StPO II: Schöffin will das Kopftuch nicht ablegen, oder: Gröbliche Amtspflichtverletzung oder Amtsenthebung?

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Und als zweite Entscheidung dann etwas aus dem „Schöffenrecht“, also eher GVG, aber natürlich mit Auswirkungen auf die StPO. Es geht nämlich um die Frage: Was passiert, wenn sich eine Schöffin aus religiösen Gründen weigert, während der Hauptverhandlung, ihr Kopftuch abzulegen? Ist das eine gröbliche Amtspflichtverletzung oder eine Unfähigkeit, das Schöffenamit auszuüben.

Das OLG Hamm geht im OLG Hamm, Beschl. v. 11.04.2024 – 5 Ws 64/24 – von Letzterem aus. In dem entschiedenen Fall hatte der Vorsitzende des Jugendschöffenausschusses eines AG  beantragt, die für die Wahlperiode 2024 bis 2028 gewählte Hauptjugendschöffin T. gem. § 51 Abs. 1 GVG ihres Amtes zu entheben. Die Schöffin habe erklärt, aus Bekenntnisgründen ein Kopftuch zu tragen und hierauf auch in der gerichtlichen Verhandlung nicht verzichten zu können. Dies verstoße gegen § 2 Abs. 1 Justizneutralitätsgesetz NRW (im Folgenden: JNeutG NRW) und stelle eine gröbliche Amtspflichtverletzung dar. Die Schöffin hat im Rahmen ihrer Anhörung erklärt, dass sie mit dem Kopftuch keine religiöse oder weltanschauliche Auffassung zum Ausdruck bringen wolle, sondern das Tragen des Kopftuchs als religiöse Pflicht verstehe. Auch ohne Kopftuch sei sie sehr schnell als Muslimin wahrzunehmen. Durch eine kopftuchtragende Schöffin werde die Vielfalt der Gesellschaft abgebildet und die gesellschaftliche Akzeptanz von Gerichtsurteilen erhöht.

Dazu das OLG:

„Der Antrag auf Amtsenthebung der Schöffin war abzulehnen, da ihre Weigerung, das Kopftuch während der Gerichtsverhandlung abzunehmen, keine gröbliche Amtspflichtverletzung im Sinne von § 51 Abs. 1 GVG darstellt.

1. Im Ansatz zutreffend ist der Vorsitzende des Jugendschöffenausschusses davon ausgegangen, dass die Weigerung der Schöffin, während der Gerichtsverhandlung auf das Tragen des Kopftuches zu verzichten, gegen § 2 Abs. 1 JNeutG NRW verstößt, wonach ehrenamtliche Richter in der gerichtlichen Verhandlung keine wahrnehmbaren Symbole oder Kleidungsstücke tragen dürfen, die bei objektiver Betrachtung eine bestimmte religiöse Auffassung zum Ausdruck bringen.

2. Ferner bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit von § 2 Abs. 1 JNeutG NRW. Der Senat nimmt insofern Bezug auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Arnsberg (Beschluss vom 9. Mai 2022 – 2 L 102/22 -, Rn. 27 – 32, juris; ebenso: Beaucamp/Thrun, ZJS 2020, 373 ff.) und teilt insbesondere dessen Auffassung, dass das Verbot des Tragens religiöser Symbole während der Gerichtsverhandlung sich im Hinblick auf den hohen Rang des staatlichen Neutralitätsgebots und die geringe Eingriffsintensität als verhältnismäßig darstellt.

3. Nach Auffassung des Senats stellt die Weigerung der Schöffin, das Kopftuch während der Gerichtsverhandlung abzunehmen, indes keine gröbliche Amtspflichtverletzung im Sinne von § 51 Abs. 1 GVG, sondern eine (sonstige) Unfähigkeit zur Ausübung des Schöffenamtes im Sinne von § 52 Nr. 1 GVG dar.

