Archiv für den Monat: August 2016

Wochenspiegel für die 34. KW., das war (natürlich) Gina-Lisa L., WhatsApp/FB, Ebay und die Postbank

© Aleksandar Jocic - Fotolia.com

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Die – zumindest wetttermäßig – heißeste Woche des Jahres läuft ab. Und sie hatte auch ein „heißes Thema“, nämlich den Abschluss des Verfahrens gegen Gina-Lisa Lohfink, der dann natürlich auch die Blogs beschäftigt hat. Ich kann also heute in der Übersicht darüber, aber auch über andere interessante Themen, berichten, nämlich über:

  1. an der Spitze natürlich GLL mit: Taube auf dem Brett, oder: Keine Sonderbehandlung von Gina-Lisa Lohfink, und: Gina-Lisa Schwarzer mit Alice Lohfink oder (mein Beitrag): Gina-Lisa Lohfink – und was kommt jetzt noch?
  2. Ich muss mal wieder die Postbank verklagen – „Was stört mich mein Geschwätz von Gestern I“,
  3. WhatsApp-Nutzerdaten für Facebook: Widerspruch!, oder: Welche Daten verwendet Facebook für personalisierte Werbung? – 98 Daten und mehr enthüllt!, oder: Facebook und WhatsApp, seit heute noch engere Partner, das war dann: „Was stört mich mein Geschwätz von Gestern II“,
  4. „Wenn ich die zwei Fratzen da drüben sehen muss…“,
  5. Die Drohung mit negativen Bewertungen im Internet – strafbar?!,
  6. Keine Fotos von unseren Kindern auf Facebook,
  7. und aus den vielen zu dem Thema „Ebay/Abbruchjäger“: BGH: eBay Abbruchjäger scheitert an Prozessführungsbefugnis“,
  8. Vollmachtsphantasien,
  9. und dann war da noch: Was bringt das Windows 10 Anniversary Update? – Deaktivierung der integrierten Web-Suche.
  10. und ganz zum Schluss: 9 Gründe, warum du (noch) kein Einser-Student bist.

Und nochmals Dashcam, oder: Auch in Nürnberg gehts

wikimedia.org Urheber Ellin Beltz

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In der letzten Zeit ist ja vermehrt über die Verwendung von Dashcam-Aufzeichnungen berichtet worden. Dabei geht/ging es meist um Zivilverfahren, in denen die Aufzeichnungen eine Rolle gespielt haben, es gibt aber auch schon – zumindest – eine Entscheidung zum Bußgeldverfahren (vgl. hier den OLG Stuttgart, Beschl. v. 04.05.2016 – 4 Ss 543/15 und dazu OLG Stuttgart: (Private) Dashcam-Aufzeichnungen sind auch im OWi-Verfahren verwertbar). Ich berichte dann heute noch mal über eine Entscheidung zum Zivilverfahren, und zwar über das LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 08.02.2016 – 2 0 4549/15. Da haben die vorliegenden Aufzeichnungen bei der Schadensersatzklage nach einem „Parkplatzunfall“ eine Rolle gespielt. Der Sachverständige hatte in seinem Gutachten auf die Aufnahmen zurückgegriffen. Das LG hat es abgesegnet:

„Das Gericht ist weiter davon überzeugt, dass das klägerische Fahrzeug zum Zeitpunkt der Kollision im Stillstand war: Dies ergibt sich aus den dahingehenden, glaubhaften der Zeugin ppp., sowie aus den insoweit übereinstimmenden Ausführungen. des Sachverständigen ppp., die dieser aufgrund der Auswertung der Dash-Cam-Aufnahmen aus dem klägerischen Fahrzeug machte.

Die vorgenannten Dash-Cam Aufnahmen, deren Authentizität zwischen den Parteien nicht streitig ist und durch den ,Sachverständigen bestätigt wurde, sind als Beweismittel im vorliegenden Verfahren verwertbar.

