Archiv der Kategorie: Straßenverkehrsrecht

OWi III: Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch, oder: Ausdrückliche Ermächtigung des Verteidigers?

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Und zum Tagesschluss dann noch etwas aus dem OWi-Verfahren, nämlich der BayObLG, Beschl. v. 21.12.2023 – 202 ObOWi 1264/23 – zu den Voraussetzungen für die Annahme/das Vorliegen einer ausdrücklicher Ermächtigung des Verteidigers zur Einspruchsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch.

Dazu das BayObLG:

„Der näheren Erörterung bedarf nur das Folgende:

Die vom Verteidiger in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht erklärte Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch war wirksam, was der Senat aufgrund der erhobenen Sachrüge von Amts wegen zu prüfen hat (st.Rspr., vgl. zuletzt nur BayObLG, Beschl. v. 22.11.2023 – 202 StRR 86/23; 18.10.2023 – 202 StRR 74/23; 12.10.2023 – 202 StRR 72/23, jeweils bei juris).

1. In der nachträglichen Beschränkung des zunächst unbeschränkt eingelegten Einspruchs liegt eine teilweise Zurücknahme des Rechtsbehelfs, die durch den Verteidiger gemäß § 67 Abs. 1 Satz 2 OWiG i.V.m. § 302 Abs. 2 StPO nur mit „ausdrücklicher Ermächtigung“ der Betroffenen erklärt werden konnte. Die nachträgliche Beschränkung des Einspruchs stellt eine teilweise Zurücknahme des Rechtsbehelfs dar (vgl. auch Löwe-Rosenberg/Jesse StPO 26. Aufl. [2014] § 302 Rn. 44), weil hierdurch der Prüfungsumfang des Gerichts reduziert wird. Dem steht nicht entgegen, dass im Falle einer Revision deren Beschränkung auf bestimmte Beschwerdepunkte, die mit der Revisionsbegründung vorgenommen wird, nicht als Teilrücknahme in diesem Sinne, sondern lediglich als Konkretisierung des zunächst offen gebliebenen Anfechtungsumfangs anzusehen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 13.06.1991 – 4 StR 105/91 = BGHSt 38, 4 = NStZ 1991, 501 = MDR 1991, 979 = BGHR StGB § 64 Ablehnung 4 = BGHR StPO § 302 Abs 2 Beschränkung 2 = AnwBl. 1991, 599 = wistra 1991, 348 = NJW 1991, 3162 = StV 1992, 7 = BeckRS 1991, 1981; Urt. v. 23.10.1991 – 3 StR 321/91 = StV 1992, 10 = NStZ 1992, 126 = BGHR StGB § 24 Abs 1 Satz 1 Versuch, unbeendeter 25 = BGHR StGB § 46 Abs 1 Kronzeuge 1 = BGHR StPO § 260 Abs 3 Freispruch 3 = BGHR StPO § 302 Abs 1 Konkretisierung 1 = MDR 1992, 393 = NJW 1992, 989 = JZ 1992, 536 = BeckRS 1991, 3190). Dieser Grundsatz, von dem dann eine Ausnahme gemacht wird, wenn die Beschränkung der Revision erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist erfolgt (BGH, Urt. v. 18.07.2013 – 4 StR 100/13 = NStZ-RR 2013, 352 = BGHR StPO § 302 Abs 1 Rücknahme 7 = BeckRS 2013, 14337), kann auf den Einspruch nicht übertragen werden. Denn er beruht allein auf der Besonderheit des Revisionsrechts, wonach der Beschwerdeführer gemäß § 344 Abs. 1 StPO die Erklärung abzugeben hat, inwieweit er das Urteil anfechten will (KG, Beschl. v. 19.02.1999 – 2 Ss 419/985 Ws [B] 717/98 bei juris). Dagegen wird durch den Einspruch, der nach der gesetzlichen Regelung gerade keiner Begründung bedarf, der Bußgeldbescheid in vollem Umfang angefochten, sofern er nicht bereits mit der Einlegung nach § 67 Abs. 2 OWiG auf einen bestimmten Beschwerdepunkt beschränkt ist (OLG Bamberg, Beschl. v. 03.04.2018 – 3 Ss OWi 330/18 = ZfSch 2018, 588 = OLGSt OWiG § 67 Nr 5 = BeckRS 2018, 7635 m.w.N.; im Ergebnis ebenso für die Berufung: BayObLG, Beschl. v. 01.02. 2021 – 202 StRR 4/21 bei juris = BeckRS 2021, 1622; OLG Stuttgart, Beschl. v. 26.10.2010 – 2 Ss 618/10 = Justiz 2011, 104 = OLGSt StPO § 302 Nr. 10 = BeckRS 2010, 28143 und für den Einspruch gegen den Strafbefehl: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.06.2010 – III-1 RVs 71/10 = NStZ 2010, 655 = BeckRS 2010, 17408 sowie Löwe-Rosenberg/Jesse a.a.O.).

