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OWi II: Nochmals Kampf um Terminsverlegungen, oder: Will das AG Verteidiger/LG ärgern oder liest es nicht?

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Und dann vor Weihnachten doch noch etwas zum Kopfschütteln, und zwar:

Anfang des Monats hatte ich über den LG Braunschweig, Beschl. v. 27.11.2024 – 2b Qs 342/24 – und den LG Braunschweig, Beschl. v. 27.11.2024 – 2b Qs 346/24 – berichtet (vgl. hier: OWi II: Terminsverlegungsanträge des Verteidigers, oder: Ablehnung nur mit konkreten Gründen).

In beiden Entscheidungen ging es um vom AG Helmstedt zu Unrecht abgelehnte Terminsverlegungsanträge des Verteidigers, der gegen die Ablehnungen jeweils Beschwerde eingelegt hatte. Das AG hatte dann kurzerhand die Beschwerde dem LG vorgelegt. Eine Abhilfeentscheidung war nicht ergangen. Das LG hatte dennoch nicht zurückverwiesen, sondern aufgehoben und dem AG mit recht deutlichen Worten mitgeteilt, was es von den Ablehnungen in der Sache hält, nämlich nichts.

Wer nun gedacht hatte, dass es damit gut ist/war, der hat sich geirrt. Denn das AG Helmstedt macht folgendes – ich nehme jetzt mal den Sachverhalt aus dem (neuen) LG Braunschweig, Beschl. 16.12.2024 – 2b Qs 371/24 -, der aus dem LG Braunschweig, Beschl. 16.12.2024 – 2b Qs 372/24 – ist identisch: Das LG hatte mit Beschluss vom 27.11.2024  die Entscheidung des Amtsgerichts, die für den 02.12.2024 anberaumte Hauptverhandlung nicht zu verlegen, aufgehoben. Mit Aktenrückübersendung hatte die Vorsitzende das AG darauf hingewiesen, dass in Zukunft eine förmliche Abhilfeentscheidung zu treffen ist und nicht einfach die Akten übersandt werden dürften. Das AG Helmstedt beraumte daraufhin einen neuen Termin für den 23.01.2025 an. Der Termin war mit dem Verteidiger vorher wieder nicht abgestimmt. Mit Schriftsatz vom 03.12.2024 beantragte der Verteidiger erneut Terminsverlegung und bot den 30.01.2025 und 06.02.2025 als neue Verhandlungstermine an. Mit fast wortgleichem Schreiben wie vom 07.11.2024 – das war das frühere Verfahren – lehnte das AG AG Helmstedt die Terminsverlegung wieder ab, wogegen sich dann der Verteidiger erneut mit der Beschwerde wandte.

Und jetzt hat das LG – in beiden Verfahren – gesagt: Genug ist genug und hat aufgehoben und zurückverwiesen. Hier die Gründe aus LG Braunschweig, Beschl. 16.12.2024 – 2b Qs 371/24 -, die aus LG Braunschweig, Beschl. 16.12.2024 – 2b Qs 372/24 – sind gleich:

„An einer Entscheidung über die Beschwerde sieht sich die Kammer mangels Zuständigkeit gehindert; die Sache ist nicht entscheidungsreif, weil die zunächst erforderliche Abhilfeentscheidung (§ 306 Abs. 2 StPO) noch nicht ergangen ist (vgl. BGH, NStZ 1992, 507; BGH, Beschluss vom 27. Januar 2022 – 6 StR 1/22 –, juris).