Eine Unverwertbarkeit ergibt sich vorliegend nicht aus-§ 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG. Zunächst ist diese Regelung nicht auf Aufzeichnungen aus einem Fahrzeug heraus, sondern auf die Überwachung öffentlich zugänglicher Räume. mit stationären optisch-elektronischen Einrichtungen zugeschnitten. Dies wird an § 6b Abs. 2 BDSG erkennbar, der vorschreib, den Umstand der Überwachung durch geeignete: Maßnahmen kenntlich zu machen. Dies ist nur bei stationärer, nicht aber bei mobiler Videoaufzeichnung vorstellbar (vgl. Amtsgericht Nürnberg, Urteil vorn 08.05.2015, 18 G 8938/14). Zudem ergibt sich aus § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG gerade, dass eine Aufzeichnung zur Wahrnehmung berechtigter Interessen zulässig ist, soweit schutzwürdige Interessen Dritter nicht überwiegen.

Weiter ergibt sich eine. Unverwertbarkeit auch nicht aus § 22 KunstUrhG. Es ist bereits fraglich. ob die Anfertigung einer Dash-Cam-Aufnahme und deren nachfolgende Verwertung im Zivilprozess eine Verbreitung oder öffentliche Zurschaustellung im Sinne von § 22 Satz 1 KunstUrhG darstellt. Zudem ergibt sich aus § 24 KunstUrhG gerade, dass die Verbreitung und öffentliche Zurschaustellung für Zwecke der Rechtspflege zulässig ist, soweit sie durch Behörden erfolgt. Jedenfalls folgt aus einem möglichen Verstoß gegen § 22 KunstUrhG kein Verwertungsverbot für den Zivilprozess (Vgl. AG Nürnberg, a.a.O.).

Die Frage der Verwertbarkeit von Bildaufzeichnungen im Zivilprozess unterliegt vielmehr, gerade in Hinblick auf den hiermit verbundenen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht, einer umfassenden Güterabwägung, wobei der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege erhebliches, aber nicht allein ausschlaggebendes schlaggebendes Gewicht zukommt (vgl. Zöller-Greger; Zivilprozessordnung, 30. Auflage 2014, Rdnr. 15a, 15b zu § 286 ZPO mit weiteren Nachweisen).

Vorliegend ist hierbei insbesondere das Grundrecht des Beklagten zu 1). auf informationelle Selbstbestimmung zu beachten. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG umfasst das Recht am eigenen Bild und stellt die Befugnis des Grundrechtsträgers dar, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Vorliegend zeichnete die Dash-Cam, soweit sich die Klägerin zum Beweis des von ihr geschilderten Unfallhergangs auf die Aufnähmen berufen hat, jedoch ausschließlich das Blickfeld und das Fahrverhalten der Führerin des klägerischen Fahrzeugs auf. Selbst im Kollisionsmoment sind weder das Beklagten-Fahrzeug noch gar der Beklagte zu 1) als Fahrzeugführer erkennbar.

Dem Interesse des Beklagten zu 1) steht das Interesse der Klägerin an einer Verwertbarkeit gegenüber: Da der Unfallhergang zwischen den Parteien streitig ist, hat die Klägerin ein erhebliches Interesse an der Zulassung des Beweismittels, um ihre Schadensersatzansprüche durchzusetzen.

Weiter ist bei der Abwägung das Interesse der Allgemeinheit darin, dem Gericht durch die Verwertung der Aufzeichnung eine materiell richtige, mit der Wirklichkeit übereinstimmende Entscheidung zu ermöglichen, zu beachten.

Die. Güterabwägung ergibt somit im vorliegenden Fall, dass die Dash-Cam-Aufzeichnungen, auf die sich die Klägerin zum Beweis des von ihr behaupteten Unfallhergangs berufen hat, verwertbar sind. Dies folgt daraus, dass der Eingriff in das Grundrecht des Beklagten zu 1) auf informationelle le Selbstbestimmung lediglich geringfügig ist, während die Klägerin ein erhebliches Interesse an der Verwertung geltend machen kann, das mit dem Interesse der Allgemeinheit insoweit übereinstimmt.

