Archiv für den Monat: Januar 2020

Fehlerhafte Notierung einer Vorfrist, oder: Kausalität?

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In der zweiten (zivil)verfahrensrechtlichen Entscheidung, dem BGH, Beschl. v. 29.10.2019 -VI ZB 31/19 – behandelt der BGG die Frage der Wiedereinsetzung bei mangelnder Notierung einer Vorfrist.

Der Kläger hat Wiedereinsetzung in die Frist zur Berufungsbegründung beantragt. Das klageabweisende Urteil des AG war ihm am 04.01.2019 zugestellt worden. Seine Berufungsbegründung ging zusammen mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung erst am 25.03.2019 ein.

Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags hat der Kläger u.a. vorgetragen, dass der erfahrenen, bisher stets zuverlässig arbeitenden Büroangestellten M. seines Prozessbevollmächtigten bei der Eintragung der Frist zur Berufungsbegründung ein Fehler dahin unterlaufen sei, dass sie sich im Monat geirrt und den Ablauf der Frist anstatt für den 04.03.2019 für den 04.04.2019 eingetragen habe.

Das Berufungsgwericht hat den Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Rechtsbeschwerde, die beim BGH Erfolg hatte:.

„Die Rechtsbeschwerde des Klägers hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, ausgehend von dem Vortrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers und der eidesstattlichen Versicherung der Rechtsanwalts- und Notariatsfachangestellten M. vom 25. März 2019 könne nicht festgestellt werden, dass der Prozessbevollmächtige ausreichende organisatorische Maßnahmen getroffen habe, um ein Versäumen der Berufungsbegründungsfrist zu vermeiden. Sein Verschulden sei dem Kläger zuzurechnen. Die Fristenkontrolle im Büro des Prozessbevollmächtigten des Klägers sei nicht ausreichend organisiert gewesen. Zwar sei es nicht zu beanstanden, dass er die Eintragung der von ihm selbst vorgenommenen Fristenberechnung einer Angestellten übertrage, soweit er wie er vortrage – eine regelmäßige stichprobenartige Überwachung vornehme. Ein in diesem Zusammenhang vorkommendes Versehen des Büropersonals habe der Anwalt nicht zu vertreten. Ein der Partei zurechenbares Eigenverschulden könne sich aber aus mangelnder Büroorganisation ergeben, was hier der Fall sei. Dem Wiedereinsetzungsantrag lasse sich nicht entnehmen, dass eine Anweisung oder Handhabung in seinem Büro dahin bestehe, dass auch stets zusätzlich eine regelmäßig eine Woche früher zu datierende Vorfrist einzutragen sei. Das gehe zu Lasten des Klägers, weil die Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags ein Organisationsverschulden ausräumen müsse.

2. Die gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an das, was eine Partei veranlasst haben muss, um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erlangen, überspannt und dadurch den Anspruch des Klägers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 10. April 2018 – VI ZB 44/16, NJW-RR 2018, 1210 Rn. 5 mwN; vom 23. April 2013 – VI ZB 30/12, FamRZ 2013, 1124 Rn. 6 mwN; BGH, Beschluss vom 13. September 2018 – V ZB 227/17, NJW-RR 2018, 1451 Rn. 4 mwN).

3. Die Begründung, mit der das Berufungsgericht den Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß §§ 233, 234 ZPO zurückgewiesen hat, hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Unterstellt man mit dem Berufungsgericht, dass es in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des Klägers eine allgemeine Anweisung über die Eintragung einer Vorfrist nicht gegeben hat, ist ein darin liegendes Verschulden für die Versäumung der Frist nicht kausal gewesen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2018 – V ZB 227/17, NJW-RR 2018, 1451 Rn. 8 ff.; Senatsbeschluss vom 12. April 1988 – VI ZB 5/88, VersR 1988, 941, juris Rn. 7). Ist nämlich – wie hier – eine Rechtsmittelbegründungsfrist versäumt worden, nachdem die in der Handakte notierte Hauptfrist unzutreffend in den Fristenkalender übertragen worden ist, so ist bei der Prüfung, ob die unterbliebene Notierung einer Vorfrist die Versäumung der Frist verursacht hat, davon auszugehen, dass die Vorfrist durch eine von der (unzutreffend) eingetragenen Hauptfrist ausgehende Rückrechnung ermittelt und eingetragen worden wäre (ebenda Rn. 10 bzw. Rn. 7). Aus diesem Grund kann aber im streitgegenständlichen Fall nicht angenommen werden, dass bei Eintragung einer Vorfrist die Akte dem Rechtsanwalt rechtzeitig vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist vorgelegt worden wäre.

