Archiv für den Monat: März 2024

StPO II: Schwurgericht auf Schöffen-/Schöffinnensuche, oder: Statthaftes Vorabentscheidungsverfahren?

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Und dann als Mittagslektüre der OLG Köln, Beschl. v. 16.02.2024 – 2 Ws 58-61/24. Thematik: Vorabentscheidungsverfahrens nach § 222b Abs. 3 StPO.

Folgender Verfahrensgang Folgendes: Das Schwurgericht des LG hatte den Angeklagten u.a.  wegen Totschlags verurteilt. Auf die Revision der Nebenkläger hat der BGH das Urteil des LG Köln aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

Der Vorsitzende der nunmehr zuständigen Schwurgerichtskammer hat dann om 12.01.2024 bis zum 12.04.2024 22 Termine zur Durchführung der Hauptverhandlung anberaumt. Als Hauptschöffin war u. a. die Krankenschwester F. G. dem Verfahren zugelost worden und per Postzustellungsurkunde vom 07.12.2023 ordnungsgemäß geladen worden. Die erscheint am 12.01.2024 nicht. Es gelingt dann die Kontaktaufnahme. Die Schöffin teilt mit, sie habe bei Gericht angerufen und mitgeteilt, sie sei aufgrund ihrer Arbeitstätigkeit an der Terminswahrnehmung gehindert und habe daher ihre Teilnahme „abgesagt“. Sie teilt außerdem mit, sie sei durch ihre Arbeitstätigkeit verhindert. Sie könne zwar zum Hauptverhandlungstermin noch nachträglich erscheinen, aber alle Hauptverhandlungstermine könne sie unmöglich wahrnehmen, da ihr Chef damit nicht einverstanden sei.

Der Vorsitzende hat dann verfügt, die Schöffin G. werde von ihrer Dienstleistung in der Hauptverhandlung nach § 54 Abs. 2 S. 2 StPO entbunden. Nach der Entpflichtung der Schöffin G. ist der Strafkammer um 11:29 Uhr als nächste bereite Schöffin von der Ersatzschöffenliste Frau V. P. zugewiesen worden. Da die Schöffin P. in einem sogleich durch den Vorsitzenden geführten Telefonat mitgeteilt hat, sie befinde sich vom 16.02. bis 26.02.2024 auf einer Schiffsreise, hat der Vorsitzende daraufhin vermerkt und verfügt, die Ersatzschöffin P. werde von ihrer Dienstleistung gemäß § 54 Abs. 1 S. 2 StPO entbunden. Die Reise der Schöffin betreffe vier Hauptverhandlungstage. Da diese mit umfangreichem Beweisprogramm und der Vernehmung des psychiatrischen Sachverständigen belegt seien, komme eine Aufhebung der Hauptverhandlung nicht in Betracht.

Nach der Entpflichtung der Hilfsschöffin P. ist der Strafkammer die Schöffin Z. um 11:45 Uhr als Ersatzschöffin zugewiesen worden. Nach Wiederbeginn der Hauptverhandlung um 14:00 Uhr hat die Schöffin Z. der Hauptverhandlung beigewohnt.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 19.01.2024, eingegangen beim LG über das beA am selben Tag, hat der Angeklagte die vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts mit der Schöffin E. F. Z. gerügt. Er ist der Ansicht, die Schöffin F. G. sei die richtige gesetzliche Richterin, da eine Entpflichtung nach § 54 Abs. 2 GVG zu Unrecht erfolgt sei. Das Gericht habe die wesentlichen Voraussetzungen einer Unerreichbarkeit im Sinne des § 54 Abs. 2 S. 2 GVG verkannt.

Das LG hat den Besetzungseinwand als unbegründet zurückgewiesen. Der Einwand hatte dann auch beim OLG keinen Erfolg:

„Die Besetzungseinwände haben keinen Erfolg.