Die Einzelrichterin vermag daher im vorliegenden Fall die Rechtsauffassung des LG Heilbronn (Urteil vom 03.02. 2015 – 3 S 19/14) und des AG München (Beschluss vom 13.08.2014 – 345 C 5551/14) nicht zu teilen. Die Frage, ob unter dem Gesichtspunkt des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung dann Bedenken gegen eine Verwertbarkeit bestünden, wenn die Aufzeichnung das Fahrzeug, das Fahrverhalten oder gar die Person des Beklagten im Einzelnen erfasst hätte, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.“

Ich vermute mal, dass es so ganz lange nicht mehr dauern wird, bis sich auch der BGH zu der Frage äußern wird/muss.

„Einen BMW X1 sDrive ohne Freisprecheinrichtung will ich nicht“, also: Rücktritt

entnommen wikimedia.org Author The Car Spy

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Author The Car Spy

Während des Studiums wird Kaufrecht „gepaukt“, die einschlägigen Paragrafen rauf und runter. In der Praxis gibt es dann – finde ich jedenfalls – gar nicht so viel Entscheidungen zu dem Themenbereich. Aber vielleicht liegt diese Einschätzung auch an meiner „Strafrechtsbrille“. Heute habe ich dann aber mal wieder eine Entscheidung zum Kaufrecht, und zwar das OLG Hamm, Urt. v. 21.07.2016 – 28 U 2/16. Da geht es um einen BMW, dem das in der – auf www.mobile.de veröffentlichten – Fahrzeugbeschreibung genannte Ausstattungsmerkmal „Freisprecheinrichtung mit USB-Schnittstelle“ fehlte. Der Kläger hatte bei dem beklagten Autohaus den BMW X1 sDrive 18d (EZ 09/2012) zum Kaufpreis von ca. 21.200 € erworben. Er war über die Internetplattform www.mobile.de auf den Pkw aufmerksam geworden. Dort hatte die Beklagte ihn zum Verkauf u.a. unter Hinweis auf Ausstattungsmerkmal „Freisprecheinrichtung mit USB-Schnittstelle“ angeboten. Im später vom Kläger unterzeichneten schriftlichen Bestellformular war das Ausstattungsmerkmal nicht erwähnt. Tatsächlich hatte der BMW auch keine Freisprecheinrichtung. Nachdem der Kläger das Fehlen der Freisprecheinrichtung beanstandet und die Beklagte die Beanstandung unter Hinweis auf die von ihr nicht zugesagte Freisprecheinrichtung zurückgewiesen hatte, hat der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt und seine Rückabwicklung begehrt. Und: Er hatte beim OLG Hamm Erfolg. Aus der Urteilsbegründung:

„a) Dem Kläger stand ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu, weil das gekaufte Fahrzeug mangelhaft ist. Die Mangelhaftigkeit beruht darauf, dass der BMW keine Freisprecheinrichtung mit USB-Schnittstelle aufweist, obwohl dies i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB als Sollbeschaffenheit positiv vereinbart wurde.

aa) Die Beschaffenheitsvereinbarung beruht auf der Fahrzeugbeschreibung, die die Beklagte im Internet unter *Internetadresse* freigeschaltet hatte. Dieser Internetannonce fehlte zwar als bloßer invitatio ad offerendum der Rechtscharakter einer Willenserklärung. Entgegen der Einschätzung der Beklagten kommt aber entsprechenden Angaben im Internet zumindest im Bereich des Kfz-Handels in dem Sinne eine Verbindlichkeit zu, als dass durch sie die Sollbeschaffenheit des Fahrzeugs festgelegt wird. Aus Sicht eines Kaufinteressen werden solche Vorfeldangaben deshalb Grundlage einer konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung gem. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB (BGH NJW 2007, 1346; BGH NJW-RR 2011, 462; BGH NJW 2012, 2723; BGH NJW 2013, 1074; Reinking/Eggert Der Autokauf, 12. Aufl. 2014, Rnr. 2429; Palandt-Weidenkaff BGB, 75. Aufl. 2016, § 434 Rnr. 15).

Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme hat der Kläger auch zur Überzeugung des Senats bewiesen, dass die von der Beklagten bei *Internetadresse* veröffentlichte Fahrzeugbeschreibung den Inhalt hatte, wie dem als Anlage A1 seiner Klageschrift beigefügten Ausdruck zu entnehmen ist. Danach wurde bereits in der Überschrift des Inserats darauf hingewiesen, dass der BMW X1 auch „USB“ haben. Zudem war auch in der tabellarischen Auflistung der Ausstattungsdetails das hier umstrittene Merkmal  „Freisprecheinrichtung mit USB-Schnittstelle“ ebenfalls ausdrücklich erwähnt…………….

bb) Die durch das *Internetadresse*-Inserat erzeugte Erwartungshaltung, dass der BMW mit einer Freisprecheinrichtung ausgestattet sein würde, wurde im Übrigen auch nicht dadurch außer Kraft gesetzt, dass es in dieser Anzeige am Ende hieß „Irrtümer vorbehalten“.

Ein Kaufinteressent erwartet bei einer solchen Klausel nicht, dass er die Fehlerhaftigkeit sämtlicher vorstehender Detailangaben zu dem Fahrzeug hinnehmen muss. Sondern er geht davon aus, dass bis zum Abschluss des Vertrages eine Richtigstellung etwaiger Irrtümer erfolgen wird. Das ist aber im Streitfall nicht geschehen. Die Beklagte hat vielmehr selbst auf die Beanstandung des Klägers hin nicht in Erwägung gezogen, dass eine irrtümliche Angabe zu einem Ausstattungsdetail vorliegen könnte, die ihr bis dahin mangels Kontrolle nicht aufgefallen war.

cc) Entgegen der Einschätzung der Beklagten ist die Beschaffenheitsvereinbarung „Freisprecheinrichtung mit USB-Schnittstelle“ auch nicht so zu verstehen, dass mit dieser Angabe ein Bauteil aus dem Zubehörhandel gemeint war.

Vielmehr geht die – berechtigte – Erwartungshaltung eines verständigen Kaufinteressenten dahin, dass es sich um das offiziell von BMW angebotene Sonderausstattungsmerkmal „Freisprecheinrichtung mit USB-Schnittstelle“ handelte, das seinerzeit für den BMW X1 durch Angabe der entsprechenden SA-Nr. vor Erstauslieferung gegen Aufpreis bestellt werden konnte. Auch der Umstand, dass die Freisprecheinrichtung in der Auflistung bei *Internetadresse* unterschiedslos zwischen den ebenfalls werkseitig verbauten Bauteilen „Bordcomputer“ und „Radio BMW Professional“ aufgeführt wurde, musste so verstanden werden, dass es sich um eine werksseitige Freisprecheinrichtung handelte, zumal dadurch eine Ansteuerung über das Multifunktionslenkrad gewährleistet wurde.

dd) Die positive Beschaffenheitsvereinbarung „Freisprecheinrichtung mit USB-Schnittstelle“ wurde nicht dadurch widerrufen, dass dieses Ausstattungsmerkmal nicht mehr im Bestell-Formular vom 24.02.2015 erwähnt wurde, das die Beklagte dem Kläger zur Unterschrift übersandt hat.

Wenn ein gewerblicher Kfz-Verkäufer im Vorfeld des Vertragsschlusses konkrete Angaben zur Beschaffenheit des angebotenen Fahrzeugs gemacht hat, kann er sich davon nur distanzieren, wenn er gegenüber dem Kaufinteressenten vor dem Vertragsschluss eine eindeutige Klarstellung vornimmt, dass ein entsprechendes Beschaffenheitsmerkmal eben doch nicht oder nur in anderer Form vorhanden ist.

So ist in der Rechtsprechung zum Autokauf anerkannt, dass eine im Internet veröffentlichte Vorfeldangabe zur Scheckheftpflege oder zum Bestehen einer Herstellergarantie nicht dadurch hinfällig wird, dass  diese Beschaffenheit in einem späteren schriftlichen Vertrag nicht mehr erwähnt wird (KG NJW-RR 2012, 290; OLG Schleswig DAR 2012, 581; zur abweichenden Bewertung bei Grundstücksverträgen, die der notariellen Beurkundung unterliegen: BGH MDR 2016, 323).