2. Die Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch war auch mit Blick auf § 67 Abs. 1 Satz 2 OWiG i.V.m. § 302 Abs. 2 StPO rechtswirksam.

a) Allerdings folgt dies entgegen der vereinzelt von Oberlandesgerichten vertretenen Rechtsauffassung (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 07.12.2020 – 2 Ss-OWi 1347/20 = NStZ-RR 2021, 83 = BeckRS 2020, 41406; KG, Beschl. v. 01.07.2020 – [4] 121 Ss 71/20 bei juris = BeckRS 2020, 17854) noch nicht daraus, dass dem Verteidiger eine Vertretungsvollmacht im Sinne des § 73 Abs. 3 OWiG erteilt worden war. Die hierfür angeführte Begründung, die Vorschrift des § 302 Abs. 2 StPO sei nicht anwendbar, weil es sich um eine Erklärung des Angeklagten bzw. Betroffenen handle, der von seinem Verteidiger „im Willen“ vertreten werde, erschöpft sich in einem rein formalen Argument, das überdies außer Acht lässt, dass ein Vertreter – im Gegensatz zu einem Boten, der eine fremde Willenserklärung nur übermittelt – eine eigene Willenserklärung, wenn auch in fremdem Namen abgibt, von einer eigenen Erklärung des Betroffenen deshalb nicht die Rede sein kann. Zudem setzt sich diese Ansicht über den eindeutigen Gesetzeswortlaut hinweg, ignoriert den Zweck, den diese Vorschrift verfolgt, und steht auch im Widerspruch zur höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH, Beschl. v. 20.09.1956 – 4 StR 287/56 = BGHSt 9, 356 = NJW 1956, 1727 = BeckRS 1956, 104561; ebenso: OLG München, Beschl. v. 06.12.2016 – 5 OLG 15 Ss 543/16 bei juris = BeckRS 2016, 120867). Der Wortlaut des § 302 Abs. 2 StPO differenziert gerade nicht zwischen einem Verteidiger ohne Vertretungsvollmacht und einem solchen, der zusätzlich mit einer Vertretungsvollmacht ausgestattet ist, sondern postuliert ganz allgemein für die Rechtsmittelrücknahme durch den Verteidiger eine ausdrückliche Ermächtigung durch den Angeklagten. Mit dieser Regelung soll gewährleistet werden, dass die Dispositionsbefugnis über den eingelegten Rechtsbehelf ausschließlich dem Angeklagten bzw. Betroffenen zukommt, also dessen ureigener Wille maßgeblich ist. Die Vorschrift verbietet nicht lediglich eine Rücknahme durch den Verteidiger gegen den Willen des Betroffenen, sondern versagt auch einer Rücknahme, die ohne den ausdrücklichen Willen des Angeklagten erklärt wurde, die Wirksamkeit. Hieraus ergibt sich ohne weiteres, dass eine Vertretung im Willen bei der Rechtsmittelrücknahme durch § 302 Abs. 2 StPO ausgeschlossen ist bzw. die mit der Vollmachtserteilung verbundene Vertretungsmacht gesetzlich eine Einschränkung erfahren hat.

b) Gleichwohl ist das Amtsgericht im Ergebnis zu Recht von einer gemäß § 67 Abs. 2 OWiG in Verbindung mit § 302 Abs. 2 StPO wirksamen Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch ausgegangen, weil die ausdrückliche Ermächtigung in der unter dem 11.10.2022 vom Betroffenen unterzeichneten Vollmachtsurkunde enthalten war.

aa) Zwar muss sich die ausdrückliche Ermächtigung zur Rechtsmittelrücknahme nach § 302 Abs. 2 StPO auf ein bestimmtes Rechtsmittel beziehen, sodass nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung die bei Übernahme des Mandats im Rahmen der Vollmachtserteilung eingeräumte allgemeine Ermächtigung zur Rücknahme von Rechtsmitteln als ausdrückliche Ermächtigung gemäß § 302 Abs. 2 StPO nicht ausreicht (vgl. nur BGH, Beschl. v. 06.2013 – 1 StR 168/13 = NStZ 2014, 54 = BeckRS 2013, 12151 m.w.N.).