Das Vorabentscheidungsverfahren nach § 222b Abs. 3 StPO erweist sich auf der Grundlage der dem Senat unterbreiteten Sachlage für den Angeklagten bzw. die Nebenkläger 1) – 3) als nicht statthaft. Aufgrund des Rügevortrags kann der Senat nicht davon ausgehen, dass eine auf die Schöffin Z. bezogene Besetzungsmitteilung nach § 222a Abs. 1 StPO spätestens bis zu dem Beginn der Hauptverhandlung erfolgt ist.Gemäß § 222b Abs. 1 S. 2 StPO sind bei der Geltendmachung des Einwands, dass das Gericht vorschriftswidrig besetzt sei, die Tatsachen anzugeben, aus denen sich die vorschriftswidrige Besetzung ergeben soll. Das Vorabentscheidungsverfahren nach § 222b Abs. 3 StPO soll im Wesentlichen an das Revisionsverfahren angelehnt sein (BT-Drucks. 19/14747, S. 29). Das hat zur Folge, dass der Besetzungseinwand in der gleichen Form geltend zu machen ist wie die als Verfahrensrüge ausgestaltete Besetzungsrüge der Revision nach Maßgabe von § 344 Abs. 2 StPO (vgl. SenE v. 21.06.2021, 2 Ws 296/21; SenE v. 11.12.2020, 2 Ws 680/20; SenE v. 27.08.2020, 2 Ws 464/20; OLG Hamm, Beschl. v. 18.08.2020, III-1 Ws 325/20; OLG Bremen, Beschl. v. 14.04.2020, 1 Ws 33/20; KG Berlin, Beschl. v. 01.03.2021, 4 Ws 14/21; OLG München, Beschlüsse v. 12.02.2020, 2 Ws 138-139/20, und v. 10.03.2020, 2 Ws 283/20; OLG Celle, Beschl. v. 27.01.2020, 3 Ws 21/20; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 03.11.2021, 1 Ws 73/21; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 222b Rdn. 6). Der Besetzungseinwand muss ohne Bezugnahmen und Verweisungen (vgl. BGH, Urteil v. 04.09.2014, 1 StR 75/14; Schmitt a.a.O.) aus sich heraus Inhalt und Gang des bisherigen Verfahrens so konkret und vollständig wiedergeben, dass eine abschließende Prüfung durch das nach § 222b Abs. 3 S. 1 StPO zuständige Rechtsmittelgericht ermöglicht wird. Denn es ist nicht Aufgabe des Senats im Vorabentscheidungsverfahren gemäß § 222b Abs. 3 StPO, das revisionsrechtlichen Grundsätzen folgt, den Revisionsvortrag aus anderen Unterlagen zusammenzufügen oder zu ergänzen (vgl. BGH, Urteil v. 04.09.2014, 1 StR 75/14). Dabei sind als erforderlicher Inhalt des Besetzungseinwands auch Angaben anzusehen, aus denen sich dessen Statthaftigkeit ergibt. Widrigenfalls bedürfte es des bei einer revisionsähnlichen Ausgestaltung des Vorabentscheidungsverfahrens nicht zulässigen Rückgriffs auf die Akten, um dem Rechtsmittelgericht die Prüfung zu ermöglichen, ob der Besetzungseinwand in statthafter Weise in Bezug auf eine spätestens zu Beginn der Hauptverhandlung erfolgende Besetzungsmitteilung erhoben wurde (OLG Bremen, Beschl. v. 14.04.2020, 1 Ws 33/20).

Dem Rügevorbringen des Angeklagten, dem sich die beteiligten Nebenkläger lediglich ohne eigenen Sachvortrag angeschlossen haben, ist indes nicht zu entnehmen, dass spätestens bis zur Vernehmung des Angeklagten zur Person nach § 243 Abs. 2 S. 2 StPO (vgl. zur Maßgeblichkeit dieses Zeitpunkts im Rahmen der §§ 222a, 222b: BGH, Urteil v. 12.07.2001, 4 StR 550/00; BVerfG, Beschl. v. 19.03.2003, 2 BvR 1540/01) eine Besetzungsmitteilung erfolgt ist, die sich (auch) auf die Schöffin Z. bezog. Der Vortrag beschränkt sich vielmehr darauf, die Umstände darzulegen, die letztlich zu ihrer Zuweisung zu der Strafkammer führten, und mitzuteilen, dass sie seit „Sitzungsbeginn“ um 14:00 Uhr des 12.01.2024 an der Hauptverhandlung teilnehme.

Dabei kann dem Vortrag bereits nicht entnommen werden, ob die Hauptverhandlung vor dem Eintritt der Schöffin Z. schon durch Aufruf der Sache im Sinne des § 243 Abs. 1 S. 1 StPO begonnen hatte und nach § 229 StPO unterbrochen worden war. In diese Richtung deutet allerdings die in der Rügeschrift verwendete Formulierung, der Vorsitzende habe „nach Unterbrechung der Hauptverhandlung zunächst bis 10:45 Uhr“ das Tätigwerden einer Polizeistreife veranlasst. In diesem Fall wäre bereits fraglich, ob eine nach dem Aufruf der Sache eingetretene, gegenüber einer zuvor erteilten Besetzungsmitteilung – zu der der Angeklagte gleichfalls nichts vorträgt – geänderte Besetzung überhaupt noch dem Anwendungsbereich des § 222a StPO unterliegt. Hierfür dürfte allerdings sprechen, dass der Begriff des „Beginns der Hauptverhandlung“ im Rahmen dieser Vorschrift bezogen auf den spätestmöglichen Mitteilungszeitpunkt den Zeitraum bis vor der Vernehmung des ersten Angeklagten zur Person umfasst (BGH, Urteil v. 12.07.2001, 4 StR 550/00; BVerfG, Beschl. v. 19.03.2003, 2 BvR 1540/01).

Selbst wenn aber davon auszugehen wäre, dass der Eintritt der Schöffin Z. zu einem Zeitpunkt erfolgt ist, der noch eine Mitteilungspflicht nach § 222a StPO auslöste, kann der Senat auf Grund des hierzu schweigenden Rügevorbringens nicht zu Grunde legen, dass eine solche Mitteilung auch tatsächlich erfolgt ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich insoweit um eine wesentliche Förmlichkeit im Sinne von § 273 Abs. 1 StPO handelt, die ausdrücklich und eindeutig zu erfolgen hat. Bloß konkludentes Verhalten, etwa ein Aushang der Besetzung an der Türe des Sitzungssaals, genügt nicht (BGHSt 29, 162; BGH, Beschl. v. 06.01.2021, 5 StR 519/20, NStZ-RR 2021, 81; Ritscher in BeckOK StPO, 50. Edition, Stand: 01.01.2024, § 222a Rn. 7; vgl. auch Lantermann, HRRS 2022, 32, 33).