Zwar könnte man im Streitfall auch davon ausgehen, dass die Ausstattungsauflistung im Internet-Inserat durch die im Bestellformular enthaltene Ausstattungsauflistung komplett ersetzt werden sollte. Das hätte zur Folge, dass die Beschaffenheitsangabe „Freisprecheinrichtung mit USB-Schnittstelle“ nicht mehr gelten sollte, weil sie in der Auflistung des Bestellformulars nicht mehr vorhanden war.

Dieses Auslegungsergebnis entspricht aber nicht dem Eindruck, den ein durchschnittlich informierter Autokäufer haben musste. Für einen solchen Kaufinteressenten war nur ersichtlich, dass von den vielen in der Internetannonce aufgelisteten Ausstattungsmerkmalen in dem Bestellformular nur wenige übrig geblieben waren. Aus welchen Gründen diese Begrenzung vorgenommen wurde, war für ihn nicht erkennbar. Möglicherweise kam es der Beklagte darauf an, nur besonders populäre Ausstattungsdetails wie die 17“ Leichtmetallräder und das BMW Professional Radio zu wiederholen, während die Freisprecheinrichtung kostenmäßig nur eine untergeordnete Bedeutung hatte und deshalb nicht eigens wiederholt werden sollte.

Wegen dieser bestehenden Unsicherheit kann jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass die Vorfeldangabe über die Freisprecheinrichtung auf die erforderliche eindeutige Weise widerrufen wurde, als die Beklagte dem Kläger das Bestellformular ohne Erwähnung dieser Freisprecheinrichtung übersandte.“

Und damit ging der BMW X1 sDrive zurück.

Ich habe da mal eine Frage: Verfahrensgebühr nach Rücknahme der Anklage?

© AllebaziB - Fotolia

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Heute mal keine Frage, aber ein Sachverhalt, der zu einer Frage hätte werden können. Aber der Kollege, der mir die zu dem Sachverhalt passende Entscheidung geschickt hat, hat das Problem selbst gelöst.  Hier dann die Frage/der Sachverhalt.

„Gegen die Angeklagte A war ein Verfahren wegen uneidlicher Falschaussage beim AG anhängig. In diesem wurde der Angeklagten A die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft gem. § 201 StPO am 13.12.2014 zugestellt. Ein Beschluss über die Eröffnung des Hauptverfahrens erging nicht. Vielmehr wurde wegen der Relevanz des Verfahrens gegen die Angeklagte der Ausgang eines anderen Strafverfahrens abgewartet. Der Angeklagte B dieses Verfahrens wurde am 17.11.2015 rechtskräftig freigesprochen. Dem Verteidiger der Angeklagten A wurde das rechtskräftig freisprechende Urteil gegen den Angeklagten B zur Kenntnisnahme übersandt. Gleichzeitig wurde ihm mitgeteilt, dass die Staatsanwaltschaft die Anklage gegen A zurückgenommen hat. Der Verteidiger beantragt bei der Staatsanwaltschaft im Hinblick auf die zurückgenommene Anklage das Verfahren endgültig gem. § 170 Abs. 2 StPO einzustellen und die der ehemals Angeklagten A entstandenen Kosten und notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Das Verfahren wurde eingestellt, die notwendigen Auslagen der Angeklagten A wurden der Staatskasse auferlegt. Der Verteidiger hat in seinem Kostenfestsetzungsantrag auch die Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG und die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG geltend gemacht.

Die Kostenbeamtin hat die Gebühren nicht festgesetzt. Die Nichtfestsetzung der Nr. 4104 VV RVG hat sie damit begründet, dass diese nicht rückwirkend nach einer Anklagerücknahme entstehen könne. Gegen die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG hatte sie eingewendet, dass eine Mitwirkung des Verteidigers an der Einstellung des Verfahrens nicht ersichtlich sei. “

Nun? Hat Sie Recht? Vielleicht gibt es ja trotz der angekündigten „Wochenendhitze“ Lösungsversuche.