b) Fehlt es schon an der Kausalität, kann dahinstehen, ob das Berufungsgericht gehalten gewesen wäre, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers vor der Verwerfung der Berufung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (§ 139 ZPO), und ob der in der Rechtsbeschwerdebegründung erfolgte ergänzende Vortrag zu der Handhabung von Vorfristen allgemein und der Vorfrist im vorliegenden Fall in der Rechtsbeschwerdeinstanz Berücksichtigung finden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2018 – V ZB 227/17, NJW-RR 2018, 1451 Rn. 12)…..“

Ausgangskontrolle in der Rechtsanwaltskanzlei, oder: Zu frühe Streichung der Rechtsmittelbegründungsfrist

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Heute ist Samstag, also „Kessel Buntes Tag“. Und im ersten Kessel Buntes des Jahres 2020 liegen dann zwei BGH-Entscheidungen zur Wiedereinsetzung. Beide kommen aus dem Zivilverfahren.

Im BGH, Beschl. v. 29.10.2019 – VIII ZB 103/18 und VIII ZB 104/18 – nimmt der BGH zur Frage der einen gestuften Schutz gegen Fristversäumnisse sicherstellenden Organisation der Ausgangskontrolle in einer Rechtsanwaltskanzlei Stellung, und zwar wie folgt:

„1. Die Rechtssachen werfen weder entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf noch erfordern sie eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde verletzen die angefochtenen Beschlüsse nicht die verfassungsrechtlich verbürgten Ansprüche der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) und auf effektiven Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip). Danach darf einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden beziehungsweise die den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (st. Rspr.; vgl. nur BVerfGE 74, 228, 234; BVerfG, NJW 2012, 2869 Rn. 8; NZA 2016, 122 Rn. 10; Senatsbeschlüsse vom 12. Juli 2016 – VIII ZB 55/15, WuM 2016, 632 Rn. 1; vom 9. Mai 2017 – VIII ZB 69/16, NJW 2017, 2041 Rn. 9; vom 4. September 2018 – VIII ZB 70/17, NJW-RR 2018, 1325 Rn. 9).

2. Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an die anwaltlichen Organisationspflichten bei der Ausgangskontrolle fristgebundener Schriftsätze nicht überspannt, sondern unter Beachtung vorgenannter Grundsätze die Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Berufungsbegründung rechtsfehlerfrei versagt und das Rechtsmittel der Beklagten folgerichtig als unzulässig verworfen. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, kann nach dem Vorbringen der Beklagten nicht ausgeschlossen werden, dass die Fristversäumung auf einem – ihr zuzurechnenden (§ 85 Abs. 2 ZPO) – anwaltlichen Organisationsmangel (§ 233 ZPO) bei der abendlichen Ausgangskontrolle in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten beruht.

a) Ein Rechtsanwalt hat durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Hierzu hat er grundsätzlich sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Eintragung und Behandlung von Rechtsmittelfristen auszuschließen (BGH, Beschlüsse vom 2. Februar 2010 – XI ZB 23/08, XI ZB 24/08, NJW 2010, 1363 Rn. 11; vom 4. November 2014 – VIII ZB 38/14, NJW 2015, 253 Rn. 8).

Zu diesem Zweck hat er seine Ausgangskontrolle so zu organisieren, dass sie einen gestuften Schutz gegen Fristversäumungen bietet. Zum einen dürfen die im Fristenkalender vermerkten Fristen erst dann gestrichen oder anderweitig als erledigt gekennzeichnet werden, wenn die fristwahrende Maßnahme tatsächlich durchgeführt, der Schriftsatz also gefertigt und abgesandt oder zumindest postfertig gemacht, die weitere Beförderung der ausgehenden Post also organisatorisch zuverlässig vorbereitet worden ist. Dabei sind die für die Kontrolle zuständigen Mitarbeiter anzuweisen, Fristen im Kalender grundsätzlich erst zu streichen oder als erledigt zu kennzeichnen, nachdem sie sich anhand der Akte vergewissert haben, dass zweifelsfrei nichts mehr zu veranlassen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Januar 2013 – VI ZB 78/11, NJW-RR 2013, 506 Rn. 10; vom 9. Dezember 2014 – VI ZB 42/13, NJW-RR 2015, 442 Rn. 8).

