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Es gibt sie doch, oder: Die erfolgreiche Anhörungsrüge

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Und wer meint, es gebe keine erfolgreiche Anhörungsrüge, der wird durch den LG Kassel, Beschl. v. 06.02.2018 – 8 Qs 34/17 – eines Besseren belehrt. Der ist allerdings nicht, das räume ich ein, im Revisionsverfahren ergangen, sondern in einem Verfahren über die Zulässigkeit des Einspruchs gegen einen Bußgeldbescheid. Der Einspruch der Betroffenen war vom AG als unzulässig verworfen worden, weil er durch eine unsignierte Email eingelegt worden war. Die Betroffene niommt das nicht hin und legt sofortige Beschwerde ein. Mit der beantragt sie, dass man ihr das Eingangsdatum ihrer Beschwerde, das Aktenzeichen, die Namen der zur Entscheidung berufenen Richter mitteilt und rechtlichen Gehör hinsichtlich der Nichtabhilfeentscheidung gewährt. Das LG entscheidet und verwirft die Beschwerde ohne die

„Der Antrag der Betroffenen auf Nachholung des rechtlichen Gehörs ist zulässig und begründet.

Die Zulässigkeitsvoraussetzungen gemäß § 33a StPO sind erfüllt. Die Betroffene rügt schlüssig, das Beschwerdegericht habe in seinem Verwerfungsbeschluss ihren Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

Der Betroffenen steht auch gegen den Verwerfungsbeschluss keine Beschwerde und kein anderer Rechtsbehelf zu, da eine weitere Anfechtung nach den §§ 46 OWiG, 310 Abs. 2 StPO nicht stattfindet.

Begründet ist der Antrag, wenn die behauptete Gehörsverletzung tatsächlich stattgefunden hat, für den erlassenen Beschluss entscheidungserheblich war und die getroffene Entscheidung den Betroffenen gegenwärtig noch beschwert.

So liegt der Fall hier. Die Kammer hat den hier entscheidenden Absatz in dem Schreiben der Betroffenen vom 09.09.2017, in dem diese darum gebeten hatte mitzuteilen, wann ihr Rechtmittel bei dem Beschwerdegericht eingegangen sei, unter welchem Aktenzeichen dies dort geführt werde, ihr rechtliches Gehör bezüglich einer eventuellen Nichtabhilfeentscheidung des Amtsgerichts zu gewähren und ihr die Namen der zur Entscheidung berufenen Richter mitzuteilen, versehentlich übersehen und damit den Anspruch der Betroffenen auf rechtliches Gehör verletzt.

Dies ist auch entscheidungserheblich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.01.2015, Az. 2 BvR 2592/14). Schließlich ist die Betroffene durch die aufgrund dessen zu ihrem Nachteil ergangene Beschwerdeentscheidung auch weiterhin beschwert.

Das Beschwerdeverfahren war deshalb in die Lage vor Erlass des angefochtenen Beschlusses zurück zu versetzen und der Betroffenen rechtliches Gehör zu gewähren.

Insoweit wird folgendes mitgeteilt:……2

Sicherlich ein Sonderfall, aber immerhin…. Es gibt sie dann doch: Die erfolgreiche Anhörungsrüge…. Eine andere Frage ist es, ob es was in der Sache bringt.

Anhörungsrüge gegen OU-Beschluss, oder: Die Arbeit kann man sich sparen

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Anhörungsrüge, Anhörungsrüge, Anhörungsrüge…. davon gibt es viele beim BGH. Und in der Regel haben sie keinen Erfolg. Und das gilt vor allem, wenn mit der Anhörungsrüge geltend gemacht wird, der BGh habe den OU-Beschluss (§ 349 Abs. 2 StPO) nicht begründet. Das bewesit mal wieder der BGH, Beschl. v. 09.04.2018 – 1 StR 479/17:

„Der Senat hat die Revision des Verurteilten mit Beschluss vom 7. März 2018 gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Dagegen wendet sich der Verurteilte mit der (fristgemäß erhobenen) Anhörungsrüge vom 19. März 2018.

