Archiv für den Monat: Mai 2010

Pflichtverteidiger auch bei Sicherungshaft… entsprechende Anwendung des (neuen) § 140 I Nr. 4 StPO

Eine Entscheidung habe ich dann noch zum neuen § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO: Das AG Aschersleben hat in seinem Beschluss v. 14.04.2010 – 6 VR Js 23/10 die neue Vorschrift entsprechend angewendet, wenn gegen gegen den Verurteilten Sicherungshaft vollstreckt wird. In dem leider nur sehr knapp begründeten Beschluss heißt es nur:

„Zwar wird gegen den Verurteilten Sicherungshaft gem. § 453 c StPO vollstreckt, jedoch ist entsprechend § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO ein Verteidiger zu bestellen, weil vorliegend die Haftgründe des § 112 StPO Anwendung finden.“

Lässt sich sicherlich hören und sollte und wird Verteidiger freuen.

OLG Düsseldorf: Erstes Obergericht zu den neuen §§ 140 Abs. 1 Nr. 4, 142 Abs. 1 StPO: Wenn Vorschrift nicht beachtet, ist Pflichtverteidiger auszuwechseln

Durch das Gesetz zur Änderung des Untersuchungshaftrechts v. 29.07.2009 ist § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO neu eingeführt worden. Nach der Neuregelung ist dem Beschuldigten ein Pflichtverteidiger beizuordnen, wenn gegen ihn U-Haft nach den §§ 112, 112a StPO oder einstweilige Unterbringung nach § 126a StPO oder nach § 275a Abs. 5 StPO vollstreckt wird.

Zu dieser für die Praxis wesentlichen Änderung liegt jetzt erste obergerichtliche Rechtsprechung vor.  Das OLG Düsseldorf (Beschl. v. 16.04.2010 – III-4 Ws 163/10) und das LG Frankfurt/Oder (StV 2010, 235) haben zum Beiordnungsverfahren Stellung genommen. Das OLG Düsseldorf weist insbesondere darauf hin, dass auch im Beiordnungsverfahren nach § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO die Vorschrift des § 142 Abs. 1 StPO zu beachten sei, also eine ordnungsgemäße Fristsetzung i.S. des § 142 Abs.1 StPO erfolgen müsse, wobei das OLG die Frage, wie lang die Frist sein kann bzw. muss, allerdings offen gelassen hat. Das LG Frankfurt/Oder (a.a.O.) verlangt die Belehrung des Beschuldigten darüber, dass er innerhalb einer zu bestimmenden Frist einen Anwalt seines Vertrauens als Pflichtverteidiger benennen kann.

Schön das weitere Vorgehen: Ist eine ordnungsgemäße Fristsetzung bzw. Belehrung nicht erfolgt, ist die Beiordnung eines vom Beschuldigten nicht gewünschten Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger auf die Beschwerde hin aufzuheben. Das nimmt m.E. der in Verteidigerkreisen immer wieder zu hörende Befürchtung, die neue Vorschrift könne dazu missbraucht werden, nicht beliebte Verteidiger aus den Verfahren heraus zu halten, zumindest teilweise die Relevanz.

OLG Düsseldorf dann noch mal zur Videomessung… Verteidiger geht „an der Problematik vorbei“

Es war ja zu erwarten, dass die OLGs nach der Entscheidung des BVerfG zur Videomessung v. 11.08.2009 die Messverfahren würden abarbeiten und jeweils zur Frage der Verwertbarkeit würden Stellung nehmen müssen. Das hat jetzt das OLG Düsseldorf im Beschl. v. 06.05.2010 – IV-3 RBs 36/10 für das Lasermessgerät Riegl FG-21P getan und ausgeführt:

Soweit sich der Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. August 2009 (vgl. BVerfG NJW 2009, 3293 f) auf ein Beweisverwertungsverbot berufen hat, geht seine Argumentation angesichts der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen an der Problematik vorbei.