(bb) Allerdings genügt es den Anforderungen des § 302 Abs. 2 StPO, wenn die Vollmacht gerade für die Durchführung des konkreten Rechtsbehelfs erteilt worden war (BGH, Beschl. v. 07.05. 2019 – 2 StR 142/19; 31.08.2016 – 2 StR 267/16, jeweils bei juris). Eine derartige Konstellation lag hier vor. Zwar wurde die mit der Rücknahmeermächtigung versehene Vollmacht am 11.10.2022, also noch vor Erlass des Bußgeldbescheids erteilt. Allerdings hatte die Bußgeldbehörde vorher, nämlich am 07.10.2022 die Anhörung der Betroffenen zu dem ihr zur Last gelegten Verstoß bereits angeordnet. Bei dieser Sachlage besteht kein Zweifel daran, dass die Vollmachtserteilung gerade zu dem Zweck des als naheliegend zu erwartenden Erlasses des Bußgeldbescheids und der Einspruchseinlegung hiergegen erteilt wurde, der Verteidiger also gerade für das Einspruchsverfahren beauftragt wurde.“

Nun ja, man hätte es auch kürzer machen können. Für mich ist das mal wieder eine dieser „Herr Lehrer, ich weiß was“-Entscheidungen“ aus Bayern. Voll gestopft mit Zitaten, auch von Fundstellen, die im Zweifl eh niemand zur Verfügung hat. Manchmal habe ich den Eindruck, in Bayern wird nach dem Umfang der Zitate bezahlt 🙂 .

Dabei hätte ich das BayObLg unsterblichen Ruhm erwerben können, wenn es sich mal näher mit dem Einwand der Betroffenen, das AG-Urteil sei nicht unterschrieben, auseinandergesetzt hätte, um diesem – sorry Blödsinn – ein Ende zu setzen. Dazu heißt es aber nur:

„Die Beanstandung, dass das Urteil entgegen § 275 Abs. 2 Satz 1 StPO von der erkennenden Richterin angeblich nicht unterschrieben worden sei, dringt nicht durch. Die Beschwerdeführerin verkennt, dass diese Bestimmung lediglich die bei den Akten befindliche Urschrift, die von der Richterin unterzeichnet wurde, betrifft, nicht aber die Ausfertigungen.“

OWi II: Urteil wegen Geschwindigkeitsüberschreitung, oder: Anforderungen an die Urteilsgründe

Und dann im zweiten Posting die zweite Entscheidung des OLG Oldenburg, und zwar der OLG Oldenburg, Beschl. v. 21.12.2023 – 2 ORbs 208/23 – zum Umfang der erforderlichen Feststellungen bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung. Nichts Besonderes, aber: „In der Not frisst der Teufel Fliegen“.

Das AG hat den Betroffenen wegen einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 400 EUR verurteilt. Dagegen die Rechtsbeschwerde, die Erfolg hatte:

„Die getroffenen Feststellungen tragen weder den Schuld- noch den Rechtsfolgenausspruch.

Das Amtsgericht hat festgestellt, dass der Betroffene mit einem Lkw, mithin einem Kraftfahrzeug der in § 3 Abs. 3 Nummer 2 a oder b StVO genannten Art, gefahren sei. Weiter heißt es in den Urteilsgründen, dass die für „Pkw“ zulässige Geschwindigkeit an der Messstelle 50 km/h betragen habe. In den angewendeten Vorschriften werden § 3 Abs. 3 StVO und Nummer 11.1.5 Bußgeldkatalog genannt.

