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OWi II: Messbeamte kennt die Messvorschriften nicht, oder: Auswirkungen auf die Geldbuße?

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Und die zweite Entscheidung kommt dann vom OLG Celle. Das hat sich im OLG Celle, Beschl. v.  19.01.2024 – 2 ORbs 348/23 – mit dem Einwand eines Betroffenen gegen die Festsetzung der Regelgeldbuße bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung auseinandergesetzt, der dahin ging, dass der Messbeamte die nach der (niedersächsischen) Richtlinie für die Geschwindigkeitsüberwachung aufgeführte Qualifikation, nicht habe nachweisen können. Das habe schuldmindernd berücksichtigt werden müssen.

Das OLG hat die Rechtsbeschwerde zugelassen und dann in „Dreier-Besetzung“ verworfen:

„b) Der Rechtsfolgenausspruch lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Das Amtsgericht hat zutreffend die Regelgeldbuße nach BKat Nr.11.1.4. (Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit für Lkw außerhalb geschlossener Ortschaften um 16 – 20 km/h) in Höhe von 140,00 € festgesetzt und festgestellt, dass Anhaltspunkte dafür, dass es sich vorliegend nicht um einen Regelfall handelt, nicht ersichtlich sind.

Ein solcher Anhaltspunkt ergibt sich entgegen der Ansicht des Betroffenen auch nicht aus dem vom Amtsgericht festgestellten Umstand, dass der Messbeamte die in den Niedersächsischen Richtlinien für die Überwachung des fließenden Straßenverkehrs durch Straßenverkehrsbehörden unter 3.3 des Abschnitts 3 aufgeführte Qualifikation, die eine Kenntnis der mit der Verkehrsüberwachung verbundenen Vorschriften (Gesetze, Erlasse, Rechtsprechung) vorsieht, nicht nachweisen konnte.

In Ziffer 3.3 „Personal“ des Abschnitts 3 der Richtlinie heißt es:

„Das Messpersonal der Straßenverkehrsbehörden für den Umgang mit mobil-stationären Messgeräten muss qualifiziert sein, mit dem eingesetzten Messgerät beweissichere Geschwindigkeitsmessungen vorzunehmen.

Qualifikationsmerkmale sind insbesondere:

  • Kenntnis der mit der Verkehrsüberwachung verbundenen Vorschriften (Gesetze, Erlasse, Rechtsprechung),.

Als reine Verwaltungsvorschrift entfaltet diese Richtlinie keine Außenwirkung. Allerdings dürfen die Verkehrsteilnehmer erwarten, dass sich die Verwaltungsbehörde über Richtlinien zur Handhabung des Verwaltungsermessens, die eine gleichmäßige Behandlung sicherstellen sollen, im Einzelfall nicht ohne sachliche Gründe hinwegsetzt. Insoweit können sich solche Richtlinien über Art. 3 GG für den Bürger rechtsbildend auswirken, so dass im Einzelfall der Schuldgehalt einer Tat geringer erscheint (vgl. hiesiger 1. Bußgeldsenat, Beschluss vom 25.07.2011 – 311 SsRs 114/11 -, juris; BayObLG, Beschluss vom 04.09.1995 – 1 ObOWi 375/95 -, juris; OLG Dresden DAR 2010, 29).

Die gilt aber nicht für jede Art von Abweichung von der Richtlinie. Abweichungen von Verwaltungsvorschriften sind insoweit mit Abweichungen von der Bedienungsanleitung vergleichbar. Einzelne Abweichungen etwa im Hinblick auf die Protokollierung des Messvorgangs nehmen einer Messung nicht den Charakter eines standardisierten Messverfahrens, weil ihnen keine eigenständige Bedeutung für die Integrität der Messung zukommt (vgl. Senat, Beschluss vom 28.03.2023, 2 ORbs 68/23, OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.02.2023, 2 ORbs 35 Ss 4/23, juris; BayOblG, Beschluss vom 21.11.2022, 201 ObOwi 1291/22, juris). Dieser Rechtsgedanke lässt sich auf die Abweichung von Verwaltungsvorschriften in der Weise übertragen, dass sich eine Abweichung nur dann schuldmindernd auswirken kann, wenn ein Einfluss der Abweichung auf das Verhalten des Betroffenen oder das Messergebnis denkbar ist.