Alkoholfreies Weizen bestellt, mit Alkohol bekommen, oder: Das AG glaubts…..

entnommen wikimedia.org Urheber Ukko.de

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Schon etwas älter ist der KG, Beschl. v. 03.03.2016 – 3 Ws (B) 106/16, hängt also auch schon etwas länger in meinem Blogordner. Das KG behandelt in seiner Entscheidung die Anforderungen an die Darlegungen im Urteil bei einem (unechtem Teil) Freispruch vom Vorwurf einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG im Falle der angeblich unbewussten Alkoholaufnahme. Das ist ja eine nicht seltene Einlassung. Hier hatte der Betroffene geltend gemacht, er habe in einer Gaststätte ein alkoholfreies Weizenbier bestellt, aber offenbar ein alkoholhaltiges erhalten, und auch vor und während der Fahrt habe er nicht bemerkt, alkoholisiert gewesen zu sein. Das hatte ihm die Amtsrichterin geglaubt und vom Vorwurf eines Verstoßes gegen § 24a StVG frei gesprochen.

Das KG hat Bedenken gegen die Beweiswürdigung, da das AG „vergessen“ hat „auch die gegen den Betroffenen sprechenden Umstände in gleicher Weise darzustellen und zu erörtern (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 338, NStZ 2012, 227; Meyer-Goßner/Schmidt, StPO 58. Aufl., § 267 Rn. 33). Auch enthält das Urteil, obwohl sich der Betroffene umfassend eingelassen hat, keine Angaben zum Zeitpunkt des Trinkendes. Daneben verhält sich das Urteil auch nicht zu weiteren Parametern, die dem Rechtsbeschwerdegericht eine Überprüfung der Beweiswürdigung ermöglichen könnten.“

„Das Urteil lässt eine kritische Auseinandersetzung mit der Behauptung des Betroffenen vermissen, er habe nur „ein Weizenbier“ getrunken. Einer Erörterung hätte es bedurft, weil die beim Betroffenen um 2.22 Uhr und damit 42 Minuten nach einem von Polizeibeamten beobachteten Rotlichtverstoß gemessene Atemluft eine Alkoholkonzentration von 0,35 mg/l aufwies. Auch wenn sich in der Literatur Angaben über Konversionsfaktoren mit einer Schwankungsbreite in Extremen zwischen 1 : 0,7 und 1 : 6,0 finden (vgl. Haffner/Graw, NZV 2009, 209 mwN; Haffner/Dettling, Blutalkohol 52, 233) und mithin eine exakte Konvertierung von Atemalkohol in Blutalkohol im wissenschaftlich-arithmetischen Sinn ausgeschlossen ist, so ist die Wahrscheinlichkeit doch sehr hoch, dass eine um 2.22 Uhr entnommene Blutprobe einen deutlich höheren Blutalkoholwert (in Promille) ergeben hätte. Dies gilt umso mehr, als die Urteilsfeststellungen es in zeitlicher und örtlicher Hinsicht als denkbar oder sogar naheliegend erscheinen lassen, dass der Atemalkohol nicht in der Anflutungs-, sondern in der sog. postresorptiven Eliminationsphase gemessen wurde. In diesem Abschnitt steigen die Konversionsfaktoren gegenüber der Trinkphase deutlich an, nämlich auf durchschnittlich etwas über 1 : 2 (vgl. Haffner/Graw, aaO; Haffner/Dettling, aaO: zwischen 1 : 1,99 und 1 : 2,33). Auf dieser Grundlage geht auch der Gesetzgeber von einer „normativen Entsprechung“ der Messverfahren im Verhältnis von 1 : 2 aus. Dabei will er den Betroffenen, dessen Atemalkohol gemessen wird, eher etwas günstiger stellen als jenen, dessen Blut untersucht wird, so dass die (hier nicht gemessene) Blutalkoholkonzentration des Betroffenen, zumal die Trinkphase schon länger abgeschlossen war und ggf. die Phase überwiegender Alkoholelimination begonnen hatte, mit einiger Wahrscheinlichkeit sogar noch über dem verdoppelten Atemalkoholwert gelegen hätte.