Zum anderen gehört hierzu die Anordnung des Rechtsanwalts, dass die Erledigung von fristwahrenden Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders durch eine dazu beauftragte Bürokraft überprüft wird. Diese nochmalige, selbständige und abschließende Kontrolle muss gewährleisten, dass geprüft wird, welche fristwahrenden Schriftsätze hergestellt, abgesandt oder zumindest versandfertig gemacht worden sind und ob diese mit den im Fristenkalender vermerkten Sachen übereinstimmen. Die allabendliche Ausgangskontrolle fristgebundener Schriftsätze mittels Abgleichs mit dem Fristenkalender dient dabei nicht allein dazu, zu überprüfen, ob sich aus den Eintragungen noch unerledigt gebliebene Fristsachen ergeben. Ihr Sinn und Zweck liegt auch darin festzustellen, ob möglicherweise in einer bereits als erledigt vermerkten Fristsache die fristwahrende Handlung noch aussteht. Daher ist ein Fristenkalender so zu führen, dass auch eine gestrichene Frist noch erkennbar und bei der Endkontrolle überprüfbar ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. März 2000 – V ZB 1/00, NJW 2000, 1957 unter II; vom 16. Dezember 2013 – II ZB 23/12, juris Rn. 9; vom 11. März 2014 – VIII ZB 52/13, juris Rn. 5; vom 4. November 2014 – VIII ZB 38/14, aaO Rn. 10; vom 9. Dezember 2014 – VI ZB 42/13, aaO; vom 15. Dezember 2015 – VI ZB 15/15, NJW 2016, 873 Rn. 8; vom 16. April 2019 – VI ZB 33/17, NJW-RR 2019, 950 Rn. 8). Eine solche zusätzliche Kontrolle ist bereits deswegen notwendig, da selbst bei sachgerechten Organisationsabläufen individuelle Bearbeitungsfehler auftreten können, die es nach Möglichkeit aufzufinden und zu beheben gilt (vgl. BGH, Beschluss vom 4. November 2014 – VIII ZB 38/14, aaO Rn. 8).

b) Dass in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Beklagten eine den vorstehenden Maßstäben gerecht werdende Ausgangskontrolle besteht, ist nicht dargetan. Der darin liegende Organisationsmangel ist für die Fristversäumung auch ursächlich geworden.

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde liegt ein individueller Bearbeitungsfehler der langjährigen Kanzleiangestellten Frau S. nicht allein darin, dass der unterzeichnete Schriftsatz nicht korrekt kuvertiert, mithin nicht zur Ausgangspost gelegt, sondern versehentlich in die Akte abgeheftet wurde. Die Rechtsbeschwerde weist insoweit zutreffend darauf hin, dass das Einlegen dieser Sendung in die korrekte Versandtasche nicht durch den Rechtsanwalt zu kontrollieren ist und ein Fehler hierbei ein schlichtes Büroversehen darstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juli 2011 – XII ZB 139/11, NJW-RR 2011, 1686 Rn. 7).

Der maßgebliche Fehler lag vielmehr in einer zu frühen Streichung der Rechtsmittelbegründungsfrist im Fristenkalender. Diese wurde bereits nach Unterzeichnung des Schriftsatzes und damit, was auch die Rechtsbeschwerde in der Sache nicht in Frage stellt, zu früh gelöscht. Ein Austrag im Fristenkalender hätte erst erfolgen dürfen, nachdem der Schriftsatz zum Transport zu Gericht bereit gelegt worden ist und man sich zuvor anhand der Akte vergewissert hat, dass nichts mehr zu veranlassen ist.

Einen derartigen Fehler zu erkennen und zu beheben, ist Sinn und Zweck der abendlichen Ausgangskontrolle. Dass diese integraler Bestandteil der organisatorischen Abläufe in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Beklagten ist, hat diese weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht. Dagegen wendet sich auch die Rechtsbeschwerde nicht, sondern beruft sich der Sache nach darauf, die Ursächlichkeit dieses anwaltlichen Organisationsverschuldens für das Fristversäumnis in Abrede zu stellen.

c) Das Fehlen der abendlichen Fristenkontrolle war vorliegend jedoch für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ursächlich.