Anders als bei einer Unterschreitung des Regelabstandes zwischen geschwindigkeitsregelnden Verkehrszeichen und Messstelle (Nr. 4 der Anlage 1 „Einsatz von Geschwindigkeitsmessgeräten“ der Richtlinie), die jeweils Gegenstand der oben zitierten Entscheidungen zum geringeren Schuldgehalt waren, ist es aber gerade nicht denkbar, dass allein die fehlende Kenntnis des Messbeamten von den mit der Verkehrsüberwachung verbundenen Vorschriften das Verhalten des Betroffenen beeinflusst. Ebenfalls ist nicht erkennbar, dass sich die fehlende Schulung des Messbeamten zu Verkehrsvorschriften im vorliegenden Fall auf das Messergebnis ausgewirkt hätte.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Einwand des Betroffenen, die B  sei bereits im Bereich ihrer einspurigen Zuführung als Kraftfahrstraße ausgewiesen, obwohl die entsprechenden Voraussetzungen hierfür noch gar nicht gegeben seien, nach Erweiterung der B  zu zwei Spuren erfolge dann die Aufhebung der Kraftfahrstraße, obwohl hier doch de facto noch eine Kraftfahrstraße vorliege mit der Folge, dass für den Betroffenen im einspurigen Bereich eine Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h zulässig gewesen sei, im Verlauf des zweispurigen Bereichs dann aber nur noch eine solche von 60 km/h, weil er einen 7,5 t-Lkw gefahren habe. Obwohl das in der Beschwerdeschrift nicht weiter dargelegt wird, scheint der Betroffene damit einen Zusammenhang ziehen zu wollen zwischen der fehlenden Rechtskenntnis des Messbeamten und der Durchführung der Messung an einer Stelle, an der ein Lkw-Fahrer damit rechne, sich noch auf einer Kraftfahrstraße zu befinden und deshalb statt nur 60 km/h bis zu 80 km/h fahren zu dürfen.

Es wäre dann aber nicht die fehlende Rechtskenntnis des Messbeamten, sondern letztlich der Standort der die Kraftfahrstraße aufhebenden Verkehrszeichen, der schuldmindernd zu würdigen wäre. Das Amtsgericht hat jedoch hinreichend überprüft und festgestellt, dass die Aufhebung der Kraftfahrstraße an dieser Stelle nicht willkürlich ist, sondern der nachfolgenden Zusammenführung mit dem aus A. kommenden Verkehr geschuldet ist. Soweit der Betroffene diesbezüglich einem Tatbestandsirrtum unterlegen sein sollte, ist dem bereits dadurch Rechnung getragen worden, dass ihm ohnehin nur Fahrlässigkeit zur Last gelegt wird. Im Übrigen folgt die Einordnung einer Straße als Kraftfahrstraße nach § 18 Abs. 1 StVO allein aus ihrer Beschilderung durch die zuständigen Behörden und nicht aus ihrer Bauart. Weder den Kraftfahrern noch dem Messpersonal obliegt es, den verkehrsrechtlichen Charakter einer Straße unabhängig von ihrer Beschilderung zu interpretieren.“

Der Einwand des Betroffenen lässt mich ein wenig ratlos zurück. Denn warum soll die Unkenntnis des Messbeamten vom Inhalt der Richtlinie nur Auswirkungen auf die Höhe der Geldbuße haben, und nicht auch auf das Fahrverbot? In Betracht käme doch ein Wegfall des Fahrverbotes, wenn man die Rechtsprechung zur Unterschreitung des vorgeschriebenen Mindestabstands der Messstelle zum Beginn der Geschwindigkeitsbeschränkung heranziehen würde. M.E. muss man ggf. früher ansetzen und versuchen, die Verwertbarkeit der Messung anzugreifen, weil die Vorgaben für ein standardisiertes Messverfahren nicht (mehr) vorgelegen haben.