Das angefochtene Urteil enthält weder die Feststellung, dass eine Videoaufzeichnung vom Betroffenen angefertigt wurde, noch dass alle Fahrzeuge, die im Messzeitraum die Bergische Allee befuhren, kontinuierlich aufgenommen und die entsprechenden Aufnahmen durch Speicherung festgehalten wurden. Nach der Rechtsprechung des Senats kommt ein Beweiserhebungsverbot indessen nur dann in Betracht, wenn eine verdachtsunabhängige Aufzeichnung erfolgt (vgl. Senat, Beschluss vom 9.2.2010 [III-3 RBs 8/10]).

Darüberhinaus ist dem Senat aus eigener Anschauung bei einer Demonstration dieses standardisierten Messverfahrens bekannt, dass mit dem vorliegend verwendeten Gerät Riegl FG-21P keine dauerhafte Bildspeicherung durchgeführt wird. Vielmehr wird aufgrund eines konkreten Verdachts nach Anvisierung eines Fahrzeugs durch Auslösen einer Taste eine kurzzeitige Speicherung der ermittelten Geschwindigkeit und der konkreten Zeit ohne Bildaufzeichnung des gemessenen Fahrzeugs vorgenommen. Diese Daten werden bei einem weiteren Betätigen der Auslösetaste gelöscht. Insofern ist bei Verwendung dieses Geräts eine Verwertung der ermittelten Daten uneingeschränkt zulässig.“

Na ja: „… an der Problematik vorbei…“ ist eine „unschöne Formulierung.

Notare aufgepasst…

Der BGH hat jetzt im Beschl. v. 07.04.2010 – 2 StR 153/09 entschieden:

Ein Notar, der schon vor der Beurkundung Kenntnis von einem von den Kaufvertragsparteien zum Nachteil des finanzierenden Geldinstituts geplanten Betrug erlangt hat und trotzdem hinterlegte Gelder auszahlt, verstößt gegen § 54d Nr. 1 BeurkG und handelt pflichtwidrig im Sinne des § 266 StGB.“

Lenkzeitenüberschreitung – Kein Schadensersatz vom Arbeitgeber, auch wenn er Druck gemacht hat

Zu dem gerade eingestellten Beitrag: „Lenkzeitenüberschreitung Geldbußenübernahme kein Arbeitslohn“ passt ganz gut das Urteil des LAG Rheinland-Pfalz v. 26.01.2010 – 3 Sa 487/09, über das das Beck-Blog vor einiger Zeit auch bereits berichtet hatte. Das LAG formuliert kurz und knapp:

Vielmehr ist es dem Kläger zumutbar gewesen, sich den (vom Kläger behaupteten) Anordnungen seines Arbeitgebers (bzw. des „Junior-Chef“ M. S. und des Disponenten Sch.) zu widersetzen. Insoweit ist es anerkanntes Recht, dass entgegenstehende Anordnungen seines Arbeitgebers den Arbeitnehmer (Fahrer) grundsätzlich nicht entlasten und (auch) daher nicht zu einem Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Erstattung einer verhängten Geldbuße führen… Die im Bußgeldbescheid zitierten Bußgeldvorschriften dienen der Sicherheit im Straßenverkehr. Sie dienen (auch) dem Schutz von Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer. Beachtet der Berufskraftfahrer diese Vorschriften, muss er angesichts des materiellen Arbeitsrechts (§ 626 BGB; § 1 KSchG; § 273 BGB; § 612a BGB) und angesichts des umfassenden Systems gerichtlichen Rechtsschutzes (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG) keine rechtlichen Nachteile im und für das Arbeitsverhältnis (etwa in Form einer Kündigung) befürchten. Den rechtstreuen Arbeitnehmer schützt die Rechtsordnung. Aus diesem Grunde ist es vorliegend dem Kläger zumutbar gewesen, sich unzulässigen, von Arbeitgeberseite erteilten Anordnungen (- sollten diese erfolgt sein -) zu widersetzen.

Na dann, los 🙂