2, Steht somit zumindest das Fehlen einer Besetzungsmitteilung nach § 222a StPO konkret im Raum, hat dies zur Folge, dass das Vorabentscheidungsverfahren nach § 222b Abs. 3 StPO nicht statthaft ist.

a) Für den – hier auf Grund des dargelegten defizitären Rügevorbringens zum genauen Ablauf der Hauptverhandlung am 12.01.2024 jedenfalls nicht auszuschließenden – Fall einer Besetzungsänderung, die erst zu einem Zeitpunkt in der Hauptverhandlung erfolgt, der schon vom Anwendungsbereich des § 222a StPO nicht mehr erfasst ist, entspricht dies der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschl. v. 02.02.2022, 5 StR 153/21, NJW 2022, 1470, insb. Tz. 11; vgl. dieser Entscheidung zu Grunde liegend OLG Bremen, Beschl. v. 14.04.2020, 1 Ws 33/20; vgl. zur Unstatthaftigkeit des Vorabentscheidungsverfahrens außerhalb des Anwendungsbereichs des § 222a StPO auch SenE v. 01.10.2020, 2 Ws 534/20).

b) Nach Ansicht des Senats setzt die Statthaftigkeit des Vorabentscheidungsverfahrens nach § 222b Abs. 3 StPO aber auch in Konstellationen, in denen eine Besetzungs(änderungs)mitteilung nach § 222a StPO geboten ist, voraus, dass diese auch tatsächlich bis spätestens zu Beginn der Hauptverhandlung im Sinne dieser Vorschrift erfolgt ist (so auch Lantermann, a.a.O., 34, 36, 41)……“

StPO I: Fehlt die Umgrenzungsfunktion der Anklage?, oder: Sammlermünzen als Objekt der Geldfälschung?

entnommen der Hompage des Bundesverwaltungsamtes

Und heute dann auch noch einmal StPO-Entscheidungen, heute dann aber „bunt“ gemischt.

Ich beginne mit einem schon etwas älteren Beschluss des OLG Celle, der sich zur Nichteröffnung des Hauptverfahrens äußert, wenn eine (vermeintlich) mangelhafte Anklage vorliegt.

Die StA wirft den Angeschuldigten mit ihrer Anklage vor, sich in der Zeit vom 07.11.2018 bis zum 30.09.2020 wegen gemeinschaftlich begangener Geldfälschung (§§ 146 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 25 Abs. 2 StGB) strafbar gemacht zu haben. Konkret wird den Angeschuldigten zur Last gelegt, als Geschäftsführer der B. V. GmbH die Herstellung und den Vertrieb von 750 Exemplaren eines Metallstücks mit der Prägung „250. Geburtstag Alexander von Humboldt“ veranlasst zu haben, wobei das Metallstück durch seine optische Gestaltung den Eindruck erweckt habe, dass es sich um von einer staatlichen Prägeanstalt herausgegebenes Münzgeld in Form einer Gedenk- und Sammelmünze handele, die im Zahlungsverkehr auch Zahlungsmittelfunktion erfülle.

Das LG hat die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt. Seine Entscheidung hat das LG damit begründet, dass ein hinreichender Verdacht wegen Geldfälschung nicht bestehe, weil das in der Anklage beschriebene Metallstück nicht geeignet sei, mit echtem Geld verwechselt zu werden, und sich zudem das Vorliegen des subjektiven Tatbestands nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachweisen lassen werde. Die Frage, ob die Anklageschrift unwirksam sei, weil der in ihr dargestellte Sachverhalt nicht alle gesetzlichen Merkmale des angeklagten Tatbestandes, nämlich keine näheren Angaben zu einem gemeinsamen Tatentschluss bzw. einem arbeitsteiligen Vorgehen der Angeschuldigten, enthalte, hat das LG ausdrücklich dahinstehen lassen.

Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der StA. Sie macht insbesondere geltend, dass wegen der zentral auf dem Revers aufgebrachten Zahl „20“, die der Höhe des Verkaufspreises entspreche, und der weiteren Symbole und Beschriftungen „Adler, Deutschland, Europa, etc“, die in keinem Zusammenhang zu dem Medaillenthema ständen, die Gefahr der Verwechslung mit Sammlermünzen bestehe.

Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg. Das OLG hat es mit dem OLG Celle, Beschl. v. 07.08.2023 – 3 Ws 81/23 – zurückgewiesen:

„Die statthafte und zulässig erhobene (§§ 210 Abs. 2, 311 StPO) sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.

Das Landgericht hat gemäß § 203 StPO die Eröffnung des Hauptverfahrens mit Recht abgelehnt, weil nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens die Angeschuldigten einer Straftat nicht hinreichend verdächtig sind. Hinreichender Tatverdacht besteht bei vorläufiger Tatbewertung nur dann, wenn die Verurteilung der oder des Angeschuldigten mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt StPO 64. Aufl. § 203 Rn. 2 mwN). Das ist hier nicht der Fall.

Das Beschwerdevorbringen greift demgegenüber nicht durch.

