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OWi III: Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch, oder: Ausdrückliche Ermächtigung des Verteidigers?

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Und zum Tagesschluss dann noch etwas aus dem OWi-Verfahren, nämlich der BayObLG, Beschl. v. 21.12.2023 – 202 ObOWi 1264/23 – zu den Voraussetzungen für die Annahme/das Vorliegen einer ausdrücklicher Ermächtigung des Verteidigers zur Einspruchsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch.

Dazu das BayObLG:

„Der näheren Erörterung bedarf nur das Folgende:

Die vom Verteidiger in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht erklärte Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch war wirksam, was der Senat aufgrund der erhobenen Sachrüge von Amts wegen zu prüfen hat (st.Rspr., vgl. zuletzt nur BayObLG, Beschl. v. 22.11.2023 – 202 StRR 86/23; 18.10.2023 – 202 StRR 74/23; 12.10.2023 – 202 StRR 72/23, jeweils bei juris).

1. In der nachträglichen Beschränkung des zunächst unbeschränkt eingelegten Einspruchs liegt eine teilweise Zurücknahme des Rechtsbehelfs, die durch den Verteidiger gemäß § 67 Abs. 1 Satz 2 OWiG i.V.m. § 302 Abs. 2 StPO nur mit „ausdrücklicher Ermächtigung“ der Betroffenen erklärt werden konnte. Die nachträgliche Beschränkung des Einspruchs stellt eine teilweise Zurücknahme des Rechtsbehelfs dar (vgl. auch Löwe-Rosenberg/Jesse StPO 26. Aufl. [2014] § 302 Rn. 44), weil hierdurch der Prüfungsumfang des Gerichts reduziert wird. Dem steht nicht entgegen, dass im Falle einer Revision deren Beschränkung auf bestimmte Beschwerdepunkte, die mit der Revisionsbegründung vorgenommen wird, nicht als Teilrücknahme in diesem Sinne, sondern lediglich als Konkretisierung des zunächst offen gebliebenen Anfechtungsumfangs anzusehen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 13.06.1991 – 4 StR 105/91 = BGHSt 38, 4 = NStZ 1991, 501 = MDR 1991, 979 = BGHR StGB § 64 Ablehnung 4 = BGHR StPO § 302 Abs 2 Beschränkung 2 = AnwBl. 1991, 599 = wistra 1991, 348 = NJW 1991, 3162 = StV 1992, 7 = BeckRS 1991, 1981; Urt. v. 23.10.1991 – 3 StR 321/91 = StV 1992, 10 = NStZ 1992, 126 = BGHR StGB § 24 Abs 1 Satz 1 Versuch, unbeendeter 25 = BGHR StGB § 46 Abs 1 Kronzeuge 1 = BGHR StPO § 260 Abs 3 Freispruch 3 = BGHR StPO § 302 Abs 1 Konkretisierung 1 = MDR 1992, 393 = NJW 1992, 989 = JZ 1992, 536 = BeckRS 1991, 3190). Dieser Grundsatz, von dem dann eine Ausnahme gemacht wird, wenn die Beschränkung der Revision erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist erfolgt (BGH, Urt. v. 18.07.2013 – 4 StR 100/13 = NStZ-RR 2013, 352 = BGHR StPO § 302 Abs 1 Rücknahme 7 = BeckRS 2013, 14337), kann auf den Einspruch nicht übertragen werden. Denn er beruht allein auf der Besonderheit des Revisionsrechts, wonach der Beschwerdeführer gemäß § 344 Abs. 1 StPO die Erklärung abzugeben hat, inwieweit er das Urteil anfechten will (KG, Beschl. v. 19.02.1999 – 2 Ss 419/985 Ws [B] 717/98 bei juris). Dagegen wird durch den Einspruch, der nach der gesetzlichen Regelung gerade keiner Begründung bedarf, der Bußgeldbescheid in vollem Umfang angefochten, sofern er nicht bereits mit der Einlegung nach § 67 Abs. 2 OWiG auf einen bestimmten Beschwerdepunkt beschränkt ist (OLG Bamberg, Beschl. v. 03.04.2018 – 3 Ss OWi 330/18 = ZfSch 2018, 588 = OLGSt OWiG § 67 Nr 5 = BeckRS 2018, 7635 m.w.N.; im Ergebnis ebenso für die Berufung: BayObLG, Beschl. v. 01.02. 2021 – 202 StRR 4/21 bei juris = BeckRS 2021, 1622; OLG Stuttgart, Beschl. v. 26.10.2010 – 2 Ss 618/10 = Justiz 2011, 104 = OLGSt StPO § 302 Nr. 10 = BeckRS 2010, 28143 und für den Einspruch gegen den Strafbefehl: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.06.2010 – III-1 RVs 71/10 = NStZ 2010, 655 = BeckRS 2010, 17408 sowie Löwe-Rosenberg/Jesse a.a.O.).