Fehlt eine (Nicht-)Abhilfeentscheidung hat das Beschwerdegericht unter Berücksichtigung seiner Pflicht zur schnellen und wirtschaftlichen Erledigung der Beschwerde darüber zu befinden, ob es selbst entscheiden oder dem Erstrichter Gelegenheit geben will, die unterbliebene Entscheidung über die Abhilfe nachzuholen (OLG Hamm, Beschluss vom 18. Dezember 2002 – 2 Ws 475/02 = VRS 104, 372, 373; vom 05. Februar 2009 – 2 Ws 16/2009 -; OLG Hamm, Beschluss vom 17. Februar 2009 – 2 Ws 34 – 38/09 –, juris, Holger Matt, in: Löwe-Rosenberg, StPO, § 306 Rn. 21 – jeweils mit weiteren Nachweisen). Teilweise wird in der Literatur die Ansicht vertreten, eine Zuleitung an das Erstgericht zur Nachholung der (Nicht-)Abhilfeentscheidung komme stets in Betracht, wobei es sich nicht um eine die Aufhebung der erstgerichtlichen Entscheidung voraussetzende „Zurückverweisung“ handele (Engelhardt, in: Karlsruher Kommentar, StPO, § 306 Rn. 19 – ohne weitere Begründung). Nach anderer Meinung ist eine Zurückverweisung ausnahmsweise nur dann angezeigt, wenn das Verfahren dadurch beschleunigt wird, weil die tatsächliche Richtigkeit des Beschwerdevorbringens vom sachnäheren Erstrichter leichter und schneller festgestellt werden kann und zu erwarten ist, dass dieser seine Entscheidung aufgrund dessen selbst korrigiert (Holger Matt, in: Löwe-Rosenberg, StPO, § 306 Rn. 21) und das Beschwerdegericht andernfalls an einer eigenen Sachentscheidung im Sinne des § 309 Abs. 2 StPO gehindert wäre (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 306 Rn. 10). Denn die Nichtabhilfe ist keine Verfahrensvoraussetzung für die Entscheidung des Beschwerdegerichts (OLG Hamm, Beschluss vom 18. Dezember 2002 – 2 Ws 475/02 = VRS 104, 372, 374 mit zahlreichen weiteren Nachweisen; vom 05. Februar 2009 – 2 Ws 16/2009 -; OLG Hamm, Beschluss vom 17. Februar 2009 – 2 Ws 34 – 38/09 –, juris. Holger Matt, in: Löwe-Rosenberg, StPO, § 306 Rn. 21; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 306 Rn. 10). Eine eigene Entscheidung des Beschwerdegerichts entsprechend § 309 Abs. 2 StPO ist danach bei offensichtlicher Erfolglosigkeit der Beschwerde geboten, bei der ohne längere Prüfung erkennbar ist, dass das Beschwerdevorbringen die Beschwerde nicht zu begründen vermag (OLG Hamm, Beschluss vom 18. Dezember 2002 – 2 Ws 475/02 = VRS 104, 372, 374; vom 05. Februar 2009 – 2 Ws 16/2009). Ein Streitentscheid ist hier nicht erforderlich. Ein Fall der sofortigen Entscheidung der Kammer wegen unzumutbarer Verfahrensverzögerung oder der offensichtlichen Erfolglosigkeit der Beschwerde liegt hier gerade nicht vor. Die Beschwerde könnte nach Auffassung der Kammer durchaus begründet sein, weil die Ablehnung des erneuten Terminsverlegungsantrages erneut ermessensfehlerhaft sein könnte.

Wird mit der Beschwerde erhebliches neues Vorbringen verbunden, das einer Klärung bedarf, weil es sich um ein ernstzunehmendes neues und vom Erstgericht ohne sonderliche Mühe überprüfbares Vorbringen handelt, das im Falle seiner Richtigkeit die tatsächlichen Grundlagen der angefochtenen Entscheidung in Frage stellen würde, dann ist das Erstgericht zu einer Prüfung und zur Begründung seiner Entscheidung verpflichtet (OLG München, NJW 1973, 1143). Das Amtsgericht hat sich gerade nicht mit der Beschwerdebegründung vom 06.12.2024 auseinandergesetzt. Vielmehr erfolgte die Ablehnung der erneuten Terminsverlegung wieder mit fast wortgleichem Schreiben wie zuvor und wie auch im Parallelverfahren unter Beteiligung des gleichen Verteidigers. Eine Ausübung des Ermessens ist darin nicht zu erkennen.