1. Dabei war es dem Landgericht im vorliegenden Fall nicht verwehrt, trotz der erkannten Lücken in der Sachverhaltsdarstellung der Anklage den hinreichenden Tatverdacht zu verneinen. Zwar muss zur Wahrung der Umgrenzungsfunktion bei einem – wie hier – gegen mehrere Angeschuldigte gerichteten Vorwurf der gemeinschaftlichen Begehungsweise anhand der Anklage erkennbar sein, welcher individuelle Tatbeitrag dem einzelnen Angeschuldigten vorgeworfen wird (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Januar 1986 – 1 StR 646/85, NStZ 1986, 329; BGH, Urteil vom 28. Oktober 2009 – 1 StR 205/09, NJW 2010, 308). Zudem scheidet bei fehlender Wahrung der Umgrenzungsfunktion der Anklage die Prüfung des Vorliegens eines hinreichenden Tatverdachts grundsätzlich aus, weil es insoweit an der erforderlichen Grundlage für die Prüfung fehlt (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 8. Juni 2020 – 2 Ws 63/20). Im vorliegenden Fall besteht jedoch die Besonderheit, dass der Anklagevorwurf mit der Beschaffenheit eines bestimmten Tatobjekts – nämlich der Einordnung der in der Anklage beschriebenen 750 Metallstücke als Falschgeld – steht und fällt. Da diese Beschaffenheit gänzlich unabhängig von den Tatbeiträgen der Angeschuldigten zu beurteilen ist, fehlt es insoweit nicht an der notwendigen Prüfungsgrundlage für den hinreichenden Tatverdacht.

2. Das Landgericht hat aus zutreffenden Gründen, die der Senat sich in vollem Umfang zu eigen macht und auch seiner Entscheidung zugrunde legt, darauf erkannt, dass es sich bei den in der Anklage beschriebenen Metallstücken nicht um Falschgeld handelt…..“

Insoweit verweise ich dann auf die Leitsätze des OLG, die lauten:

    1. …….
    2. Der Senat neigt zu der Auffassung, dass Sammlermünzen nicht als Tatobjekte der Geldfälschung (§ 146 StGB) in Betracht kommen, weil sie trotz ihrer Anerkennung als gesetzliche Zahlungsmittel zum Umlauf im öffentlichen Zahlungsverkehr weder bestimmt noch geeignet sind und daher die herkömmliche Definition von „Falschgeld“ auf sie nicht anwendbar ist.
    3. Sieht man Sammlermünzen als taugliche Tatobjekte der Geldfälschung an, so ist als Vergleichsmaßstab nicht der „gewöhnliche Zahlungsverkehr“, sondern der „gewöhnliche Markt für Sammlermünzen“ heranzuziehen.
    4. Bei der Prüfung, ob Medaillen oder Münzstücke eine Verwechselungsgefahr mit echten Sammlermünzen begründen, kommt den Vorschriften der Medaillenverordnung und der Verordnung (EU) Nr. 651/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Ausgabe von Euro-Münzen (Amtsblatt L 201/135 vom 27. Juni 2012) eine indizielle Bedeutung dahin zu, dass bei deren Einhaltung eine Verwechselungsgefahr regelmäßig zu verneinen ist.

Berufung III: Wann gibt es die Annahmeberufung?, oder: Auch bei Absehen von Strafe?

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Und dann noch die dritte Berufungsentscheidung, und zwar der KG, Beschl. v. 29.02.2024 – 4 Ws 7/24 – 161 AR 6/24, zur Frage, ob es auch bei Absehen von Strafe eine Annahmeberufung gibt.

Das AG die Angeklagte des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen für schuldig befunden und gemäß § 86a Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 86 Abs. 5 StGB wegen geringer Schuld von einer Bestrafung abgesehen. Die gegen diese Entscheidung von der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft eingelegten Berufungen hat das LG nach § 313 Abs. 2 Satz 2 StPO als unzulässig verworfen. Zwar erwähne § 313 Abs. 1 StPO das Absehen von Strafe nicht. Im Wege eines Erst-Recht-Schlusses müsse die Norm aber auch dann Anwendung finden, wenn – wie hier – wegen geringerer Schuld eine Rechtsfolge verhängt worden sei, deren Schwere hinter dem Gewicht der in § 313 Abs. 1 StPO aufgeführten Rechtsfolgen zurückbleibe; denn die Vorschrift diene gerade dem Zweck, die Berufungsgerichte zu entlasten, indem Fälle der Bagatellkriminalität nur unter bestimmten Voraussetzungen in die Berufungsinstanz gelangen könnten.

Dagegen die sofortige Beschwerde der Angeklagten, die Erfolg hatte:

„3. Auch in der Sache hat die sofortige Beschwerde Erfolg. Der Senat teilt nicht die von der Vorsitzenden der Strafkammer vertretene Rechtsauffassung, dass die Berufung in analoger Anwendung des § 313 Abs. 1 Satz 1 StPO der Annahme bedürfe.

a) Hat das Amtsgericht von Strafe abgesehen, gilt § 313 Abs. 1 Satz 1 StPO nach seinem Wortlaut nicht. Zu der Frage, ob in diesem Fall eine analoge Anwendung der Vorschrift in Betracht kommt, werden verschiedene Ansichten vertreten.

