil der Vorinstanz als unzulässig verworfen wird (zu den Anforderungen an eine Berufungsbegründung im Fall des § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 1990 – IX ZR 62/90, BGHZ 112, 367, 371; Beschluss vom 18. Februar 2020 – XI ZB 11/19, NJW-RR 2020, 575 Rn. 8), ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO die Rechtsbeschwerde statthaft. Auch dies muss einem Rechtsanwalt bekannt sein (vgl. BGH, Beschluss vom 25. November 2020 – XII ZB 256/20, NJW 2021, 784 Rn. 8).

Daher hätte der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Beklagten die rechtzeitige Beauftragung eines bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalts zur fristgerechten Einlegung einer solchen Rechtsbeschwerde veranlassen müssen, um auf diese Weise das angefochtene Urteil unter anderem wegen der vermeintlichen Gehörsverletzungen zur Überprüfung zu stellen (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO).

c) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde entfällt das für die Fristversäumung ursächliche Verschulden des Instanzbevollmächtigten der Beklagten nicht wegen eines mitwirkenden Fehlers des Gerichts. Soweit die Rechtsbeschwerde meint, das Berufungsgericht habe die Beklagte zu spät auf die Unstatthaftigkeit der Anhörungsrüge hingewiesen und es versäumt, seinen Hinweis bereits so rechtzeitig vor Ablauf der Monatsfrist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde zu erteilen, dass für die Beklagte noch die Möglichkeit bestanden hätte, fristgerecht Rechtsbeschwerde einzulegen, wird verkannt, dass eine derartige Hinweis- und Fürsorgepflicht des Berufungsgerichts vorliegend nicht bestanden hat.

aa) Ein Gericht ist nur unter besonderen Umständen dazu gehalten, einer drohenden Fristversäumnis seitens der Partei entgegenzuwirken. Denn einer gerichtlichen Fürsorgepflicht sind im Interesse der Funktionsfähigkeit der Justiz Grenzen gesetzt (vgl. BVerfG, NJW 1995, 3173, 3175; BGH, Beschlüsse vom 5. Oktober 2005 – VIII ZB 125/04, NJW 2005, 3776 unter III 1 b aa; vom 1. Juli 2021 – V ZB 71/20, NJW-RR 2021, 1317 Rn. 7; jeweils mwN). Es darf allerdings nicht sehenden Auges zuwarten, bis die Partei Rechtsnachteile erleidet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. Juni 2004 – VI ZB 9/04, NJW-RR 2004, 1364 unter II 2 a; vom 1. Juli 2021 – V ZB 71/20, aaO). Dabei ist es jedoch grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn der Richter die Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Rechtsmittels beziehungsweise hier des Rechtsbehelfs nach § 321a ZPO nicht zeitnah nach dessen Eingang, sondern erst bei der Bearbeitung des Falls und gegebenenfalls nach Ablauf der Fristen überprüft (vgl. BVerfG, NJW 2001, 1343; BGH, Beschlüsse vom 15. Juni 2004 – VI ZB 9/04, aaO; vom 6. Mai 2009 – KZR 7/08, juris Rn. 17; vom 1. März 2016 – VIII ZB 57/15, NJW 2016, 2042 Rn. 31).

bb) Hiernach war das Berufungsgericht – entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde – nicht verpflichtet, die Statthaftigkeit der Anhörungsrüge bereits unmittelbar nach deren Einlegung und insbesondere noch vor Ablauf der Monatsfrist des § 575 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu prüfen. Die Erteilung des Hinweises erst nach Ablauf der Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde stellt daher keinen das Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Beklagten ausschließenden Fehler des Gerichts dar. Dass das Berufungsgericht mit der Erteilung seines Hinweises sehenden Auges bis zum Fristablauf zugewartet hätte, ist von der Beklagten nicht dargelegt worden (vgl. zu dieser Darlegungsobliegenheit BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2005 – IX ZB 138/05, juris Rn. 7).