Für die hier alleine in den Blick zu nehmende Bestimmung der erforderlichen Darstellungs- und Erörterungstiefe im Urteil ergibt sich daraus, dass eine Orientierung an der – zudem auf empirisch-wissenschaftliche Erkenntnisse zurückgehenden – normativen Wertung des Gesetzgebers zulässig und geboten ist. Danach musste das Amtsgericht die Behauptung des Betroffenen, er habe nur „ein Weizenbier“ getrunken, mit der Möglichkeit abgleichen, dass um 2.22 Uhr eine Blutalkoholkonzentration von ca. 0,7 Promille auf ihn wirkte. Eine Erörterung dieses Umstands lag umso näher, als allein zwischen der Gestellung des Betroffenen und der Messung 42 Minuten lagen. Die vom Betroffenen zuvor besuchte Gastwirtschaft wiederum lag mehr als 15 im innerstädtischen Verkehr zurückzulegende Kilometer vom Gestellungsort entfernt, so dass von einem noch deutlich früheren Trinkende auszugehen und gegebenenfalls in Rechnung zu stellen war, dass die mit dem Genuss von 0,5 l Weizenbier aufgenommene Alkoholmenge (ca. 20 g) bereits ganz oder zumindest teilweise abgebaut gewesen wäre.

Zwar bewertet es der nicht sachverständig beratene Senat nicht als Verstoß gegen die Denkgesetze, dass das Amtsgericht dem Betroffenen geglaubt hat, er habe nur „ein Weizenbier“ getrunken, und schon gar nicht ersetzt der Senat die Würdigung der Tatrichterin durch seine eigene. Die im Urteil geschilderten Umstände lassen die Einlassung jedoch als so überprüfungs- und klärungsbedürftig erscheinen, dass es einer vertieften Darstellung und Auseinandersetzung mit den Begleitumständen bedurft hätte. Hinzunehmen wäre die Bewertung des Amtsgerichts gegebenenfalls gewesen, wenn das Urteil ein ausgesprochen leichtes Körpergewicht des Betroffenen mitgeteilt hätte, so dass bereits geringe Mengen Alkohol zu der festgestellten, den Gefahrengrenzwert des § 24a StVG erheblich überschreitenden Alkoholisierung geführt haben könnten. Nach einer überschlägigen Berechnung des Senats und (sogar) unter Außerachtlassung möglichen Abbaus müsste der Betroffene allerdings zur Tatzeit weniger als 40 kg gewogen haben. Unter zusätzlicher Berücksichtigung begonnener Alkoholelimination dürfte die vom Betroffenen angegebene Trinkmenge indes kaum plausibel sein.

Daneben ist auch die Beweiswürdigung nicht frei von Rechtsfehlern. Eine einen Rechtsfehler im Sinn des § 79 Abs. 3 OWiG iVm § 337 Abs. 1 StPO darstellende Lücke liegt vor, wenn die Beweiswürdigung wesentliche Feststellungen nicht erörtert (vgl. etwa BGH NStZ-RR 2016, 54) oder nur eine von mehreren gleich naheliegenden Möglichkeiten prüft (vgl. BGH NStZ-RR 2005, 147). Das ist hier der Fall. Der Senat versteht das Urteil so, dass es das Amtsgericht als Indiz für die Glaubhaftigkeit der Behauptung des Betroffenen, er habe eigentlich alkoholfreies Bier trinken wollen, gewertet hat, dass er an Krebs leidet und „seit ca. einem Jahr generell keinen Alkohol“ trinke. Zugleich hat das Amtsgericht dem Betroffenen geglaubt, dass er „vor Fahrtantritt sowie während der Fahrt nicht merkte, dass er unter dem Einfluss alkoholischer Getränke stand“. Es mag entfernt denkbar sein, dass ein seit einem Jahr alkoholabstinent Lebender den zu einer Atemalkoholkonzentration von 0,35 mg/l führenden Alkohol nicht spürt. Jedenfalls müsste das Urteil aber erkennen lassen, dass sich die Richterin der Besonderheit dieses Umstands bewusst war, und es wäre darzulegen gewesen, dass und warum dem Betroffenen gleichwohl geglaubt werden konnte.“

Solche Entscheidungen zeigen ja immer auch, was man als Verteidiger ggf. im Blick behalten muss. Und: Die Entscheidung passt so richtig schön zu dem heißen Wetter. Aber: Zu Fuß gehen!