Er beanstandet, dass der Beschluss des Senats ohne Begründung ergangen ist. Es sei deshalb zu befürchten, dass der Senat Vorbringen des Verurteilten nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Beratung über die Entscheidung nicht erwogen habe. Dies gelte insbesondere für den ergänzenden Vortrag zur Sachrüge vom 22. Dezember 2017, zu dem der Generalbundesanwalt, der sich mit Antragsschrift vom 26. Oktober 2017 zum Revisionsvortrag geäußert hätte, keine weitere Stellungnahme abgegeben habe.

Die Anhörungsrüge nach § 356a StPO ist unbegründet. Das rechtliche Gehör wurde nicht verletzt.

Der Senat hat bei seiner Entscheidung weder Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet, zu denen der Verurteilte nicht gehört worden wäre, noch hat er bei der Entscheidung zu berücksichtigendes Vorbringen des Verurteilten übergangen. Der Revisionsvortrag war in Gänze Gegenstand der mehrstündigen Beratung des Senats.

Aus dem Umstand, dass der Senat die Verwerfung der Revision nicht begründet hat, kann nicht auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs geschlossen werden. Eine Begründungspflicht für letztinstanzliche, mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbare Entscheidungen besteht nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Mai 2014 – 1 StR 82/14, NStZ-RR 2014, 222 mwN; BVerfG, Beschluss vom 23. August 2005 – 2 BvR 1066/05, NJW 2006, 136; vgl. auch Beschluss vom 30. Juni 2014 – 2 BvR 792/11, wistra 2014, 434 mwN). Das gilt auch dann, wenn in einer Gegenerklärung zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts die Sachrüge weiter ausgeführt wird. Eine Mitteilung des Gerichts, warum es nachgeschobene Beanstandungen für unbegründet erachtet, ist nicht erforderlich (BGH, Beschluss vom 5. Mai 2014 – 1 StR 82/14, NStZ-RR 2014, 222 mwN). Art. 103 Abs. 1 GG zwingt die Gerichte nicht dazu, jedes Vorbringen eines Beteiligten ausdrücklich zu bescheiden (vgl. BVerfG aaO; siehe auch etwa BGH, Beschluss vom 2. Juli 2013 – 2 StR 99/13). Die Begründung einer Revisionsentscheidung des Bundesgerichtshofs ist auch nicht aufgrund der Europäischen Menschenrechtskonvention geboten (EGMR, Entscheidung vom 13. Februar 2007 – Beschwerde Nr. 15073/03, EuGRZ 2008, 274, 276).“

In den Fällen kann man sich also die Arbeitl, die eine Anhörunsgrüge macht, sparen. Das gilt natürlich nicht, wenn Verfassungsbeschwerde eingelegt werden soll. Dann gehört die Anhörungsrüge grundsätzlich zur Erschöpfungs des Rechtsweges.

 

OU-Verwerfung und Anhörungsrüge, oder: Die Sache hat einen Bart

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Und zum Schluss dann noch den BGH, Beschl. v. 10.04.2018 – 4 StR 328/17 – mit einer (ganz ausgekauten) Thematik betreffend die Anhördungsrüge (§ 356a StPO). Aber: Man liest es immer wieder beim BGH:

„1. Der Senat hat die Revision des Verurteilten gegen das Urteil des Landgerichts Kiel vom 21. Februar 2017 am 21. November 2017 gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Dagegen wendet sich der Verurteilte mit der Anhörungsrüge. Er macht geltend, der Senat habe 70 Seiten handschriftlicher Aufzeichnungen, die von ihm im Rahmen des Revisionsverfahrens zur Akte gereicht worden seien, nicht gewürdigt.

2. Die Anhörungsrüge ist jedenfalls unbegründet. Der Senat hat kein zu berücksichtigendes entscheidungserhebliches Vorbringen des Verurteilten übergangen. Die von ihm benannten handschriftlichen Aufzeichnungen lagen vor. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs ergibt sich auch nicht daraus, dass der Senat die Revision ohne Begründung gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen hat. Einer Begründung bedurfte es nicht. Das Grundgesetz gebietet bei letztinstanzlichen Entscheidungen regelmäßig keine Begründung (vgl. BVerfG [Kammer], Beschluss vom 30. Juni 2014 – 2 BvR 792/11, wistra 2014, 434; BGH, Beschluss vom 19. Februar 2018 – 1 StR 224/17, Rn. 4). Auch die Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention verlangen eine Begründung der Entscheidung des Revisionsgerichts nicht (EGMR, Entscheidung vom 13. Februar 2007 – 15073/03, EuGRZ 2008, 274, 276; BGH, Beschluss vom 12. November 2013 – 3 StR 135/13, StraFo 2014, 121).“

