Archiv für den Monat: Mai 2010

BGH verneint (allgemeines) Akteneinsichtsrecht des Zeugenbeistands

Der BGH hat Stellung genommen zu einem verfahrensrechtlichen Dauerbrenner, nämlich der Frage des allgemeinen Akteneinsichtsrecht des anwaltlichen Zeugenbeistands. Während es in der Literatur zum Teil bejaht, ja gefordert wird (vgl. die Nachweise bei Burhoff, EV, Rn. 2067), hat der BGH es nun abgelehnt und mit der wohl überwiegenden Auffassung auf § 475 verwiesen und dort ein „berechtigtes Interesse“ verneint. Begründung:

„Dem anwaltlichen Zeugenbeistand steht im Gegensatz zu dem Verteidiger (vgl. § 147 Abs. 1 StPO) ein eigenes Recht auf Akteneinsicht nicht zu. Seine Rechtsstellung leitet sich aus der des Zeugen ab. Er hat keine eigenen Rechte als Verfahrensbeteiligter und keine weitergehenden Befugnisse als der Zeuge selbst. Dieser hat, sofern er nicht Verletzter ist, ein Akteneinsichtsrecht nur als „Privatperson“ im Sinne von § 475 StPO (HansOLG Hamburg NJW 2002, 1590; KG, Beschl. vom 7. Februar 2008 (1) 2 BJs 58/06-2 (2/08) – juris m. w. N.; Ignor/Bertheau in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl. § 68 b Rdn. 24). – 5 –

Ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis der Ermittlungsakten im Sinne von § 475 Abs. 1 Satz 1 StPO hat der Beschwerdeführer nicht. Dies gilt insbesondere, soweit es um die Kenntnis des Zeugen von der Aussage anderer Zeugen geht, was schon aus § 58 Abs. 1, § 243 Abs. 2 Satz 1 StPO folgt: Danach ist ein Zeuge in Abwesenheit der später zu hörenden Zeugen zu vernehmen; während der Einlassung des Angeklagten (sofern diese vor der Zeugenvernehmung abgegeben wird) hat er den Sitzungssaal zu verlassen. Der Zeuge soll auf diese Weise unbeeinflusst von der Kenntnis der Angaben Dritter aussagen (vgl. Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 58 Rdn. 2). Insoweit stehen zugleich Zwecke des Strafverfahrens der Akteneinsicht entgegen (§ 477 Abs. 2 Satz 1 StPO). Der Beweiswert der Aussage des Beschwerdeführers wäre gemindert, wenn er vor ihr im Einzelnen wüsste, was andere Zeugen zu dem Beweisthema bekundet haben.“

Nachzulesen im Beschl. v. 04.03.2010 – StB 46/09.

Offen bleibt die Frage, wie der Zeugenbeistand seinen Mandanten z.B. über ein Auskunftsverweigerungsrecht angemessen und vor allem richtig beraten soll.

Nicht nur für Verteidiger, aber nur hier: Gebührenrechtlicher Lese- und Downloadtipp auf RVGreport 2010, 163

Auf meiner HP ist gerade der Beitrag aus RVGreport 2010, 163: „Rechtsprechungsübersicht zum RVG Teile 4 – 7 VV RVG aus den Jahren 2008 – 2010 – Teil 3“ online gestellt worden. Der Volltext steht dort zum kostenfreien Download bereit.  Er enthält die tabellarische Zusammenstellung der Rechtsprechung zu den Nrn. 4141 ff. VV RVG aus den Jahren 2008 bis Anfang 2010. Den ein oder anderen Rechtsanwalt/Verteidiger dürfte der Beitrag interessieren. Herzlichen Dank an die Schriftleitung von RVGreport und an LexisNexis für die Zustimmung zur Einstellung.

Wochenspiegel für die 19. KW – oder wir schauen mal wieder über den Tellerrand

Berichtenswert aus der letzten KW sind für mich:

  1. Der Frage: „Gibt es noch funktionierende Blitzer? ist Red_Tape nachgegangen.
  2. Die durch das sog. Gesetz zur Effektivierung des Strafverfahrens geplante „Aussagepflicht bei der Polizei“ war auch noch einmal Thema.
  3. Mit der „Einwilligungserklärung zur freiwilligen Blutprobenentnahme“ befasst sich RA Melchior.
  4. Ob guter Rat, ob unbefriedigender Rat – Geld kosten sie alle, meint RAin Braun hier.
  5. Mit den Problemen des „Bergaufwärtsfahrenden“ befasst sich der Schadenfixblog.
  6. Auf eine Entscheidung des AG Ahrensburg zum (nach)denkenden Polizeibeamten wird hier hingewiesen.
  7. Was ist „eine neue Ramsau?

Das Schwätzchen zum Jahrestag :-), oder: Man lernt nie aus

Ich hatte ja gerade schon gepostet, dass ich mir zur Feier des Tages heute auch mal ein Schwätzchen erlaube.

Eingehen will ich auf eine schon etwas zurückliegende Begebenheit: Ich befand mich auf der Rückfahrt vom OLG Hamm nach Münster. Im Bereich einer „gefährdeten“ (= häufige Geschwindigkeitsüberwachungen) Stelle wird mal wieder kontrolliert. Ich denke nicht an die Gefahr und fahre zu schnell. Nicht viel, aber es reicht, um herausgewunken zu werden. Der Polizeibeamte verweist mich an seine beiden Kollegen, die in einem Bulli auf mich warten und gleich das Gespräch damit eröffnen: „Sie sind geblitzt worden, Sie waren zu schnell, kostet 20 €“. Na ja, geblitzt hatte es nicht, aber was soll es, dachte ich. Für 20 € machste kein Theater, zumal ich es eilig hatte. Ich habe also bezahlt, konnte mir dann aber beim Aussteigen es dennoch nicht verkneifen, Folgendes anzumerken:

Ich: „War jetzt für mich sehr lehrreich“.

PB 1: “ Ja, Sie fahren jetzt hier sicher nicht mehr zu schnell.“

Ich: „Nee, nicht deshalb, sondern ich frage mich, wann ich denn belehrt und angehört worden bin. Also §§ 55 OWi, 136 StPO“.

PB 2: „Hm, wie meinen Sie das denn?“

Ich:: „Ich kann mich nicht erinnern, dass Sie mich über mein Schweigerecht belehrt haben“.

PB 1: Aber, wir haben Ihnen doch gesagt, dass Sie zu schnell gefahren sind.“

Ich: „Das dürfte kaum ausreichen..“

PB2: „Mal ne Frage: Was sind Sie denn von Beruf?“

Ich: „Richter am OLG. Und ich habe gerade gelernt, dass an dem, was man immer wieder in den Akten liest, dass nämlich nicht belehrt wird, doch wohl etwas dran ist.“

PB1 und PB2: Schweigen.

Ich: „Schönen Tag noch meine Herren. Man lernt eben nie aus.“