Mag dem Messfoto, auf das durch den gewählten Klammerzusatz noch gerade zulässig verwiesen worden sein dürfte, noch zu entnehmen sein, dass es sich um einen Lkw mit einer zulässigen Gesamtmasse über 3,5 t gehandelt hat, ist dem Urteil nicht zu entnehmen, weshalb die zulässige Höchstgeschwindigkeit bei 50 km/h gelegen haben soll. Da sich der Verstoß außerhalb geschlossener Ortschaften ereignet hat, ergeben sich aus § 3 Abs. 3 StVO, der in den angewendeten Vorschriften genannt worden ist, zulässige Höchstgeschwindigkeiten von 80 bzw. 60 km/h. Eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h wäre deshalb nur bei einer entsprechenden Anordnung durch ein Verkehrszeichen denkbar. Dass sich ein derartiges Verkehrszeichen vor der Messstelle befand, ergibt sich aber weder aus den Urteilsgründen, noch aus den angewendeten Vorschriften, da dort § 41 Abs. 2 StVO nicht genannt ist. Damit ist für den Senat, dem der Blick in die Akte verwehrt ist, nicht nachvollziehbar, welche zulässige Höchstgeschwindigkeit aus welchem Grund für den Betroffenen gegolten hat. Dass auch die Generalstaatsanwaltschaft insoweit Bedenken hatte, ergibt sich aus der betont vorsichtigen Formulierung auf Seite 5 der Zuschrift vom 04.12.2023.

Bereits der Schuldspruch konnte deshalb nicht aufrechterhalten werden. Ausgenommen von der Aufhebung konnten allerdings die Feststellungen zur Fahrereigenschaft sowie zur ermittelten Geschwindigkeit werden, da diese rechtsfehlerfrei getroffen worden sind.“

Und als freundlicher Service des OLG dann der Hinweis:

„Sollte das Amtsgericht in einer neuen Hauptverhandlung erneut zu einer Verurteilung und einer Erhöhung der Regelgeldbuße kommen, wobei auch eine wegen Vorsatzes verdoppelte Geldbuße eine Regelgeldbuße darstellt, dürften bei einer Geldbuße von mehr als 250 € Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen zu treffen sein.“

OWi I: Nichtherausgabe der Messreihe des Tattages: oder: Nicht schlimm, die anderen machen es auch so

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Urheber Jepessen

Juchhu, ich habe drei OWi-Entscheidungen, die ich vorstellen kann 🙂 . Zwei Beschlüsse kommen vom OLG Oldenburg, einer kommt vom BayObLG.

Ich eröffne den Reigen mit dem OLG Oldenburg, Beschl. v. 09.11.203 – 2 ORbs 188/23 – zur Frage der Verletzung des fairen Verfahrens durch die Nichtherausgabe der Messreihe des Tattages. Das OLG sieht darin keine Verletzung des Rechts des Betroffenen auf ein faires Verfahren. Begründet wird dies mit einer Aneinanderreihung von Zitaten aus OLG-Entscheidungem die das ebenso gesehen haben, was keine besondere Begründungskunst ist. Und natürlich mit dem Hinweis auf den BGH und den BGH, Beschl. v. 30.03.2022 – 4 StR 181/21, der auf die Vorlage des OLG Zweibrücken ergangen war. Ich habe bisher selten einen Beschluss gesehen, in dem so viel zitiert und verwiesen wird. Für mich wenig überzeugend und ich frage mich, warum das OLG nicht gleich – nur schreibt: Die anderen machen es auch so.

Allerdings hat das OLG dann den Rechtsfolgenausspruch aufgehoben, weil das AG insoweit mal wieder einen klassischen Fehler gemacht hat:

Demgegenüber hält der Rechtsfolgenausspruch einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das angefochtene Urteil lässt nicht erkennen, wie der Betroffene sich insoweit eingelassen hat.

Die fehlende Mitteilung der Einlassung stellt dann einen sachlich rechtlichen Mangel des Urteils dar, wenn die Möglichkeit besteht, dass sich der Betroffene in eine bestimmte Richtung verteidigt hat und nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Tatrichter die Bedeutung der Erklärung verkannt oder sie rechtlich unzutreffend gewürdigt hat (Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 15. Februar 2008,1 Ss 313/07 juris).

