Glück hatte ein Betroffener, dem u.a. in Zusammenhang mit einer Verkehrskontrolle auch Beleidigung vorgeworfen worden war. Ausgangspunkt war folgender Sachverhalt: Der geschädigte Mitarbeiter des Ordnungsamtes führte am 31. 10. 2008 von 13.08 bis 14.45 Uhr in der Sch. eine Geschwindigkeitsüberwachung durch. Im landgerichtlichen Urteil heißt es dann weiter:
„Gegen 14.31 Uhr sei ein Lieferwagen der Marke Opel mit dem amtlichen Kennzeichen R… an dem Messwagen vorbeigefahren. Dieses Fahrzeug habe ca. drei bis vier Meter davor komplett auf dem Gehweg im absoluten Halteverbot gehalten. Da es sich an dieser Stelle um einen Schulweg handele, habe er den Fahrer auf sein Fehlverhalten angesprochen und gebeten, das Fahrzeug woanders zu parken. Darauf habe dieser geantwortet: „Wen stört das und was geht dich das an, ich muss liefern.“ Daraufhin habe er – der Geschädigte – von dem Fahrzeug Fotos gefertigt und eine Mitteilungskarte ausgefüllt. Als er die Karte an dem Lieferwagen festklemmen wollte, sei der Fahrer zurückgekommen. Er habe diesem die Karte überreicht. Der Fahrer habe kurz darauf geschaut und gesagt: „Was soll ich damit, Arschloch“, die Karte auf den Boden geworfen und sei dann zu seinem Fahrzeug gegangen. Dabei habe der Fahrer sich mehrfach zu ihm umgedreht und noch drei- bis viermal Arschloch gerufen.
Das Verfahren entwickelt sich wie folgt:
- Verwarnung wegen Parkens im absoluten Halteverbot. Der Angeklagte zahlte das Verwarngeld in Höhe von 25 €, womit dieses Verfahren abgeschlossen war.
- Desweiteren erließ die Oberbürgermeisterin unter dem 12. 12.2008 wegen Verschmutzung einer Straße durch Wegwerfen von Papier (Verstoß gegen § 3 Abs. 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 Nr. 2 der Ordnungs- und Sicherheitsverordnung der Stadt R.) einen Bußgeldbescheid über 30 €. Dagegen legte der Angeklagte Einspruch ein. Das Verfahren wurde in der Hauptverhandlung nach § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt.
- In einem getrennten Verfahren Strafbefehl wegen Beleidigung. In dem ist der Angeklagten zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 30 € verurteilt worden.
Dagegen die erfolgreiche Revision des Angeklagten. Der OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.03.2012 – III-3 RVs 28/12 – geht von Strafklageverbrauch aus:
„Durch die im Bußgeldverfahren … Einstellung nach § 47 Abs. 2 OWiG ist Strafklageverbrauch eingetreten. Denn das vorgenannte Verfahren hatte dieselbe Tat zum Gegenstand wie das vorliegende Strafverfahren. Gem. Art. 103 Abs. 3 GG darf niemand wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden („ne bis in idem“-Grundsatz). Dabei entspricht der Tatbegriff des Art. 103 GG dem des § 264 Abs. 1 StPO (Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 264 Rn. 1). Die Sperrwirkung reicht allerdings nur so weit, wie die Sachentscheidung durch ein deutsches Strafgericht auf Grund des Bußgeldbescheides geboten war (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., Einl. Rn. 173 zur Anklage und zum Eröffnungsbeschluss). Die Verfahrenseinstellung nach § 47 Abs. 2 OWiG durch Beschluss vom 27. März 2009 bezog sich auf dieselbe Tat, die auch Gegenstand dieses Strafverfahrens ist. Denn das gesamte, dem Angeklagten angelastete Verhalten – Wegwerfen der Mitteilungskarte unter mehrfachem Ausruf des Wortes „Arschloches“ gegenüber dem Mitarbeiter des Ordnungsamtes – stellt sich als historisch einheitlicher Vorgang dar. Dies war für den Bußgeldrichter auch aufgrund der in der Akte befindlichen Anzeige des Zeugen R. ersichtlich, auch wenn der Bußgeldbescheid den Tatbestand der Beleidigung nicht erwähnt.
In der in Literatur und Schrifttum umstrittenen Frage, inwieweit ein Beschluss nach § 47 Abs. 2 OWiG als Opportunitätsentscheidung ebenso wie die in § 84 Abs. 2 OWiG genannten Entscheidungen Bindungs- und Sperrwirkung für ein nachfolgendes Strafverfahren entfalten kann, schließt sich das OLG der h.M. an, die für die Verfolgung derselben Tat auch unter dem Blickwinkel einer möglichen Straftat unter Bezugnahme auf § 211 StPO mindestens das Vorliegen neuer Tatsachen oder Beweismittel verlangt, die dem Einstellungsbeschluss die Grundlage entziehen. Mehr dazu im Beschluss.