Ein Teil der Literatur lehnt eine analoge Anwendung unter Hinweis auf das Gebot der Rechtsmittelklarheit generell ab (vgl. Eschelbach in Graf, StPO 4. Aufl., § 313 Rn. 7; Reichenbach in Gercke/Temming/Zöller, StPO 7. Aufl., § 313 Rn. 6; Quentin in Münchener Kommentar, StPO 2. Aufl., § 313 Rn. 6; Gössel aaO, § 313 Rn. 29).

Die Gegenmeinung, der sich das Landgericht angeschlossen hat, wählt einen differenzierten Ansatz. Sie unterscheidet danach, ob das Absehen von Strafe – wie vorliegend – auf der geringen Schuld des Täters beruht oder – wie etwa bei § 60 StGB – auf anderen Erwägungen, und erachtet im ersteren Fall eine analoge Anwendung aufgrund eines Erst-Recht-Schlusses für geboten (vgl. OLG Stuttgart, aaO Rn. 8 [zu § 113 Abs. 4 Satz 1 StGB]; LG Hamburg, Beschluss vom 11. Mai 2007 – 711 Ns 27/07 –, juris Rn. 5 ff. [zu § 29 Abs. 5 BtmG]; LG Bad Kreuznach, NStZ-RR 2002, 217 [zu § 158 Abs. 1 StGB]; vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 313 Rn. 3a; Paul in Karlsruher Kommentar zur StPO, 9. Aufl., § 313 Rn. 2a; Halbritter in Dölling/Duttge/Rössner, Gesamtes Strafrecht, 4. Aufl., § 313 Rn. 2; Beukelmann in Radtke/Hohmann, StPO, § 313 Rn. 2; Frisch in SK-StPO, 6. Aufl., § 313 Rn. 6a).

b) Der Senat folgt der erstgenannten Ansicht, nach der eine analoge Anwendung des § 313 Abs. 1 StPO nicht möglich ist.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verlangt das Gebot der Rechtsmittelklarheit, dass Rechtsbehelfe in der geschriebenen Rechtsordnung geregelt und in ihren Voraussetzungen für die Bürgerinnen und Bürger erkennbar sind. (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02 –, juris Rn. 68 und Nichtannahmebeschluss vom 16. Januar 2017 – 1 BvR 2803/06 –, juris Rn. 5). Das Bundesverfassungsgericht folgert daraus einerseits, dass die Nichtanerkennung außerordentlicher Rechtsbehelfe weder willkürlich noch geeignet sei, die betroffene Person in ihrem Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz zu verletzen (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 16. Januar 2017 – 1 BvR 2803/06 –, juris Rn. 5), sowie andererseits, dass die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde nicht von der vorherigen Erhebung außerordentlicher Rechtsbehelfe abhängig gemacht werden dürfe (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02 –, juris Rn. 71). Zur Analogiefähigkeit fachgerichtlicher Rechtschutzbestimmungen wird ein differenzierter Ansatz vertreten. Während jedenfalls hergebrachte, im Wege der Analogie geschaffene Rechtsmittel auch nach der Entscheidung zum Gebot der Rechtsmittelklarheit ohne Weiteres als Teil des zu erschöpfenden Rechtswegs angesehen werden (vgl. etwa BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 14. November 2023 – 1 BvR 1498/23 –, juris Rn. 9 [zum Antrag auf gerichtliche Entscheidung analog § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO]), ist die noch nicht etablierte analoge Anwendung fachgerichtlicher Rechtschutzbestimmungen als mit dem Gebot der Rechtsmittelklarheit unvereinbar angesehen worden (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 11. August 2008 – 2 BvR 460/08 –, juris Rn. 9 [zur analogen Anwendung des § 33a StPO im Verfahren nach dem RUAStrGHG]).

Die Rechtsansicht, nach der § 313 Abs. 1 StPO im Fall des Absehens von Strafe analoge Anwendung finden soll, erscheint danach verfassungsrechtlich problematisch. Da eine gefestigte Rechtsprechung zur analogen Anwendbarkeit des § 313 Abs. 1 StPO im Fall des Absehens von Strafe nicht existiert, dürfte dessen analoger Heranziehung bereits das Gebot der Rechtsmittelklarheit entgegenstehen. Dies gilt umso mehr, als gerade bei rechtswegbeschränkenden Vorschriften besonders strenge Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit zu stellen sein dürften (pauschal gegen eine Analogiefähigkeit rechtswegbeschränkender Normen: OLG Koblenz, Beschluss vom 9. Mai 2006 – 12 W 254/06 –, juris Rn. 8; Singer, Rechtsklarheit und Dritte Gewalt, Seite 294; a. A.: BGH, Beschluss vom 29. Mai 2006 – II ZB 5/06 –, juris Rn. 16 ff.).

Letztlich kann die vorgenannte Frage aber offenbleiben, denn eine analoge Anwendung des § 313 Abs. 1 StPO auf die Konstellation des Absehens von Strafe kommt jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen einer Analogie nicht vorliegen. Es lässt sich nicht mit der Eindeutigkeit, die angesichts der Natur des § 313 Abs. 1 StPO als rechtswegbeschränkende Ausnahmevorschrift zu verlangen ist, feststellen, dass der Gesetzgeber die – bei Erlass des § 313 Abs. 1 StPO bereits existierenden – Vorschriften zum Absehen von Strafe lediglich versehentlich nicht in den Gesetzestext aufgenommen hätte und insoweit mithin von einer planwidrigen Regelungslücke auszugehen wäre.