a) Amtsenthebungsverfahren nach § 51 Abs. 1 GVG und Streichung von der Schöffenliste nach § 52 Abs. 1 GVG stehen in einem Ausschließlichkeitsverhältnis zueinander, so dass die Entscheidung, ob ein Amtsenthebungsverfahren einzuleiten oder eine Streichung von der Schöffenliste vorzunehmen ist, nur entweder in die eine oder in die andere Richtung getroffen werden kann (OLG Celle, Beschluss vom 23. September 2014 – 2 ARs 13/14 -, Rn. 3, juris)

b) Ob die Nichtausübbarkeit des Schöffenamtes wegen des Tragens religiöser Kleidung unter § 51 GVG oder § 52 GVG zu fassen ist, wird uneinheitlich beantwortet und ist seit Einführung von § 2 JNeutG NRW – soweit ersichtlich – bislang nicht entschieden.

aa) Teilweise wird eine Unfähigkeit zur Ausübung des Schöffenamtes verneint (AG Fürth (Bayern), Beschluss vom 7. Dezember 2018 – 441 AR 31/18 -, juris; KG Berlin, Urteil vom 9. Oktober 2012 – (3) 121 Ss 166/12 (120/12) -, juris). Begründet wird dies damit, dass § 52 GVG Bezug auf die §§ 32 bis 34 GVG nehme, in welchem das Tragen eines Kopftuchs nicht genannt werde. Wegen des hohen Grades an demokratischer Legitimation sei eine enge Auslegung von § 52 GVG geboten. Zudem bestehe für die Schöffin jeweils die Möglichkeit, gem. § 54 Abs. 1 S. 1 GVG ihre Entbindung von Dienstleistungen an bestimmten Sitzungstagen zu beantragen, solange sie sich aus religiösen Gründen nicht in der Lage sehe, in der Öffentlichkeit ihr Kopftuch abzulegen (AG Fürth (Bayern), Beschluss vom 7. Dezember 2018 – 441 AR 31/18 -, juris).

bb) Die Gegenauffassung geht hingegen davon aus, dass eine Streichung nach § 52 Abs. 1 GVG von der Schöffenliste geboten sei (Goers, in: Beck´scherOK, Stand: 15.02.2024, § 51 GVG Rn. 17a; Schmidt/Schiemann in: Gercke/Temming/Zöller, 7. Auflage 2023, § 51 GVG, Rn. 3; AG Hamburg-St. Georg, Beschluss vom 28. Dezember 2018 – ID 847 -, juris; in diese Richtung wohl auch: Gittermann in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Auflage, § 31 GVG, Rn. 19c), da die Erklärung, während der Hauptverhandlung ein Kopftuch tragen zu wollen, keine gröbliche Amtspflichtverletzung darstelle.

c) Der Senat folgt der letztgenannten Auffassung.

aa) Die gröbliche Verletzung der Amtspflichten im Sinne von § 51 GVG wird nach dessen Sinn und Zweck allgemein als Verhalten definiert, welches den Schöffen aus objektiver Sicht eines verständigen Verfahrensbeteiligten ungeeignet für die Schöffenamtsausübung macht, weil er nicht mehr die Gewähr bietet, unparteiisch und nur nach Recht und Gesetz zu entscheiden. (Goers, in: Beck´scherOK, a.a.O., § 51 GVG Rn. 9). Vorliegend geht es indes nicht um ein Fehlverhalten der Schöffin – diese praktiziert vielmehr lediglich ihre durch Art. 4 Abs. 1 GG geschützte Religionsausübungsfreiheit – sondern um eine Kollision der grundrechtlich geschützten Religionsausübung mit den staatlichen Neutralitätsvorgaben bei Ausübung des Schöffenamtes.

bb) Ferner ist ersichtlich gesetzgeberisch nicht intendiert, dass Personen als Schöffen berufen werden, die nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft an der Ausübung des Schöffenamtes gehindert sind. Dies wäre indes die Folge, wenn man das religiöse Kopftuchtragen nicht als fehlende Eignung zur Ausübung des Schöffenamtes, sondern als gröbliche Amtspflichtverletzung verstehen würde. Bei dem letztgenannten Verständnis wäre eine Schöffin auch in Kenntnis des vorgenannten Umstandes zunächst zu berufen.