aa) Hätte in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Beklagten eine Anordnung zur Durchführung der beschriebenen abendlichen Ausgangskontrolle bestanden, wäre nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge bei ansonsten pflichtgemäßem Verhalten der zuständigen Mitarbeiter (vgl. BGH, Beschluss vom 4. November 2014 – VIII ZB 38/14, aaO Rn. 14) zu erwarten gewesen, dass die Berufungsbegründungsfrist nicht versäumt worden wäre. Denn dann wäre aufgefallen, dass der Schriftsatz mit der Berufungsbegründung noch nicht auf den Postweg gebracht worden war.

bb) Dabei kann vorliegend dahinstehen, ob – was die Rechtsbeschwerde in Abrede stellt – eine Ausgangskontrolle bereits am Abend der Erledigung (20. April 2018) geboten war, jedoch valide Feststellungen nicht ermöglicht hätte, da im Kalendereintrag für diesen Tag kein Fristablauf notiert war, oder ob ein Fristenkalender vielmehr so geführt werden muss, dass eine nicht erst am Tag des Fristablaufs erfolgte Erledigung schon am Tag der Erledigung zu vermerken und an diesem Abend zu überprüfen ist, weil nur so eine zuverlässige, etwaige Bearbeitungsfehler rechtzeitig behebende allabendliche Ausgangskontrolle durchgeführt werden könnte.

cc) Jedenfalls wäre bei der Ausgangskontrolle am Tag des Fristablaufs (27. April 2018) anhand der in der Ausgangspost befindlichen Schriftstücke und durch Hinzuziehung der Handakten (vgl. hierzu Senatsbeschlüsse vom 4. November 2014 – VIII ZB 38/14, aaO Rn. 13; vom 11. Juli 2017 – VIII ZB 20/17, juris Rn. 7), in welcher sich der Schriftsatz noch befand, offenbar geworden, dass die Frist zu früh gelöscht wurde und nicht sämtliche zur Fristwahrung erforderlichen Maßnahmen ausgeführt worden waren. Die Berufungsbegründungsfrist hätte somit durch Übersendung des Schriftsatzes per Telefax oder Einwurf in den Gerichtsbriefkasten noch gewahrt werden können.“

Das hatten wir so oder ähnlich schon mal in der Rechtsprechung des BGH, daher war es ein „Anschluss an BGH, Beschlüsse vom 8. Januar 2013 -VI ZB 78/11, NJW-RR 2013, 506 Rn. 10; vom 16.Dezember 2013 -II ZB 23/12, juris Rn. 9; vom 11. März 2014 -VIII ZB 52/13, juris Rn.5; vom 4.November 2014 -VIII ZB 38/14, NJW 2015, 253 Rn. 8; vom 9. Dezember 2014 -VI ZB 42/13, NJW-RR 2015, 442 Rn.8; vom 16. April 2019 -VI ZB 33/17, NJW-RR 2019, 950 Rn. 8“.

Ich habe da mal eine Frage: Heute „nur“ ein Ranking der 10 am meisten geklickten Fragen in 2019

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Am ersten Freitag des Jahres 2020 kommt zum Abschluss des Tages keine eigenständige Gebührenfrage, sondern „nur“ ein Ranking der am meisten geklickten Fragen im Jahr 2019, also noch einmal ein Rückblick. Für mich sind ganz interessant zu sehen, was die Leser interessiert:

Das waren folgende 10 Gebührenrätsel:

  1. Ich habe da mal eine Frage: Kann es denn sein, dass 4.000 € Gebühren angefallen sind?

  2. Ich habe da mal eine Frage: Wie ist das mit den Kosten der Nebenklage?

  3. Ich habe da mal eine Frage: Muss ich als Pflichtverteidiger die Aktenversendungspauschale zahlen?

  4. Ich habe da mal eine Frage: Verdiene ich dreimal die Verfahrensgebühr für das Schwurgericht?

  5. Ich habe da mal eine Frage: Einstellung des Verfahrens ohne “Hauptverhandlung”, dennoch Terminsgebühr?

  6. Ich habe da mal eine Frage: Gibt es einen Gebührenrechner für die Gebühren des Verteidigers im OWiG-Verfahren?,

  7. Ich habe da mal eine Frage: Strafanzeige für den Mandanten – welche Gebühren?,

  8. Ich habe da mal eine Frage: Muss ich eine (Geldempfangs)Vollmacht vorlegen?

  9. Ich habe da mal eine Frage: Muss ich nach dem Termin zurückfahren oder darf ich übernachten?,

  10. Ich habe da mal eine Frage: Haftzuschlag auch bei Polizeigewahrsam?

Zurückverweisung, oder: Wann ist es eine neue Angelegenheit mit neuen Gebühren?