Das Anliegen des Gesetzgebers, durch § 313 Abs. 1 StPO den Rechtsweg in Fällen „kleinerer Kriminalität“ und bei „Straftaten geringer Schwere, die häufig vorkommen“ (vgl. BR-Drs. 12/1217, Seite 39), zu beschränken, wurde flankiert von dem Bestreben, eine einfache, Zweifelsfragen nicht erlaubende Norm zu schaffen. Dem Gesetzgeber war bewusst, dass die von ihm gewählte Regelung nicht jeden Fall der Bagatellkriminalität erfassen und nicht frei von Wertungswidersprüchen sein würde. Er nahm dies „im Interesse der größtmöglichen Vereinfachung“ in Kauf (vgl. BR-Drs. 12/1217, Seite 39 f.: „Sind in dem Urteil für die Tat neben der Geldstrafe noch andere Rechtsfolgen, etwa Fahrverbot, Entzug der Fahrerlaubnis, Verfall, Einziehung usw. festgesetzt, so ist die Regelung […] nicht anwendbar; der Entwurf hat insoweit einer einfachen Abgrenzung den Vorzug gegeben. […] [Der Entwurf] stellt bei der Prüfung der Frage, ob die Berufung der Zulassung bedarf, im Interesse der größtmöglichen Vereinfachung auch ausschließlich auf das angefochtene Urteil ab. Beschränkungen der Berufung bleiben außer Betracht. […] Auch sie [die Geldbuße] führt, wenn sie zu einer Geldstrafe hinzutritt, zur Unanwendbarkeit des § 313. Auch insoweit hat der Entwurf einer raschen Klärung der Frage, ob die Berufung zulassungsbedürftig ist, den Vorzug vor einer Regelung gegeben, die eine Vielzahl von Fallgestaltungen hätte auffangen müssen und gleich in welcher Gestalt, zahlreiche Zweifelsfragen aufgeworfen hätte.“).

Eine Festlegung dahingehend, dass einzelne Bereiche der Bagatellkriminalität bewusst, andere hingegen nur versehentlich nicht geregelt wurden, erscheint vor dem Hintergrund einer explizit unvollständigen Regelung bereits im Ansatz problematisch und kann jedenfalls für die Rechtsfolge des Absehens von Strafe nicht erfolgen. Letztere ist für eine Vielzahl von Konstellationen vorgesehen und beruht auf vielgestaltigen kriminologischen Erwägungen. Neben den im allgemeinen Teil verorteten Vorschriften der §§ 23 Abs. 3, 46a Abs. 1, 46b Abs. 1 und 60 StGB finden sich in den §§ 86 Abs. 5, 86a Abs. 3, 113 Abs. 4, 157, 158 Abs. 1, 174 Abs. 1, 182 Abs. 6, 306e Abs. 1, 314a Abs. 2 StGB sowie in § 29 Abs. 5 BtmG auch tatbestandsakzessorische Regelungen. Dabei erfassen neben der Konstellation des § 60 StGB, auf die § 313 Abs. 1 StPO unstreitig keine Anwendung findet, auch zahlreiche weitere Fallgestaltungen Straftaten, die nicht oder jedenfalls nicht ohne Weiteres dem Bereich der „kleineren Kriminalität“ zuzuordnen sind; so etwa § 46a StGB (Absehen von Strafe bei ansonsten verwirkter Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen), § 46b StGB (Absehen von Strafe bei ansonsten verwirkter Freiheitsstrafe von nicht mehr als drei Jahren) sowie die §§ 158 Abs. 1, 306e Abs. 1 und § 314a Abs. 2 StGB, die im Fall tätiger Reue auch bei Verbrechenstatbeständen ein Absehen von Strafe erlauben. Bei Beibehaltung der Grundkonzeption des § 313 Abs. 1 StPO wären demnach allenfalls einzelne, im Gesetzestext ausdrücklich anzuführende Anwendungsfälle des Absehens von Strafe für eine Einbeziehung in den Regelungsbereich des § 313 Abs. 1 StPO in Betracht gekommen. Die Benennung der entsprechenden Normen hätte zu einer fragmentierten Lösung geführt, die der Gesetzgeber aber gerade vermeiden wollte. Ebenso wie einem Versehen kann ihr Unterlassen daher einer bewussten gesetzgeberischen Entscheidung geschuldet sein und eine planwidrige Regelungslücke mithin nicht mit der erforderlichen Klarheit festgestellt werden.“

Berufung II: Berufungsverwerfung wegen Ausbleibens, oder: (Kein) ausgewiesener/abgeschobener Angeklagter

entnommen wikimedia.org

Und die zweite Entscheidung zur Berufung kommt dann auch aus Byern. In dem BayObLG, Beschl. v. 28.12.2023 -204 StRR 548/23 – nimmt das BayObLG zur Frage der Rechtmäßigkeit einer Berufungsverwerfung nach § 329 Abs. 1 StPO Stellung.