Soweit das Amtsgericht Fürth in diesem Zusammenhang die Auffassung vertritt, dass Schöffinnen nach ihrer Berufung jeweils ihre Entbindung gem. § 54 Abs. 1 GVG von der Dienstleistung an bestimmten Sitzungstagen beantragen müssten, wenn sie sich aus religiösen Gründen zum Ablegen des Kopftuches in der Öffentlichkeit nicht in der Lage sehen würden, und die unterlassene Stellung des Entbindungsantrags eine gröbliche Amtspflichtverletzung darstellen kann (AG Fürth (Bayern), Beschluss vom 7. Dezember 2018 – 441 AR 31/18 -, juris Rn. 14, 16), vermag dies nicht zu überzeugen. Denn die ständige Beantragung der Entbindung nach § 54 GVG stellt nicht nur einen mit erheblichem bürokratischen Aufwand verbundenen Formalismus dar, sondern führt bei einer gefestigten religiösen Überzeugung der Schöffin – wie hier – auch zum gleichen Ergebnis wie deren Streichung von der Schöffenliste.

Anerkannt ist zudem, dass über den Wortlaut von § 52 GVG hinaus auch sonstige Gründe die Unfähigkeit zur Ausübung des Schöffenamtes begründen können (Schmitt, in: Meyer-Goßner, 66. Aufl. 2023, § 52 GVG Rn. 1; Barthe, in: Karlsruher Kommentar, 9. Aufl. 2023, § 52 GVG Rn. 4; Duttge/Kangarani, in: HK-GS, 5. Aufl. 2022, § 52 Rn. 2 GVG).

d) Der Senat ist aus den vorgenannten Gründen gehindert, die Schöffin nach § 51 Abs. 1 GVG ihres Amtes zu entheben. Der Senat vermag zudem die Schöffin nicht aus der Schöffenliste zu streichen. Denn zuständig für die Streichung aus der Schöffenliste nach § 52 GVG ist nicht der Senat, sondern der geschäftsplanmäßig für die Schöffenangelegenheiten im Sinn der §§ 31 ff. GVG i.V.m. § 34 Abs. 1 JGG bestimmte Jugendrichter (Schuster, in: MünchKomm, 1. Aufl. 2018, § 52 GVG Rn. 11), vorliegend somit der Vorsitzende des Jugendschöffenausschusses. Dessen Entscheidung ist gem. § 52 Abs. 4 GVG unanfechtbar.

StPO I: Ordnungsmittel in der Hauptverhandlung, oder: Begründung, Anhörung, Protokollierung

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Und heute dann StPO-Entscheidungen, und zwar OLG und LG.

Ich starte mit zwei OLG-Entscheidungen zu Ordnungsmitteln in der Hauptverhandlung und zu den damit zusammen hängenden Verfahrensfragen, einer kommt aus dem Norden, einer aus dem Süden. Ich stelle hier nur die jeweiligen Leitsätze vor, und zwar:

1. Die gemäß § 182 GVG in das Sitzungsprotokoll aufzunehmende Entscheidung nach § 178 GVG bedarf grundsätzlich gemäß § 34 StPO einer Begründung. Das Fehlen einer Begründung ist unschädlich, wenn auf Grund der gemäß § 182 GVG erforderlichen Protokollierung des den Beschluss veranlassenden Geschehens für den Betroffenen der Anordnungsgrund außer Zweifel steht und auf dieser Grundlage für das Beschwerdegericht die Festsetzung des Ordnungsgeldes in tatsächlicher wie in rechtlicher Hinsicht dem Grunde und der Höhe nach überprüfbar ist.

2. Vor Festsetzung eines Ordnungsmittels ist einem Betroffenen mit Blick auf Art. 103 Abs. 1 GG, § 33 Abs. 1 StPO grundsätzlich rechtliches Gehör zu gewähren. Davon kann allerdings abgesehen werden, wenn dem Gericht mit Rücksicht auf Intensität oder Art der Ungebühr eine solche Anhörung nicht zugemutet werden kann, etwa wenn Ungebühr und Ungebührwille völlig außer Frage stehen und eine Anhörung nur Gelegenheit zu weiteren Ausfälligkeiten gäbe.