2. Die Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch war auch mit Blick auf § 67 Abs. 1 Satz 2 OWiG i.V.m. § 302 Abs. 2 StPO rechtswirksam.

a) Allerdings folgt dies entgegen der vereinzelt von Oberlandesgerichten vertretenen Rechtsauffassung (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 07.12.2020 – 2 Ss-OWi 1347/20 = NStZ-RR 2021, 83 = BeckRS 2020, 41406; KG, Beschl. v. 01.07.2020 – [4] 121 Ss 71/20 bei juris = BeckRS 2020, 17854) noch nicht daraus, dass dem Verteidiger eine Vertretungsvollmacht im Sinne des § 73 Abs. 3 OWiG erteilt worden war. Die hierfür angeführte Begründung, die Vorschrift des § 302 Abs. 2 StPO sei nicht anwendbar, weil es sich um eine Erklärung des Angeklagten bzw. Betroffenen handle, der von seinem Verteidiger „im Willen“ vertreten werde, erschöpft sich in einem rein formalen Argument, das überdies außer Acht lässt, dass ein Vertreter – im Gegensatz zu einem Boten, der eine fremde Willenserklärung nur übermittelt – eine eigene Willenserklärung, wenn auch in fremdem Namen abgibt, von einer eigenen Erklärung des Betroffenen deshalb nicht die Rede sein kann. Zudem setzt sich diese Ansicht über den eindeutigen Gesetzeswortlaut hinweg, ignoriert den Zweck, den diese Vorschrift verfolgt, und steht auch im Widerspruch zur höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH, Beschl. v. 20.09.1956 – 4 StR 287/56 = BGHSt 9, 356 = NJW 1956, 1727 = BeckRS 1956, 104561; ebenso: OLG München, Beschl. v. 06.12.2016 – 5 OLG 15 Ss 543/16 bei juris = BeckRS 2016, 120867). Der Wortlaut des § 302 Abs. 2 StPO differenziert gerade nicht zwischen einem Verteidiger ohne Vertretungsvollmacht und einem solchen, der zusätzlich mit einer Vertretungsvollmacht ausgestattet ist, sondern postuliert ganz allgemein für die Rechtsmittelrücknahme durch den Verteidiger eine ausdrückliche Ermächtigung durch den Angeklagten. Mit dieser Regelung soll gewährleistet werden, dass die Dispositionsbefugnis über den eingelegten Rechtsbehelf ausschließlich dem Angeklagten bzw. Betroffenen zukommt, also dessen ureigener Wille maßgeblich ist. Die Vorschrift verbietet nicht lediglich eine Rücknahme durch den Verteidiger gegen den Willen des Betroffenen, sondern versagt auch einer Rücknahme, die ohne den ausdrücklichen Willen des Angeklagten erklärt wurde, die Wirksamkeit. Hieraus ergibt sich ohne weiteres, dass eine Vertretung im Willen bei der Rechtsmittelrücknahme durch § 302 Abs. 2 StPO ausgeschlossen ist bzw. die mit der Vollmachtserteilung verbundene Vertretungsmacht gesetzlich eine Einschränkung erfahren hat.

b) Gleichwohl ist das Amtsgericht im Ergebnis zu Recht von einer gemäß § 67 Abs. 2 OWiG in Verbindung mit § 302 Abs. 2 StPO wirksamen Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch ausgegangen, weil die ausdrückliche Ermächtigung in der unter dem 11.10.2022 vom Betroffenen unterzeichneten Vollmachtsurkunde enthalten war.

aa) Zwar muss sich die ausdrückliche Ermächtigung zur Rechtsmittelrücknahme nach § 302 Abs. 2 StPO auf ein bestimmtes Rechtsmittel beziehen, sodass nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung die bei Übernahme des Mandats im Rahmen der Vollmachtserteilung eingeräumte allgemeine Ermächtigung zur Rücknahme von Rechtsmitteln als ausdrückliche Ermächtigung gemäß § 302 Abs. 2 StPO nicht ausreicht (vgl. nur BGH, Beschl. v. 06.2013 – 1 StR 168/13 = NStZ 2014, 54 = BeckRS 2013, 12151 m.w.N.).

(bb) Allerdings genügt es den Anforderungen des § 302 Abs. 2 StPO, wenn die Vollmacht gerade für die Durchführung des konkreten Rechtsbehelfs erteilt worden war (BGH, Beschl. v. 07.05. 2019 – 2 StR 142/19; 31.08.2016 – 2 StR 267/16, jeweils bei juris). Eine derartige Konstellation lag hier vor. Zwar wurde die mit der Rücknahmeermächtigung versehene Vollmacht am 11.10.2022, also noch vor Erlass des Bußgeldbescheids erteilt. Allerdings hatte die Bußgeldbehörde vorher, nämlich am 07.10.2022 die Anhörung der Betroffenen zu dem ihr zur Last gelegten Verstoß bereits angeordnet. Bei dieser Sachlage besteht kein Zweifel daran, dass die Vollmachtserteilung gerade zu dem Zweck des als naheliegend zu erwartenden Erlasses des Bußgeldbescheids und der Einspruchseinlegung hiergegen erteilt wurde, der Verteidiger also gerade für das Einspruchsverfahren beauftragt wurde.“

Nun ja, man hätte es auch kürzer machen können. Für mich ist das mal wieder eine dieser „Herr Lehrer, ich weiß was“-Entscheidungen“ aus Bayern. Voll gestopft mit Zitaten, auch von Fundstellen, die im Zweifl eh niemand zur Verfügung hat. Manchmal habe ich den Eindruck, in Bayern wird nach dem Umfang der Zitate bezahlt 🙂 .

Dabei hätte ich das BayObLg unsterblichen Ruhm erwerben können, wenn es sich mal näher mit dem Einwand der Betroffenen, das AG-Urteil sei nicht unterschrieben, auseinandergesetzt hätte, um diesem – sorry Blödsinn – ein Ende zu setzen. Dazu heißt es aber nur:

„Die Beanstandung, dass das Urteil entgegen § 275 Abs. 2 Satz 1 StPO von der erkennenden Richterin angeblich nicht unterschrieben worden sei, dringt nicht durch. Die Beschwerdeführerin verkennt, dass diese Bestimmung lediglich die bei den Akten befindliche Urschrift, die von der Richterin unterzeichnet wurde, betrifft, nicht aber die Ausfertigungen.“