Das AG hat den Angeklagten, einen kosovarischen Staatsangehörigen, wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt. Die hiergegen eingelegte Berufung hat das LG im Hauptverhandlungstermin am 14.06.2023 ohne Verhandlung zur Sache verworfen, da der Angeklagte ohne Entschuldigung ausgeblieben und auch nicht durch einen mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht versehenen Verteidiger vertreten worden sei. Das LG führt aus, dass die dem Angeklagten im Rechtshilfeweg am 26.04.2023 ordnungsgemäß zugestellte Ladung zum Hauptverhandlungstermin am 14.06.2023 mit dem Hinweis versehen war, dass der Angeklagte mit der gerichtlichen Ladung bei der Deutschen Botschaft ein Visum für die Einreise zur Wahrnehmung der Berufungshauptverhandlung beantragen und erhalten könne. Die Bearbeitungs- und Versandzeit für das Visum betrage nach den Bekanntmachungen auf der Homepage der Deutschen Botschaft in Pristina aktuell bis zu drei Wochen ab Antragstellung. Der Angeklagte hätte also genügend Zeit (sieben Wochen) gehabt, ein Visum zu beschaffen.

Dagegen die Revision, die das BayObLG verworfen hat. Auch hier stelle ich nur die Leitsätze ein, da die Bayern – wie gehabt – sehr umfangreich begründet haben:

    1. Wird mit der Revision gegen ein gemäß § 329 Abs. 1 StPO ergangenes Verwerfungsurteil geltend gemacht, dieses gehe zu Unrecht davon aus, dass ein Angeklagter nicht genügend entschuldigt gewesen sei und dass die Voraussetzungen des § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO sonst nicht gegeben waren, setzt die Überprüfung der vom Landgericht vorgenommenen Wertung die Erhebung einer der Vorschrift des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Verfahrensrüge voraus. An die Zulässigkeit der Rüge einer Verletzung des § 329 StPO dürfen allerdings keine allzu strengen Anforderungen gestellt werden. Es kann der Vortrag genügen, dass sich der Angeklagte bereits vor Erlass des Verwerfungsurteils auf die von ihm geltend gemachten Entschuldigungsgründe berufen habe.
    2. Dem Senat obliegt im Revisionsverfahren die Prüfung, ob das Landgericht den Rechtsbegriff der „genügenden Entschuldigung“ i.S.d. § 329 Abs. 1 StPO zutreffend seiner Entscheidung zugrunde gelegt und gewürdigt hat. Das Ausbleiben eines Angeklagten ist entschuldigt, wenn ihm bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalles daraus billigerweise kein Vorwurf gemacht werden kann.
    3. Einem Angehörigen der Republik Kosovo, der aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht ausgewiesen oder abgeschoben worden war, ist es zumutbar, zur Wahrnehmung eines Hauptverhandlungstermins bei der zuständigen Deutschen Botschaft ein Visum zu beantragen.
    4. Dagegen ist das Ausbleiben eines Angeklagten, der ausgewiesen oder abgeschoben worden ist, genügend entschuldigt, da dieser sich strafbar machen würde, wenn er erneut in das Bundesgebiet einreist und ihm zuvor keine Ausnahmeerlaubnis zur Wiedereinreise erteilt worden ist. In diesem Fall ist es Sache der Strafverfolgungsbehörden, in Absprache mit der Verwaltungsbehörde zu klären, ob der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs oder dem öffentlichen Interesse an einem Aufenthalt des Ausländers außerhalb des Bundesgebietes der Vorrang einzuräumen ist.
    5. Die unter Ziffer IV. dargestellte Rechtslage ist auf die Fallkonstellationen gemäß Ziffer III. nicht übertragbar.

Ist m.E. wohl zutreffend. Allerdings frage ich mich mal wieder, warum man als „offensichtlich unbegründet“, dann aber aus rund 11 Seiten die Verwerfung begründet. Aber richtig ist es, und zwar allein schon deshalb, weil unser Handbuch zitiert wird. Wenn die „schlauen Bayern“ da nachschauen, kann es so schlecht nicht sei. Und ja <<Werbemodus an>>: Das kann man hier bestellen.

Berufung I: Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung, oder: Konkludente Zustimmungserklärung

Daumen

Heute gibt es dann StPO-Entscheidungen. Alle drei Entscheidungen stammen von OLG und alle drei behandeln Fragen in Zusammenhang mit der Berufung.

Ich beginne mit dem BayObLG, Beschl. v. 01.12.2023 – 204 StRR 527/23. Der Beschluss enthält nichts wesentlich Neues, fasst aber die Fragen betreffend Berufungsbeschränkung noch einmal schon zusammen. Hier reichen daher die Leitsätze:

1. Die Wirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung ist von Amts wegen zu prüfen; der Erhebung einer Verfahrensrüge bedarf es nicht.

2. Nach § 303 StPO kann die Zurücknahme des Rechtsmittels nach Beginn der Hauptverhandlung nur mit Zustimmung des Rechtsmittelgegners erfolgen; gleiches gilt für eine Rechtsmittelbeschränkung. Diese Zustimmungserklärung kann auch konkludent abgegeben werden.