Und: Die Entscheidung ist mal wieder Gelegenheit <<Werbemodus an>> auf Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 7. Aufl. 2024, zu verweisen, das man hier vorbestellen kann; das Werk kommt bald. <<Werbemodus aus>>.

OWi I: Kontrolle der metrologischen Kennzeichnung, oder: Nur für das Inverkehrbringen erforderlich

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So, heute dann mal wieder – seit längerem – OWi-Entscheidungen. Die lange Pause zeigt, dass sich in dem Bereich im Moment wenig tut. Hoffentlich nicht die Ruhe vor dem Sturm 🙂 .

Ich beginne mit dem OLG Oldenburg, Beschl. v. 28.07.2022 – 2 Ss(OWi) 105/22. Das AG hat den Betroffenen wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße und einem einmonatigen Fahrverbot verurteilt. Die Geschwindigkeitsüberschreitung war mit einem geeichten Messgerät Poliscan speed M1 /FM 1 festgestellt worden. Im Rahmen der Rechtsbeschwerde hat der Betroffene –zutreffend – gerügt, dass die metrologische Kennzeichnung vom Messbeamten nicht kontrolliert worden sei.

Die Rechtsbeschwerde hatte beim OLG keinen Erfolg:

„Die Metrologiekennzeichnung wird beim Inverkehrbringen des Gerätes angebracht.

Der Betroffene trägt selbst vor, dass die metrologische Kennzeichnung Auskunft über die Konformität gibt. Nach den Feststellungen des Amtsgerichtes war das Gerät geeicht. Schon daraus lässt sich die Konformität und das ordnungsgemäße Inverkehrbringen ersehen:

„Dementsprechend impliziert der Umstand, dass das Messgerät geeicht war, dass der Eichbehörde die Konformitätsbescheinigung und die Konformitätserklärung vorgelegen haben und das Messgerät ordnungsgemäß in den Verkehr gebracht worden ist (vgl. KG Berlin VRS 134, 156 = BeckRS 2018, 31315; OLG Zweibrücken BeckRS 2020, 32678). Es erscheint ausgeschlossen, dass – wie der Verteidiger meint – ein „nicht eichfähiges“ Messgerät durch die Eichbehörde geeicht wird.“ (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. Januar 2021 – IV-2 RBs 1/21 –, Rn. 25, juris).

Darüber hinaus hat der Senat u.a. folgende Anfrage an die PTB gerichtet:

Wenn es auf S. 24 PTB-A 12.10 (Nov 2019) heißt, das Messprotokoll soll Angaben über die Gültigkeit und Unversehrtheit des „Eichkennzeichens/der metrologischen Kennzeichnung“ enthalten – ist das kumulativ oder alternativ gemeint?

Die PTB hat daraufhin geantwortet:

„…mit Inkrafttreten des neuen Mess-und Eichgesetzes am 01.01.2015 müssen Geschwindigkeitsmessgeräte beim Inverkehrbringen gem. §14 (4) MessEV eine so genannte Metrologie-Kennzeichnung tragen. Die Metrologie-Kennzeichnung besteht aus der Zeichenfolge „DE-M“, die von einem Rechteck mit einer Höhe von mindestens 5 Millimetern eingerahmt ist, nachfolgend mit den beiden letzten Ziffern der Jahreszahl des Jahres, in dem die Metrologie-Kennzeichnung angebracht wurde.

Spätestens zum Ende der Eichfrist werden die Geräte dem Eichamt zur erstmaligen eichtechnischen Prüfung vorgestellt. Das Eichamt kennzeichnet die Eichung durch Anbringung des Eichkennzeichens gem. §38 (1) MessEV. Nach Aussage des Landesamtes für Mess- und Eichwesen Berlin-Brandenburg verliert dann die Metrologie-Kennzeichnung ihre Bedeutung, da diese nur für die ordnungsgemäße Kennzeichnung der Inverkehrbringung erforderlich ist.