Die Notwendigkeit einer auf das Vorbringen vom 06.12.2024 bezogenen Abhilfeentscheidung entfällt auch nicht deshalb, weil das Amtsgericht in dieser Sache zuvor bereits einmal nicht abgeholfen hat. Diese konkludente Abhilfeentscheidung reicht im Hinblick auf das neue Beschwerdevorbringen nicht mehr aus. Das Abhilfeverfahren soll dem Erstrichter die Gelegenheit zur Korrektur seiner Entscheidung geben, um dem Beschwerdegericht ggf. eine Befassung mit der Sache zu ersparen (BGH MDR 1992, 593¬594; OLG München NJW 1973, 1143). Dieser Aufgabe kann es nur gerecht werden, wenn sämtliches vor Weiterleitung der Akten an das Beschwerdegericht aktenkundige Vorbringen des Beschwerdeführers berücksichtigt wird (BGH MDR 1992, 593-594). So kann das Beschwerdegericht nicht nachvollziehen, warum die angebotenen Ersatztermine am 30.01.2025 und 06.02.2025 für das Amtsgericht nicht in Betracht kommen, obwohl beide Termine einen Donnerstag betreffen, so wie es der Vorgabe des Amtsgerichts entsprach. Dass bei einer Verlegung auf einen der angebotenen Ersatztermine eine nennenswerte Verfahrensverzögerung eintritt, die gegen das Recht nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 MRK verstößt, ist für die Kammer ebenfalls nicht erkennbar. Eine auf den konkreten Einzelfall bezogene Abhilfeentscheidung ist daher unerlässlich und könnte mutmaßlich der Beschwerde auch zum Erfolg verhelfen, ohne dass es einer Entscheidung der Kammer bedarf.“

Wie gesagt: Kopfschütteln, und zwar mehr als „gelinde“. Denn man fragt sich, was das Verhalten des AG soll? Die Vorsitzende weist auf die Notwendigkeit einer Abhilfeentscheidung hin und die Kammer schreibt in den Gründen der vorhergehenden Entscheidungen mehr als deutlich, wie mit Terminsverlegungsanträgen umzugehen ist. Und was passiert: Das AG bescheidet die neuen Verlegungsanträge wieder, ohne die Vorgaben des LG zu beachten, und legt dann wieder ohne Abhilfe vor. Was wird damit bezweckt: Will das Gericht den Verteidiger ärgern oder gar die Beschwerdekammer oder liest man einfach nicht, was aus der Beschwerde zurückkommt, nach dem Motto: Was schert mich die Beschwerdekammer. Das AG sollte mal überlegen, was an unnützer Zeit und Arbeit sowohl beim Beschwerdegericht als auch beim Verteidiger damit vergeudet wird. Aber das interessiert wahrscheinlich auch nicht. Für solche Entscheidungen müsste es „Strafzahlungen“ geben 🙂 🙂 .

 

Rahmengebühren II: Bemessung im Strafverfahren, oder: Unverschämte Bemessung durch den „Bezi“.

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Und dann als zweite Entscheidung der ganz frische, auch gestern erst eingegangene, LG Cottbus, Beschl. v. 11.12.2024 – 22 Qs 188/24 , der sich zu den Gebühren im strafrechtlichen Berufungsverfahren äußert, und zwar auch positiv.

Der Angeklagte war durch Urteil des AG wegen Körperverletzung und Bedrohung eine Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 50,00 EUR verurteilt worden. Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt. Nachdem das LG die Berufungshauptverhandlung auf den 20.02.2024 terminiert hatte, bestellte sich der Kollege zum Verteidiger und beantragte Einsicht in die Verfahrensakte, die ihm gewährt wurde. Einen Tag vor der terminierten Berufungshauptverhandlung nahm die Staatsanwaltschaft die Berufung zurück, woraufhin das LG den Termin zur Berufungshauptverhandlung noch am selben Tag aufhob und der Staatskasse die Kosten des Berufungsverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers auferlegte.

Der Verteidiger beantragte die Festsetzung der Gebühren und Auslagen des Wahlverteidigers in Höhe von insgesamt 704,48 EUR. Der Bezirksrevisor sah das als unbillig hoch an, da das Berufungsverfahren als unterdurchschnittlich anzusehen sei. Dafür spreche vor allem, dass die Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch begrenzt gewesen sei, womit festgestanden habe, dass keine erneute Tatsachenverhandlung durchgeführt werde und die Berufungshauptverhandlung auf die Feststellung der Bemessung des Strafmaßes beschränkt sei. Daher seien sowohl der Umfang der Einarbeitung in das Berufungsverfahren als auch die Vorbereitung auf die Berufungshauptverhandlung ebenfalls auf das Strafmaß begrenzt gewesen. Angesichts der rechtzeitigen Aufhebung des Hauptverhandlungstermins, der unterdurchschnittlichen Schwierigkeit und des geringen Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit sei die Grundgebühr lediglich in Höhe von 100,00 EUR und die Verfahrensgebühr nach Nr. 4124 VV RVG in Höhe von 88,00 EUR (sic!!) € als angemessen anzusehen.