3.  Eine zulässige Berufungsbeschränkung – hier auf den Rechtsfolgenausspruch – setzt zunächst voraus, dass der nach dem Willen des Rechtsmittelführers neu zu verhandelnde Entscheidungsteil losgelöst vom übrigen Urteilsinhalt selbständig geprüft und beurteilt werden kann, und erfordert sodann, dass der nicht angegriffene Teil der Vorentscheidung so festgestellt und bewertet ist, dass er – unabänderlich und damit bindend geworden – eine hinreichend tragfähige Grundlage für eine eigenständige Entscheidung des Berufungsgerichts zu bieten vermag.

4. Hat das Amtsgericht einen Sachverhalt festgestellt, der eine Verurteilung nach § 241 Abs. 1 StGB trägt und den Schuldumfang ausreichend erkennen lässt, ist es dem Berufungsgericht deshalb verwehrt, zum Nachteil des Angeklagten ergänzende Feststellungen zu § 241 Abs. 2 StGB zu treffen.

5. Bei dem Tatvorwurf eines vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG ist – ebenso wie bei dem Tatvorwurf einer fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr nach § 316 Abs.1 und 2 StGB – die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch wirksam, wenn das angegriffene Urteil Feststellungen zu Tatzeit und Tatort, zu dem verwendeten Kraftfahrzeug sowie zum Fehlen der erforderlichen Fahrerlaubnis und zu einem wissentlichen Handeln des Angeklagten enthält; zu Dauer, (beabsichtigter) Länge und sonstigen Gegebenheiten der Fahrt, zu den Motiven der Tat und zu den Umständen der Alkoholaufnahme können dagegen ergänzende Feststellungen getroffen werden, sofern sie zu den bereits getroffenen Feststellungen nicht in Widerspruch stehen.

6. Hat das Gericht zur Schuldfähigkeitsbeurteilung und zur Entscheidung über eine Maßregel der Besserung und Sicherung ein Sachverständigengutachten erholt, muss es die wesentlichen Anknüpfungspunkte und Darlegungen des Sachverständigen im Urteil so wiedergegeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist.

7. Zur Prüfungsreihenfolge bezüglich der Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB.

Aus den Beschlussgründen greife ich nur die Ausführungen zur Zustimmung (oben Leitsatz 2) heraus. Dazu führt das BayObLG aus:

„2. Eine wirksame Erklärung der Berufungsbeschränkung liegt vor.

Nach § 303 StPO kann die Zurücknahme des Rechtsmittels nach Beginn der Hauptverhandlung nur mit Zustimmung des Rechtsmittelgegners erfolgen. Die Vorschrift gilt auch für die Rechtsmittelbeschränkung (Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O., § 303 Rn. 1 m. w. N.). Vorliegend hatte die Hauptverhandlung bereits begonnen (§§ 324 Abs. 1, 243 Abs. 1 StPO), als der Angeklagte und der Verteidiger die Rechtsmittelbeschränkung erklärten.

Das Protokoll verhält sich zu einer Zustimmung des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft nicht. Dadurch wird indes nur bewiesen, dass dieser keine ausdrückliche Zustimmung erklärt hat (vgl. insoweit OLG Hamm, Beschluss vom 13.10.2009 – 3 Ss 422/09 –, juris Rn. 10; KK-StPO/Paul, 9. Aufl. 2023, StPO § 303 Rn. 4).

Da die Zustimmungserklärung aber formfrei ist, kann sie auch konkludent abgegeben werden, was insbesondere dann nahe liegt, wenn dem Rechtsmittelgegner (in den entschiedenen Fällen: dem Angeklagten) durch die Rücknahme nur Vorteile erwachsen (OLG Hamm, NJW 1969, 151) bzw. sicher ist, dass der Rechtsmittelgegner die Beschränkung/Rücknahme zur Kenntnis genommen hat, ihm Bedeutung und Tragweite bewusst sind und sein weiteres Prozessverhalten keine Anhaltspunkte dafür bietet, dass er mit der Beschränkung nicht einverstanden sein könnte (OLG Düsseldorf, MDR 1976, 1040, 1041; OLG Stuttgart, Beschluss vom 06.02.1990 – 3 Ss 562/89 –, juris Rn. 7). Ob eine konkludente Zustimmung zur (teilweisen) Rechtsmittelrücknahme (Rechtsmittelbeschränkung) erteilt wurde, ist gegebenenfalls im Freibeweisverfahren aufzuklären (OLG Hamm, NJW 1969, 151; OLG Hamm, Beschluss vom 13.10.2009 – 3 Ss 422/09 –, juris Rn. 11; KK-StPO/Paul, a. a. O., § 303 Rn. 4).

Vorliegend ist hier darauf abzustellen, dass der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft nach der Rechtsmittelbeschränkung durch den Angeklagten und seinen Verteidiger in der Berufungshauptverhandlung auf die Vernehmung der zur Sachverhaltsaufklärung geladenen und anwesenden Zeugen verzichtete. Im Schlussvortrag sowohl des Verteidigers als auch des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft wurden nur Anträge zu den Rechtsfolgen gestellt. Insoweit ist von einer konkludenten Zustimmung des Rechtsmittelgegners, hier der Staatsanwaltschaft, zu einer Teilrücknahme des Rechtsmittels auszugehen.