    1. Soll Ordnungshaft wegen Ungebühr angeordnet werden, muss der Sachverhalt im Protokoll gemäß § 182 GVG so deutlich dargestellt werden, dass das Beschwerdegericht nachprüfen kann, ob eine Ungebühr vorlag. Die Niederschrift muss ein so deutliches Bild von dem Vorgang geben, dass der Grund und die Höhe der Sanktion in der Regel ohne weiteres nachzuprüfen sind.

    2. Grundsätzlich ist dem, gegen den ein Ordnungsmittel festgesetzt werden soll, vorher rechtliches Gehör zu gewähren, Art. 103 Abs. 1 GG.

    3. Die Verhängung von Ordnungsmitteln steht unter dem Gebot der Verhältnismäßigkeit.

OWi III: Beschränkung des Einspruchs auf Rechtsfolgen, oder: Keine Verfahrensrüge gegen Schuldspruch

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Und im dritten Posting dann etwas vom KG zur Rechtsbeschwerde, und zwar der KG, Beschl. v. 24.01.2024 – 3 ORbs 280/23 – 162 Ss 133/23. Auch nichts Neues, aber immerhin 🙂 . Es geht um die Rechtsbeschwerde nach Beschränkung des Einspruchs:

„Die Polizei Berlin hat gegen den Betroffenen wegen eines Rotlichtverstoßes eine Geldbuße von 90 Euro festgesetzt. In der auf seinen Einspruch anberaumten Haupt-verhandlung hat der für den Betroffenen anwesende und diesen vertretende Verteidiger den Einspruch auf die Rechtsfolgen beschränkt und sich zugleich damit einverstanden erklärt, dass per Beschluss (§ 72 OWiG) entschieden wird. Mit dem angefochtenen Beschluss, der zunächst keine Begründung enthielt, hat das Amtsgericht gegen den Betroffenen in der Folge eine Geldbuße von 90 Euro festgesetzt. Nachdem der Betroffene hiergegen die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt hat, hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 21. November 2023 das Bußgelderkenntnis begründet.

Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist entsprechend § 300 StPO als Rechtsbeschwerde zu bewerten. Diese bleibt allerdings erfolglos.

1. Das Rechtsmittel ist als Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde unstatthaft. Nach der unmissverständlichen Formulierung des §§ 79 Abs. 1 Satz 2, 80 Abs. 1 OWiG ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde nur gegen Urteile möglich. Gegen nach § 72 OWiG erlassene Beschlüsse ist eine Zulassungsrechtsbeschwerde mithin ausgeschlossen. Auf Geldbußen erkennende Beschlüsse sind lediglich nach Maßgabe des § 79 OWiG mit der Rechtsbeschwerde anfechtbar. Der Senat bewertet das als Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde bezeichnete Rechtsmittel daher als Rechtsbeschwerde.

2. Die statthafte Rechtsbeschwerde ist aber gleichwohl nicht zulässig erhoben.

a) Nach § 79 Abs. 1 Nr. 5 OWiG ist die Rechtsbeschwerde gegen einen nach § 72 OWiG erlassenen Beschluss (nur) zulässig, wenn hierdurch „entschieden worden ist, obwohl der Beschwerdeführer diesem Verfahren rechtzeitig widersprochen hatte oder ihm in sonstiger Weise das rechtliche Gehör versagt wurde“. Die entsprechen-den Voraussetzungen sind durch das Rechtsmittel in einer dem Formerfordernis der §§ 79 Abs. 3 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechenden Weise als Verfahrens-rüge darzustellen.

b) Dies ist nicht geschehen. Die Rechtsmittelschrift enthält unbehelfliche Ausführungen zu angeblichen Verfahrensfehlern. Sie verhält sich aber nicht zum Beschlussverfahren nach § 72 OWiG, dessen Beanstandung nach § 79 Abs. 1 Nr. 5 OWiG allein zum Erfolg der Rechtsbeschwerde hätte führen können.