Das AG folgt dem. Dagegen die sofortige Beschwerde, die beim LG vollen Erfolg hat:

„Gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 RVG bestimmt der Rechtsanwalt in Verfahren, für welche das Vergütungsverzeichnis zum RVG (VV RVG) eine Rahmengebühr vorsieht, die Höhe der Gebühr innerhalb des vorgegebenen Rahmens unter Berücksichtigung aller Umstände nach billigem Ermessen. Dabei sind insbesondere der Umfang und die Schwierigkeit der Sache, die Bedeutung der Angelegenheit sowie die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers von Bedeutung. Ist die Gebühr von einem Dritten – hier der Staatskasse – zu ersetzen, ist die Bestimmung jedoch gemäß § 14 Abs. 1 S. 4 RVG dann nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Dies ist hier weder im Hinblick auf die von dem Beschwerdeführer geltend gemachte Grundgebühr noch die Verfahrensgebühr für das Berufungsverfahren, deren Erhöhung der Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren begehrt hat, der Fall.

Für die Bemessung der festzusetzenden Gebührenhöhe ist die gegen einen Beschuldigten verhängte bzw. die ihm für die ihm vorgeworfene Tat drohende Strafe nicht der alleinige Anknüpfungspunkt. Von maßgeblicher Bedeutung sind vielmehr auch der Umfang der rechtsanwaltlichen Tätigkeit und die Bedeutung der Sache für ihn.

Unter Berücksichtigung dieser Aspekte für die Bemessung der Gebührenhöhe erachtet die Kammer die Geltendmachung der Grund- und Verfahrensgebühr für das Berufungsverfahren durch den Beschwerdeführer jeweils in Höhe der Mittelgebühr nicht als unbillig. Denn es sind keine Umstände erkennbar, die eine Erhöhung oder Ermäßigung der Gebühren rechtfertigen, vielmehr entspricht die Verteidigung des Beschwerdeführers im vorliegenden Verfahren dem Durchschnitt. So ist zwar die gegen den Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren wegen der Begehung einer Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung verhängte Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 50,00 Euro angesichts des Strafrahmens von § 223 StGB, der nicht nur die Verhängung einer Geldstrafe, sondern auch einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren für die Verwirklichung des Tatbestandes der Körperverletzung vorsieht, als niedrig anzusehen. Allerdings ist durch die Staatsanwaltschaft im amtsgerichtlichen Verfahren die Verhängung einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten beantragt worden, was in einer Berufungshauptverhandlung aufgrund der Berufung der Staatsanwaltschaft ebenfalls zu erwarten war und den Umstand der geringfügigen Strafe der Vorinstanz in gleicher Weise nivelliert, wie die Tatsache, dass der Beschwerdeführer bereits durch das Urteil des Landgerichtes Potsdam vom 15. Oktober 1999, 22 KLs 74/99, unter anderem wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit besonders schwerer Brandstiftung mit Todesfolge und gefährlicher Körperverletzung vorbestraft ist.

Im Gegensatz zur Auffassung des weiteren Beteiligten war die durch die Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 9. März 2023 eingelegte Berufung auch zu keinem Zeitpunkt auf das Strafmaß der amtsgerichtlichen Entscheidung beschränkt, wobei die Beschränkung eines Rechtsmittels auf das Strafmaß die Ermäßigung der Mittelgebühr ohnehin nicht rechtfertigen würde (vgl. Gerold/Schmidt-Mayer, 26. Aufl., § 14 RVG, Rn. 41 m.w.N.). Zudem waren auch weder der Umfang der Sache selbst noch der Umfang ihrer Bearbeitung unterdurchschnittlich. Denn der Verteidiger des Beschwerdeführers ist erstmals im Rahmen des Berufungsverfahrens nach Eingang der Berufungsbegründung vom 24. April 2024 bei der Berufungskammer des Landgerichts Cottbus mit dessen Verteidigung beauftragt worden, so dass er sich erst nach der am 8. Februar 2024 gewährten Akteneinsicht in die zu diesem Zeitpunkt bereits 83 Blatt umfassende Verfahrensakte in die Sache einarbeiten konnte. Da die Rücknahme der Berufung durch die Staatsanwaltschaft am 19. Februar 2024 und damit erst nach der Berufungsbegründung und einen Tag vor dem Termin zur Berufungshauptverhandlung erfolgte, war die umfassende Einarbeitung in die Sache durch den Verteidiger des Beschwerdeführers zur Vorbereitung der Berufungshauptverhandlung auch erforderlich. Dass diese letztlich aufgrund der kurzfristigen Berufungsrücknahme und der Aufhebung des Berufungsverhandlungstermins einen Tag vor dem anberaumten Termin nicht durchgeführt worden ist, führt nicht (mehr) zu einer Ermäßigung der Verfahrensgebühr, sondern lässt allein die Terminsgebühr für die Hauptverhandlung in Berufungssachen nach Nr. 4126 VV RVG entfallen.