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Und die zweite gebührenrechtliche Entscheidung kommt dann mit dem OLG Koblenz, Beschl. v. 11.09.2019 – 2 Ws 421/19 – auch vom Rhein 🙂 . Er behandelt mal eine Frage in Zusammenhang mit § 21 RVG, also Zurückverweisung. Dazu liest man ja sonst nicht so viel.

Folgender Sachverhalt: In dem der Entscheidung zugrunde liegenden (Umfangs)Verfahren – Stichwort: Aktionsbüro Mittelrhein – findet in der Zeit vom 20.08.2012 – 5.04.2017 an 337 Tagen eine Hauptverhandlung statt. Dann setzt die Strafkammer das Verfahren im Hinblick auf das anstehende Ausscheiden des Vorsitzenden wegen Erreichens der gesetzlichen Altersgrenze aus. Das Verfahren wird schließlich gem. § 206a StPO wegen überlanger Verfahrensdauer eingestellt.

Dagegen legt die Staatsanwaltschaft Beschwerde ein. Das OLG Koblenz hat auf die Beschwerde den Beschluss der Strafkammer aufgehoben und angeordnet, dass das Verfahren beim LG Koblenz fortzusetzen ist.

Der Rechtsanwalt, der dem Angeklagten als Pflichtverteidiger beigeordnet war, macht einen Vorschuss gem. § 47 RVG geltend. U.a. beantragt er auch die Festsetzung einer (weiteren) Verfahrensgebühr Nr. 4118 VV RVG. Das LG setzt die nicht fest, das OLG gewährt die Gebühr:

„Rechtsanwalt pp. hat gegen die Staatskasse einen Anspruch auf Vorschusszahlungen für seine Tätigkeit als Pflichtverteidiger in der Zeit vom 6. April 2017 bis zum 21. November 2018 in Höhe von 5.383,08 Euro. Die Senatsentscheidung vom 4. Dezember 2017 hat bewirkt, dass das weitere Verfahren vor der 12. Strafkammer als Staatsschutzkammer als neuer Rechtszug mit den entsprechenden gebührenrechtlichen Folgen anzusehen ist.

1. Gemäß §§ 21 Abs. 1 RVG ist, soweit eine Sache an ein untergeordnetes Gericht zurückverwiesen wird, das weitere Verfahren vor diesem Gericht ein neuer Rechtszug. Diese Vorschrift ist Ausnahmeregelung zu dem in §§ 15 Abs. 1 RVG enthaltenen Grundsatz, wonach der Anwalt die Gebühren in demselben Rechtszug nur einmal erhält (Thiel in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 2. Aufl. §§ 21 Rn. 2). Eine Zurückverweisung im Sinne von §§ 21 Abs. 1 RVG liegt vor, wenn das Rechtsmittelgericht durch eine den Rechtszug beendende Entscheidung einem in dem Instanzenzug untergeordneten Gericht die abschließende Entscheidung überträgt. Das Gericht eines höheren Rechtszuges muss auf Rechtsmittel, wozu auch die Beschwerde zählt, mit der Sache befasst gewesen sein und darf nicht endgültig über die Sache entschieden haben, sondern muss diese zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Untergericht verwiesen haben (vgl. Mayer in: Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 23. Aufl. §§ 21 Rn. 2 mwN.). Der Begriff der Zurückverweisung nach §§ 21 RVG ist nicht im engen prozessualen Sinne der §§ 538 ZPO, 354 StPO zu verstehen. Eine Zurückverweisung im gebührenrechtlichen Sinne liegt immer dann vor, wenn das Rechtsmittelgericht die abschließende Entscheidung dem untergeordneten Gericht überträgt (vgl. Mayer/Kroiß, RVG §§ 21 Rn. 4, beck-online).

Eine Zurückverweisung in diesem Sinn ist durch den Senat mit Beschluss vom 4. Dezember 207 ausgesprochen worden. Der Senat hat durch Sachentscheidung im Beschwerdeverfahren beschlossen, dass ein Verfahrenshindernis nicht vorliegt, das einmal eröffnete, durch das Erstgericht abgeschlossene Verfahren also fortzusetzen ist. Der Fall liegt nicht anders, als wenn das Revisionsgericht auf entsprechende Rüge der Staatsanwaltschaft gegen ein Prozessurteil nach §§ 260 Abs. 3 StPO dieses aufgehoben und die Sache gemäß §§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere als Staatsschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen hätte. Es kann gebührenrechtlich keinen Unterschied machen, ob das Erstgericht das Verfahren durch Prozessurteil oder – wie hier außerhalb der Hauptverhandlung im Beschlussverfahren nach §§ 206a StPO einstellt.

