Archiv für den Monat: Januar 2010

Verfassungswidrige Videomessung und Fahrtenbuch: Fernwirkung oder Auswirkungen, an die man erst gar nicht denkt

Hier eine ganz interessante Entscheidung des VG Oldenburg v. 19.01.2010 – 7 B 3383/09, die in Zusammenhang mit der verfassungswidrigen Videomessung steht und aufzeigt, dass die Entscheidung des BVerfG v. 11.08.2009 Auswirkungen an Stellen hat, an die man auf den ersten Blick gar nicht denkt – jedenfalls ich nicht, was ich einräume. Das VG Oldenburg hat nämlich unter Hinweis auf die Entscheidung des OLG Oldenburg zum Beweisverwertungsverbot in den Fällen darauf hingewiesen, dass dann, wenn Grundlage der Anordnung der Führung eines Fahrtenbuches (§ 31a StVZO) zwar ein Abstandsverstoß  durch einen letztlich nicht zu ermittelnden Fahrer gewesen ist, aber erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit und damit die Verwertbarkeit der durch das Messsystem gewonnenen Daten bestehen, es an einem tatbestandsmäßigen Anknüpfungspunkt für die Auferlegung des Fahrtenbuchs fehlt. Also eine Art „Fernwirkung“ der Entscheidung des BVerfG, die der Rechtsanwalt bei der zunehmenden Tendenz zum Fahrtenbuch (s. dazu auch der 48., VGT) nicht übersehen sollte.

48. VGT fordert ua. Änderungen bei der Halterhaftung

Gestern ist dann der 48. Verkehrsgerichtstag zu Ende gegangen. Mal sehen, was aus den Ergebnissen wird. Dre Bundesgesetzgeber ist ja aufgefordert bei der Halterhaftung was zu tun. Schauen wir mal, ob Schwarz-Gelb das tut und vor allem: Ob man das verfassungskonform auf die Reihe bekommt.

Halterhaftung auch für den fließenden Verkehr? Ist das noch verfassungsgemäß?

Immer wieder was Neues: Jetzt – nach der Frage: Kommt die Maut? – die Einführung der Halterhaftung für Zuwiderhandlungen im fließenden Straßenverkehr. Unsere Regierung schiebt es natürlich auf die EU und die entsprechende Richtlinie des Europäischen Parlaments. M.E. hat der DAV Recht, wenn er die „Halterhaftung“ wegen Verstoßes gegen den Grundsatz, dass es keine „Strafe ohne Schuld“ geben darf, als verfassungswidrig ansieht. In der Tat besteht die Gefahr, dass es die Einführung zu Entwicklungen führ, bei denen sich die Behörden nicht einmal mehr die Mühe machen würden festzustellen, wer ein Verstoß begangen hat, sondern bevorzugt eben – weil es so einfach ist – den Halter heranziehen. Man muss sich das mal vorstellen: Ich verleihe meinen Pkw und hafte dann für alle OWis, die der Entleiher damit begangen hat. Und wenn es ein Familienangehöriger ist: Habe ich dann ein Zeugnisverweigerungsrecht? Oder schaffen wir das auch gleich ab.

Doppelte Untätigkeit des Amtsrichters…. nachträgliche Beiordnung des Pflichtverteidigers

Nicht selten wird in der Praxis mit der Bescheidung eines Antrags auf Beiordnung eines Pflichtverteidiger gewartet, bis die Sache „entscheidungsreif“ ist = ggf. nach § 154 StPO eingestellt wird. Dann ist das Verfahren beendet und eine Beiordnung kommt nicht mehr in Betracht. Dem hat jetzt das LG Halle einen Riegel vorgeschoben und eine doppelte Untätigkeit des Amtsrichters beanstandet; nämlich Antrag nicht beschieden und auf die (Untätigkeits)Beschwerde des Verteidigers auch nichts unternommen = der Beschwerde nicht abgeholfen. Das LG hat dann „nachträglich“ beigeordnet. Alles nachzulesen bei LG Halle, Beschl. v. 28.12.2009, 6 Qs 69/09

Hehlerei reicht nicht für DNA-Feststellung

In der Praxis macht die Vorschrift des § 81g StPO nicht selten Schwierigkeiten. Gemäß § 81g Abs. 1 StPO dürfen einem Beschuldigten, der einer Straftat von erheblicher Bedeutung verdächtig ist, zum Zwecke der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren Körperzellen entnommen und zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters molekulargenetisch untersucht werden, wenn wegen der Art oder Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Beschuldigten oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, dass gegen ihn künftig erneut Strafverfahren wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung zu führen sind.

Das OLG Celle hat jetzt in einem Beschl. v. 07.12.2009 – 1 Ws 556/09 darauf hingewiesen, dass dafür eine Verurteilung wegen Hehlerei nicht ausreicht. Zwar störe die den Rechtsfrieden. Anlässlich des Begehens einer Hehlerei sei regelmäßig nicht mit dem Auffinden von DNA-Spuren zu rechnen, so dass die Entnahme von Körperzellen insoweit nichts bringe.