Nach alledem erachtet die Kammer unter Schätzung des rechtsanwaltlichen Zeitaufwandes die Festsetzung sowohl der Grund- als auch der Verfahrensgebühr für das Berufungsverfahren antragsgemäß jeweils in Höhe der Mittelgebühr als angemessen.“

Auf der Grundlage sind dann vom LG festgesetzt worden für die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG 220,00 EUR und für die Verfahrensgebühr für das Berufungsverfahren Nr. RVG 4124 352,00 EUR.

M.E. zutreffend. Die vom Bezirksrevisor vorgeschlagenen Gebühren von 100 EUR bzw. 88 EUR sind/waren schlicht eine Frechheit. Mehr schreiben ich nicht, denn es steht ja das Fest des Friedens vor der Tür.

Rahmengebühren I: Bemessung im OWi-Verfahren, oder: Mittelgebühr ist der richtige Ansatz

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Und heute dann – wahrscheinlich für viele der letzte Arbeitstag vor Weihnachten -, da Freitag ist, natürlich Gebührenentscheidungen. Und da das Fest des Friedens naht, will ich heute dann zwei „schöne“ Entscheidungen vorstellen. In beiden Beschlüssen geht es um die Bemessung der Rahmengebühren, und zwar einmal im Bußgeldverfahren und einmal im Strafverfahren.

Ich beginne mit dem Bußgeldverfahren, und zwar mit dem AG Viechtach, Beschl. v. 27.11.2024 – 6 II OWi 242/24. Die Entscheidungen des AG Viechtach sind ja wegen des Sitzes der Zentralen Bußgeldstelle in Viechtach von erheblicher Bedeutung.

Gegen war den Betroffenen – der Fahrlehrer ist – eine Geldbuße von 100,00 EUR verhängt worden. Ein Punkt im Fahreignungsregister, bei Vorliegen keiner Voreintragung, war angedroht. Nach Verjährungseintritt wurde das Verfahren eingestellt. Die notwendigen Auslagen des Betroffenen wurden der Staatskasse nicht auferlegt. Dagegen dann der erfolgreiche Antrag auf gerichtliche Entscheidung.

Der Verteidiger macht dann seine Gebühren geltend. Er setzt Mittelgebühren an. Davon werden Absetzungen gemacht. Das AG sieht das dann anders und setzt in der vom Verteidiger geltend gemachten Höhe fest:

„Nach wohl herrschender Meinung ist in straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren die Höhe des verhängten Bußgeldes nicht entscheidend für die Gebührenbestimmung nach § 14 RVG (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 22. Auflage, Randnr. 54 zu § 14 RVG), womit auch bei Bußgeldern im unteren Bereich des jeweiligen Rahmens (hier 60,00 bis 5000,00 Euro) zunächst von einer Mittelgebühr auszugehen ist. Allerdings ist bei der Gebührenbestimmung zu beachten, dass dieser Mittelgebühr der allgemeine Durchschnittsfall in der Gesamtbetrachtung aller Ordnungswidrigkeitenbereiche zu Grunde zu legen ist, nicht nur ein Durchschnittsfall aus dem Bereich der Verkehrsordnungswidrigkeiten (vgl. LG Landshut, Beschluss vom 19.01.2017, 3 Qs 14/17, juris).

„Eine durchschnittliche Verkehrsordnungswidrigkeit ist keineswegs gleichzusetzen mit einem allgemeinen Durchschnittsfall in der Gesamtbetrachtung aller Ordnungswidrigkeitenbereiche“, LG Landshut, a.a.O.