cc) Zu Unrecht beruft sich die Beklagte schließlich auf die Weiterleitungspflicht des unzuständigen, bereits mit der Sache befasst gewesenen Gerichts bezüglich einer Rechtsmittelschrift (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 5. Oktober 2005 – VIII ZB 125/04, NJW 2005, 3776 unter III 1 b aa; vom 19. September 2017 – VI ZB 37/16, NJW-RR 2018, 314 Rn. 5; jeweils mwN). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Beklagte hat beim zuständigen Berufungsgericht ausdrücklich eine (unstatthafte) Anhörungsrüge erhoben. Sie hat damit nicht ein an sich gegebenes Rechtsmittel bei einem unzuständigen Gericht eingelegt, sondern vielmehr einen ersichtlich nicht eröffneten Rechtsbehelf gewählt. Eine Umdeutung in eine – mangels Einhaltung der Form- und Fristerfordernisse unzulässige – Rechtsbeschwerde kam daher nicht in Betracht, so dass eine Weiterleitung an den Bundesgerichtshof nicht in Frage gestanden hat (vgl. auch BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2005 – IX ZB 138/05, aaO Rn. 5).“

Der Entscheidung des BGH ist m.E. nichts hinzu zu fügen, außer: Gesetz- und Rechtskenntnis erleichtert dann doch auch für den Rechtsanwalt die Rechtsfindung bzw. hilft, kapitale Fehler zu vermeiden. Hier bleibt dem zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Beklagten dann wohl nur noch, schon mal die Haftpflichtversicherung zu informieren.

OWi II: Nochmals Beschlussverfahren (§ 72 OWiG), oder: Schweigen des Betroffenen und Anhörungsrüge

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Im zweiten Posting dann drei Entscheidungen zum Beschlussverfahren (§ 72 OWiG), und zwar:

    1. Hat der Betroffene bereits im an die Verwaltungsbehörde gerichteten Einspruchsschreiben einer Entscheidung nach § 72 OWiG widersprochen, so wird diese Erklärung gegenüber dem Amtsgericht wirksam.
    2. Erklärt das Amtsgericht in der Folge, durch Beschluss entscheiden zu wollen, so bleibt der Widerspruch wirksam.
    3. In diesem Fall bedarf eine Entscheidung nach § 72 OWiG einer unmissverständlichen Rücknahme des zuvor erklärten Widerspruchs.
    1. Zum erforderlichen Vortrag der Rüge der Verletzung des § 72 Abs. 1 OWiG durch den Betroffenen gehört, dass die Rechtsbeschwerde mitteilt, dass der Betroffene dem Beschlussverfahren rechtzeitig widersprochen hat. Dabei reicht es aus, dass mitgeteilt wird, dass der Widerspruch nicht gegenüber dem Amtsgericht, sondern schon gegenüber der Verwaltungsbehörde ausgesprochen und nicht ausdrücklich zurückgenommen wurde. Wurde der Widerspruch durch den Verteidiger erklärt, muss dessen Bevollmächtigung zum Zeitpunkt des Widerspruchs vorgetragen werden.
    2. Das Schweigen des Betroffenen auf den entsprechenden Hinweis des Amtsgerichts auf eine beabsichtigte Entscheidung nach § 72 OWiG lässt nicht den einmal erhobenen Widerspruch gegenstandslos werden.
    1. §§ 72, 79 Abs. 1 OWiG regeln keine Fälle einer bestimmten Beschwer des Rechtsmittelführers, sondern enthalten Regelungen der Unanfechtbarkeit im Sinne des § 464 Abs. 3 S. 1 StPO.
    2. Eine nachteilige Kostenentscheidung in einem Beschluss nach § 72 OWiG ist für den Betroffenen jedenfalls dann nicht anfechtbar, wenn ihm gegen die Hauptentscheidung kein Rechtsmittel zusteht und er lediglich rügt, dass die Nebenentscheidung gesetzwidrig ergangen sei. In diesem Fall kann die Kostenentscheidung nur mit der Anhörungsrüge angegriffen werden.
    3. Es ist auch dann nicht unbillig, einem Betroffenen die gesamten Kosten des Verfahrens einschließlich der darin enthaltenen Sachverständigenkosten aufzuerlegen, wenn dieser sich gegen den Vorwurf einer Verkehrsordnungswidrigkeit unbeschränkt verteidigt hat und ein im Bußgeldbescheid verhängtes Fahrverbot aufgrund der Erkenntnisse eines Sachverständigengutachtens in Wegfall gerät, er aber dennoch wegen einer verkehrssicherheitsbeeinträchtigenden Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 S. 2 Nr 3 StVG verurteilt wird.