So ist es hier. Bereits aus den Protokollanlagen ergibt sich, dass die Frage der Auswirkung eines Fahrverbotes auf ein Beschäftigungsverhältnis des Betroffenen problematisiert worden ist. Gleichwohl findet sich in den Entscheidungsgründen zu einer entsprechenden Einlassung des Betroffenen nichts.

Damit vermag der Senat nicht zu prüfen, ob die Anordnung des Fahrverbotes bzw. das Nichtabsehen von dessen Verhängung ausreichend begründet worden ist.

Wegen des engen Zusammenhanges zwischen Höhe der Geldbuße und Fahrverbot war der gesamte Rechtsfolgenausspruch aufzuheben.“

Na ja. Das mindert aber den im Übrigen „schlechten Eindruck“ nicht. 🙂

Verkehrsrecht II: Anordnung der Blutentnahme/-probe, oder: Anforderungen an den Anfangsverdacht

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Vor einiger Zeit haben die mit der Anordnung der Entnahme einer Blutprobe (§ 81a StPO) zusammenhängenden Fragen die Praxis beschäftigt. Dabei ging es insbesondere meist um die Frage des so. Richtervorbehalts. Die Problematik hat sich dann durch die Änderungen durch das „Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens“ vom 17.8.17 (BGBl. I S. 3202) weitgehend erledigt.

Sie hat nun aber dann doch noch mal ein AG beschäftigt, und zwar das AG Ratzeburg im AG Ratzeburg, Beschl. v. 22.12.2023 – 31a OWi 46/23 jug. Sachverhalt und Gründe dann hier:

„Am 2. Juli 2023 gegen 15:29 Uhr führte der Polizeibeamte und Zeuge PK pp. im Rahmen einer Standkontrolle auf dem Rastplatz Gudow an der Bundesautobahn 24 in Fahrtrichtung Hamburg eine Kontrolle des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen pp. durch, dessen Fahrer der Betroffene war. Der Betroffene händigte dem Zeugen seinen Führerschein, Personalausweis und die Zulassungsbescheinigung Teil 1 aus. Im Rahmen der Kontrolle nahm der Zeuge wahr, dass der Betroffene sehr nervös wirkte. Der Betroffene konnte nicht stillstehen und hatte deutlich zitternde Hände. Ebenso führte der Betroffene häufig seine Hände an verschiedene Körperstellen, einmal zum Kratzen am Hals, einmal um in seine Hosentaschen zu greifen oder der Betroffene wedelte damit herum. Zudem war der Betroffene redselig und aus Sicht des Zeugen unangepasst euphorisch. Aus diesen Beobachtungen leitete der Zeuge den Verdacht ab, dass der Betroffene eine bußgeldbewährte Tat gemäß § 24a StVG begangen haben könnte. Nach entsprechender Belehrung gab der Betroffene an, keine Drogen konsumiert zu haben, er sei lediglich sehr müde. Die Durchführung eines Urintests lehnte der Betroffene unter Hinweis darauf ab, dass er nicht urinieren müsse. Daraufhin ordnete der Zeuge eine Blutprobe an. Diese wurde um 15:40 Uhr durch einen Arzt an der Kontrollstelle durchgeführt. Nach dem Ergebnis des Untersuchungsberichts des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein vom 26. September 2023 befanden sich im Blut des Betroffenen 3,9 ng/ml THC.

Der Verteidiger trug mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2023, eingegangen bei der Bußgeldbehörde am 4. Dezember 2023, auf gerichtliche Entscheidung mit der Begründung an, dass die Anordnung der Blutprobe unzulässig gewesen sei. Dies führe aus Sicht des Verteidigers zu einem Beweisverwertungsverbot.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig, insbesondere statthaft. Mit dem Wegfall des Richtervorbehalts und Normierung der Anordnungskompetenz für Blutproben auf die zuständige Verwaltungsbehörde und — gleichrangig — auf deren Ermittlungsbeamte (§ 53 Abs. 2 OWiG) hat die Frage des dagegen zulässigen Rechtsbehelfs an Bedeutung gewonnen. Die Anordnung einer Blutprobe im Bußgeldverfahren ist eine Maßnahme nach § 62 OWiG und als solche grundsätzlich mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung anfechtbar. Soweit – wie hier – ein Polizeibeamter als originär zuständige Verwaltungsbehörde die Anordnung trifft, ist dies soweit ersichtlich unbestritten (KK-OWiG/Lampe, 5. Auflage, § 46, Rn.41).