Die weit überwiegende Anzahl der Verkehrsordnungswidrigkeiten beinhaltet alltägliche Verkehrsübertretungen, die in großer Zahl auftreten und zu deren Verfolgung und Ahndung in allen Verfahrensabschnitten überwiegend automatisiert bzw. standardisiert gearbeitet wird – auch auf Seiten der Verteidiger. Diese Massenverfahren weisen weder einen komplizierten Sachverhalt auf, noch ist zu ihrer Bearbeitung ein umfangreicher Zeit- oder Begründungsaufwand erforderlich. Deshalb scheint es insbesondere mit Blick auf die Höhe der Verteidigergebühren in Strafsachen für nicht gerechtfertigt, für ein durchschnittliches Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren die allgemeine Mittelgebühr anzusetzen. Auch die große Anzahl dieser Verfahren rechtfertigt dies nicht. Die Mittelgebühr ist auf den allgemeinen Durchschnittsfall in der Gesamtbetrachtung aller Ordnungswidrigkeitenbereiche zugeschnitten.

Die Verteidigergebühr ist nach den Bemessungskriterien des § 14 RVG zu bestimmen. Maßgebend sind demnach,

– Umfang der anwaltlichen Tätigkeit,
– Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit,
– Bedeutung der Angelegenheit,
– Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers

Die Bestimmung der Gebühren durch den Rechtsanwalt ist für Dritte, die die Gebühr zu ersetzen haben, nur dann nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 S. 3 RVG).

Die Höhe der im Bußgeldbescheid verhängten Geldbuße sagt bei Verkehrsordnungswidrigkeiten in der Regel nicht viel über die Bedeutung der Angelegenheit aus, da die Geldbußen meistens im unteren Bereich angesiedelt sind. In erster Linie werden bei Verkehrsordnungswidrigkeiten Einsprüche gegen Bußgeldbescheide eingelegt wegen den mit der Geldbuße verbundenen Punkten im Fahreignungsregister im Hinblick auf ein zukünftig drohendes Fahrverbot oder Fahrerlaubnisentzug durch die Verwaltungsbehörde, wegen eines verhängten Fahrverbots oder zur Abwehr oder Vorbereitung zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche. Von Bedeutung ist insbesondere auch, ob d. Betr. beruflich auf seine Fahrerlaubnis angewiesen ist.

Diese Besonderheit der Verkehrsordnungswidrigkeiten rechtfertigt es nicht, grundsätzlich von einer geringen Bedeutung auszugehen. Hätte der Gesetzgeber dies beabsichtigt, hätte er bei der den Gebührenrahmen jeweils bestimmenden Höhe der Geldbußen stärker differenziert und nicht, wie geschehen, Geldbußen von 60 bis 5000 Euro in einem Gebührentatbestand zusammengefasst. Bei der Beurteilung der Bedeutung einer Angelegenheit ist vielmehr der Besonderheit der Angelegenheit und der besonderen Umstände Rechnung zu tragen, die gerade für die Bedeutung dieser Angelegenheit ausschlaggebend sind. Abzustellen ist somit bei Verkehrsordnungswidrigkeiten auf die drohenden Punkte im Verkehrszentralregister, eine etwaige Vorbelastung, ein drohendes Fahrverbot bzw. Fahrerlaubnisentzug und etwaige Schadensersatzansprüche sowie das Angewiesensein d. Betr. auf die Fahrerlaubnis.

Bei der Einordnung des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sind u.a. die Kriterien des Aktenumfangs, der Anzahl und Dauer der Besprechungen mit Mandanten, Sachverständigen und Dritten, der Notwendigkeit der Einarbeitung in Rechtsmaterie, einschließlich des ggfs. notwendigen Studiums von Rechtsprechung und Literatur, Zahl und Umfang der Schriftsätze, auswärtige Beweisaufnahmen, Auswertungen von Beiakten oder Sachverständigengutachten zu berücksichtigen.

Die von der Rechtsprechung entwickelte 20%-Toleranzgrenze ist nicht grundsätzlich und generell anwendbar. Voraussetzung ist in jedem Fall die Ausübung des billigen Ermessens durch den Rechtsanwalt. Unterbleibt dies, ist für die 20%-Toleranzgrenze kein Platz (vgl. Mayer/Kroiß, RVG, § 14 Rdnr. 52-59, beck-online).

Für den vorliegenden Fall gilt unter Berücksichtigung dieser Umstände folgendes:

Die Bedeutung der Angelegenheit für den Betroffenen ist im Hinblick auf seine Tätigkeit als Fahrlehrer und der damit der Möglichkeit einer Eignungsprüfung bei mehreren Verstößen als durchschnittlich anzusehen.

