Archiv für den Monat: November 2010

Na, der hat uns geärgert, dem zeigen wir es…

haben sich offenbar zwei Rechtsanwälte(?)/als Arbeitgeber gedacht und einem Arbeitnehmer auch nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses Lohnsteuerkarten für zwei zurückliegende Jahre sowie diverse Unterlagen, welche die Mandanten zur Wahrnehmung von deren Interessen zur Verfügung gestellt hatten, diesen nicht wieder zurückgegeben.

Anlass für das Zurückhalten der Lohnsteuerkarten bzw. der Unterlagen war jeweils eine Verärgerung über das Verhalten des Angestellten bzw. der Mandanten. Die beiden war dafür vom LG wegen Unterschlagung verurteilt worden. Der BGH hat das im Beschl. v. 15.07.2010 – 4 StR 164/10 beanstandet und ausgeführt, dass das Zurückhalten von Mandantenunterlagen wegen einer Verärgerung über das Verhalten der Mandanten nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Unterschlagung erfüllt. Allein dem Unterlassen der Rückgabe lasse sich eine Zueignung nicht entnehmen, insbesondere wenn dies geschehe, um den Eigentümer beziehungsweise Gewahrsamsinhaber zu ärgern. In diesem Fall komme jedoch eine Strafbarkeit wegen Urkundenunterdrückung in Betracht. Die hierfür erforderliche Nachteilszufügungsabsicht werde zwar nicht durch die Vereitelung des staatlichen Strafanspruchs begründet, da insoweit „kein anderer“ benachteiligt werde, eine Strafbarkeit könne aber darin begründet liegen, dass dem Mandanten im Ermittlungsverfahren ein Nachteil zugefügt werden sollte.

Sachverhalt der Entscheidung ist leider etwas knapp, so dass man zu den Auswirkungen der Entscheidung nicht so richtig etwas sagen kann.

Kleiner Grundkurs: Keine „Quasiverdachtsentziehung“ einer ausländischen Fahrerlaubnis

Einen kleinen Grundkurs zu den Fragen der Entziehung einer ausländischen Fahrerlaubnis enthält die Entscheidung des OLG Stuttgart v. 23.09.2010 – 5 Ss 471/10. Offenbar hatte das LG „es nötig“. :-). Das könnte man auch aus der Segelanweisung ableiten, in der das OLG dem LG im Einzelnen vorgegeben hat, was jetzt noch zu tun ist. Das OLG hat dann aber nicht auch noch die Schreiben vorformuliert , die es für erforderlich ansieht.

In der Sache hatte das OLG gerügt, dass das LG eine ausländische Fahrerlaubnis entzogen hat, ohne Feststellungen dazu getroffen zu haben, ob der Angeklagte überhaupt im Besitz einer solchen war. Also eine „Quasi-Verdachtsentziehung“.

Immer wieder Haftsachen: Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot muss konkret geprüft werden

Der Verstoß gegen das besondere Beschleunigungsgebot in Haftsachen (Art. 5 MRK) spielt in der Rechtsprechung des BVerfG eine große Rolle. Immer wieder kommt es zu Beanstandungen von Entscheidungen der OLG.

Dem Beschl. des BVerfG v. 13.09.2010 – 2 BvR 449/10 lag allerdings nun kein U-Haft-Konstellation zugrunde, sondern ein Verfahren, in dem es um die Reststrafenaussetzung zur Bewährung (§ 57 StGB) ging. Der Verurteilte hatte gerügt, dass das Verfahren zu lange gedauert habe. Das OLG hat sich damit – so das BVerfG – nicht ausreichend auseinandergesetzt. Denn die Begründung einer fachgerichtlichen Entscheidung darüber, ob ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Beschleunigungsgebot in Haftsachen vorliegt, müsse erkennen lassen, dass das Gericht geprüft hat, ob und gegebenenfalls welche Verfahrensverzögerungen eingetreten und welche Ursachen hierfür maßgeblich sind. Nur wenn diese Grundlagen konkret benannt werden, sei eine sachgerechte Abwägung zwischen dem Strafverfolgungsinteresse und dem Freiheitsgrundrecht des Inhaftierten gewährleistet.

Das BVerfG hat aufgehoben und zurückverwiesen. Mal sehen, was das OLG Düsseldorf jetzt daraus macht.

ESO 3.0 Version 1.001 in der Diskussion: Nicht mehr immer standardisiert?

Für die Verteidigung gegen den Vorwurf eine Geschwindigkeitsüberschreitung, die mit ESO 3.0 gemessen worden ist, ist der Beschluss des OLG Naumburg v. 25.10.2010 – 1 Ss (B) 76/10 von erheblicher Bedeutung, und zwar in zweierlei Hinsicht.