Mit den o. g. Ausführungen ergibt sich für das Messprotokoll eines Geschwindigkeitsmessgerätes, dass für den Zeitraum des Inverkehrbringens bis zur ersten Eichung die entsprechenden Angaben zur Gültigkeit und Unversehrtheit bezüglich der Metrologie-Kennzeichnung aufzuführen sind. Nach entsprechender erstmaliger Eichung sind die Angaben zur Metrologie-Kennzeichnung ohne Belang und müssen nicht mehr aufgeführt werden. Anstelle dessen müssen jetzt die entsprechenden Informationen bezüglich der Gültigkeit und Unversehrtheit des Eichkennzeichens im Messprotokoll vermerkt werden.

Ich werde Ihre Anfrage zum Anlass nehmen, die entsprechenden PTB-Anforderungen, in denen die Angaben zum Messprotokoll aufgeführt sind, entsprechend klarer zu formulieren.“

Damit ist die fehlende Überprüfung der metrologischen Kennzeichen nach erfolgter Eichung unerheblich.

Die Verhängung des  Fahrverbots ist mit dieser Entscheidung rechtskräftig. Der Führerschein ist spätestens am 28.11.2022 bei der Staatsanwaltschaft Osnabrück als der zuständigen Vollstreckungsbehörde in amtliche Verwahrung zu geben.“

Na ja. Ich habe immer Probleme, wenn der Aufsteller der Bedienungsanleitung erklären darf, warum eine (potentieller) Fehler keiner ist.

OWi I: Die Schulung des Messbeamten, oder: Nicht schlimm, wenn das 12 Jahre her ist?

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So, und heute dann noch einmal OWi. Ja, ist der dritte Tag hintereinander. Aber ich habe da derzeit viel Material, da vor einigen Tagen das Kammergericht „geliefert“ hat.

Der „Opener“ ist dann der KG, Beschl. v. 05.12.2018 – 3 Ws (B) 266/18 – mit einem „Klassiker“, nämlich der Frage nach der Schulung des Messbeamten, also der Frage, ob der Messbeamte ausreichend in der Handhabung des bei der Messung verwendeten Messgerätes geschult war. Das spielt insbesondere dann eine Rolle, wenn die Schulung des Messbeamten schon länger zurückliegt und sich danach z.B. die Bedienungsanleitung geändert hat. Dazu meint das KG:

„bb) Auch die tatrichterlichen Erkenntnisse zur Befähigung des Zeugen A als einem geschulten Messbeamten mussten die Bußgeldrichterin nicht zu Zweifeln an der Richtigkeit der in seiner Verantwortung durchgeführten Geschwindigkeitsmessung veranlassen. Es ist unstreitig, dass der Zeuge A am 12. August 2005 erfolgreich an einer „Ausbildung am Laser-Handmessgerät RIEGL FG21-P“ teilgenommen hat. Zwar lag diese Schulung somit zur hiesigen Tatzeit (4. September 2017) über zwölf Jahre zurück und es trifft zu – was dem Senat von Amts wegen bekannt ist –, dass der Hersteller des Handlasermessgeräts RIEGL FG21-P mit Stand Dezember 2008 (5. Auflage) eine neue Gebrauchsanweisung erstellt hat, aus der sich vor allem Änderungen für die Durchführung des vorgeschriebenen Funktionstests der Visiereinrichtung (sog. Align-Test) ergeben haben. Dem Senat ist bewusst, dass dieser Test, der den ordnungsgemäßen Zustand der entscheidend wichtigen Visiereinrichtung gewährleisten soll, von zentraler Bedeutung für eine einwandfreie Gerätefunktion ist (vgl. etwa Senat, Beschluss vom 28. Januar 2013 – 3 Ws (B) 735/12 –; OLG Koblenz DAR 2006, 101). Indes geben die Urteilsgründe keinen Anlass zu der Annahme, dem Zeugen A könnte die Neufassung der Gebrauchsanweisung unbekannt geblieben sein und/oder die zuvor erfolgte Einweisung würde ihn nicht befähigt haben, die mit der Neufassung einhergehenden Veränderungen in der praktischen Handhabung des Geräts umzusetzen – wozu ihn der Betroffene in der Hauptverhandlung jeweils hätte befragen können (vgl. Senat, Beschluss vom 28. Mai 2014 – 3 Ws (B) 200/14 –; s. auch OLG Hamm, Beschluss vom 10. März 2017 – 2 RBs 202/16 – [juris]). Im Übrigen ist gerichtsbekannt, dass die Berliner Polizeidirektionen mit Schreiben des Polizeipräsidenten in Berlin vom 24. April 2009 aufgefordert wurden, die Änderungen in der Gebrauchsanweisung „allen mit der Geschwindigkeitsüberwachung mittels Handlasermessgerät RIEGL FG21-P betrauten Polizeidienstkräften in geeigneter Form bekanntzugeben“. Auch nimmt die aktuelle Fassung des von den Messbeamten zu führenden Messprotokolls auf die Durchführung eines Align-Tests aus einer Entfernung zwischen 30 und 1.000 Metern zum Ziel Bezug – was der Neufassung der Gebrauchsanweisung entspricht. Die tatrichterliche Überzeugung, dass das Messgerät – auch betreffend den durchzuführenden Align-Test – „gemäß der Bedienungsanleitung des Herstellers aufgebaut und eingemessen“ wurde (UA Seite 4), ist hiernach nicht zu beanstanden.“