3. Lediglich informatorisch teilt der Senat mit, dass die auf die Missachtung des In-formationszugangsrechts gestützte Verfahrensrüge der Verletzung des fairen Ver-fahrens und einer unzulässigen Beschränkung der Verteidigung gleichfalls nicht zum Erfolg des Rechtsmittels führen konnte. Denn der Betroffene hat in der ausgesetzten Hauptverhandlung den Einspruch auf die Rechtsfolgen beschränkt, wodurch der Ver-stoß gegen § 37 Abs. 2 StVO anerkannt und der entsprechende Schuldspruch des Bußgeldbescheids rechtskräftig geworden ist. Das Amtsgericht hatte nur noch über die Rechtsfolgen zu entscheiden. Dem Rechtsmittelführer waren durch die Be-schränkung folglich Einwendungen gegen das zum Schuldspruch führende Verfahren verschlossen (vgl. BGH NZV 2023, 521 [Volltext bei Juris] [Ordnungsgemäßheit der Messung anerkannt)]). Selbst eine im Übrigen begründete Verfahrensrüge hätte den rechtskräftigen Schuldspruch nicht mehr erschüttern können.“

Und – aller guten (?) Dinge sind drei: Auch hier <<Werbemodus an>> der Hinweis auf Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 7. Aufl. 2024, das man hier jetzt bestellen kann/sollte, weil die entsprechenden Fragen im Werk dargestellt sind. <<Werbemodus aus>>

OWi II: Rechtzeitig Entbindungsantrag gestellt?, oder: Jedenfalls über Antragstellung informiert

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Im zweiten Posting dann eine Entscheidung zu dem Verfahrensrechtlichen Dauerbrenner im OWi-Recht, nämlich die Fragen, die mit der Entbindung des Betroffenen zusammen hängen. Es handelt sich um den OLG Oldenburg, Beschl. v. 07.05.2024 – 2 ORbs 63/24 .

Das OLG hat mal wieder eine Verwerfungsentscheidung eines des AG aufgehoben:

„Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG zuzulassen, da das rechtliche Gehör des Betroffenen verletzt worden ist. Die Rüge ist insoweit ordnungsgemäß ausgeführt worden und führt zugleich zur Begründetheit der Rechtsbeschwerde:

Zwar könnte zweifelhaft sein, ob der Entbindungsantrag rechtzeitig vor dem Termin gestellt worden ist. Allerdings hat der Verteidiger versichert, kurze Zeit nach Übersendung des Antrages die zuständige Serviceeinheit telefonisch über den übermittelten Antrag informiert zu haben. Das Amtsgericht hat in Kenntnis der Rechtsbeschwerdebegründung keinen Anlass gesehen, dieser Darstellung entgegenzutreten. Unter Berücksichtigung dieses Umstandes durfte der Betroffene davon ausgehen, dass sein Antrag Berücksichtigung finden würde.

Über den Entbindungsantrag hat das Amtsgericht nicht entschieden und damit das rechtliche Gehör des Betroffenen verletzt, wobei die Voraussetzungen für eine Entbindung vom persönlichen Erscheinen auch erfüllt waren.

Es ist auch nicht so, dass das Urteil nicht auf der Verletzung des rechtlichen Gehörs beruht, weil wegen der Abwesenheit auch des Verteidigers ohnehin eine Verwerfung hätte erfolgen müssen. Dass im Falle einer Entbindung auch der Verteidiger nicht erscheint, rechtfertigt die Verwerfung nämlich nicht (vgl. bereits Senat, Beschluss vom 9. März 2010, 2 SsRs 38/10 mit weiteren Nachweisen).

Die Sache war daher zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen.“

Und natürlich gilt auch hier: Die Fragen sind umfassend behandelt – <<Werbemodus an>> in Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 7. Aufl. 2024, das man hier jetzt bestellen kann. <<Werbemodus aus>>.

OWi I: Umfang der Feststellungen beim Rotlichtverstoß, oder: Umfangreich beim qualifizierten Verstoß

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Nachdem am 24.05.2024 nun Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 7. Aufl. 2024, erschienen ist (vgl. hier: News: Handbuch für das OWi-Verfahren, 7. Aufl. 2024, oder: Am 24.05.2024 (endlich) erschienen) gibt es passend zu dem „Ereignis“ hier heute OWi-Entscheidungen. Ein paar haben sich inzwischen mal wieder angesammelt.