1. Das OLG gibt dem AG eine Segelanweisung, die wie folgt lautet:

Das im 3. Nachtrag zur innerstaatlichen Bauartzulassung vom 05. Dezember 2006 (Geschwindigkeitsübewachungsgerät ES 3.0) in Bezug genommene Merkblatt eso ES 3.0 Vers. 1001 des Herstellers sieht vor dem Hintergrund einer vereinzelt aufgetretenen unzulässigen Abweichung der Abstandsmessung zwischen Sensorkopf zum gemessenen Fahrzeug Auswerterichtlinien zur sicheren Zuordnung des Messwertes zum gemessenen Fahrzeug bei Verwendung eines Geschwindigkeitsmessgerätes vom Typ E53.0 mit der Softwareversion bis einschließlich 1.001 vor. Nach Ziff. 1 der Auswerterichtlinien darf ein Messfoto ausge­wertet werden, wenn alle Fahrbahnteile, auf denen Messungen entstehen können, auf den Messfotos abgebildet sind und nur ein Fahrzeug auf dem Foto eindeutig mit der Vorderfront an der Fotolinie steht. Hierbei ist unter dem Begriff „alle Fahrbahnteile, auf denen Messun­gen entstehen können“ nicht allein der am Geschwindigkeitsmessgerät vor der Messung eingestellte Messbereich auf der Fahrbahn zu verstehen, da der bei der Messung neben der Geschwindigkeit des gemessenen Objekts auch ermittelte Abstandsmesswert bei Verwen­dung der Softwareversion 1.001 eben nicht der Zuordnung des Messwertes zu einem Fahr­zeug zugrunde gelegt werden kann. Dies hat zur Folge, dass das geräteintern auf dem ge­messenen Abstandswert basierende Ergebnis, das gemessene Fahrzeug habe sich in dem zuvor festgelegten Messbereich befunden oder nicht, für eine Zuordnung des Messwertes zu einem Fahrzeug dann, wenn die Fotolinie nicht über die volle Breite im Foto abgebildet ist, nicht herangezogen werden kann. Das Amtsgericht wird daher Feststellungen zu treffen haben, ob auf andere Weise, etwa durch einen aufmerksamen Messbetrieb, sichergestellt war, dass nur ein Fahrzeug in Frage kommt, dem der Geschwindigkeitsmesswert zuzuordnen ist.“

Das Messergebnis darf also nur unter der gegebenen Voraussetzung der Messlinienabbildung verwendet werden (vgl. zu ESO 3.0 auch das AG Zerbst, hier).

2. Aufgehoben hat das OLG, weil das AG den Messbeamten nicht vernommen hat. Dazu führt es aus:

„Wird bereits vor der Hauptverhandlung thematisiert, ob die Messenanlage der Gebrauchsanweisung entsprechend aufgestellt und ausgerichtet gewesen ist, gebietet es die Amtsaufklärungspflicht dem Tatgericht den Messbeamten zu befragen, ob er die abstrakten Vorgaben der Bedienungsanleitung des Herstellers beachtet und umgesetzt hat.“

Auch das wird die Tatrichter nicht freuen, ist aber an sich eine Selbstverständlichkeit.

Das Gutachten in dem Verfahren hatte im Übrigen unser Mitherausgeber aus Burhoff/Neidel/Grün, Messungen im Straßenverkehr, 2. Aufl., 2010, erstattet. Schöner „Erfolg“.

Ergänzung am 03.11.2010:

Der Kollege Streib, der die Entscheidung „erstritten“ hat, weist mich gerade auf darauf hin, dass der letzte Satz nicht richtig ist. Herr Grün sein in diese Sache nicht als gerichtlicher Sachverständiger involviert gewesen. Die Frage des standardisierten Messverfahrens sei für ihn nur Nebenkriegsschauplatz gewesen, weswegen er sogar auf die Einholung eines außergerichtlichen Gutachtens verzichtet habe.

Sorry, ich hatte es anders verstanden.

Wochenspiegel für die 44. KW, oder wir blicken mal wieder über den Tellerrand

Wir berichten über:

  1. Kachelmann, vgl. hier, hier und hier.
  2. Das Rechtsempfinden der Frauen, vgl. hier und hier und hier.
  3. Diese Tricks der Polizeibeamten sollte man kennen, vgl. hier.
  4. Der Richter und die Punkte, vgl. hier.
  5. Sicherlich nicht nur für Studenten interessant, Der Online-Diebstahl, vgl. hier.
  6. In der Tat nicht so häufig: Rückwärts Einparken und einen Fußgänger anfahren, hier.
  7. Mit der Auswahl von Sachverständigen beschäftigt man sich hier.
  8. Immer wieder ein Problem: Wahllichtbildvorlage und Wahlgegenüberstellung
  9. Dürfen Falschparker abgeschleppt werden?, vgl. hier.
  10. Und mit dem Bahnstreik hat man sich hier beschäftigt, war insofern aber im Fernverkehr nicht ganz so schlimm war, weil man dann einfach den „fahrplanmäßg verspäteten Zug“ nehmen konnte 🙂