Ambitioniert 🙂 .

Akteneinsicht: Der Name des Messebeamten und sein Schulungsnachweis

Der Name des Messebeamten und sein Schulungsnachweis – darum haben sich der Verteidiger/Betroffene und die Verwaltungsbehörde im Rahmen der Akteneinsicht gestritten. Die Verwaltungsbehörde wollte beides nicht „rausrücken“. Der Verteidiger hat daraufhin Antrag nach § 62 OWiG zum AG Meißen gestellt.

Dieses hat in AG Meißen, Beschl. v. 03.03.2011 – 13 OWi 23/11 eine „weise Entscheidung“ getroffen. Den Namen des Messbeamten muss die Verwaltungsbehörde bekannt geben, wenn er sich sonst nicht aus der Akte „erlesen“ lässt – dann wird der Verteidiger seine Bekanntgabe ja auch kaum beantragen. Auf den Schulungsnachweis hat der Betroffene/Verteidiger im Verwaltungsverfahren keinen Anspruch, da er der Verwaltungsbehörde ggf. selbst nicht vorliegt. Er steht im Eigentum des Messbeamten und musss von dem nicht unbedingt an die Behörde herausgegeben werden. Na ja, kann man ggf. auch anders sehen, aber – so das AG – zur Hauptverhandlung muss der Messbeamte den Nachweis dann wohl mitbringen, den wie sonst soll er seine „Befähigung nachweisen“:

Sehr deutlich m.E. der Hinweis des AG an die Verwaltungsbehörde, was es von deren Vorgehen hält: “

„Aus Gründen der Verfahrensvereinfachung und zur eigenen und der Entlastung des Gerichts erscheint es dennoch sinnvoll, dass die Verwaltungsbehörde ihre Messbeamten um Vorlage ihrer Ausbildungsnachweise und ihr Einverständnis mit einer Übersendung einer Kopie hiervon ersucht. Dies braucht nicht generell zu erfolgen, kann jedoch auf entsprechenden Antrag das Verfahren erleichtern.“

Man hätte es auch anders ausdrücken können: „Mensch, macht nicht so ein Theater und rückt die Nachweise heraus. Ich habe anderes zu tun, als darüber zu entscheiden.“ In der Tat, man fragt sich, warum die Verwaltungsbehörde es sich und den Betroffenen so schwer machen. Allein schon, dass der Name des Messbeamten nicht angegeben wird. Das musste m.E. zu einem Erfolg des 62-er Antrags führen.

ESO 3.0 Version 1.001 in der Diskussion: Nicht mehr immer standardisiert?

Für die Verteidigung gegen den Vorwurf eine Geschwindigkeitsüberschreitung, die mit ESO 3.0 gemessen worden ist, ist der Beschluss des OLG Naumburg v. 25.10.2010 – 1 Ss (B) 76/10 von erheblicher Bedeutung, und zwar in zweierlei Hinsicht.