Wie heißt es immer: Die Sache hat einen Bart 🙂

Alle Jahre wieder, oder: Fortbildung im Revisionsverfahren

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Wenn man die Rechtsprechung der Strafsenate des BGH auf der Homepage des BGH verfolgt, stellt man fest, dass dei Anhörungsrüge (§ 356a StPO) in der Praxis angekommen ist. Denn auf der Homepage werden sehr viele Anhörungsrügenentscheidungen veröffentlicht. Die Zunahme von Anhörungsrügen hat m.E. nicht nur damit zu tun, dass in allen Fällen, in denen eine Anhörungsrüge erhoben wird, später dann auch Verfassungsbeschwerde eingelegt wird und die Anhörungsrüge also zur „Erschöpfung des Rechtsweges“ gehört. M.E. liegt die Zunahme von Entscheidungen auch daran, dass von einem Rechtsbehelf, den die Verfahrensordnung vorsieht, eben auch Gebrauch gemacht wird.

Was man allerdings auch feststellen kann: Die meisten, wenn nicht fast alle, Anhörungsrügen scheitern. Der BGH weist sie mit wohl gesetzten – sicherlich in Textbausteinen vorhandenen Begründungen zurück. Meist recht kurz. Aber alle Jahre wieder gibt es dann mal eine Entscheidung, in der etwas mehr ausgeführt ist/wird. Und das ist dann jetzt der BGH, Beschl. v.  28.06.2016 – 3 StR 17/15. Er ist m.E. insofern interessant, weil er – mal wieder – zu einigen Fragen des Revisionsverfahrens Stellung nimmt, die offenabr bei dem ein oder anderen Verteidiger noch nicht angekommen sind, also eine Art „Fortbildung“:

„Die zulässige Gehörsrüge ist unbegründet.

Soweit der Senat die weitergehende Revision des Verurteilten auf die Antragsschrift des Generalbundesanwalts und ohne vorherigen Hinweis auf seine Rechtsauffassung verworfen hat, entspricht dieses Vorgehen nach § 349 Abs. 2 StPO der üblichen Beratungs- und Entscheidungspraxis der Strafsenate des Bundesgerichtshofs. Dem Anspruch des Verurteilten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) ist dadurch Rechnung getragen worden, dass der Senats-beschluss auf den begründeten Antrag der Staatsanwaltschaft ergangen ist und der Verurteilte mit der Zustellung des Antrags Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten hat. Um bei diesem Verfahrensstand nach § 349 Abs. 2 StPO entscheiden zu können, muss sich das Revisionsgericht nur im Ergebnis, nicht aber auch in allen Teilen der Begründung dem Antrag der Staatsanwaltschaft anschließen. In diesen Fällen ist es auch verfassungsrechtlich nicht geboten, die Entscheidung des Revisionsgerichts zu begründen, wenngleich eine Be-gründung sinnvoll ist und – wie vorliegend vom Senat praktiziert – der ständigen Übung der Strafsenate des Bundesgerichtshofs entspricht (vgl. zu alledem BVerfG, Beschlüsse vom 21. Januar 2002 – 2 BvR 1225/01, NStZ 2002, 487, 488 f.; vom 30. Juni 2014 – 2 BvR 792/11, NJW 2014, 2563, 2564).

Der Senat war auch weder einfachgesetzlich noch verfassungsrechtlich gehalten, den Verurteilten vor seiner Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinzuweisen. Die auf die Besonderheiten der Tatsacheninstanz zugeschnittene Vorschrift des § 265 StPO gilt im Revisionsverfahren grundsätzlich nicht und steht lediglich einer den Schuldspruch abändernden Entscheidung des Revisi-onsgerichts entgegen, wenn der Angeklagte im Hinblick auf die von der Auffassung des Tatgerichts im Ergebnis abweichende rechtliche Beurteilung durch das Revisionsgericht noch keine Möglichkeit der Verteidigung hatte (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Mai 2012 – 3 StR 95/12, juris Rn. 8; KK-Kuckein, StPO, 7. Aufl., § 265 Rn. 1; LR/Franke, 26. Aufl., § 354 Rn. 20 f.). So lag der Fall indes nicht; der Senat hat eine Änderung des Schuldspruchs nicht vorgenom-men.

Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht im Übrigen grundsätzlich weder zu einem Rechtsgespräch noch zu einem Hinweis auf seine Rechtsauffassung. Der Verfahrensbeteiligte muss grundsätzlich, auch wenn die Rechtslage umstritten oder problematisch ist, alle vertretbaren Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einstellen (BVerfG, Beschlüsse vom 29. Mai 1991 – 1 BvR 1383/90, BVerfGE 84, 188, 190; vom 19. Mai 1992 – 1 BvR 986/91, BVerfGE 86, 133, 144 f.). Nach diesen Maßstäben lag eine Überraschungsentscheidung nicht vor, da die mit der Anhörungsrüge angegriffene Rechtsauffassung des Senats bereits in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Urteil vom 6. Dezember 2001 – 1 StR 215/01, BGHSt 47, 187, 201 f.) – was auch die Anhörungsrüge der Sache nach einräumt – angelegt war. Auch wurde dem Verurteilten schon deshalb kein Sachvortrag abgeschnitten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1991 – 1 BvR 1383/90, BVerfGE 84, 188, 190), weil für die materiellrechtliche Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hin allein die Urteilsurkunde maßgeblich war.

Schließlich hat der Senat bei seiner Entscheidung weder Verfahrensstoff verwertet, zu dem der Verurteilte nicht gehört worden wäre, noch zu berück-sichtigendes Vorbringen übergangen.“

Der Revisionsführer, der versuchte, das Rechtmittelsystem „außer Kraft zu setzen“ —-

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Und dann haben wir einen Revisionsführer, der versuchte, das Rechtmittelsystem „außer Kraft zu setzen“. So formuliert es jedenfalls der BGH in seinem auf eine Anhörungsrüge (§ 356a StPO) ergangenen BGH, Beschl. v. 21.10.2015 – 4 StR 241/15. Der BGH hatte die Revision gegen ein landgerichtliches Urteil, durch das der Revisionsführer wegen versuchten Totschlags verurteilt worden war, verworfen. Dagegen die Anhörungsrüge, die der BGH zurückweist und dazu ausführt:

„Der Senat hat die weiteren Ausführungen zur Sachrüge zur Kenntnis genommen und bei seiner Beratung umfassend gewürdigt, im Ergebnis aber für offensichtlich unbegründet gehalten. Näher begründen musste er dies nicht. Das System der Revisionsentscheidung im Beschlussverfahren nach § 349 Abs. 2 StPO baut darauf auf, dass der Beschwerdeführer die Gründe für die Anfechtung eines Urteils bereits in der Revisionsbegründung anführt (§ 344 Abs. 1 StPO). Hierzu nimmt die Revisionsstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift Stellung und legt – so sie die Beanstandungen nicht für durchgreifend erachtet – die hierfür maßgebenden Gründe in ihrem Antrag auf Verwerfung des Rechtsmittels näher dar. Folgt das Revisionsgericht einstimmig der Auffassung der Staatsanwaltschaft, so kann es die Revision durch Beschluss ohne nähere Begründung verwerfen. Dieses System kann der Beschwerdeführer nicht dadurch außer Kraft setzen, dass er Einzelbeanstandungen zur Sachrüge erst nachschiebt, wenn die Staatsanwaltschaft ihre Antragsschrift beim Revisionsgericht eingereicht hat und dieser damit die Möglichkeit zu einer spezifizierten Stellungnahme nimmt. In diesem Fall hat der Beschwerdeführer gemäß Art. 103 Abs. 1 GG zwar Anspruch darauf, dass das Revisionsgericht seine nachgeschobenen Ausführungen zur Kenntnis nimmt und prüft, was, wie dargelegt, im vorliegenden Fall geschehen ist (vgl. LR-StPO/Franke, 26. Aufl., § 349 Rn. 21 aE). Er kann indes nicht verlangen, dass ihm die Gründe, aus denen seine Beanstandungen nicht für durchgreifend erachtet wurden, im Verwerfungsbeschluss mitgeteilt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 21. August 2008 – 3 StR 229/08, NStZ-RR 2008, 385; Beschluss vom 17. Januar 2007 – 2 StR 277/06).“

In der Sache nichts Neues, in der Formulierung schon – jedenfalls für mich 🙂 .