Der Verteidiger hat vorliegend lediglich einen Formular-Einspruch eingelegt und Akteneinsicht beantragt. Zudem musste der Anwalt – zurecht – Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die Auslagenentscheidung der Behörde einlegen und begründen.

Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen wurden nicht gemacht.

Angesichts dieser Umstände stellt sich im vorliegenden Einzelfall der Antrag des Rechtsanwalts als im Rahmen des zulässigen dar.“

Lassen wir, da Weihnachten vor der Tür steht, dahin stehen, ob der Ansatz des AG, dem der Beschluss des LG Landshut vom 19.1.2017 (3 Qs 14/17) zugrunde liegt, zutreffend ist. Denn das AG kommt letztlich zur zutreffenden Abwägung, wenn es von dem Mittelgebühren des RVG auch für die Abrechnung im straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren ausgeht und dann die jeweiligen Umstände des Einzelfalls abwägt (zur „richtigen“ Gebührenbemessung im straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, 6. Aufl. 2021, Vorbem. 5 VV Rn 54 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung). Von daher sind der Ansatz der Mittelgebühr bei der Grundgebühr Nr. 5100 VV RVG und ein höherer Ansatz als die Mittelgebühr bei der Verfahrensgebühr Nr. 5103 VV RVG nicht zu beanstanden und zutreffend. Der Ansatz der Mittelgebühr bei der zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 5115 VV RVG folgt aus dem Gesetz.

StPO III: Rechtwidrigkeit einer Speichelprobe, oder: Worüber ist der Beschuldigte belehrt worden?

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Und dann im dritten Posting eine AG-Entscheidung, nämlich der schon etwas ältere AG Chemnitz, Beschl. v. 15.03.2024 – 11 Gs 432/23 – zur Wirksamkeit der Einwilligung in die Entnahme von Körperzellen (§ 81e StPO).

Der Beschuldigte hatte auf Befragen zunächst die Entnahme von Körperzellen zur Erhebung seines DNA-Identitätsmusters abgelehnt, dann aber noch am selben Tag die schriftliche Einwilligung für die Erhebung und Nutzung des DNA-Musters in den laufenden und künftigen Ermittlungsverfahren erteilt. Diese Einwilligung hat er dann später widerrufen. Er beantragt nunmehr die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Entnahme der Körperzellen sowie des gewonnenen Materials.

Das AG hat festgestellt, dass die Entnahme von Körperzellen in Form einer Speichelprobe beim Beschuldigten rechtswidrig war:

„Es kann dahingestellt bleiben, ob die erklärte Einwilligung schon im Hinblick auf die vorangegangene Einnahme des Medikaments Tavor und deren Auswirkungen auf den Körper rechtswidrig war. Ebenso, ob nach der ersten Erklärung, mit der Entnahme von Körperzellen nicht einverstanden zu sein, weitere Versuche im Sinne eines „guten Zuredens“ die schriftlich erklärte Einwilligung unwirksam gemacht haben. Dem Beschuldigten ist insoweit zuzustimmen, dass der Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit gebietet, dass die Ermittlungsbehörden entsprechende Entscheidungen des Betroffenen zu respektieren haben, ohne weiter auf ihn einzuwirken.

Die Entnahme der Körperzellen erweist sich bereits aus anderen Gründen als rechtswidrig. So ergibt sich aus der Akte nur, dass der Beschuldigte mehrfach qualifiziert belehrt worden sein soll. Es ist aber nicht ersichtlich, worüber der Beschuldigte genau belehrt wurde. Erforderlich ist dabei der Hinweis auf die Reichweite des Grundrechtseingriffs, der durch die Einwilligung gedeckt werden soll. Namentlich außer dem Zweck der Datenerhebung die weitere Nutzung, insbesondere deren Dauer (KK/Senge, § 81 f StPO Rdnr. 3). Die Norm schreibt zwar nicht eine schriftliche Belehrung vor; ohne sie lässt sich aber dem Vorwurf der unzureichenden Belehrung kaum begegnen (Senge a.a.O.).