1. Das OLG gibt dem AG eine Segelanweisung, die wie folgt lautet:

Das im 3. Nachtrag zur innerstaatlichen Bauartzulassung vom 05. Dezember 2006 (Geschwindigkeitsübewachungsgerät ES 3.0) in Bezug genommene Merkblatt eso ES 3.0 Vers. 1001 des Herstellers sieht vor dem Hintergrund einer vereinzelt aufgetretenen unzulässigen Abweichung der Abstandsmessung zwischen Sensorkopf zum gemessenen Fahrzeug Auswerterichtlinien zur sicheren Zuordnung des Messwertes zum gemessenen Fahrzeug bei Verwendung eines Geschwindigkeitsmessgerätes vom Typ E53.0 mit der Softwareversion bis einschließlich 1.001 vor. Nach Ziff. 1 der Auswerterichtlinien darf ein Messfoto ausge­wertet werden, wenn alle Fahrbahnteile, auf denen Messungen entstehen können, auf den Messfotos abgebildet sind und nur ein Fahrzeug auf dem Foto eindeutig mit der Vorderfront an der Fotolinie steht. Hierbei ist unter dem Begriff „alle Fahrbahnteile, auf denen Messun­gen entstehen können“ nicht allein der am Geschwindigkeitsmessgerät vor der Messung eingestellte Messbereich auf der Fahrbahn zu verstehen, da der bei der Messung neben der Geschwindigkeit des gemessenen Objekts auch ermittelte Abstandsmesswert bei Verwen­dung der Softwareversion 1.001 eben nicht der Zuordnung des Messwertes zu einem Fahr­zeug zugrunde gelegt werden kann. Dies hat zur Folge, dass das geräteintern auf dem ge­messenen Abstandswert basierende Ergebnis, das gemessene Fahrzeug habe sich in dem zuvor festgelegten Messbereich befunden oder nicht, für eine Zuordnung des Messwertes zu einem Fahrzeug dann, wenn die Fotolinie nicht über die volle Breite im Foto abgebildet ist, nicht herangezogen werden kann. Das Amtsgericht wird daher Feststellungen zu treffen haben, ob auf andere Weise, etwa durch einen aufmerksamen Messbetrieb, sichergestellt war, dass nur ein Fahrzeug in Frage kommt, dem der Geschwindigkeitsmesswert zuzuordnen ist.“

Das Messergebnis darf also nur unter der gegebenen Voraussetzung der Messlinienabbildung verwendet werden (vgl. zu ESO 3.0 auch das AG Zerbst, hier).

2. Aufgehoben hat das OLG, weil das AG den Messbeamten nicht vernommen hat. Dazu führt es aus:

„Wird bereits vor der Hauptverhandlung thematisiert, ob die Messenanlage der Gebrauchsanweisung entsprechend aufgestellt und ausgerichtet gewesen ist, gebietet es die Amtsaufklärungspflicht dem Tatgericht den Messbeamten zu befragen, ob er die abstrakten Vorgaben der Bedienungsanleitung des Herstellers beachtet und umgesetzt hat.“

Auch das wird die Tatrichter nicht freuen, ist aber an sich eine Selbstverständlichkeit.

Das Gutachten in dem Verfahren hatte im Übrigen unser Mitherausgeber aus Burhoff/Neidel/Grün, Messungen im Straßenverkehr, 2. Aufl., 2010, erstattet. Schöner „Erfolg“.

Ergänzung am 03.11.2010:

Der Kollege Streib, der die Entscheidung „erstritten“ hat, weist mich gerade auf darauf hin, dass der letzte Satz nicht richtig ist. Herr Grün sein in diese Sache nicht als gerichtlicher Sachverständiger involviert gewesen. Die Frage des standardisierten Messverfahrens sei für ihn nur Nebenkriegsschauplatz gewesen, weswegen er sogar auf die Einholung eines außergerichtlichen Gutachtens verzichtet habe.

Sorry, ich hatte es anders verstanden.