2. Dies hat zur Folge, dass alle Gebühren und Auslagen erneut entstehen, auch die Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen (Nr. 7002 W-RVG), und zwar nach dem zum Zeitpunkt der Zurückverweisung maßgeblichen Gebührenrecht. Wird – wie vorliegend – in einem vor dem Stichtag begonnenen Rechtsstreit die Sache von dem Rechtsmittelgericht nach dem Stichtag an die Vorinstanz zurückverwiesen, so gilt für das Verfahren nach der Verweisung neues Gebührenrecht (vgl. Mayer in: Gerold/Schmidt, aaO. §§ 60 Rn. 82; Thiel in: Schneider/ Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 2. Aufl. §§ 60 Rn. 52; s.a. NJW-Spezial 2015, 316, beckonline). Dies erhellt auch aus §§ 60 Abs. 1 Satz 2 RVG, denn wenn schon die Vergütung des vor einer Gebührenrechtsänderung tätigen Rechtsanwalts im Rechtsmittelverfahren nach Maßgabe einer zwischenzeitlich erfolgten Änderung zu entgelten ist, so muss dies erst recht gelten, wenn – wie im Falle von §§ 21 RVG – durch Zurückverweisung ein neuer Rechtszug entsteht. Eine Anrechnung der Verfahrensgebühr in Straf- und Bußgeldsachen ist nicht vorgesehen (Mayer in Gerold/Schmidt, aaO. §§ 21 Rn. 12)…..“

Zutreffend (vgl. dazu auch den RVG-Kommentar, 5. Auflage 🙂 .

Dauerbrenner Längenzuschlag, oder: Was ist mit der (Mittags)Pause?

Das erste „Gebührenposting“ des neuen Jahres bringt dann gleich einen gebührenrechtlichen Dauerbrenner, nämlich die Frage der Bemessung der Hauptverhandlungsdauer beim sog. Längenzuschlägen. Oder anders: Was wird von längeren Sitzungspausen bei Berechnung der Hauptverhandlungsdauer – Stichwort: Mittagspause – abgezogen:

Dazu der OLG Koblenz, Beschl. v. 30.09.2019 – 1 StE 6 OJs 36/17 – mit folgenden Leitsätzen, die die zutreffende differenzierte Sichtweise des OLG schön darstellen:

  1. Auch längere Sitzungspauschen sind von der für das Entstehen der zusätzlichen Terminsgebühr nach Nr. 4122 RVG-VV maßgeblichen Hauptverhandlungsdauer grundsätzlich nicht in Abzug zu bringen.

  2. Auch eine Mittagspause ist bei der Bemessung der Terminsdauer im Rahmen des Zuschlags nach Nr. 4122 RVG-VV bis zu einer üblichen Dauer von einer Stunde regelmäßig nicht in Abzug zu bringen (Festhaltung OLG Koblenz, 1. Strafsenat, Beschluss vom 16. Februar 2006 – 1 Ws 61/06; OLG Koblenz, 2. Strafsenat, Beschluss vom 1. Dezember 2011 – 2 Ws 524, 528/11).

  3. Für eine darüber hinausgehende Sitzungsunterbrechung ist darauf abzustellen, ob und inwieweit der Verteidiger die Sitzungspause anderweitig für seine berufliche Tätigkeit sinnvoll hat nutzen können, wobei schon aus Gründen der Praktikabilität kein an individuellen Möglichkeiten ausgerichteter Maßstab anzulegen ist (Anschluss OLG Dresden, Beschluss vom 10. Juli 2018 – 1 Ws 142/18).

  4. Bei einer Sitzungsunterbrechung, die den Zeitraum einer einstündigen Mittagspause überschreitet, wird in aller Regel ein noch zur Verfügung stehender Zeitraum von bis zu einer Stunde auch für ortsansässige Verteidiger und auch bei Nutzung von modernen Telekommunikationsmitteln nicht mehr sinnvoll nutzbar sein (Festhaltung OLG Koblenz, 1. Strafsenat, Beschluss vom 16. Februar 2006 – 1 Ws 61/06).