Unzweifelhaft lagen die gesetzlichen Voraussetzungen für eine richterliche Anordnung nicht vor. Für einen Vergleich der Muster im anhängigen Verfahren fehlte es an gesicherten Spuren, mit denen das DNA-Muster des Beschuldigten hätte verglichen werden können. Für eine Verwendung in künftigen Straftaten hätte es der Prognose bedurft, dass wegen der Art oder Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Beschuldigten oder sonstige Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, dass gegen ihn künftig Strafverfahren wegen Straftaten von erheblicher Bedeutung zu führen sind. Auch eine erteilte Einwilligung lässt das Erfordernis der Negativprognose, also die Wiederholungsgefahr, nicht entfallen (KK/Senge, § 81 g StPO Rdnr. 16; Michalke, Strafprozessuale Zwangsmaßnahmen, 2. Aufl. 2022, Rdnr. 787), denn diese ist unverzichtbare Voraussetzung für die Erstellung eines molekulargenetischen Identifizierungsmusters für Zwecke künftiger Strafverfahren. Im Falle der Einwilligung hat die Staatsanwaltschaft die Negativprognose zu erstellen, die sich an den Vorgaben des § 81 g Abs. 3 Satz 5 StPO zu orientieren hat und zweckmäßigerweise zu dokumentieren ist (Senge a.a.O.) Sie liegt nicht vor, und es bestand kein Zweifel, dass sich die Wiederholungsgefahr des nicht vorbestraften Beschuldigten nicht begründen ließ. Auf dieser Grundlage hätte eine Entnahme der Körperzellen nicht vorgenommen werden dürfen.“

Aber:

„Gleichwohl ist die entnommene Probe nicht sogleich zu vernichten. Inzwischen liegen gesichterte Spuren vor, mit denen das DNA-Muster des Beschuldigten verglichen werden kann. Entsprechend hat die Staatsanwaltschaft Chemnitz die richterliche Anordnung nach § 81 e, f StPO beantragt. Sachliche Gründe gegen den Erlass einer entsprechenden Anordnung sind weder vorgetragen, noch ersichtlich. Es müsste daher eine neue Entnahme von Körperzellen stattfinden, die im Falle der widerrufenen Einwilligung mittels Blutentnahme durchzuführen wäre. Wegen des insoweit erheblicheren Eingriffs erscheint es verhältnismäßig, zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit des Beschuldigten auf die bereits entnommene Probe zurückzugreifen, wie es die Staatsanwaltschaft Chemnitz beantragt hat. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird wegen der Einzelheiten Bezug auf den Beschluss des Amtsgerichts Chemnitz vom heutigen Tage (15.03.2024) mit dem Aktenzeichen 11 Gs 2011/23 genommen. Im übrigen dient die Maßnahme der Kontrolle, ob die Angaben des Beschuldigten zutreffen. Sie mag deshalb auch zu einer Entlastung des Beschuldigten führen.“

Bei dem zweiten Teil habe ich Bedenken.

KCanG I: BGH und das TB-Merkmal des „Anbaus“, oder: Tapferes AG Aschersleben zur nicht geringen Menge

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Heute gibt es hier dann ein paar Entscheidungen zum KCanG.

Zunächst kommen hier dann zwei zum sog. materiellen Recht, und zwar eine vom BGH und eine von einem AG.

Der BGH, Beschl. v. 31.7.2024 – 2 StR 204/24 – äußert sich zur Tathandlung des „Anbaus“ unter Geltung des KCanG, und zwar wie folgt:

Die in § 34 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 2 KCanG beschriebene Tathandlung des „Anbaus“ ist grundsätzlich wie im Rahmen des Betäubungsmittelgesetzes auszulegen. Demnach umfasst der Anbau von Cannabispflanzen in Form der Aufzucht sämtliche gärtnerischen oder landwirtschaftlichen Bemühungen, um ein Wachstum der Pflanzen zu erreichen. Hierzu zählen etwa das Bewässern, Düngen und Belichten.

Und dann das AG Aschersleben, Urt. v. 24.09.2024 – 2 Ds 69/24 – zur „nicht geringen Menge“:

1. Die Auslegung der nicht geringe Menge in § 34 Abs. 3 Nr. 4 KCanG gebietet aufgrund der Gesetzesbegründung zum CanG eine vom vormaligen Grenzwert von 7,5 g THC abweichenden Grenzwert.

2. Die nicht geringe Menge in § 34 Abs. 3 Nr. 4 KCanG beträgt 37,5 g THC und orientiert sich an der fünffachen Menge der bei einer erlaubten Besitzmenge von 50 g und einem durchschnittlichen THC-Gehalt von 15 % auftretenden Wirkstoffmenge THC.

Tapfer, tapfer das AG – es wird sich nur nichts (mehr) bewegen.