Ich beginne den Reigen mit dem OLG Karlsruhe, Beschl. v. 07.05.2024 – 3 ORbs 330 SsBs 218/24 -, der noch einmal in Erinnerung ruft, welche tatsächlichen Feststellungen das AG bei einem qualifizierten Rotlichverstoß treffen muss. Hier haben dem OLG die vom AG getroffenen Feststellungen nicht gereicht:

„Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthafte und im Ubrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Feststellungen des angefochtenen Urteils und die ihnen zugrundeliegende Beweiswürdigung sind unzureichend. Sie tragen schon den Schuldspruch wegen eines Rotlicht-verstoßes nicht.

Bei einer Verurteilung wegen eines Rotlichtverstoßes nach § 37 Abs. 2 Nr. 1 Satz 7 StVO müssen die Urteilsgründe zunächst Feststellungen darüber enthalten, an welcher konkreten Wechsellichtzeichenanlage sich der Verstoß ereignet hat, wie dieser Bereich verkehrstechnisch gestaltet ist (Fußgängerüberweg, Kreuzungs- oder Einmündungsbereich, Anzahl und ggf. nähere Ausgestaltung der Fahrstreifen) und welchen Verkehrsbereich die Anlage schützt (Fußgängerfurt und/oder Kreuzungsbereich mit Querverkehr), ebenso ob der Betroffene überhaupt in den geschützten Bereich (Fahrstreifen und Fahrtrichtung des Betroffenen) eingefahren ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. Juli 2020 – IV-4 RBs 46/20 -, juris, Rn. 13). Für die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 Nr. 1 Satz 7 StVO müssen beim Einsatz eines standardisierten Messverfahrens – ein solches ist auch das im vorliegenden Fall eingesetzte Verfahren Traffiphot III (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Beschluss vom 19. Oktober 2009 – 2 SsBs 38/09 -, Rn. 5, juris) – zudem der konkret verwendete Gerätetyp und das gewonnene Messergebnis sowie ein etwa zu beachtender Toleranzwert angegeben werden (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16. Februar 2022 – 1 Rb 34 Ss 9/22 -, Rn. 17, juris). Daneben müssen zumindest die wesentlichen Anknüpfungstatsachen, wie Abstand zwischen Haltelinie und der Induktionsschleifen sowie die Rotlichtzeiten bei Überfahren der Induktionsschleifen angegeben werden, denn ohne diese Darlegungen lässt sich für das Rechtsbeschwerdegericht die Berechnung der Rotlichtdauer beim Überfahren der Haltelinie nicht nachvollziehen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16. Februar 2022, aaO, Rn 13). Etwas Anderes gilt lediglich für den Fall, dass die Induktionsschleife in der Haltelinie selbst angebracht wäre. Dann wären Messzeit und der Zeitpunkt des Überfahrens der Haltelinie identisch. Aber auch in diesem Falle wäre der Tatrichter gehalten, sowohl die Messzeit als auch den Lageort der Induktionsschleife im Urteil darzulegen (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 2. April 2014 – 1 Ss OWi 59/14 -, Rn. 5, juris).

Gemessen hieran wird durch die Gesamtheit der Urteilsgründe (UA S. 3 unten) und die zulässige Verweisung auf die Skizze AS. 59 die Tatörtlichkeit hinsichtlich der Wechsellichtzeichenanlage und der verkehrstechnischen Gestaltung des geschützten Verkehrsbereiches hinreichend konkret beschrieben.

Allerdings enthalten die Urteilsgründe keine Erörterungen über die Lage der Haltelinie und der Induktionsschleife. Auch aus den Lichtbildern AS. 13 und der Skizze des Ampelschaltplans, auf die im Urteil Bezug genommen wird, ergeben sich diese Umstände nicht.

Ohne diese erforderlichen Feststellungen lässt sich für das Rechtsbeschwerdegericht die Berechnung der Rotlichtdauer beim Überfahren der Haltelinie nicht nachvollziehen.

Aufgrund des aufgezeigten Darstellungsmangels können der Schuldspruch und damit auch der Rechtsfolgenausspruch keinen Bestand haben.“

Und natürlich sind die Fragen dann auch umfassend behandelt – jetzt aber <<Werbemodus an>> in Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 7. Aufl. 2024, das man hier jetzt bestellen kann. <<Werbemodus aus>>.