Der Antrag hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Gemäß § 46 Abs.4 S.1 OWiG ist § 81a Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO mit der Einschränkung anzuwenden, dass zwar nur die Entnahme von Blutproben und andere geringfügige Eingriffe zulässig sind, aber die Entnahme einer Blutprobe abweichend von § 81a Absatz 2 Satz 1 StPO keiner richterlichen Anordnung bedarf, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass eine Ordnungswidrigkeit begangen worden ist nach den §§ 24a und 24c StVG.

Der Gesetzeswortlaut fordert eine „einfachen“ Verdacht, also keinen hinreichenden oder gar dringenden Tatverdacht. Ein solcher Anfangsverdacht setzt nur voraus, dass zureichende, über bloße Vermutungen hinausreichende, tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat (hier: Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG) vorliegen (vgl. BGH BeckRS 2021, 3096; BGH NStZ2016, 370; 551; OLG Koblenz BeckRS 2021; 13791; KK-StPO/Weingarten, 9. Aufl. 2023, StPO § 160. Rn. 7).

Vorliegend ist dem Verteidiger einzugestehen, dass die vom Zeugen PK pp. geschilderten Umstände isoliert betrachtet den Verdacht einer Tat gemäß § 24a StVG nicht begründen könnten. Entscheidend ist Überzeugung des Gerichts indessen, dass eine Vielzahl von Besonderheiten beim Betroffenen vorlag, die eben diesen Verdacht begründen. Mag man durch die Situation der polizeilichen Kontrolle noch die Nervosität des Betroffenen erklären können, so gilt dies nicht für das Hinzutreten zitternder Hände sowie einer in der Situation unangemessenen Euphorie. Derartige kumulative, situationsuntypische Reaktionen sind gerade durch die Einnahme von Betäubungsmittel zu erklären. Aufgrund dieser Kumulation der Umstände hat der Polizeibeamte zur Überzeugung des Gerichts zu Recht die Entnahme der Blutprobe angeordnet. Die weitere Frage, ob aus einem etwaigen Beweiserhebungsverbot ein Beweisverwertungsverbot folgen würde, kann deshalb in diesem Fall dahinstehen.“

Na ja. Es gibt AG-Rechtsprechung, wonach die (allein) „Nervosität“ nicht reicht …..

Verkehrsrecht I: Trunkenheitsfahrt mit E-Scooter, oder: Entziehung der Fahrerlaubnis

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Und in die 2. KW., zu deren Beginn ich möglichst wenig Behinderungen durch die „Bauernproteste“ wünsche, starte ich dann mit verkehrsrechtlichen Entscheidungen.

Ich beginne hier mit zwei OLG-Entscheidungen zur Entziehung der Fahrerlaubnis nach einer Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter, einer der derzeitigen verkehrsrechtlichen Dauerbrenner. Ich stelle, da ich zu den damit zusammenhängenden Fragen ja schon häufiger berichtet habe, hier allerdings nur die Leitsätze der beiden Entscheidungen vor. Die Einzelheiten dann bitte den verlinkten Volltexten entnehmen:

1. Für Führer eines als Elektrokleinstfahrzeug einzuordnenden E-Scooters kann zur Bestimmung der absoluten Fahruntüchtigkeit jedenfalls der für Fahrradfahrer geltende BAK-Grenzwert herangezogen werden.

2. Die Nutzung eines solchen E-Scooters an sich kann weder ein Absehen von der Regelvermutung des § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB begründen noch ist sie stets als mildernder Umstand für die An-nahme eines Ausnahmefalles von dieser zu werten. Ob ausnahmsweise von der Regelvermutung abzusehen ist, hängt jeweils von den Umständen des konkreten Einzelfalles ab.

Ausführungen, die sich im Wesentlichen auf die allgemeine Betrachtung der Besonderheiten von sog. E-Scootern beschränken und die Würdigung der Umstände des Einzelfalles im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung vermissen lassen, werden den Anforderungen an die Begründung eines Abweichens vom Regelfall betreffend die Entziehung der Fahrerlaubnis bei einer Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter nicht gerecht.